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Soziologische Klassiker/ Geschlechterforschung/ Zukunftsorientiertes Geschlechterverhältnis

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Ansätze für die zukünftigen Geschlechterverhältnisse

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Otten

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Der Wertewandel ist weiblich

Das Allensbacher Meinungsforschungsinstitut von Elisabeth Noelle - Neumann beobachtet seit den 50er Jahren des 20.Jahrhunderts den Wandel von Denkmustern und Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft. Otten erweitert die Ergebnisse des Wertewandels, welche aus verschiedenen Studien aus den 60er, 70er, 80er und 90er Jahren stammen, durch die Aufarbeitung der Trennung der Befragten nach Geschlecht und kommt zu erstaunlichen geschlechtsspezifischen Komponenten, die sich aus dem Wertewandel ablesen und erkennen lassen.

75 Prozent der Männer orientieren sich weiterhin an einer materiellen Grundhaltung, der Hauptakzent liegt auf dem Anstreben finanziellen Erfolges durch schnelles Geld, das sich Leisten können von Statussymbolen und dem Streben nach sexueller Befriedigung. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit im Beruf spielen dabei nur bei einer Minderheit eine gewichtige Rolle.

Die Frauen setzten sich ganz andere Ziele in ihrem Leben. Sie sind besonders stark an der eigenen persönlichen Entwicklung interessiert, die Selbstbestimmung in ihrem beruflichen und privaten Bereich hat einen extrem hohen Stellenwert angenommen. Auch die Vereinbarkeit von der Karriere und mütterlichen Bedürfnissen lassen sich kombinieren, wobei die Punktsetzung nicht auf materiellen Erfolg beruht.


Kommunikation

Otten stellt sich die Frage, ob eine Kommunikation zwischen den Geschlechtern aufgrund verschiedener Strategien und Herangehensweise überhaupt möglich ist. Dabei lehnt er sich an die Studie von Deborah Tannen an, die 1990 kommunikationssoziologische Untersuchungen durch führte, um bestimmte geschlechtsspezifische Problemlösungsverfahren genauerer Analyse zu unterwerfen. Dabei stehen weibliche und männliche Strategien des Alltags im Vordergrund.

Die zwei gängigsten Varianten Alltagsproblemen entgegenzutreten betreffen die Strategie der Netzwerke oder der Hierarchie. Die Strategie der Netzwerke umfasst das Verbinden und Anordnen von Elementen auf einer Ebene, alles was in diesem Netzwerk existiert überliegt einer allgemeinen Verknüpfung. Die andere Strategie beinhaltet das Über- und Unterordnen innerhalb eines Systems, alles Elemente werden hierarchisch angeordnet. Das hierarchische System wird mit der idealen Ordnung eines System in Verbindung gebracht, wohingegen der Netzwerkstrategie diese Akzeptanz nicht entgegengebracht wird. Die unterschiedliche Informationsverarbeitung in männlichen und weiblichen Gehirnen führt zu einer differenzierten Auswahl der angesprochenen Strategiemöglichkeiten. Tannen geht davon aus, dass der Mann “jede, aber auch jede Kommunikation geradezu zwanghaft als Rangordnungssituation” [1] versteht. Mit Rangordnung soll hierbei die Schaffung einer hierarchischen Ordnung gleichgesetzt werden, die im Strategiesystem der Hierarchie zu finden ist. Wie hoch ein Rang ist, desto höher ist auch die Kompetenz dessen, der diesen Rang besetzt. Die Bedeutung der unterschiedlichen Ränge bringt bestimmte Möglichkeiten mit sich, sich als Mann in diesem Hierarchiesystem zu bewegen. Die Kommunikation macht dabei deutlich welchen Rang ein Mensch innehat, dieser steht in engen Zusammenhang mit Über- und Unterordnung. Frauen hingegen nehmen Kommunikation im Sinne von Austausch und eine gemeinsam erfahrbaren Grundlage wahr. Carol Gilligan hat die unterschiedlichen Blickwinkel herangezogen, um männliche und weibliche Wahrnehmung klar voneinander abzugrenzen und damit das Bevorzugen von geschlechtstypischen Strategiemuster zu belegen. Dabei beleuchtet sie die weibliche und männliche Wahrnehmung in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen. Mädchen und Frauen sehen in solchen Beziehungen wie Freundschaft und Familie ein Netzwerks, welches aufgrund von bestimmten Bedingungen zusammengehalten wird. Jungen und Männer sehen gerade in Bezug auf das eigene Geschlecht eine hierarchisch angelegte Pyramide, wobei einzelne Ränge stets geprüft werden. “Frauen neigen dazu, sagt sie, gemeinsame Grundlagen und Übereinstimmungen mit anderen zu suchen; Männer hingegen haben die Tendenz, mit anderen zu wetteifern und sich an ihnen zu messen.”[2] Alltagsstrategien werden unter diesem Aspekt von zwei unterschiedlichen Warten aus angegangen. Mann und Frau treffen sich irgendwo in der Mitte. Gilligan verweist auch auf Wahrnehmung jedes Geschlechts auf sich selbst. Frauen nehmen stärker als Männer ihr soziales Umfeld und deren Bedürfnisse wahr, oftmals mangelt es dabei an einem zielgerichtet Blick auf sie selbst, der bei anderen ernster genommen wird. Männer dagegen nehmen in erster Linie sich selbst innerhalb eines Systems wahr. Ergebnis dabei ist, dass es zwei Möglichkeiten gibt zu kommunizieren, entweder hierarchisch orientiert oder vernetzt. Otten verwendet für das netzwerkartige kommunizieren den Begriff der Symplegmie (Griechisch: Symplegma = Ordnung unter Gleichen). Um in der Hierarchie Rangordnungen bilden zu können, bedarf es der Kommunikation, welche auf einem riesigen Rapportwesen basiert. Die Kompetenzzuteilung jedes Ranges erfolgt der Anordnung innerhalb der hierarchisch angelegten Pyramide, je höher ein Rang der Spitze nahekommt, desto breiter ist das Informationsangebot und desto größer ist auch die Kompetenz. Otten verweist dabei auf eine mögliche Anwendung des hierarchischen Prinzips, der Bürokratie. Dagegen beruht die vernetze und symplektische Kommunikation auf einen anderen Konzept, welches daran interessiert ist, eine Gesprächsordnung herzustellen und ihren Akzent auf die gleichberechtigte Weitergabe der erhaltenen Informationen.


Zukunftsfähigkeit

Die zwei vorhin angesprochenen Kommunikationsstile können auch als unterschiedliche Bewältigungsstrategien in kritischen Alltagssituationen gesehen werden. Beide Strategien haben Vor- und Nachteile und erweisen sich in bestimmten Situationen als vielversprechend und wirkungsvoll. Um die Kommunikation zukunftsfähig zu gestalten, wäre es von beiden Geschlechtern wünschenswert, die eigene Perspektive mit anderen zu ergänzen oder zu kombinieren, um somit vielleicht zusammen ein besseres Konzept im Interaktionsumgang der Geschlechter zu erreichen.

Judith Butlers Gender Trouble

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Das Buch Gender Trouble ist Butlers bisher einflussreichstes Werk und kann als akademischer Bestseller der feministischen Wissenschaft betrachtet werden. In ihm wird von der Annahme ausgegangen, dass das biologische und das soziale Geschlecht nicht natürlich vorgegeben ist. Butlers Bemühen gilt der Unterbrechung der Gender - Kategorien, welche das System der Geschlechterhierarchie und die Zwangsheterosexualität tragen. Sie versucht Gender und andere Identitätskategorien des biologischen Geschlechts als Resultat bestimmter gesellschaftlicher Relationen zu erklären. Welches der beiden Geschlechter Anspruch auf bestimmte Identitätskategorien erhält, wird dadurch nicht festgelegt und ermöglicht einen neutralen Blick. Im allgemein versucht Butler die Barrieren des Geschlechterverhältnisses aufzubrechen. Bewusst lässt sie den Streit um die Vormacht der Geschlechter in den Hintergrund treten, um einen Weg der Gleichberechtigung für die Zukunft zugänglich zu machen. (Im Mittelpunkt Butlers Diskussion stehen Beiträge der AutorInnen Michel Foucault, Sigmund Freud, Jacques Lacan, Claude Levi - Strauss, Luce Irigaray, Monique Wittig, Julia Kristeva und Joan Riviere.)

Bulter Dekonstuktivismus bildet ein Extrem, da sie die weiblichen und männlichen Geschlechtskörper, die sozialen Geschlechtsunterschiede und damit auch die Unterscheidung zwischen Hetero- und Homosexualität komplett destabilisieren möchte. Sie steuert eine Dezentralisierung der Frau an und macht dabei deutlich, dass sich auch in den feministischen Wissenschaftsströmungen unterschiedliche Standpunkte herauskristallisiert haben.


Literatur

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  • Dieter Otten (2000)
    Männerversagen: Über das Verhältnis der Geschlechter im 21.Jahrhundert'
    Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach
  • Matina Löw und Bettina Mathes [Hrsg.] (2005)
    Schlüsselwerke der Geschlechterforschung'
    Erste Auflage
    VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Otten, 2000 Seite 106
  2. Vgl. Otten, 2000 Seite 107