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Statistische Mechanik/ Großkanonische Ensemble

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Während im kanonischen Ensemble nur der Energieaustausch ermöglicht wurde, wird im großkanonischen Ensemble zusätzlich noch der Teilchenaustausch zugelassen. Hierzu befinde sich das betrachtete System, u.a. charakterisiert durch ihre Energie E und die Teilchenzahl N, im Kontakt mit einem viel größerem System, das die Energie und die Teilchenzahl besitzte (und somit bzw. gelte). Die Energie und Teilchenzahl des Gesamtsystems können hingegen wieder als erhalten angesehen werden: bzw. . Die Wahrscheinlichkeit, das System im Zustand mit der Energie E und Teilchenzahl N vorzufinden, ist proportional zur Anzahl der Zustände des größeren Systems , d.h. des »Wärme- bzw. Teilchenbades«:


,


worin A eine Proportionalitätskonstante sei. Bilden wir hiervon den Logarithmus und beachten, dass gleichermaßen bzw. gilt, dann können wir um und nach Taylor entwickeln:


.


Wenn wir hierin über die Entropie einführen, und die Energie E des Systems mit der inneren Energie U aus der Thermodynamik, d.h.


,


identifizieren (worin P der Druck und das sog. »chemische Potential« seien), dann erhalten wir


,


und somit wegen auch



bzw.


.


Die Porportionalitätskonstante können wir zudem noch mit Hilfe der Normierungsbedingung der Wahrscheinlichkeiten festlegen, d.h. durch Integration über alle Energien und Summation über alle Teilchen:


,


worin wir die sog. »großkanonische Zustandssumme« 



mit der sog. »Fugazität«  eingeführt haben. An dieser Stelle erkennen wir, dass genauso wie die kanonische Zustandssumme aus der mikrokanonischen durch eine Laplace-Transformation hervorgeht (auch wenn wir letztere bisher nicht als Zustandssumme bezeichnet haben), weil ja



gilt, kann (mit etwas mathematischer Phantasie) die großkanonische als Laplace-Transformierte der kanonischen Zustandssumme angesehen werden, da



ist (und man sich dabei die unendliche Summe als Integral denke). Mathematisch genauer gesprochen, handelt es sich bei Letzterer um eine Reihenentwicklung in um den Wert Null (wenn komplex wäre, um eine sog. Laurent-Reihe).


Ein weiterer Zugang zur großkanonischen Wahrscheinlichkeitsverteilung ist über die Funktion



möglich, die für die z Zustände des Systems mit den Energien und Besetzungszahlen mit Hilfe von Lagrange-Multiplikatoren nicht nur wie beim kanonischen Ensemble die Normierungsbedingung der und die (konstante) mittlere Energie sondern auch eine (konstante) mittlere Teilchenzahl berücksichtigt, wenn das Maximum der Entropie unter diesen Nebenbedingungen aufgesucht werden soll ( haben wir dabei wieder mit in die Definition der Lagrange-Multiplikatoren aufgenommen):


,


woraus



folgt. Den Lagrange-Multiplikator bestimmen wir wieder mittels der Nebenbedingung


.


Die großkanonische Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt sich daher zu



mit der Zustandssumme . Hiermit können wir wieder die Entropie angeben:



und bestimmen daraus anschließend und . Beim Bilden der Ableitungen nach U bzw. N müssen wir jedoch beachten, dass wegen der Nebenbedingung eine Funktion der inneren Energie und von ist, d.h. gilt. Wegen der Nebenbedingung ist wiederum eine Funktion von N und : . Insgesamt erhalten wir daraus für die Entropiefunktion


,


die wir als Ausgang für das Bilden ihrer partiellen Ableitungen nach U bzw. N verwenden werden. Hierzu benötigen wir die entsprechenden partiellen Ableitungen der Zustandssumme :


,
,


mit deren Hilfe sich schließlich



und



berechnen lassen. D.h. die Langrange-Parameter sind und . Die großkanonische Zustandssumme ergibt sich daher mit der Fugazität zu



und die Entropie nimmt folgende Form an:


.


Ein Vergleich der großkanonischen Zustandssumme in dieser Form mit jener der Ausführungen zuvor lässt vermuten, dass beide Ergebnisse ineinander übergehen, wenn die Zustände (bzw. ihre Energien und Besetzungszahlen) »dicht beieinander« liegen, wobei insbesondere die Anzahl der Zustände gegen Unendlich gehe (wie z.B. beim Betrachten von Phasenraumpunkten), sodass in diesem »Kontinuumslimes« die Summen über die Zustände mit ihren Energien bzw. Besetzungszahlen zu Integralen über Phasenraumpunkten oder Energien bzw. Summen über Teilchenzahlen werden. D.h. zwischen den beiden Darstellungen



mit



und mit der Hamiltonfunktion im 2f-dimensionalen Phasenraum werden wir nach Bedarf immer wieder wechseln.


Z.B. für ein ideales klassisches Gas mit kanonischer Zustandssumme für N Teilchen,


,


bzw. ein Teilchen,


,


und thermischer de-Broglie-Wellenlänge verwenden wir vorzugsweise die Zustandsumme im Kontinuumslimes, d.h.


,


worin wir zum Schluss die Reihenentwicklung der Exponentialfunktion angewandt haben. Die Zustandssummen und gelten übrigens für alle Systemen, in denen die Teilchen nicht miteinander wechselwirken.


Ein neues thermodynamisches Potential erhalten wir aus



mittels und oder letzterem und



für die freie Energie :



Das sog. »großkanonische Potential J« hängt somit von den »natürlichen Variablen«  ab.


Mit ergibt sich für das großkanonische Potential:


.


Aus dem großkanonischen Potential lassen sich somit folgende Größen gewinnen:


,
,
.


Im Falle eines klassischen idealen Gases wird das großkanonische Potential zu


,


woraus mittels



und



wieder das ideale Gasgesetz folgt. Dies bedeutet aber wiederum, dass sich hieraus



ergibt. Letzteres Resultat gilt nicht nur für ein ideales Gas, sondern sogar ganz allgemein. Um dies einzusehen, stellen wir nochmals fest, dass die innere Energie selbst eine extensive Größe ist und ausschließlich von ihren gleichermaßen extensiven natürlichen Variablen S, V und N abhängt, d.h. es gilt für ein homogenes System


,


worin wieder eine beliebige (reele) Zahl bzw. Variable sei. Diese Gleichung leiten wir jetzt auf beiden Seiten nach jener Variablen ab:



und setzen anschließend :


.


Aus einem Vergleich mit



und den daraus folgenden Gleichungen



resultiert die sog. »Euler-Beziehung« 


.


Diese in das großkanonische Potential eingesetzt, ergibt schließlich ganz allgemein


.


Die Mittelwerte der Energie und der Teilchenzahlen können mit Hilfe der Zustandssumme bestimmt werden. Die Erkenntnis aus der Thermodynamik, die mittlere Teilchenzahl durch eine Ableitung des großkanonischen Potentials nach dem chemischen Potential gewinnen zu können, ist dabei konsistent mit ihrer statistischen Deutung:


.


D.h. das, was wir in der Thermodynamik immer mit N bezeichnet haben, ist statistisch gesehen eine mittlere Teilchenzahl.


Das mittlere Teilchenzahlquadrat können wir ganz analog folgendermaßen statistisch ansetzen:


.


Damit können wir versuchen, die Schwankungen um die mittlere Teilchenzahl zu bestimmen:


.


Bezeichnen wir wieder (wie in der Thermodynamik üblich) den Mittelwert der Teilchenzal durch N, dann haben wir folgende Ungleichung:


.


Hierbei haben wir


,


ausgenutzt, indem wir davon das totale Differenzial gebildet haben:


,


um daraus



mit der Teilchendichte zu bekommen. Das gleiche hätten wir aber natürlich auch direkt aus der Gibbs-Duhem-Gleichung,


,


erhalten können.


Im Folgenden betrachten wir lieber den Kehrwert von , d.h. , und gehen vom kanonischen Ensemble aus, weil dort der Druck von der Teilchenzahl abhängt. Denn das Differenzial der freien Energie nimmt dort ja die Gestalt



an, woraus für den Druck die Gleichung



folgt. Der Druck ist aber eine intensive Variable, d.h. homogen vom Grad Null in der extensiven Variablen N:


.


Mittels Kettenregel erhalten wir daher


.


Ganz analog hierzu gilt die Gleichung


,


die wir jetzt dazu verwenden werden, um in der ersteren Gleichung den Term zu ersetzen:


.


worin wir zudem noch und eingesetzt haben.


Mit dem thermodynamischen Koeffizienten , der isotherme Kompressibilität, erhalten wir sogar


.


Dessen Kehrwert setzen wir in



ein, woraus wir für das relative Schwankungsquadrat der Teilchenzahl



und somit folgern können: Dies ist eine weitere Aussage des LeChatelier'schen Prinzips. Im thermodynamischen Limes gehen Teilchenzahl N und Volumen V jeweils gegen Unendlich, wobei aber ihr Verhältnis konstant bleiben soll. Die isotherme Kompressibilität ist so definiert, dass sie sich in diesem Limes nicht verändert, da sie die extensiven Variable V nur in Form einer relativen Volumenänderung enthält und der Druck P bzw. seine Änderung ja intensive Größen sind. D.h. das relative Schwankungsquadrat der Teilchenzahl strebt im thermodynamischen Grenzfall gegen Null:


.


In diesem Limes wird also die Teilchenzahl wieder zu einer festen, nicht mehr schwankende Größe, so wie dies im kanonischen und mikrokanonischem Ensemble ja der Fall ist. Ob entsprechendes auch für die innere Energie gilt, soll im folgenden untersucht werden.


Für den Mittelwert der Energie erhalten wir


.


Das mittlere Quadrat der Energie ist


.


Für das mittlere Schwankungsquadrat der Energie ergibt sich somit



Wir versuchen jetzt, auf zurückzuführen. Dies geschieht mit Hilfe der Kettenregel:


.


Die Abhängigkeit von von der Fugazität wandeln wir lieber über in eine Abhängigkeit von um:


.


Mittels



erhalten wir


,


was wir wiederum in die Gleichung für einsetzen:


.


Aus resultiert :


.


Den Ausdruck in der eckigen Klammer können wir noch auf die geläufigere Größe zurückführen, denn aus



resultiert unmittelbar


,


worin wir noch die aus



folgende Maxwell-Relation nutzen:


.


Daraus erhalten wir somit


,


was wir wiederum in die Gleichung für einsetzen können:


.


Außerdem können wir hierin noch verwenden, so dass sich schließlich



ergibt. Wegen und ist auch . Es gilt daher im thermodynamischen Grenzfall


.


Bei großen Teilchenzahlen liefert somit das großkanonische Ensemble die gleichen Ergebnisse wie auch die kanonische und mikrokanonische Gesamtheit. Im thermodynamischen Limes stimmen die Resultate dieser Gesamtheiten also überein und ergeben eine einzige »Thermodynamik«.


Außerdem ist es noch interessant zu sehen, wie die großkanonische Wahrscheinlichkeitsdichte für ein ideales Gas mit der Poisson-Verteilung zusammenhängt. Wir können nämlich nach der Wahrscheinlichkeit fragen, ein System mit genau N Teilchen vorzufinden, indem wir zwar über den Phasenraum integrieren, jedoch nicht über alle Teilchenzahlen summieren:


,


worin



die kanonische Zustandssumme darstellt. Wie bereits gezeigt, gibt es folgenden Zusammenhang zwischen großkanonischer und kanonischer Zustandssumme für wechselwirkungsfreie Teilchen:


,


den wir sogleich ausnutzen:


,


sodass wir für die großkanonische Zustandssumme auch



schreiben dürfen. Für Teilchen ohne Wechselwirkung gilt zudem


.


Verwenden wir all diese Resultate, dann erhalten wir tatsächlich eine Poisson-Verteilung für :


.