Topographische Anatomie: Vorderwand: Thorax

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Übersicht[Bearbeiten]

Hilfslinien der Vorderwand.

Der Brustraum erstreckt sich vom ersten zum zwölften Brustwirbel und grenzt sich kaudal durch das Zwerchfell gegen das Abdomen ab. Den Brustumfang misst man

  • bei Männern auf der Höhe der Mamillen,
  • bei Frauen am Oberrand der Mamillen.

Die Rippen stehen beim Kind nahezu horizontal und neigen sich mit der Zeit nach kaudal, was zu einer Abflachung des Brustkorbs führt. Eine wichtige Orientierungshilfe ist der Angulus sterni (Übergang von Manubrium zu Corpus sterni), an dem auch die zweite Rippe mit ihrem Knorpel ansetzt. Ventral und dorsal lassen sich Hilflinien ziehen, die die Orientierung auf der Körperoberfläche erleichtern:

  • ventral:
    • Linea mediana anterior (durch die Mitte des Sternums),
    • Lineae sternales (entlang den Rändern des Sternums),
    • Lineae medioclavicularis (Linea mammaria; auf Höhe der Schlüsselbeinmitte),
    • Lineae parasternales (zwischen den Lineae sternalis und medioclavicularis),
    • Lineae axillares anterior, media und posterior (vordere, mittlere und hintere Achsellinien);
  • dorsal:
    • Linea mediana posterior (entlang der Brustwirbel-Dornfortsätze),
    • Linea paravertebralis (entlang der Querfortsätze),
    • Linea scapularis (durch Angulus scapulae inferior).

Die vordere und seitliche Brustwand besteht aus drei Schichten:

  • oberflächliche Schicht mit Haut sowie subkutanem Binde- und Fettgewebe (hierzu zählt auch die Brustdrüse, die über die Membrana sterni mit dem Sternum verwachsen ist),
  • mittlere Schicht mit Brust- und Bauchmuskeln und deren Faszien,
  • tiefe Schicht, bestehend aus Thoraxskelett, Zwischenrippenmuskeln, Fascia endothoracica (kleidet die Innenseite der Brusthöhle aus) und Pleura parietalis (äußerer Anteil des Lungenfells).

Diese drei Schichten werden nun der Reihe nach abgehandelt.

Obere Schicht: Haut, Fett, Bindegewebe[Bearbeiten]

Innervation und Blutgefäße[Bearbeiten]

Arterielle Versorgung der oberen seitlichen Brustwand.
Innervation der oberen seitlichen Brustwand.

Die sensible Hautinnervation des Thorax erfolgt aus mehreren Quellen:

  • Der kraniale Bereich wird vorsorgt von den Nervi supraclaviculares (stammen aus dem Punctum nervosum am Musculus sternocleidomastoideus)
  • Die übrigen Bereiche werden von Nervi intercostales (Rami anteriores der Spinalnerven) innerviert, und zwar über
    • Rami cutanei anteriores an den ventralen Bereichen,
    • Rami cutanei laterales an den seitlichen Bereichen.
Man beachte, dass die Rami cutanei laterales der Interkostalnerven 2 und 3 auch den medialen Oberarm versorgen (Nervi intercostobrachiales).

Die arterielle Versorgung erfolgt über Abgänge der Arteria axillaris (aus der Arteria subclavia hervorgegangen), und zwar von medial nach lateral:

  • Arteria thoracica superior,
  • Arteria thoracoacromialis, die in der Mohrenheimgrube vier nach bestimmten Muskeln benannte Äste entlässt,
  • Arteria thoracica lateralis (zieht am lateralen Rand des Musculus pectoralis minor nach kaudal),
  • Arteria subscapularis mit ihren Ästen
    • Arteria circumflexa scapulae (zieht nach dorsal durch die mediale Achsellücke),
    • Arteria thoracodorsalis (zieht nach kaudal).

Zudem beteiligt sich die Arteria thoracica interna von innen an der Versorgung der Thorax-Außenseite, und zwar über Rami perforantes.

Das venöse Blut fließt hauptsächlich über zwei Hautvenen ab, und zwar vor allem in die Vena axillaris:

  • Vena thoracoepigastrica (epifaszial)
  • Vena thoracica lateralis (subfaszial)

Beide Venen bilden eine wichtige Teilstrecke der cavocavalen Anastomosen - sie bilden mit den Venae epigastrica superficialis und periumbilicales einen Kollateralkreislauf, der es erlaubt, Blut in die andere Vena cava (z. B. Vena cava inferior) zu transportieren, wenn die eine Vena cava (z. B. Vena cava superior) verstopft ist.

Brustdrüse[Bearbeiten]

Der größte Teil der weiblichen Brustdrüse liegt auf dem Musculus pectoralis major, ein kleinerer Teil auf dem Musculus serratus anterior. Diverse Ligamenta suspensoria mammaria (Cooper-Bänder) ziehen von der Oberfläche in die Tiefe und inserieren in der Faszie des Musculus pectoralis major.

Die Brustdrüse besteht hauptsächlich aus Fettgewebe, Bindegewebe und Drüsen:

  • das Fettgewebe bestimmt die Größe der Brustdrüse,
  • das Bindegewebe ihre Form,
  • das Drüsengewebe ihre Sekretionsleistung.

Bei den Drüsen handelt es sich um Montgomery-Drüsen mit ihrem Ausführungsgangsystem:

  • Drüsenendstücke bilden die Lobuli glandulae mammariae und münden in
    • Terminalductus; diese vereinigen sich zu
      • Ductus lactiferi, und diese wiederum vereinigen sich zu
        • Ductus lactiferie colligentes (Ausführungsgänge), von denen es insgesamt etwa 20 Stück gibt.

Die Ausführungsgänge enden auf der Papilla mammaria und zerklüften diese dadurch; umgeben wird die Papille von der Areola mammae (Warzenhof). Dank glatter Muskulatur und reichlicher Innervation kann sie (etwa bei sexueller Erregung) erigieren; die Innervation erfolgt dabei durch Rami mammarii mediales und laterales der umliegenden Nervi intercostales.

Arterielles Blut gelangt über Rami mammarii an die Brustdrüse. Diese stammen aus

  • Arteria thoracica interna (Rami mammarii mediales),
  • Arteria thoracica lateralis (Rami mammarii laterales),
  • Arteriae intercostales posteriores 2 und 3.
Lymphabfluss der Brustdrüse.

Die Lymphe fließt über vier Straßen ab:

  • Axilläre Abflussbahn befindet sich lateral der Brustdrüse: Nodi paramammarii → Nodi axillares.
  • Intermuskuläre Abflussstraße (zwischen den Musculi pectorales): zu Nodi axillares oder zu Nodi infraclaviculares.
  • Parasternalen Abflussbahn: zu Nodi supraclaviculares oder direkt in die Ductus der jeweiligen Venenwinkel (Ductus thoracicus, Ductus lymphaticus dexter).
  • Kutane Abflussbahn: steht mit den Lymphknoten der axillären Abflussbahn (Nodi paramammarii) in Verbindung

Die „Para-Lymphknoten“ stehen mit anderen Bereichen in Verbindung. Die Nodi paramammarii etwa stehen mit den Lymphknoten des hinteren Mediastinums in Verbindung, die Nodi parasternales mit denen des vorderen Mediastinums. Die Nodi parasternales der einen Seite kommunizieren zudem mit denen der Gegenseite, wodurch bei Brustkrebs „paradoxe Metastasen“ entstehen können.

Mittlere Schicht: Muskeln[Bearbeiten]

Muskulatur[Bearbeiten]

Muskeln der vorderen Brustwand. Musculi pectoralis major und minor, serratus anterior und subclavius.

Die mittlere Brustwandschicht besteht aus vier Muskeln:

  • Musculus pectoralis major: setzt an der Crista tuberculi majoris des Humerus an und wird ventral von seiner Faszie (Fascia pectoralis) und dorsal von der Fascia clavipectoralis bedeckt; die Fascia pectoralis ist dabei mit dem oberflächlichen Bindegewebe kaum verwachsen und strahlt an ihren Rändern in umliegende Faszien ein (z. B. in das oberflächliche Blatt der Fascia cervicalis).
  • Musculus pectoralis minor: setzt am Processus coracoideus an.
  • Musculus subclavius: von Rippe 1 zur Clavicula.
  • Musculus serratus anterior: von Rippen 1-9 zur Margo medialis scapulae (mittlerer Schulterblattrand).

Die beiden Musculi pectorales werden von den Nervi pectorales medialis und lateralis innerviert, der Musculus serratus anterior vom Nervus thoracicus longus.

Blutversorgung[Bearbeiten]

Die arterielle Versorgung der mittleren Thoraxschicht erfolgt analog zur oberflächlichen Schicht, also über Abgänge der Arteria axillaris:

  • Arteria thoracica superior
  • Arteria thoracoacromialis
  • Arteria thoracica lateralis
  • Arteria subscapularis

Zusätzlich beiteiligen sich Äste der Arteriae intercostales posteriores und anastomosieren dabei mit den Ästen der Arteria axillaris.

Tiefe Schicht: Thoraxskelett und Muskeln[Bearbeiten]

Thoraxskelett[Bearbeiten]

Thoraxskelett.

Der Brustkorb wird gebildet von Wirbeln, Rippen und Sternum und ist oben und unten offen (kleine Apertura thoracis superior und große Apertura thoracis inferior).

Das Sternum gliedert sich von kranial nach kaudal in

  • Manubrium ("Griff"),
  • Corpus,
  • Processus xyphoideus ("Schwertfortsatz").

Dabei existiert zwischen Manubrium und Corpus sterni ein Winkel (Angulus sterni) der oberes und unteres Mediastinum voneinander abgrenzt.

Die 12 Rippen bestehen aus Caput, Collum und Corpus.

  • Das Caput costae besitzt die Gelenkfläche für die Wirbelkörper.
  • Das Collum costae besitzt die Gelenkfläche für die Processus transversi der Wirbel (am Tuberculum costae).
  • Das Corpus costae läuft nach einer dorsalen Biegung (Angulus costae) nach ventral und steht bei den ersten zehn Rippen über die Cartilago costalis mit dem Sternum in Verbindung (1. Rippe: Synchondrose, übrige Rippen: Diarthrosen, wobei die zweite Rippe ein zweikammeriges Gelenk bildet). In einer Rinne der Innenseite (Sulcus costae) verlaufen dabei Nerven und Gefäße, und zwar von kranial nach kaudal:
    • Vena intercostalis (Vena intercostalis posterior in die Venae azygos oder hemiazygos/hemiazygos accessoria, Vena intercostalis anterior in die Vena thoracica interna),
    • Arteria intercostalis (Arteria intercostalis posterior aus der Aorta bzw. aus Arteria intercostalis suprema (Ast des Truncus costocervicalis), Arteria intercostalis anterior aus der Arteria thoracica interna),
    • Nervus intercostalis.
(Merke: VAN)
Man beachte, dass die Arteriae intercostales posteriores bereits früh zwei Äste abgeben: Ramus spinalis und Ramus dorsalis. Die rechte Interkostalarterie hat dabei einen längeren Weg, weil die Aorta nach links verlagert ist.

Besonderheiten finden sich an der ersten und an den beiden letzten Rippen:

  • Die erste Rippe ist verkürzt und trägt Einkerbungen für die Vena (ventral) und Arteria subclavia (dorsal).
  • Die beiden letzten Rippen (Costae fluctuantes) enden blind.

Je kaudaler die jeweilige Rippe liegt, desto steiler verläuft sie (Ausnahme: 1. Rippe); mit dem Alter senken sich die Rippen zusätzlich.

Bei Rippenfrakturen sind meist mittlere Rippen betroffen. Derartige Frakturen kommen jedoch bei Kindern nur selten vor (elastischer Brustkorb aufgrund noch fehlender Verknöcherung) und werden erst bei Erwachsenen ab dem dritten Lebensjahrzehnt wahrscheinlicher (Abnahme der Knochenmasse). Demgegenüber verknöchert das Sternum bereits sehr früh (4. Embryonalmonat bis 12. Lebensjahr).

Die Cartilago costalis gewährleistet eine hohe Elastizität des Brustkorbs, was im Zusammenhang mit der Atmung von besonderer Bedeutung ist.

Zwischenrippenräume: Muskeln und Nerven-Gefäß-Straßen[Bearbeiten]

Transversalschnitt der Brustwand. Die Nerven-Gefäß-Straßen verlaufen zwischen den Musculi intercostales interni und intimi (und nicht, wie hier dargestellt, zwischen den Musculi externi und intimi).

In den Zwischenrippenräumen spannen sich autochthone Brustwandmuskeln aus, die allesamt von Rami anteriores der Spinalnerven versorgt werden; sie verspannen die Interkostalräume und wirken bei der Atmung mit.

  • Die Musculi intercostales externi (Inspirationsmuskeln, weil sie die Rippen anheben) verlaufen ab dem Caput costae von dorsal kranial nach ventral kaudal, enden aber einige Zentimeter vor Erreichen des Sternums (Merke: Verlauf wie Hände in den Hosentaschen, genauso wie der Musculus obliquus externus abdominis – beide entsprechen sich entwicklungsgeschichtlich).
  • Muscului intercostales interni (Exspirationsmuskeln, weil sie die Rippen senken) verlaufen ab dem Sternum von ventral kranial nach dorsal kaudal und enden spätestens am Angulus costae.
  • Musculi intercostales intimi sind Abspaltungen der Muscului intercostales interni und von diesen durch die Gefäße und Nerven getrennt.

Bei der Atmung wirken sie mit anderen Muskeln zusammen, und zwar mit

  • Musului levatores scapulae,
  • Musculi pectorales,
  • und vor allem mit den Musculi scaleni ("Treppenmuskeln"), die die obersten zwei Rippen mit der Wirbelsäule (Processus transversi der Halswirbelsäule) verbinden und sie somit fixieren. Man unterscheidet:
    • Musculus scalenus anterior: von CIII bis CVI zu Rippe 1,
    • Musculus scalenus medius: von CIII bis CVII zu Rippe 1 - er ist somit der längste der drei Muskeln,
    • Musculus scalenus posterior: von CV bis CVII zu Rippe 2.

Im Inneren des Brustkorbs finden sich ebenfalls Muskeln:

  • Vereinzelte Musculi subcostales: sie verlaufen wie die Musculi intercostales intimi, überspringen aber oftmals eine oder mehrere Rippen.
  • Musculus transversus thoracis: er strahlt vom Sternum an die Knorpel der Rippen 3 bis 6 aus.

Ausgekleidet wird der Brustkorb innen von der Fascia endothoracica, die kranial mit dem tiefen Blatt der Fascia cervicalis verbunden ist.

Pleurapunktionen erfolgen dorsal nahe der Linea axillaris dorsalis am Oberrand einer Rippe, um die am Unterrand der Rippe verlaufenden Gefäß-Nerven-Straßen zu schonen.

Blutversorgung[Bearbeiten]

Die aus der Arteria thoracica interna stammenden Arteriae intercostales anteriores verlaufen gemeinsam am Ober- und Unterrand einer Rippe nach dorsal und vereinigen sich etwa in der Mitte ihres Weges mit den aus der Aorta stammenden Arteriae intercostales posteriores zum Arterienring. Am siebten Rippenknorpel teilt sich die Arteria thoracica interna jeder Seite auf in die Arteria musculophrenica und die Arteria epigastrica superior, die in die Rektusscheide eindringt.

Vena epigastrica superior (aus der Vena thoracica interna) und Vena epigastrica inferior (aus der Vena iliaca externa) anastomieren miteinander.

Wichtige Lymphknoten: Nodi parasternales (ventral) und Nodi intercostales (dorsal).

Umgehungskreisläufe[Bearbeiten]

Abgänge der Vena femoralis. Diese Venen gehören zu den ventralen cavocavalen Anastomosen, den Umgehungskreisläufe zwischen unterer und oberer Vena cava.

Wenn sich Blut in einer der beiden Venae cavae oder in der Vena portae staut, dann muss das Blut auf anderem Wege in das Herz gelangen, andernfalls würde der venöse Rückstrom versiegen. Derartige Umgehungskreisläufe sind zum einen cavocavale Anastomosen (zwischen den beiden Venae cavae) und zum anderen portocavale Anastomosen (zwischen Vena portae und den Venae cavae). Es ist wichtig, diese Umgehungskreisläufe zu kennen, weil sie einerseits Indikatoren für bestimmte Schädigungen sind und andererseits zum Teil sehr empfindlich sind (z. B. Ösophagusvarizen).

Bei den cavocavalen Anastomosen unterscheidet man fünf Wege, drei ventrale und zwei dorsale; Startpunkt ist im Folgenden die Vena cava inferior, Ziel die Vena cava superior:

  • Ventrale Wege existieren zwischen Vena iliaca externa und Vena axillaris oder subclavia:
    1. Vena circumflexa ilium superficialis (aus der Vena femoralis) → (Venae periumbilicales) → Vena thoracoapigastrica
    2. Vena epigastrica superficialis (aus der Vena femoralis) → (Venae periumbilicales) → Vena thoracica lateralis
    3. Vena circumflexa ilium profunda + Vena epigastrica inferior (beide aus der Vena iliaca externa) → Vena epigastrica superior → Vena thoracica interna
Die Wege 2 und 3 werden durch die Bauchwand voneinander getrennt und anastomosieren miteinander.
  • Dorsale Wege:
    1. Vena lumbalis ascendens (aus der Vena iliaca communis) → Vena azygos oder hemiazygos
    2. Plexus venosi vertebrales externi anterior und posterior entlang der Wirbelsäule.
Beide Wege stehen miteinander in Verbindung.