Wirtschaft USA/ US-Wirtschaftsgeschichte ab 1914/ Hoover und die Weltwirtschaftskrise

Aus Wikibooks

Kennzeichnen Sie Präsident Hoovers Ansicht zu den Ursachen der großen Wirtschaftskrise von 1929 und sein wirtschaftspolitisches Konzept zur Krisenbekämpfung. Welche seiner Ansätzen waren modern, welche fielen hinter die Anforderungen der Zeit zurück?[Bearbeiten]



Hoover (Republikaner) = US-Präsident von 1929 bis 1933 = Zeit der Weltwirtschaftskrise


Hintergrundinfo: Einstellung Hoovers - Laissez-fair-Politiker oder progressiv?[Bearbeiten]

  • fälschlicherweise oft als reiner Laissez-fair Politiker dargestellt
  • Aussage Hoover: Zeit des Laissez-Fair ist lange vorbei, endete mit staatlichen Eingriffen wie Sherman Act, Federal Reserve Act, 18. Verfassungszusatz (Prohibition) usw.
  • glaubte NICHT daran, dass Wirtschaftskrisen = "Acts of God" und das Vertrauen auf Selbstheilungskraft der Wirtschaft ausreichend
  • bekämpfte die Depression mit überwiegend modernen Ideen und Mitteln
  • war für aktives Vorgehen gegen die Krise
  • Gegenposititon Finanzminister Mellon: "Liquidation View" = Krise ihren Lauf nehmen lassen, Bankrott "ungesunder" Unternehmen und Banken führt zu wirtschaftlicher Gesundung
  • keynesianische Ansätze, Hoovers Politik = Grundstein zu Roosevelts New Deal
  • ABER: konzentriert sich auf Maßnahmen zur Konjunkturbelebung [Recovery]; sieht soziale Unterstützung [Relief] NICHT als Aufgabe der Bundesregierung an




Hintergrundinfo: Zeitliche Abfolge wichtiger Ereignisse[Bearbeiten]

  • 1929: Hoover wird Präsident
  • 1929, Oktober: Börsencrash, Beginn der Weltwirtschaftskrise
  • 1930: Steuersenkung zur Konjunkturbelebung
  • 1930: Smoot Hawley Tariff
  • 1931: Hoover Debt Moratorium
  • 1931: Großbritannien und 25 andere Staaten verlassen den Goldstandard - Finanzkrise
  • 1932: Revenue Act - Steuererhöhungen zum Haushaltsausgleich
  • 1933: Präsidentschaftswahl, Roosevelt wird Präsident = New Deal




Wirtschaftspolitische Reaktion auf die Krise - Was tat die Hoover-Regierung?[Bearbeiten]

  • Konferenzen mit Führern aus Wirtschaft und Bankwesen
  • Ziel: keine Lohnsenkungen und Entlassungen = Erhaltung der Kaufkraft
  • Hoover sah Aufgabe der Regierung in Aufrufen zum Handeln + Bekämpfung von Unsicherheit; freiwillige Zusammenarbeit von Bundesregierung, Einzelstaaten und Wirtschaft
  • regierungsfinanzierte Arbeitsprogramme
  • Bauprojekte (öffentliche Gebäude, Highways, Prestigeprojekt: Hoover Staudamm)
  • Ziel: Senkung der Arbeitslosigkeit und Erhaltung der Kaufkraft
  • Steuersenkung 1930
  • Erhaltung der Kaufkraft
  • Anregung von Investitionen (größere Steuersenkungen für obere Einkommensschichten)
  • Ziel: Belebung der Konjunktur
  • Schaffung neuer Institutionen:
Farm Board
Aufkauf der landwirtschaftlichen Überschussproduktion
Ziel: Stabilisierung der Agrarpreise
Wirkung: Kapital von 500 Mio. Dollar schnell erschöpft, Käufe wurden bereits 1931 wieder aufgegeben, Preise fielen weiter
Reconstruction Finance Corporation (RFC)
Vergabe von Notfallkrediten an durch Krise angeschlagene Banken und Unternehmen; ab 1932 auch Kreditvergabe an Einzelstaaten
Ziel: Liquidität erhalten, da Fed dies nicht tat (restriktive Geldpolitik)




Hindernisse bei der Krisenbekämpfung - Was erschwerte der Regierung die Arbeit?[Bearbeiten]

  • systematische, verlässliche Wirtschaftsdaten nicht vorhanden
  • Arbeitslosenquote, Investitionsausgaben, Nationaleinkommen etc. nicht oder erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung bekannt
  • es wurde nicht erkannt, das Nachfrage nach den Gütern, die den langen Boom der 20er Jahre getragen hatten (Autos und langlebigen Konsumgütern), gedeckt war
  • Wirksamkeit wirtschaftspolitischer Maßnahmen konnte nicht geprüft werden; 1930 glaubte Hoover noch, dass seine Maßnahmen erfolgreich
  • komplexe Beziehung von Börse, Bankwesen und Investment noch nicht völlig verstanden
  • Trennung von Börsengeschehen und 'Realwirtschaft'
  • Idee: durch Spekulation wurde viel Geld aus der Wirtschaft abgezogen, dadurch fehlt es an Investitionen
  • mangelnde Erfahrung
  • neue Situation = erstmals Krise diesen Ausmaßes; bisherige Rezessionen waren nur sehr kurz
  • Theorie der Konjunkturzyklen damals neu entwickelt = Rezession und Aufschwung als Teil eines natürlichen Kreislaufes
  • Fehleinschätzung der Lage, Hoover meinte, dass die Krise bald vorüber sein würde (Privatwirtschaft und Ökonomen teilten diese Ansicht)= verspätete Reaktion, Hoover sah zunächst keinen Handlungsbedarf
  • keine Unterstützung durch die Fed
  • kontraktive Geldpolitik, die Geldmenge schrumpfte = Liquiditätskrise!
  • Fed agierte bei Bankenzusammenbrüchen nicht als 'Lender of Last Resort'
  • begrenzter Handlungsspielraum der Regierung
  • wenig finanzielle Handlungsfreiheit; Staatsquote betrug 1929 nur 2,5% (Vergleich USA 2004: 34%)
  • Zeitgeist, Angst vor Haushaltsdefiziten = ausgeglichener Haushalt demonstrierte Kontrolle über die Situation, sollte Vertrauen in die Regierung schaffen



Hoovers Ansichten zur Krise[Bearbeiten]

  • Verbindung zwischen Börse - Bankensystem - Realwirtschaft wurde zunächst nicht erkannt
  • Hoover verdammte Spekulation als Ursache der Krise, erklärte aber die 'reale Wirtschaft' (Produktion und Distribution von Gütern) für gesund
  • war 1929/ 1930 überzeugt, dass Aufschwung bald einsetzen würde
  • betrachtete die Krise nicht als hausgemacht, sondern machte Europa verantwortlich
  • weltweite Überproduktion, Preisverfall, politische Instabilität und Finanzkrise in Europa als Folge des Ersten Weltkriegs
  • Interpretation des Smoot-Hawley-Tariff aus seiner Sicht: Schutz der gesunden, amerikanischen Industrie vor schädlichen europäischen Einflüssen



Aus heutiger Sicht positive wirtschaftspolitische Ansätze[Bearbeiten]

  • nachfrageorientierter Ansatz
  • Arbeitsprogramme, Bekämpfung von Arbeitslosigkeit = Erhaltung der Kaufkraft
  • Steuersenkung Ende 1929 zur Nachfragebelebung
  • Idee = Senkung der Steuersätze führt zu höheren Steuereinnahmen durch Verbreiterung der Steuerbasis, d.h. keine Haushaltsdefizite trotz geringerer Steuersätze (Vergleiche Reagonomics der 80er Jahre!)
  • Trickle-Down Effect: vermehrte Entlastung der höheren Einkommenklassen; Begründung: diese verfügen über Ersparnisse, die sie dann eher in die US-Wirtschaft investieren (statt ins Ausland bzw. in Konsum); höhere Investitionen führen zu höherem Nationaleinkommen = verbreitert die Steuerbasis
  • Mechanismus galt als erwiesen, da er bei einer Reihe von Steuersenkungen während der 20er Jahre eingetreten war
  • sah auch Verantwortung der Bundesregierung für die Krisenbekämpfung
  • "Seelenmassage" [Moral Suasion] in der Geschäftswelt zur Aufrechterhaltung der Löhne, Beschäftigung und Investition
  • Hoover Moratorium (Mitte 1931)
  • nach Bankenkrise in Deutschland und Österreich Zahlungsaufschub für Reparationszahlungen aus 1. Weltkrieg
  • Alliierten wird Aufschub in Tilgung ihrer US-Kredite gewährt
  • Maßnahmen zur Erhaltung der Liquidität
  • Bundeskredite
Federal Land Banks
Home Loan Bank Board Act (1932)
Reconstruction Finance Corporation (1932)
  • 1. Glass-Steagall Act (Feb.1932)
Staatsobligationen neben Handelswechseln als Notendeckung akzeptiert
Ziel: Vergrößerung der Geldmenge



Aus heutiger Sicht negative Züge der Wirtschaftspolitik Hoovers[Bearbeiten]

  • sah primäre Verantwortung für Krisenbekämpfung bei Individuen und Geschäftswelt, nicht bei Bundesregierung
  • Angst vor den Kosten bundesweiter Programme + Einstellung Hoovers:
  • nur Einzelstaaten und Kommunen sollten Sozialmaßnahmen finanzieren - diese hatten nicht die nötigen Kapazitäten
  • zu wenig Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
  • Steuererhöhung (1932) zum Ausgleich des Staatshaushalts
  • durch Krise und vorhergehende Steuersenkung waren Staatseinnahmen gesunken; Haushaltsdefizite 1930 und 1931
  • Hoover war kein Verfechter eines streng ausgeglichenen Haushalts (progressiv!); glaubte, Defizite eines Jahres können durch Überschüssen anderer Jahre ausgeglichen werden (Haushaltsüberschüsse während des Booms der 20er Jahre)
  • ABER: Angst vor Crowding-Out Effekt = vermehrte Kreditaufnahme der Regierung lässt Zins steigen und macht es für Unternehmen schwer, Kredite zu bekommen = hemmt Wirtschaftswachstum
  • UND: anhaltende Defizite schüren Angst vor Inflation = untergraben Vertrauen in Finanzsystem + beschleunigen Abfluss von Gold
  • Erhöhung von Einkommen- und Körperschaftsteuer, Erhebung verschiedener Verbrauchsteuern
  • Effekt: Steuererhöhung in der Krise wirkte als zusätzlicher Konjunkturdämpfer
  • suchte Ursache der Probleme nicht im eigenen Land, sondern sah Europa als Quelle
  • striktes Festhalten am Goldstandard, keine Abwertung des US-Dollars
  • Hoover sah Aufgabe des Goldstandards als Schwäche, befürchtete Chaos, Schäden für Banksystem und Wirtschaft
  • nachdem Großbritannien und andere Staaten verlassen und ihre Währungen abwerten = Gold fließt aus den USA ab (Spekulation, dass auch USA Goldstandard verlassen wird)
  • Reserven der Banken sinken, Zins steigt = Kunden verlieren Vertrauen, ziehen ihre Gelder ab - Finanzkrise
  • keine systematischen Strukturreformen
  • z.B. trotz Schaffung des Federal Farm Board kein Stopp der Überproduktion im Agrarsektor
  • Reformversuche gab es im Bankensektor, wurden jedoch von Kongress (demokratische Mehrheit) größtenteils verweigert
  • Protektionismus
  • Smoot-Hawley Tariff = Lähmung des Welthandels




Beurteilung: Verhielt sich Hoover zu passiv?[Bearbeiten]

Spekulativer Boom vor dem Crash

  • Hoovers Vorgänger, Coolige verhielt sich absolut passiv angesichts des Spekualtionsbooms - seiner Ansicht nach lag Verantwortung bei der Fed und dem Staat New York (Standort der Börse)
  • als Hoover die Präsidentschaft übernahm, war die Situation bereits ernst; spekulative Blase soweit fortgeschritte, das ein warnendes 'Presidential Statement' keine große Wirkung gehabt hätte

Krisenbekämpfung

  • Hoover reagiert schnell und seine Maßnahmen hatten moderne Ansätze = nicht passiv
  • z.B. Gründung staatlicher Institutionen wie der RFC und Subventinierung der Landwirtschaft waren revolutionär in Friedenszeiten
  • Problem: Hoovers Maßnahmen waren nicht ausreichend




Verwendete Literatur[Bearbeiten]

Norton, Hugh S., The Quest for Economic Stability: Roosevelt to Reagan, 1985, S. 27-45

Stein, Herbert, The Fiscal Revolution in America, 1969, S. 6-38