Sprachspiele: In der Gruppe

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Bei Sprach- und Schreibspielen in Gruppen mischen sich die Fantasien, Ideen, Vorhaben von zwei oder mehr Spielern. In einem Miteinander und zum Teil auch Gegeneinander entstehen oft reizvolle Texte, die sich dann noch von den einzelnen Spielern verfeinern und weitertreiben lassen. Im Folgenden werden einige von diesen Spielen beschrieben. Die Beispiele lassen sich übrigens oft auch alleine nachvollziehen.

Weiterschreibspiele[Bearbeiten]

Eine einfache Form von Schreibspielen in der Gruppe sind Weiterschreibspiele. Dabei helfen die Mitspieler zusammen, um einen Text zu schreiben. Weiterschreibspiele kann man auf verschiedenen Ebenen veranstalten.

Die erste Möglichkeit sind Weiterschreibspiele auf Buchstabenebene. Dabei schreibt der erste Spieler einen Buchstaben auf einen Zettel und gibt ihn weiter. Der nächste Spieler schreibt den zweiten Buchstaben des Textes hin und so weiter. Der Reiz daran ist, dass manchmal Wörter entstehen, die zwar nicht im Duden stehen, dafür aber die Phantasie anregen.

Beispiel 
Thorsten hatte Schluckb...
Der eine Spieler hat das Wort Schluckbeschwerden im Sinn, dem anderen, 
der nun dran ist, fällt das nicht ein. Ihm fällt momentan nur das etwas
seltsame, aber lustige Wort Schluckbrei ein. Also geht es vielleicht
so weiter:
Thorsten hatte Schluckbrei im Teller, als er einen...

Dieses Spiel kann man auch alleine spielen - indem man sich vorstellt, man wäre zu zweit. Klingt das schizophren? Egal, es funktioniert. Nachteil von Spielen auf Buchstabenebene: Das Ganze ist mühsam, und man kommt kaum zu einer vollständigen Story. Es kann aber als Anregung dazu dienen, als Vorübung zu einem vollständigen Text.

Schneller als auf Buchstabenebene kommt man auf Wortebene voran. Aber auch hier kann ein Spieler seine eigenen Absichten (zur Beendigung des Satzes) kaum je durchsetzen. Selbst wenn sein Mitspieler gutmütig ist und ihm dabei helfen will, wird das kaum gelingen. Wenn die Absichten eines Spielers erkennbar werden, können andere sie leicht durchkreuzen. Es entstehen also Sätze, die man selbst so nie geschrieben hätte.

Beispiel
Wenn man in den Tunnel geht, passieren einem manchmal fantastische Dinge. 
Als Erika zum Ausgang sah, stellte ihr das Schicksal einen Mann entgegen. 
Er trug einen hellen Trenchcoat und soweit sie erkennen konnte einen Schnauzer.

Analog kann man bei einem Schreibspiel auf Satzebene vorgehen. Wenn jeder einen Satz schreibt, kommt man noch schneller vorwärts. Die Überraschung entsteht auf Ebene des Plots oder des Genres.

Beispiel
Sie fuhr und fuhr, schlug sich durch die Welt, durch ihre eigene Dumpfheit.
Ihre rechte Hand löste sich vom Lenker und massierte die schmerzende
Schulter. Hatte sie richtig gehandelt? Die Kugel in ihrer Schulter
antwortete mit Nein. Vorsichtig tastete sie den sumpfigen Grund um die
Eintrittsstelle ab, versuchte die Ausmaße des Blutflecks zu erkunden.

Dieser Anfang klingt nach Krimi oder Thriller, aber es könnte sich auch zu einer Parodie davon entwickeln. Oder einem Science Fiction, einem historischen Text, oder, oder, oder. Die Spieler wissen am Anfang nicht, ob der andere eine lustige, absurde, spannende, surreale oder andersartige Geschichte vorhat. Statt eines Zettels kann man auch E-Mails hin- und herschicken oder sich an einem Mitschreibprojekt im Internet beteiligen. Ein Wiki wäre ebenfalls denkbar. Diese Art des Spiels ähnelt in gewisser Weise dem Fernschach.

Ein Beispiel für ein Weiterschreibspiel auf der Ebene des Plots (der Handlung) wäre: Jeder Spieler schreibt einen guten Kurzgeschichten-Anfangssatz auf einen Zettel. (Ein solcher Satz sollte das Interesse des Lesers wecken, z.B. "Katja setzte sich an einen Platz am Fenster und legte die rostige Kette neben sich." In diesem Beispiel fragt man sich, was Katja mit einer rostigen Kette in der U-Bahn oder im Zug macht.) Sein Nachbar soll dann die Geschichte fertigschreiben. Oder der erste Spieler gibt einen Schlusssatz vor, der zweite schreibt auf ihn zu.

Knickspiele[Bearbeiten]

Knickspiele sind eine Abwandlung der Weiterschreibspiele. Dabei teilt jeder Mitspieler einen Zettel in Spalten ein. In die erste Spalte schreibt er den ersten Satzteil, knickt diese Spalte nach hinten, so dass der nächste Spieler den ersten Satzteil nicht lesen kann, und gibt ihn weiter. Auf diese Weise entsteht pro Zettel ein Satz.

Beispiel
* Erste Spalte: Zeitangabe (zum Beispiel Jeden Morgen)
* Zweite Spalte: transitives Verb, das etwas bezeichnet, was eine Person tut (zum Beispiel zerreißt)
* Dritte Spalte: eine Person (zum Beispiel Herr Dimpflinger)
* Vierte Spalte: ein Ding im Akkusativ (zum Beispiel seinen Schlafrock)

Bei Knickspielen entstehen fast immer unkonventionelle Sätze. Und das ist gerade das, was vielen Anfängertexten fehlt: Sätze, die man noch nie gehört hat - statt abgeschabtem Deutsch, das zwar korrekt, aber auch langweilig ist. Natürlich entstehen auch oft unsinnige Sätze, aber die Perlen sind es wert.

Körbespiele[Bearbeiten]

Bei Körbespielen notieren die Mitspieler etwas auf Zettel, falten diese und geben sie in Körbe oder Wort-Urnen. Dann darf jeder blind jeweils einen Zettel pro Korb ziehen und diese für einen eigenen Text verwenden.

Die einfachste Art dieses Spiels ist eines auf Wortebene: Jeder schreibt drei Wörter auf jeweils einen Zettel und wirft sie in einen Korb. Wenn alle fertig sind, zieht jeder wieder drei Zettel heraus und schreibt eine Geschichte, in denen diese Wörter vorkommen (Reizwortgeschichte). Eine weitere einfache Möglichkeit: Jeweils ein Satzteil kommt in einen Korb (analog zu dem Beispiel unter "Knickspiele"). Besonders reizvoll sind die Ergebnisse, wenn ein Korb zum Beispiel abstrakte Substantive und ein zweiter konkrete Substantive enthält. Daraus entstehen dann interessante Wörter wie Glückswurst oder Demokratieschaber. Ebenso interessant ist die Kombination aus abstrakten Adjektiven und konkreten Substantiven, woraus man Ausdrücke wie glückliche Mettwurst oder demokratischer Suppenteller machen kann.

Man kann auch auf Satzebene arbeiten: Jeder Spieler schreibt einen guten Anfangssatz, einen Satz für den Höhepunkt und einen für den Schluss und gibt die Sätze in drei verschiedene Körbe. Dann zieht jeder je einen Zettel aus den drei Körben und macht daraus einen Text.

Es gibt aber zahlreiche auch andere Möglichkeiten. Man kann jeden Teilnehmer einen eigenen Text als Ausdruck mitbringen lassen. Jeder darf den Text seines Nachbars mit der Schere in Teile zerlegen. Die Schnipsel kommen dann in einen Korb und dann wird wieder gezogen. Die Patchwork-Flicken werden entweder Wörter, Satzteile oder aber Textabschnitte enthalten - ganze Sätze sind mit der Schere schwer auszuschneiden. Aus den Patches werden eigene Texte verfasst. Dabei ist moderates Ändern (Kürzen zum Beispiel) erlaubt.

Beispiel
1. Korb: musikalische Tempobezeichnungen (allegro, schreitend, so langsam wie möglich), 
2. Korb: Atmosphäre (gespannt,  relaxed, schwülstig, surreal) 
3. Korb: Schauplatz (Flughafen-Check-in, Schaukel in einem Reihenhausgarten, Trampelpfad im Wald)

Cut-up-Spiele[Bearbeiten]

Bei Cut-up-Spielen zerstückelt ein Mitspieler einen Zeitungsartikel mit der Schere. Der nächste Spieler darf den Text so zusammensetzen, dass sich wieder ein Sinn ergibt.

Dieses Spiel basiert auf der von William S. Burroughs und Brion Gysin erfundenen Cut-up-Methode.

Gruppen-Clustering[Bearbeiten]

Eine Möglichkeit für die Ideenfindung beim Schreiben ist das Clustering. Ein ähnliches Verfahren kann man auch in der Gruppe verwenden. Dabei schreibt einer an einem Flipchart die Assoziationen der Gruppenmitglieder auf, die reihum ihre Assoziationen sagen. Findet ein Gruppenmitglied keine Fortsetzung für einen Cluster-Zweig, kann es auch woanders weitermachen. Ist der Anfangsbegriff zum Beispiel der Begriff "Herbst", dann könnte der erste Clustering-Pfad vielleicht lauten: "Laub - farbig - Rascheln - Wald - Nadeln - Anzug". Dann sagt der nächste Mitspieler: "Bei Rascheln denke ich an Papier", und die nächsten Mitspieler machen weiter mit "Origami - Japan - Essstäbchen". Allzu viele Pfade sollte man aber nicht beginnen. Denn wenn jeder nur noch seinen eigenen Pfad weiterverfolgt, dann clustert man besser individuell.

Quellen[Bearbeiten]

  • Eigene Überlegungen und Erfahrungen (unter anderem in den Literaturgruppen des Kulturladen Westend, München) von Leixoletti

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