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Soziologische Klassiker/ Geschlechterforschung/ Carol Hagemann-White

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Carol Hagemann-White

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„geschlechterspezifisches Verhalten“

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Hagemann-White befasst sich mit dem Begriff „geschlechtertypisches Verhalten“.[1] Ihrer Meinung nach gibt es keinen bedeutenden Unterschied zwischen den Geschlechtern. Vielmehr verfügen sowohl Jungen wie auch Mädchen über eine ähnliche Ansammlungen von Verhaltensmustern , die im Alltag jedoch geschlechterabhängig angewandt, bzw. wahrgenommen werden. Somit wird gleiches Verhalten von den verschieden Geschlechtern unterschiedlich zur Kenntnis genommen und interpretiert. Es kann zu einer Aneinanderreihung von Voraussetzungen kommen, die das Verhalten von einem Geschlecht wahrscheinlicher machen. Laut dieser These wäre das Geschlecht somit einer von mehreren ausschlaggebenden Faktoren des Handelns und Verhaltens, der jedoch für sich alleine stehend nicht aussagekräftig ist.

Wird ein Verhalten beobachtet, bei dem es den Anschein macht, bei einem Geschlecht häufiger oder intensiver aufzutreten, als bei dem anderen so spricht man von „geschlechtertypischen Verhalten“.

Wichtig ist zudem, dass die Unterscheiden zwischen den Geschlechtern und deren Verhalten nicht annährend so stark variieren wie innerhalb eines Geschlechts. Selbst bei den größten Differenzen zwischen den Geschlechter wird man innerhalb eines Geschlechts immer größere Unterschiede in den Ausprägungen finden. Aufgrund der Situationsabhängigkeit des geschlechterspezifischen Verhaltens kann es laut Hagemann-White, zu keinen eindeutigen Forschungsergebnissen kommen.

Sozialisation „männlich“-„weiblich“?

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Hagemann-White vertritt die Auffassung, dass bisherige empirische Studien keinen Zusammenhang nachweisen können zwischen biologischen und physischen Eigenschaften und dem Geschlechterunterschied.[2]

Viel mehr wird durch die geschlechterspezifische Erziehung ein Sozialcharakter anerzogen. In ihren Werken versucht sie zu veranschaulichen, in wie weit die Sozialisation zu den Geschlechterunterschieden führt.

In der Familie

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Hagemann-White bezieht sich in ihrer Studien auf mehrere Untersuchungen (u.a. vom Moss 1974, Newson&Newson 1978, Fagot 1975) die ergaben, dass bis zum Vorschulalter weder motorische noch geistige Unterschiede bestehen. Daraus folgert sie, dass das gezielte Fördern bzw. nicht Fördern der beiden Geschlechter zu Unterschieden führt. Zum Beispiel in dem unterschiedlichen Angebot der Sportaktivitäten, werden unterschiedlich nach Geschlecht, bestimmte Motoriken trainiert (Jungen Fußball,Mädchen Bodenturnen). Daraus resultiert laut Hagemann-White auch der Unterschied des räumlichen Denkens, das bei Fußball spielen gefördert wird.[3]

Zudem ist zu beobachten das Jungen in der Schule generell mehr gefördert werden als Mädchen. Es gibt spezielle Förderklassen für leseschwache Kinder, aber es existiert kein vergleichbares Angebot zur Förderung des räumliches Denkvermögen auf Seiten der Mädchen.

Laut Hagemann-White „unterscheiden“ sich die Geschlechter in Eigenschaften die erlern- und verbesserbar sind. Das allgemeine Vorurteil, dass Jungen ein besseres mathematisches Denkvermögen besitzen als Mädchen, erklärt Hagemann-White durch Statistiken, die deutlich machen, dass viel mehr Jungen als Mädchen Mathematik in der Schule belegen.

Zudem zeigen die Variablen „Schicht“ und „Geschlecht“ einen starken Zusammenhang, wenn es um die kognitiven Eigenschaften der Geschlechter geht. Somit zeigt sich, dass es sich nur um erlernte Eigenschaften handeln kann.

Bedingt durch Geschlechternormen kann dasselbe Verhalten geschlechterspezifisch eine andere Bedeutung haben. Eine große Rolle spielen zudem die Altersnormen, die dafür sorgen, dass sich die Geschlechternormen verändern. Das bedeutet, dass in verschiedenen Altersphasen 'Weiblichkeit' und 'Männlichkeit' unterschiedlich definiert werden. Daraus lässt sich schließen, dass auch die Erziehung sich alterspezifisch auswirkt.

Tendenziell haben die Erziehenden von vornherein unterschiedliche Erwartungen und Auffassung an die „männlichen“ oder „weiblichen“ Kinder. Für Akteure spielt das Geschlecht eine zentrale Rolle. Bevor jegliche Interaktion statt finden kann, müssen Informationen vorhanden sein, im Zweifelsfall (z.B. Kleinkindern) muss vermutet werden.

In unserer Kultur gilt das Geschlecht als primäre Information, die selbst bei der flüchtigsten Interaktion realisiert wird.[4]

Nachdem Mädchen stärker der Gefahr des sexuellen Missbrauchs ausgesetzt sind, werden sie mehr eingeschränkt was ihre Mobilität außerhalb des Wohnraumes betrifft. Im Gegensatz zu männlichen Kindern, spielen sie viel mehr drinnen und werden so automatisch stärker und ungewollt dem „Druck der normativen Erwartungen der Eltern“ ausgesetzt. Die Söhne können sich so unabsichtlich stärker dem Vorschriften und Erwartung der Eltern entziehen, da sie sich öfter außer Haus befinden.


Erziehung in öffentlichen Einrichtungen

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In erzieherischen Einrichtungen gehört es zum Erziehungsalltag, dass „weibliche“ und „männliche“ Kinder unterschiedlich angesprochen und behandelt werden. Dies führt verstärkt zur geschlechtlichen Rollenzuweisung des Individuums.[5]

Diese Vorgehensweise verstärkt zudem die Abgrenzung der beiden Geschlechter zueinander. Vor allem die Bildung einer „Subkultur der Jungen in ihrer Abgrenzung gegen alles Weibliche“ ist zu erkennen.

Laut Studien (DETAILS)erhalten die „männlichen“ Kinder durchschnittlich mehr Aufmerksamkeit als die 'weiblichen' und lernen somit sich mehr in den Mittelpunkt zustellen. 'Gehorsamkeit' und 'Fleiß' sind Eigenschaften die den Mädchen zugeschrieben werden und von den Jungen wird verlangt diese 'Weiblichkeit' anzunehmen. Da kann es zu einem sozialen Druck kommen, dem sich die männlichen Kinder ausgesetzt fühlen. Im Gegensatz dazu stehet es den Mädchen frei sich 'männliche' Eigenschaften an zu eignen. Weder das Erlangen noch das nicht Erlangen wird bei Mädchen getadelt.


„Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ als messbare Persönlichkeitsmerkmale

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Um „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ zu messen kann man sich in empirischen Studien auf die Selbsteinschätzung der Befragten berufen. Dabei wird jedoch die Realität (tatsächliches Verhalten) nicht berücksichtigt. Kinder im Vorschulalter benennen klar die weiblichen und männlichen Stereotypen, wenn man sie danach fragt, was sie unter als „weiblich“ und „männlich“ verstehen. Bei der Selbstbeschreibung weichen sie jedoch stark von diesen Typen ab.[6]


Sich selber Eigenschaften des „anderen“ Geschlechts zu zuschreiben steigert bei beiden Geschlechtern das Selbstbewusstsein. Somit haben Jungen die an sich „weibliche“ Eigenschaften erkennen ein höheres Selbstwertgefühl, umkehrt gilt das gleiche für Mädchen.

Literatur

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  • Carol Hagemann-White (1984)
    Sozialisation: weiblich-männlich?
    Leske Verlag und Budrich GmbH Meisenheim

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Hagemann-White, 1984, S.12
  2. Vgl.Hagemann-White, 1984 S.9
  3. Vgl. Hagemann-White, 1984, S.48
  4. Vgl. Hagemann-White, 1984, S.50
  5. Vgl. Hagemann-WHite, 1984, S. 63
  6. Vgl.Hagemann-White, 1984 S. 25