Strafprozessuale Probleme im 2. Staatsexamen: Begründetheit der Revision

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Die Revision ist begründet, wenn das angefochtene Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, § 337 StPO. Neben Verstößen gegen Verfahrens- und Sachnormen ist das auch der Fall, wenn das Urteil ergangen ist, obwohl eine von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung fehlt.

Aufbau[Bearbeiten]

Die Revisionsgründe werden in dieser Reihenfolge geprüft:

  • Verfahrenshindernisse
  • Verfahrensrügen
- Absolute Revisionsgründe
- Relative Revisionsgründe
  • Sachrügen

Verfahrenshindernisse[Bearbeiten]

Fehlt es an einer Verfahrensvoraussetzung, darf keine Sachentscheidung des Tatgerichts ergehen. Auf ein Beruhen im Sinne des § 337 StPO kommt es nicht an, die Revision ist immer begründet. Verfahrenshindernisse sind von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen. Bei nicht behebbaren Verfahrenshindernissen stellt das Revisionsgericht das Verfahren ein, ansonsten wird die Sache zurückverwiesen. In der Klausur ist davon auszugehen, dass Verfahrenshindernisse höchstens hinsichtlich einzelner prozessualer Taten bestehen, da sonst die weitere Prüfung entfiele.

Infrage kommen in der Klausur vor allem:[1]

  • Fehlende sachliche Zuständigkeit
  • Fehlender Strafantrag
  • Keine wirksame Anklage, kein wirksamer Eröffnungsbeschluss
  • Strafklageverbrauch, anderweitige Rechtshängigkeit
  • Verjährung
  • Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot in zweiter Instanz
  • Fehlende Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten

Verfahrensrechtliche Verletzungen des Gesetzes[Bearbeiten]

Beschwer des Revisionsführers[Bearbeiten]

Verletzungen des Verfahrensrechts müssen den Revisionsführer beschweren, er muss also in eigenen Rechten oder schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt sein. Auch eine mittelbare Beschwer genügt, z.B. wenn die Aussagen der Angehörigen eines Mitangeklagten verwertet werden, obwohl diese nicht über ihr Aussageverweigerungsrecht belehrt wurden.

Notwendigkeit eines Zwischenrechtsbehelfs[Bearbeiten]

Grundsätzlich muss der Revisionsführer den Zwischenrechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO gegen den Verfahrensfehler eingelegt haben, um ihn im Revisionsverfahren geltend machen zu dürfen. § 238 Abs. 2 StPO greift aber nicht, wenn der das Gericht eine von Amts wegen gebotene prozessuale Maßnahme unterlässt, ohnehin durch Beschluss entschieden hat oder wenn der unverteidigte Angeklagte sich nicht über die Rügemöglichkeit im Klaren war.

Absolute Revisionsgründe[Bearbeiten]

Bei den in § 338 StPO genannten Verfahrensfehlern entfällt die Prüfung des Beruhens, es sei denn, es ist denkgesetzlich ausgeschlossen, dass das Urteil auf dem Fehler beruht.

Relative Revisionsgründe[Bearbeiten]

Bei diesen muss das Beruhen im Einzelfall festgestellt werden. Dazu genügt, dass das Urteil möglicherweise anders gefällt worden wäre, wenn das Verfahren rechtsfehlerfrei gewesen wäre.

Beweisbarkeit[Bearbeiten]

Die vorbringbaren Beweismittel hängen nicht von der Unterscheidung in relative und absolute Revisionsgründe ab, sondern davon, ob es sich bei der angegriffenen Verfahrenshandlung um eine wesentliche Förmlichkeit handelt, oder nicht.

Wesentliche Förmlichkeiten[Bearbeiten]

Nach § 274 S. 1 StPO kann ein Verstoß gegen wesentliche Förmlichkeiten im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO nur durch das Sitzungsprotokoll bewiesen werden, dem insofern negative wie positive Beweiskraft zukommt. Das gilt nicht, wenn die Urkundsperson den Inhalt des Protokolls nachträglich für unrichtig erklärt, oder es offensichtliche Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche im Protokoll gibt. In diesen Fällen ist der Freibeweis eröffnet.

Auch nach Einlegung der Revision kann eine Protokollberichtigung stattfinden, durch die der Verfahrensrüge die Grundlage entzogen wird.[2] Das führt zur sog. "Rügeverkümmerung".[3] Zuvor ist aber der Beschwerdeführer anzuhören und bei substantiiertem Widersprechen eine Befragung anderer Verfahrensbeteiligter durchzuführen.

Andere Verfahrensfragen[Bearbeiten]

Alle Vorgänge, die nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO zählen, können im Freibeweisverfahren geklärt werden.

Materiell-rechtliche Verletzungen des Gesetzes[Bearbeiten]

Neben der korrekten Gesetzesanwendung wird hier geprüft, ob das Tatgericht die Tatsachen, auf die es die Gesetzesanwendung stützt, klar, fehler- und widerspruchsfrei und vollständig ist, oder ob Denkfehler enthalten oder Erfahrungssätze missachtet sind. Grund ist, dass nur dann dem Revisionsgericht überhaupt die rechtliche Überprüfung möglich ist.

In der Überprüfung der Gesetzesanwendung darf das Revisionsgericht sich nur auf die schriftlichen Urteilsgründe stützen. Eigene Beweiswürdigungen oder auch nur der Blick in die Verfahrensakte sind unzulässig. Obersatz ist daher: "Fraglich ist, ob die Feststellungen des angefochtenen Urteils die Verurteilung tragen"

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. nach Russack: Die Revision in der strafrechtlichen Assessorklausur, 5. Aufl. 2009
  2. BGH NJW 2007, 2419
  3. Siehe hierzu Dehne-Niemann, Examensrelevante Rechtsprechung zur „Rügeverkümmerung“, JA 2012, 59