Soziologische Klassiker/ Redfield, Robert

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Biographie in Daten[Bearbeiten]

Redfield Robert

geboren am 4. Dezember 1897 in Chicago/Illinois gestorben am 16. Oktober 1985 in Chicago


Beruf: Anthropologe, Ethnologe und Soziologe

Familienstand: verheiratet mit Margaret

Wohnort: Chicago, für kurze Zeit auch immer wieder in Mexiko

Eltern: dänischer Abstammung

Vater: berühmter Rechtsanwalt


Ausbildung

  • Vor 1920 Laboratory School
College
Universität von Chicago
  • 192 Bachelor Degree cum laude an der juristischen Fakultät
  • 1924 beginnt Anthropologie an der Universität von Chicago zu studieren
  • 1928 Doktor der Philosophie (Ph. D.) in Anthropologie und Soziologie

Berufliche Daten

  • 1914–18 Rettungsfahrer während des 1. Weltkrieges
  • 1920arbeitet in der Anwaltskanzlei seines Vaters
  • 1926reist nach Mexiko um Feldstudien über die mexikanischen Gemeinschaften durchzuführen
  • 1927beginnt an der Universität von Chicago Anthropologie zu unterrichten
  • 1928er wird Assistenzprofessor für Anthropologie
  • 1930 wird er außerordentlicher Professor der Anthropologie;
reist wieder nach Mexiko um an seiner Studie zu arbeiten
  • 1930-43 Research Associate des Carnegie Institute für ethnologische und soziologische Forschungsarbeit in Yukatan und Guatemala
  • 1934–40 Professor und Dekan an der sozialwissenschaftlichen Abteilung
  • 1944 Präsident der American Anthropological Association
  • 1946 er legt sein Amt als Dekan nieder und wird Vorsitzender von der Abteilung der Anthropologie
  • 1952 Redfield hielt an der Cornell University sechs Vorlesungen, die später veröffentlicht wurden


Andere Tätigkeiten[Bearbeiten]

  • 1943–45 wichtige Position in der Kommission der Pressefreiheit
  • 1945 organisierte er die Atomic Energy Control Conference
  • 1945–47 Mitglied im Committee to frame a World Constitution
  • 1948–55 Mitglied im Board of the Social Science Foundation in Denver
  • 1952–55 Mitglied im Board of the American Council of Learned Societies

Historischer Kontext[Bearbeiten]

Vor allem der 1. Weltkrieg (1914-1918) hatte einen wesentlichen Einfluss auf Robert Redfields Leben. Zu dieser Zeit war er als Rettungsfahrer tätig. Redfield musste auch den 2. Weltkrieg(1939-1945) miterleben.

Ab 1926 reiste R. Redfield immer wieder nach Mexiko, um Feldstudien im Besonderen über die sozialgeographischen Aspekte des Dorfes Tepoztlán durchzuführen. Er verfolgte somit das Ende der Mexikanischen Revolution (1910-1929) sowie deren Auswirkungen auf die Bevölkerung mit.


Theoriegeschichtlicher Kontext[Bearbeiten]

Anfangs war Robert Redfield als Rechtsanwalt in der Kanzlei seines Vaters tätig. Diese Arbeit stellte ihn jedoch nicht zufrieden. Deshalb reiste Redfield 1926 nach Mexiko. In Mexiko lernte er den Anthropologen Manuel Gamio kennen. Gamios Ideen und die Umstände der Mexikanischen Revolution weckten in Redfield ein zunehmendes Interesse für die Anthropologie. Als er wieder nach Chicago zurückkehrte konnte ihn sein Schwiegervater Robert Ezra Park (angesehener Soziologe) davon überzeugen, das Studium der Anthropologie zu beginnen. Ab diesem Zeitpunkt war Park nicht mehr nur sein Schwiegervater sondern auch Redfields Lehrer. Eine weitere wichtige Person für Redfields Ausbildung war sein Lehrer Edward Sapir. Sapir war einer der ersten, der die Beziehung zwischen dem Studium der Sprache und der Anthropologie erforschte.

Weiters stand Redfield bei der Entstehung seiner Werke unter dem Einfluss älterer Sozialwissenschaftler wie Lewis H. Morgan, Henry S. Maine, Emile Durkheim oder Ferdinand Tönnies. Die Forschungsmethoden die ursprünglich in Bezug auf die Eingeborenen-Kulturen entwickelt worden waren, wurden von Redfield auf das Studium der „Volkskulturen“ angewandt. In seinem Werk „The Primitive World and its Transformations“ beruft er sich auf die idealtypische Konstruktion eines Kontinuums von Gemeinschaft zur Gesellschaft bei Tönnies. Er verweist weiters auf Durkheim und Maine. Der Begriff der „Folk Society“ entstand, wie es auch Redfield betonte unter dem Einfluss von Ferdinand Tönnies, Emile Durkheim und Henry S. Maine. Dies ist der Grund dafür, weshalb in Redfields Postskriptum „Peasant Society and Culture“ die Integration der ländlichen Gemeinde in der „ganzheitlichen „ Betrachtungsweise im Gegensatz zur städtischen Vergesellschaftung als selbstverständlich vorausgesetzt wird.

Durch Milton Singer (polnischer Anthropologe der 1954 zum Professor der Anthropologieabteilung von Chicago ernannt wurde) begann Redfield seine anthropologischen Studien mit historischen Studien der Zivilisation weiter aufzubauen.


Werke[Bearbeiten]

Die wichtigsten Werke von Robert Redfield:


  • Redfield, Robert 1928: El Capulli barrio en un pueblo mexicano actual
  • Redfield, Robert 1930: Tepoztlan. A Mexican Village. Chicago
  • Redfield, Robert 1934: Chan Kom. A Maya Village. Chicago
  • Redfield, Robert 1939: Primitive Marchants of Guatemala
  • Redfield, Robert 1941: The Folk Culture of Yucatan
  • Redfield, Robert 1950: A Village that Chose Progress
  • Redfield, Robert 1953: The Primitive World and its Transformations. New York
  • Redfield, Robert 1955: The Little Community. Viewpoints for the Study of a Human Whole. Chicago
  • Redfield, Robert 1956: Peasant Society and Culture. An Anthropological Approach to Civilization. Chicago


Redfield schrieb auch eine Anzahl von Aufsätzen, besonders bemerkenswert von ihm ist der Aufsatz

  • The Art of Social Science (American Journal of Sociology, November 1948)


Das Werk in Themen und Thesen[Bearbeiten]

Robert Redfield wird im Bereich der Anthropologie große Aufmerksamkeit geschenkt weil er der Erste war, der die Forschungsmethoden, welche ursprünglich in Bezug auf primitive Eingeborenen-Kulturen entwickelt wurden, auf das Studium der so genannten „Volkskulturen“ (folk societies) anwandte.


Folk societies (Volkskulturen)[Bearbeiten]

Redfield versteht unter Volkskulturen lokal begrenzte Kulturen. Diese Kulturen beruhen auf gemeinsamer Überlieferung, jedoch ist die Überlieferung nicht schriftlich niedergelegt. Volkskulturen sind Kulturen die die weder primitiv noch industriell sind. Es handelt sich meist um sesshafte Bauernkulturen. Die Volkskultur ist häufig ein abgesonderter Bestandteil einer allgemeinen, hauptsächlich abendländischen Zivilisation.


A Study of Folk Life[Bearbeiten]

Mit seinem ersten Werk Tepoztlan: A Mexican Village (1930) ermöglicht Redfield einen genauen Einblick in das Kulturleben des kleinen mexikanischen Dorfes Tepoztlan. Er führte dort eine achtmonatige Feldstudie durch und konnte so die sozialgeographischen Aspekte des mexikanischen Dorfes feststellen. Redfield zeigt auf, dass die Bewohner in Tepoztlan drei Klassen von Kulturen innehaben. Zum Ersten die unveränderten Elemente der indianischen Kultur, weiters die der in Mexiko lebenden Spaniern und zu guter Letzt die der Europäer. In Tepoztlan sind urwüchsige soziale Verbindungen erhalten geblieben, weil ein Wohnortswechsel für die Bewohner eher ungewöhnlich ist. Fast alle Bewohner des Dorfes sind Bauern, deren Leben wie eine veränderungslose Wiederholung wirkt. So könnte festgehalten werden, dass sich die Kultur in Tepoztlan zwischen einer „primitiven“ Stammeskultur und der Kultur der modernen Stadt einordnen lässt.


Folk society – urban society[Bearbeiten]

Für Jahrzehnte waren in der Kulturanthropologie die Begriffe „folk society“ und „urban society“ genau so weit verbreitet wie in der deutschen Soziologie Gemeinschaft – Gesellschaft. Redfield ist der Meinung, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen den „folk societies“ und allen anderen Entwicklungsstufen gibt. Es ist das Fehlen von Reflexion auch bei Veränderungen. Der Lebensablauf ist bestimmt durch Konformität zur Moralordnung, somit gibt es im Selbstverständnis dieser Menschen auch kein Wirtschaften.

Redfield untersuchte im Abstand von 20 Jahren das Maya-Dorf Chan Kom, und konnte dort einen großen Wandel im Bezug auf ihre Tätigkeiten was das Überleben anbelangt, feststellen. Vor allem aber die Moralvorstellungen hatten sich stark geändert. Eines war für Redfield jedoch klar, dass ihr Fehlen von Reflexion immer noch ein absoluter Unterschied zu anderen Kulturen geblieben ist.


Peasant Society (Bauernkultur)[Bearbeiten]

„Peasant Society and Culture“ (1956) – ein Postskriptum von „The Little Community“ – beschäftigt sich mit der Frage wie die Bauernkultur als eine Teil-Gesellschaft im Kontext eines größeren Ganzen beschrieben werden kann. Redfield sieht in Bauernkulturen Volkskulturen (folk societies) deren Merkmal die Agrikultur als traditionelle Lebensweise ist, nicht aber als Profitgeschäft. Bauerngesellschaften sind als abgesonderter Bestandteil einer allgemeinen Zivilisation zu betrachten. Sie sind keine autarken Lokalitäten sondern Teil eines Systems von Abhängigkeiten. Redfield stellte weiters fest, dass die Einstellungen und Werte der Bauerngesellschaft auf der ganzen Welt eng miteinander verbunden sind. Zum Beispiel der große Stellenwert des Bodens, die Bevorzugung von Familie und Gemeinde, Zurückhaltung gegenüber dem städtischen Leben, usw.


Untersuchungsmethode

Redfield vertritt die Anschauung, dass der anthropologisch geschulte Sozialwissenschaftler vom Verständnis einer ganzheitlichen Betrachtungsweise auszugehen hat. Von diesem Punkt aus soll er dann zur Beschreibung von Systemen sozialer Beziehungen fortschreiten. Dieser Vorgang ermöglicht eine Unterscheidung zwischen der „großen Tradition“ der Zivilisation und der „kleinen Zivilisation“ der Bauernkulturen.

Rezeption und Wirkung[Bearbeiten]

In seinem frühesten Werk Tepoztlan: A Mexican Village (1930) beschreibt Redfield genauestens das Alltagsleben eines kleinen mexikanischen Dorfes. Etwa 30 Jahre später war dieses Werk eine Inspiration für den amerikanischen Ethnologen Laurence Wylie. Wylie führte eine sehr ähnliche Feldstudie („Dorf in der Vaucluse“) im süd-französischen Dorf Peyrance durch.

17 Jahre nach dem Redfield seine Forschungen vom mexikanischen Dorf Tepoztlan veröffentlichte, gab auch der Anthropologe Oscar Lewis seine Untersuchungen über dasselbe Dorf preis. Laut Redfield steht Tepoztlan für Ganzheitlichkeit, Homogenität und Solidarität. Lewis hingegen sieht im Dorf Armut, Auseinandersetzungen und Misstrauen. Die unterschiedliche Sichtweise vom gleichen Betrachtungsobjekt ist für den Soziologen Norbert Elias auf den außerwissenschaftlichen Glauben der jeweiligen Forscher zurückzuführen. Das heißt, der Wissenschaftler wird für jene Fakten unzugänglich, die seinem Modell widersprechen.


Literatur[Bearbeiten]

  • BERNSDORF, Wilhelm/KNOSPE, Horst (1980):
    "Internationales Soziologenlexikon. Band 1. 2. Auflage"
    Stuttgart
  • OESTERDIEKHOFF, Georg (2001):
    "Lexikon der soziologischen Werke. 1 Auflage"
    Wiesbaden


Internetquellen[Bearbeiten]