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Zur Psychologie des Heimwehs: Druckversion

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Druckversion des Buches Zur Psychologie des Heimwehs
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Zur Psychologie des Heimwehs


Peter Sebastian Schott
Wikibooks


Zur Psychologie des Heimwehs oder Über die Sehnsucht nach Geborgenheit

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Der ursprüngliche Text stammt aus der Diplomarbeit im Fach Erziehungswissenschaft vorgelegt für die Diplomprüfung von Peter Sebastian Schott aus Overath-Marialinden, angefertigt bei Prof. Dr. Johannes Wickert an der Universität zu Köln Heilpädagogische Fakultät, Abgabedatum: Köln, im März 1994.

Hier handelt es sich um den noch nicht wikisierten Extrakt des in Wikibooks hochgeladenen PDF-Files "Zur Psychologie des Heimwehs.pdf". Hilfe bei der Wikisierung ist erwünscht.

"Ich ston vörm Kalender un zäll' janz stekum de Dage. Drei Mond allt he, un drei Mond hald' ich noch us. Ich les dinge Bref zom hundertunfuffzichste Mole. Saach: En Kölle es Rän, un ich möch su jän met dir em Rän ens widder ston."

--(BRINGS: Kölle)

0. Inhaltsverzeichnis

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1. Einleitung

Theoretischer Teil

2. Entwicklung des Gefühls von Heimweh
2.1 John Bowlby: Entwicklung von Bindungsverhalten
2.1.1 Theorie der "Steuerung des Bindungsverhaltens
2.1.2 Freuds "Theorie des Sekundärtriebs" und Bowlbys Kritik
2.1.3 Empirische Grundlagen (Variablen,Prägung, Funktion)
2.1.4 Ontogenese des Bindungsverhaltens
2.2 Zwei Trennungs-und Angsttheorien
2.2.1 Freuds "zweite Angsttheorie" (1926)
2.2.2 Bowlbys Kritik an Freuds Theorie
2.2.3 Bowlbys Angsttheorie
2.3 Heimweh bei Bowlby
3. Heimat -ein alltäglicher, aber schwieriger Begriff
3.1 Heimat -die "Bühne des Lebens": W.Brepohls Heimatbegriff
3.2 Weg zum aktiven Heimatbegriff: Bausingers geschichtlicher Abriß über den unterschiedlichen Gebrauch
4. Heimweh
4.1 Begriffserläuterung
4.1.1 Exkurs: Gefühlstheorie F. Kruegers
4.1.2 Versuch einer Definition und einer Fragestellung
4.2 Entstehung eines Begriffs und seiner Definition
4.3 Erklärungsansatz: Reaktanztheorie

Empirischer Teil

5. Interview
5.1 Methodologische Kriterien des qualitativen Interviews
5.1.1 Methodologische Prämissen des qualitativen Interviews
5.1.2 Methodologisch-technische Aspekte des qualitativen Interviews
5.2 Das problemzentrierte Interview
5.2.1 Die Methode des Interviews
5.2.2 Der Ablauf des Interviews
5.3 Das Interview
5.3.1 Der Fragebogen
5.3.2 Das Postscript
5.4 Die Auswertung
5.4.1 Die Gefühlsbeschreibung
5.4.1.1 Reaktanzverhalten beim Heimweh
5.4.2 Die Formen des Copingverhaltens
6. Schluß
7. Anhang und Literatur
7.1 Das Interview
7.2 Literaturverzeichnis


1. Einleitung

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Am Anfang meiner Arbeit stand dieses Gefühl, das mich plötzlich überkommt und mich dann an nichts anderes mehr denken läßt, als an "zu Hause", welches gleichzeitig so fern und doch so nah ist. Ich habe es bis zu diesem Moment garnicht richtig wahrgenommen, es war immer schon da. Ja, ich habe mir in bestimmten schwierigen Situationen sogar gewünscht, weit weg zu sein, und damit fern von all den Problemen. Und plötzlich bin ich es wirklich und hänge an jedem noch so kleinen Gedanken an die Zurückgebliebenen. Da werden Erinnerungen plötzlich zu unbeschreiblichen Erlebnissen, Orte und Gebäude zu Wundern. Ein Brief wird wie ein Stück Heimat verehrt und über hundertmal gelesen. Eine Schallplatte wird jeden Tag gespielt und der ersehnte Besuch wird mit Tränen empfangen, weil er doch wieder allein zurück fährt. Und wenn der Tag kommt, an dem ich wieder nach Hause fahre, dann drücke ich mir im Zug die Nase an der Fensterscheibe platt und kann den Dom vor lauter Tränen nicht sehen. Und alles Leiden ist weg, alles ist wie gewohnt. Ich schreibe diese Arbeit aus meiner eigenen Betroffenheit. Ich will damit genauer erfahren, warum es Menschen gibt, die krank werden, wenn sie nicht " zu Hause" sind, die regelmäßig "heimfahren", um nicht in Leid zu verfallen. Ich will wissen, wie andere dieses starke Gefühl der Trennung von ihrer Heimat empfinden. Es ist ein Gefühl, welches jeder kennt, über das aber keiner spricht. Gilt es vielleicht als "kindisch", an seiner vertrauten Umgebung zu hängen, oder ist es sogar reaktionär, mit dem Begriff der Heimat etwas Warmes, Geborgenes zu empfinden? Diese Arbeit ist in zwei Teile gegliedert: Im ersten, dem theoretischen Teil, möchte ich versuchen, das Gefühl des Heimwehs näher zu erläutern. Dazu möchte ich zuerst zu erklären versuchen, wie und warum ein Mensch sich in früher Kindheit an eine Person (die Mutter) bindet, und wie sich dieses Bindungsverhalten im Laufe des Lebens weiterentwickelt. Anschließend möchte ich auf den Begriff der Heimat näher eingehen, da dieser, wie ich meine, einen Schlüsselbegriff in unserem Zusammenhang darstellt, denn Heimweh ist die Sehnsucht nach der Heimat. Da der Heimatbegriff aber ideologisch belastet ist, möchte ich zuerst einen Überblick geben über die lang schon anhaltende Diskussion um diesen Begriff, um ihn dann für unseren Kontext brauchbar zu machen. Dem wird dann ein Versuch folgen, das Gefühl des Heimwehs, nämlich der schmerzlichen Trennung von meiner vertrauten Umgebung, anhand eines theoretischen Ansatzes zu verdeutlichen. Im zweiten, dem empirischen Teil meiner Arbeit möchte ich die ge­machten theoretischen Erkenntnisse dann an einem praktischen Bei­spiel belegen, darstellen, modifizieren oder vielleicht auch verwerfen. Hierzu werde ich ein Interview mit einer Betroffenen durchführen und auswerten.

Theoretischer Teil

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Im folgenden, ersten Teil meiner Arbeit möchte ich das Umfeld des Begriffes "Heimweh" näher beleuchten. Zwei Fragen erschienen mir dabei besonders wichtig:

1. Wie kann überhaupt so ein Gefühl wie das des Heimwehs entste­hen, d.h. welche entwicklungspsychologischen Grundlagen gibt es für ein offenbar generelles Bedürfnis nach einer gewohnten Umgebung? Und wieso leiden einige Menschen unter dem Verlust dieses Umfelds?
2. Was überhaupt bedeutet "Heimat"? Ist es wirklich nur der ideo­logisch überstrapazierte Begriff, dessen Gebrauch man meiden sollte? Oder beschreibt er den Raum, an dem wir unsere individuelle Identität entwickeln und er somit ein wichtiger Aspekt in der Psychologie ist? Im folgenden Teil beschreibe ich die Bindungstheorie BOWLBYs, die uns Aufschluß darüber gibt, wie ein Kind seine Bindungsfähigkeit zu einer anderen Person entwickelt, und welche Funktion dieses Bin­dungsverhalten für das Individuum hat. Anschließend vergleiche ich die Trennungs-bzw. Angsttheorien von BOWLBY und FREUD, um die Relevanz dieses Aspektes im späteren Verhalten des Einzelnen in unserem Zusammenhang zu verdeutlichen. Darauf folgend möchte ich ausführlicher auf den Begriff "Heimat" eingehen, indem ich erst einen Einblick in die Diskussion um den Terminus gebe, bevor ich seine geschichtliche Entwicklung erläutere.

2. Entwicklung des Gefühls von Heimweh

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2.1 John BOWLBY: Entwicklung von Bindungsverhalten

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2.1.1 Theorie "Steuerung des Bindungsverhaltens"

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BOWLBY vertritt in seinem Buch "Bindung" (München, 1975) die Ansicht, die Bindung des Kindes zur Mutter 1 (sei es beim Menschen oder den Tieren) ist ein Ergebnis der Interaktion zwischen beiden. Seine Theorie geht bewußt über die frühere Annahme FREUDs hinaus, daß das Verhältnis von Kind und Mutter hauptsächlich zur Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse (Nahrung, Pflege) bestimmt ist. ("Theorie des Sekundärtriebs", FREUD, 1940; nach BOWLBY, 1975; S. 171ff.) Nach BOWLBY ist die Wechselbeziehung zwischen dem Kind und seiner Umwelt (Mutter) wichtig, die Befriedigung der Bedürfnisse nur zweitrangig. Er beschreibt vier Prozesse, die die Grundlage der Bindung eines Kindes zu einer bestimmten Figur sind: (vgl. S.254)

1. Eine angeborene Tendenz, bestimmte wahrgenommene Reize den anderen vorzuziehen, sie zu beobachten (betrachten, lauschen). So entsteht die bevorzugte Beachtung eines Menschen, der das kleine Kind versorgt. (Instinkttheorie)
2. Erfahrungslernen, bei dem das Kind die Merkmale (Verhalten, Anblick) des Menschen erlernt, der es umsorgt.
3. Eine angeborene Tendenz, bekannte Personen aufzusuchen, um bei ihnen Schutz zu suchen.
4. Durch diese Interaktion zwischen Kind und Mutter wird dieses Verhalten verstärkt. (Lerntheorie)

2.1.2 FREUDs "Theorie des Sekundärtriebs" und BOWLBYs Kritik

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FREUDs "Theorie des Sekundärtriebs" beschränkt die Basis des Bandes zwischen Mutter und Kind auf die notwendige Versorgung 1 "Mutter" bedeutet bei BOWLBY nicht die natürliche Mutter, sondern die Person, die das Kind betreut, d.h. es versorgt und mit ihm kommuniziert. Dies ist in den meisten Fällen die natürliche Mutter. grundlegender Bedürfnisse des Kindes. "Liebe entsteht in Anlehnung an das befriedigte Nahrungsbedürfnis." (FREUD, 1940; zit. nach BOWLBY, 1975; S. 200) BOWLBYs Kritik an diesem Erklärungsansatz beruht auf zwei Pfeilern:

1. Die Theorie des Sekundärtriebs basiert auf Annahmen, die weder durch Experimente noch durch Beobachtungen belegt werden.
2. FREUDs Theorie dient als einfache Möglichkeit, Symptome von Störungen in der Entwicklung des Menschen als Regression in eine frühere Phase zu beschreiben, "in der nur orale Objektbeziehungen bestanden."(ebd. S.206) Dies bedeutet, daß psychische Störungen ihre Ursache im Verlauf der Phase der kindlichen Nahrungsaufnahme durch die Mutter haben.

2.1.3 Empirische Grundlagen (Variablen, Prägung, Funktion)

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Daß das Bindungsverhalten eine Interaktion zwischen Kind und Mutter ist, die über die notwendige Befriedigung von Bedürfnissen hinausgeht, zeigt BOWLBY an folgendem Experiment: In einem Versuch von HARLOW (1959) beobachtet er Affen, die die Wahl zwischen 2 futtergebenden Attrappen hatten, von denen die eine aus Draht, die andere aus Stoff war. Die Affen bevorzugten eindeutig das "Stofftier", obwohl beide Futter gaben. Dies ist ein Beweis dafür, daß es außer der Befriedigung des Hungers auch noch eine andere Variable gibt, die mindestens genauso wichtig ist: die des "Kontaktkomforts". Die Funktion 2 des Bindungsverhalten ist der Schutz: Humane und nichthumane Babys suchen in unbekannten oder vermeidlich gefährlichen Situationen den Schutz der Mutter.3 2 BOWLBY weist im 8. Kapitel des Buches auf den Gebrauch des Begriffs Funktion, ohne ihn eindeutig von dem der Kausalität zu trennen. Er unterscheidet sie wie folgt: Kausalität ist eine der verschiedenen Folgen einer bestimmten Handlung. Dieses können aber auch ungewollte "Nebenerscheinungen"sein. Die Funktion einer Handlung ist dementsprechend die Folge, die die Handlung begründet. 3 Auch hier widerspricht BOWLBY FREUDs Auffassung, daß nämlich die Funktion des Bandes zwischen Mutter und Kind auf die Gewährleistung der Nahrungsaufnahme beschränkt ist. FREUD vertritt die Ansicht, das Kind suche die Nähe der Mutter, um eine "Unordnung" des psychischen Apparats,die duch physiologische Reize ausgelöst wird, zu verhindern. Die Funktion von Bindungs-und Furchtverhalten werden im 2. Band des Werks (BOWLBY, Trennung; München, 1976) deutlicher, indem er erläutert, wie Menschen und Tiere bei einer Trennung reagieren.

2.1.4 Ontogenese des Bindungsverhaltens

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1. Die Grundlagen des Bindungsverhalten entstehen in den ersten Lebenstagen. Da die organische Entwicklung noch nicht so ausge­bildet ist, nimmt das Kind nur sehr undifferenziert wahr. Es reagiert aber schnell auf die Zuwendung der Personen seiner Umwelt (Augenfolgen, Greifen, Langen etc.)
2. Mit etwa 10-12 Wochen konzentriert sich das freundliche Verhalten des Kindes auf die Mutterfigur.
3. Ab dem 6.-7. Monat erweitert das Kind sein Repertoire der Reak­tionen: Es kann der Mutter folgen, sie begrüßen und sie als Aus­gangsbasis seiner Erkundungen der Umwelt benutzen. Hier entsteht eine Bindung, die die Grundlage des zielorientierten Verhalten des Kindes gegenüber der Mutter darstellt.
4. Ab dem 2.-3. Lebensjahr wird für BOWLBY aus Bindung eine Partnerschaft. Hier hat das Kind ein System seiner Umwelt entwickelt, in dem die Mutterfigur im Mittelpunkt steht, aber selbst bald als unabhängiges Objekt gesehen wird. Neben der Hauptbindungsfigur (Mutter) hat das Kind auch Personen, die als Nebenfiguren fungieren. D.h., daß z.B. bei Abwesenheit der Mutter die Bindung zeitweilig auf eine andere bekannte Person übertragen wird. Ob die Bindung zur Hauptbindungsfigur wie zur Nebenperson zeitgleich oder zeitlich versetzt entsteht, ist nicht geklärt. Eine Beobachtung ist noch interessant: Entgegen der Annahme, ein Kind, das eine schwache Bindung zur Nebenfigur hat, besitzt dann folglich eine starke an seine Mutter. Dieser naheliegende Rückschluß laßt sich nicht bestätigen: Ein Kind, so BOWLBYs Beobachtungen (1958), das eine schwache Beziehung zu den Menschen seiner Um­welt hat, besitzt auch eine weniger intensive Bindung zu seiner Hauptfigur. Kinder, die eine starke Bindung haben, sind eher fähig, auch andere Bindungen einzugehen, während solche, die eine schwa­che Mutterbindung haben,sich auf diese sehr stark konzentrieren.

Es ist weniger eine Besonderheit als vielmehr die Regel, daß Kinder neben ihrem Bindungsverhalten gegenüber Menschen auch ein solches gegenüber leblosen Objekten, wie Stofftiere, Tücher etc., entwickeln. Dies geschieht meist nicht vor dem ersten Geburtstag, also in der Phase, in der das Kind die Beziehung zur Hauptbindungsfigur intensiviert. Diese "Ersatzobjekte" (BOWLBY, 1969, S.286) dienen in bestimmten Situationen als Übergang der Mutter-Kind-Interaktion, wenn die Mutter nicht anwesend sein kann. Die Ersatzobjekte übernehmen dann die Aufgabe der Beruhigung.

2.2 Zwei Trennungs-und Angsttheorien

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Im folgenden Abschnitt möchte ich die Gedanken beschreiben, die Sigmund FREUD zum Thema Angst in seiner zweiten Angsttheorie hatte, um sie dann anschließend mit denen von BOWLBY zu verglei­chen. Es wird sich dabei einerseits eine starke Anlehnung der beiden Theorien zeigen, die sich andererseits in grundlegenden Aspekten unterscheiden. Danach möchte ich den direkten Bezug der beiden Theorien zu meiner Arbeit aufzeigen.

2.2.1 FREUDs "zweite Angsttheorie" (1926)

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In seiner zweiten Angsttheorie (1926) beschreibt S. FREUD (nach Heinz W. KROHNE Stuttgart, 19812) verschiedenen Arten von Angst:

1. Die "Realangst" entsteht entweder durch eine Bedrohung des Be­troffenen oder dem Entzug der Befriedigung der notwendigen Be­dürfnisse. Angst wird somit "real" empfunden, wenn jemand direkt einer Gefahr ausgesetzt ist oder er indirekt sein Leben bedroht fühlt. Somit gilt die "Realangst" als nützlicher Schutzmechanismus, indem sie eine Reaktion hervorruft, zu versuchen, die Gefahr abzuwenden oder die Nähe der Person zu suchen, welche die Versorgung gewähr­leistet.
2. Die zweite Form von Angst ist die "neurotische Angst". Auch sie warnt den Betroffenen vor einer extremen Gefahr, die aber im Ge­gensatz zur "Realangst" nicht bewußt ist. Bei der "neurotischen Angst" handelt es sich darum, daß die Triebregelungen auf Grund moralisch-gesellschaftlicher Normen unterdrückt werden müssen, und dieses führt mit Hilfe des Unlustprinzips zur inneren Flucht durch Verdrängung. FREUD (in: "Hemmung, Symptom und Angst",1926a,Gesammelte Werke XIV; hier nach BOWLBY 1976, S.48):"Angst ist die Reaktion auf die Gefahr, das Objekt zu verlieren, ..." FREUDs zweite Angsttheorie wird auch "Signaltheorie" genannt, da die Angst immer eine Signalfunktion für den Betroffenen hat. Sie gilt gleichsam als "sekundärer Affekt", da ihr immer ein Erlebnis vorausgegangen sein muß, welches diese Angst entstehen ließ. Für FREUD ist die Situation der primären Angst die der Geburt des Menschen, somit die erste Trennung von der Mutter, die bis zu diesem Zeitpunkt die komplette und ständige Versorgung der Bedürfnisse des Kindes leistete. Somit steht für FREUD eine Trennung am Anfang jeder individuellen Entwicklung des Angstgefühls 4, das sich im Laufe der kognitiven Entwicklung eines jeden Einzelnen ausdifferenziert.

2.2.2 BOWLBYs Kritik an FREUDs Theorie

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BOWLBYs Kritik an FREUDs Gedanken stützt sich auf zwei Punkte:

1. Nach BOWLBY Auffassung ist für FREUD die "reale" Angst be­schränkt auf die Situationen, in denen ein Individuum wirklich bedroht ist. Jede andere Form von "unwirklicher" Gefahr, wie z.B. bei der Angst vor Dunkelheit oder dem Alleinsein ist "neurotisch" und somit pathologisch. Ein Kind verhält sich somit krankhaft, sobald es Angst empfindet, ohne eine realen Grund zu benennen. (BOWLBY 1976; S.112)
2. FREUD beschränkt Bindungsverhalten auf die Befriedigung der notwendigsten Bedürfnisse des Kindes (Hunger, Wärme etc.).

4Diesen Punkt greift BOWLBY (1976) auf: Er kritisiert, daß FREUD die Angst vor dem Verlust eines Objekts als "Schlüssel" für diese Problematik versteht. Für BOWLBY ist die Trennungsangst eine Form von Angstverhalten. Dies impliziert die Theorie, daß die Hauptquelle der kindlichen Angst die vor der Hilflosigkeit ist. Dies hat am Schluß zur Folge, daß die Angst vor Trennung ein kindlich-naives Verhalten ist, welches für einen Erwachsenen inadäquat wäre. (ebd., S.108)

2.2.3 BOWLBYs Angsttheorie

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In seiner Angsttheorie versucht BOWLBY das Verhalten von Menschen in Angstsituationen zu verstehen und zu beschreiben. Er zieht in seinen Erläuterungen Beobachtungen aus der Tierwelt hinzu und versucht sie, mit Experimenten zu belegen. Für BOWLBY ist Angstverhalten eine natürliche Disposition bei Mensch und Tier, die parallel zum Bindungsverhalten entwickelt wird. So wie sich das Verhältnis zwischen dem Kind und der Bindungsfigur (Mutter) im Laufe der Zeit ausdifferenziert, so entwickelt sich auch das Verhalten in Gefahrensituationen. Für BOWLBY ist jeder Mensch mit der Eigenschaft ausgestattet, bei bestimmten Situationen mit Furcht zu reagieren (z.B. bei Dunkelheit, Fremdheit etc.). Ausgelöst werden Angstreaktionen durch Schlüsselreize. Die Reize, welche auch bei Tieren beobachtbar sind, nennt er "natürliche Schlüsselreize." Angstsituationen, die durch Beobachtung der Umwelt erkannt und imitiert werden, nennt BOWLBY "kulturelle Schlüsselreize". Des weiteren gibt es solche, die beim Individuum Angst auslösen, ohne daß sie in der Umwelt gleichermaßen zu erkennen sind. Diese "erlernten Schlüsselreize" sind das Ergebnis persönlicher Erfahrun­gen, die bei jedem Einzelnen Angstreaktionen auslösen können. Somit hat jedes Individuum auch seine "persönlichen" Ängste. BOWLBY ordnet diesen Schlüsselreizen auch bestimmte Kategorien der individuellen kognitiven Entwicklung zu. Die "natürlichen"Schlüsselreize nennt er "kindlich, irrational", die "erlernten" Angstauslöser bezeichnet er als "reif" und "realistisch". Ein Zuordnung der zweiten Gruppe ("kulturelle Schlüsselreize") hängt von der Situation ab und der Beurteilung des Beobachters, ob die Reaktion "reif" oder "kindlich" ist. Hier ist zu betonen, daß in der Kategorisierung BOWLBYs keine Wertung impliziert ist, sondern nur verdeutlicht werden soll, in welcher Phase der menschlichen Entwicklung diese verschiedenen Ebenen der Angstverhalten erreicht sind. Ein Erwachsener, der sich vor dem Alleinsein in der Fremdheit fürchtet, verhält sich nicht "regressiv", sondern er äußert das Bedürfnis nach gewohnter Geborgenheit. Wichtig für BOWLBY ist also nicht eine Beurteilung des gezeigten Verhaltens, vielmehr interessieren ihn die Gründe, warum sich ein Mensch in einer bestimmten (Angst-) Situation entsprechend verhält. Hier spielen für ihn folgende Varianten eine Rolle:

  • Ist die Bindungsfigur verfügbar?
  • Wie verlief die Entwicklung des Bindungsverhaltens in der "sensiblen Phase"?
  • Welche anderen (Trennungs-oder Angst-) Erfahrungen hat das Individuum gemacht?

So läßt sich zusammenfassend sagen, daß folgende Momente die Furchtbereitschaft eine Menschen reduzieren können:

  • Eine Steigerung des Vertrauens in die Bindungsfigur
  • Der Grad der Gewöhnung an die betreffende Situation
  • Die Art der Erfahrungen, die in ähnlichen Situationen gemacht wurden. (BOWLBY nennt diesen Faktor den des "Fortschreitendes Alters") Wir werden diese Faktoren im folgenden Abschnitt noch einmal wiederfinden, in dem es um die Beschreibung BOWLBYs der "natürlichen Schlüssel zur Gefahr und Sicherheit" gehen wird. Diese Schlüssel zur Gefahr und Sicherheit sind der Grund für die Tendenz des Individuums, gefährliche Situationen zu meiden und Schutz an einem vertrauten Platz zu suchen.

2.3 Heimweh bei BOWLBY

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In seinem Buch "Trennung" (München, 1976) beschreibt BOWLBY im 9. Kapitel ("Natürliche Schlüssel zu Gefahr und Sicherheit") die "potentielle Sicherheit vertrauter Gefährten und Umgebungen." (S. 184) BOWLBY versucht in diesem Teil des Buches einen "ethologischen Ansatz zur menschlichen Furcht" zu erstellen. Er geht davon aus, daß die Ereignisse, die einen Menschen (wie auch ein Tier) zum Fürchten bringen, Schlüsselreize sind. Diese "Schlüssel" unterteilt er in natürliche und kulturelle, d.h., daß es Ereignisse gibt, die jeder Mensch fürchtet und zwar aus biologischen Gründen, und solche, die er fürchtet, weil er diese Reaktion bei seiner Umwelt erlebt hat und sie als notwendig und nützlich ansieht. Ein natürlicher Schlüsselreiz ist das Alleinsein. Der Mensch (wie auch das Tier) ist tendenziell weniger sicher, sobald er sich allein fühlt, sei es in einer unbekannten Umgebung oder in einer unbekannten Gesellschaft. Ist er in Gesellschaft mit bekannten Gefährten und in einer ihm vertrauten Umgebung, so fühlt er sich geschützter bzw. weniger bedroht. Nach BOWLBY tendiert der Mensch dazu, sich sein "ganzes Leben hindurch" (ebd. S.184) an einem ihm vertrauten Ort aufzuhalten, oder diesen aufzusuchen, da er sich dort von der räumlichen Umwelt, wie auch von den Mitmenschen geborgen fühlt. (vgl. S.184) Für diese Verhalten macht BOWLBY zwei ineinandergreifende Systeme verantwortlich:

1. Der Mensch vermeidet Situationen (Orte, Menschen etc.), die ihn potentiell in Gefahr bringen können. (Furchtverhalten)
2. Der Mensch sucht potentiell sichere Situationen, in denen er sich nicht gefährdet fühlt, oder die Gefahren erkennen und somit vermei­den kann. (Bindungsverhalten) Wir sehen, daß für BOWLBY das Bindungsverhalten weit über das Verhältnis Mutter-Kind hinaus geht und abstraktere Bindungsfiguren, z.B. Orte miteinbezieht. "Damit kehrt die Diskussion zurück zum Bindungsverhalten. Die Verhaltenssysteme, die ein jüngeres oder schwaches Individuum in mehr oder minder großer Nähe zu einem anderen stärkeren Indivi­duum halten, können jetzt als Teil einer größeren Anzahl von Syste­men betrachtet werden, deren Wirkung darin besteht, alle Bewegungen einer Kreatur so zu regulieren, daß es in der Regel innerhalb seiner vertrauten Umgebung bleibt. Bindung an eine Elternfigur ist bei den meisten Spezies ontogenetisch die erste Form der Entwicklung dieser Art von Verhalten." (ebd. S.186f.)

Die Beziehung von Individuen und Umwelt sieht BOWLBY in einem homöostatischen System, das von biologischen (genetischen) und physiologischen Aspekten gesteuert wird. Der Mensch ist so mit der biologischen Neigung ausgestattet, einen früheren Zustand aktiv zu­rückzuerlangen, und diese Aktivität bei Erreichen des Zustandes ein­zustellen. BOWLBY konstatiert mit dieser Aussage, daß der Mensch, wie andere Lebewesen auch, ein natürliches Bedürfnis nach Sicherheit hat. Durch sein erworbenes Bindungs-und Furchtverhalten entwickelt er eine Tendenz, einen sicheren Ort oder eine sichere Situation aufzusuchen. Auslöser ist die angeborene Angst vor dem Alleinsein. Diese löst ein Verhalten aus, welches versucht, die gewohnte Situation wieder herzustellen. Nehmen wir jetzt noch die o.g. erlernten Ver­haltensmuster (Erfahrung, Gewöhnung) hinzu, so können wir davon ausgehen, daß der Mensch ein natürliches Bedürfnis besitzt, eine gewohnte, ihm vertraute Umwelt zu haben, in der er sich subjektiv sicherer fühlt, als in der "Fremde". Dieser Ort wird im allgemeinen Sprachgebrauch als "Heimat" bezeichnet. Heimat ist hier also als Raum-Zeit-Konstrukt zu sehen, das von jedem Einzelnen subjektiv erlebt wird. Heimat ist eine Einheit des abstrakten Ganzen "Welt", die uns vertraut ist, die emotional mit ihren besonderen Gegebenheit durchdrungen ist und dies vor allem mit den Menschen, die diese Heimat gestalten. Dieser soziale Aspekt des Heimatbegriffs wird auch durch seine zeitliche Dimension deutlich. Heimat ist der Ort, an dem das Individuum seine ersten Erfahrungen mit der Umwelt macht. Es wird diese Erlebnisse mit den später gemachten vergleichen. So ist die Heimat die Schablone, die wir an die uns unbekannte Welt anlegen. Es ist gerade die Erkenntnis der Individualität des

Heimatbegriffs, der in unserem Zusammenhang so wichtig ist, um ihn von dem mißverständlichen, reinen Bodenbezug zu trennen.5


3. Heimat -ein alltäglicher, aber schwieriger Begriff

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3.1 Heimat -die "Bühne des Lebens": W. BREPOHLs Heimatbegriff

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Direkt hier anschließend möchte ich die Gedanken referieren, die Prof. Dr. W. BREPOHL (Dortmund -Münster) bei seinem Vortrag mit dem Titel "Heimat und Heimatgesinnung als soziologische Begriffe und Wirklichkeiten" im Rahmen der 2. Fachtagung "Das Recht auf Heimat" im Jahre 1958 in Königstein/Taunus darlegte. (aus: Rabl (Hrsg.), München, 1959, S.13-27) "Heimat" ist für BREPOHL "ein zwischenmenschlicher Zusammen­hang." (ebd. S.14) Es ist der "Raum", an dem der Mensch die Welt entdeckt und in der er einen aktiven Einfluß auf diese hat. BREPOHL spricht, etwas trivial, genau das aus, was wir vorher explizit bei BOWLBY erkannt haben: Der Mensch wächst in einer Wechselbezie­hung mit seiner Umwelt (Mutter-Kind-Beziehung) auf. Den Ort dieser Entwicklung nennt BREPOHL "Heimat". Es sind vier Sphären, in denen sich "Heimat"vollzieht:

1. Die biologische: Er (BREPOHL) meint damit die menschliche Ten­denz, das Verhalten des anderen nachzuahmen.
2. Die sprachlich-bewußtseinsmäßige: er denkt hier an die Tatsache, daß der Mensch sich über das Erlernen der Sprache bestimmte Werte aneignet.
3. Die regionale: Hier erst spricht BREPOHL explizit von physischem Raum, die konkrete Umwelt, die einen Menschen prägt, die er mit seine frühen Erfahrungen aufnimmt.
4. Die soziale: Damit meint er den "sozialen Raum" (BREPOHL: Die Heimat als Beziehungsfeld; in: Soziale Welt; Band 3 (1952), S.15),


5 Hier wird die Subjektivität eines jeden einzelnen Heimatverständnisses deutlich, die im Widerspruch steht zu einer Gleichsetzung von Vaterland und Heimat, da hier ein abstraktes Konstrukt mit einem individuellen Begriff verglichen wird. das gesellschaftliche Gefüge, in dem der Mensch lebt, wo er mit seiner Umwelt interagiert, wo er geformt wird und wo er seine Umgebung formt. Wichtig scheint mir vor allem BREPOHLs Erkenntnis, den Begriff Heimat vom reinen Bodenbezug zu trennen und seinen sozialen, zwi­schenmenschlichen Aspekt hervorzuheben. Seiner Meinung nach ist gerade dieses "der Kern des Heimatphänomens"(ebd. S.21) Es sind die Beziehungen zwischen den Menschen, ob es sich um Verwandte, Bekannte oder auch Unbekannte 6 handelt, dieses Mit­einanderleben macht das Gefühl von Heimat aus, das an einem be­stimmten Raum stattfindet. Um diese Begriffswandlung deutlicher zu machen, möchte ich BREPOHLs Ideen noch ein wenig ausführen, um dann in einem ge­schichtlichen Abriss von BAUSINGER die verschieden Stationen dieser Entwicklung zu verdeutlichen. "So wenig die Luft schon das Leben ist, ist der Raum schon die Heimat."(BREPOHL, 1952; S.12) BREPOHL führt in seinem Aufsatz aus, daß Heimat mehr als das Milieu des Menschen ist. Es ist vielmehr der subjektive Ort des Individuums, an dem der Mensch in seiner Umwelt aktiv ist. Sein Verhältnis zur Umwelt ist nicht passiv, sondern er steht mit ihr in ständiger Interaktion, somit ist Heimat das "Werk des Menschen." (ebd. S.13) Der Mensch wächst in ein festes "soziales Gefüge" hinein, in dem Normen und Werte vorgegeben sind und in der Regel übernommen werden. Der Status des Anderen wird nicht hinterfragt, sondern als gegeben akzeptiert.7 BREPOHLs Meinung nach entwickelt sich das Heimatgefühl durch das Introjezieren des Erlebens, Fühlens und Er­fahrens der verschiedenen Elemente der Heimat. Das Individuum beginnt die Welt in seinem überschaubaren Umfeld zu entdecken, und es vergleicht spätere Erfahrungen immer mit den ersten heimatlichen Erlebnissen. "Es ist entscheidend für die Struktur und den Wert der 6 Heinrich BÖLL schreibt, daß es die Menschen sind, die man auf der Straße trifft, deren Namen und Geschichte aber nicht kennt, welche Heimat ausmachen.(H.Böll: Stadt der alten Gesichter; aus: Bienek (Hrsg.): Heimat; München, Wien 1985) 7 Hier setzt die Kritik ROTHs (1991) ein, indem er infrage stellt, daß ein soziales Gefüge, wie die Familie, einen positiven Einfluß auf die individuelle Entwicklung hat. Roths Meinung nach ist die Familie vielmehr ein "konservativ-retardierender Faktor", während die Kultur einen fortschrittlichen Aspekt hat. Heimat, daß sie genetisch die erste erlebte Wirklichkeit einer Welt gibt, von der es beliebig viele Varianten gibt."(ebd. S.17) So entsteht das Gefühl der Bindung an die vertrauten Elemente der Heimat. Es sind nicht die einzelnen Elemente, die dieses Gefühl tragen, sondern ihre Ganzheit, darum nennt BREPOHL Heimat eine "erlebte Ganzheit".(S.17) Bei einer Trennung des Menschen von seiner Heimat driften die be­kannten erlebten Elemente und das sie erlebende Individuum ausein­ander, "das ... verblaßt, wird blutleer und die neue Umwelt entbehrt des Gefühlstons. Für BREPOHL ist dies ein Bruch im Inneren der Betroffenen, der "daran erkrankt oder leiden (kann)."(ebd. S.18) BREPOHL ging zuerst davon aus, daß die Entwicklung eines Heimat­gefühls ein so starkes emotionales Engagement erfordert, daß ein Mensch dieses nur einmal während seines Lebens leisten kann und er sich somit nur an einem Ort heimisch fühlen kann. (vgl. BREPOHL 1952, S.15) Später modifizierte er seine Theorie: Aufgrund der Tat­sache, daß es viele Menschen gibt, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden (und noch vertrieben werden), hat er ein dynamisches Modell entwickelt, in dem Heimat ein solches menschliches Grundbedürfnis ist, welches unbedingt befriedigt werden muß, und er somit immer auf der Suche nach einer neuen Heimat und mit ihr nach Geborgenheit und Sicherheit ist. (vgl. BREPOHL 1959, S.54) An dieser Stelle wird wieder die Nähe der beiden Autoren BREPOHL und BOWLBY deutlich, die trotz ihrer verschiedener Disziplinen das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit des Menschen für eines der elementarsten Gefühle des Menschen halten. Abschließend möchte ich noch die Kritik V. BREDOWs und FOLTINs an BREPOHL darstellen: In ihrem Buch "Zwiespältige Zufluchten: Zur Renaissance des Heimatgefühls" (Bonn, 1981) sprechen sie in dem Kapitel über die "Soziale Dimension (von Heimat)" von "entlarvender Geschwätzigkeit" des Autors, als dieser (BREPOHL) versucht, den sozialen Aspekt des Heimatbegriffes zu erläutern. In dem aufgeführten Zitat (BREPOHL 1952, S.14f) neigt BREPOHL zu einer schwärmerischen, einseitigen Darstellung des sozialen Kontextes des Einzelnen in seiner Heimat, die, so die Kritiker, die Wirklichkeit verzerrt wiedergibt und den "normalen" Bürger als unkritisch beschreibt. Ihr Resümee aus dieser Beschreibung ist, daß nur der Intellektuelle in der Lage sei, sich aus diesem Netz von persönlichen Bindungen zu lösen. Ausdrücklich unterstreichen die beiden Autoren aber den Verdienst BREPOHLs, die Relevanz des sozialen Aspekts des Heimatbegriffs erkannt zu haben.8

3.2 Weg zum aktiven Heimatbegriff: BAUSINGERs geschichtlicher Abriss über den unterschiedlichen Gebrauch

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Nun komme ich zu BAUSINGERs Erläuterungen zu der Entwicklung des Begriffs "Heimat" (BAUSINGER: Auf dem Wege zu einem neuen, aktiven Heimatverständnis; in: Bürger im Staat, Jhrg.: 1983 Heft 4, S.211-216) Ein wichtiges Problem seiner Definition ist die Umschreibung des Begriffs: Heimat gehört zu den Worten in unserer Sprache, die leicht benutzt werden, über die aber jeder Einzelne eine andere Vorstellung hat. Ein Grund hierfür ist die Entwicklung, der dieser Begriff im Laufe der Zeit unterlag. Ein zweites Problem ist sein ideologischer Gehalt: BAUSINGER schreibt: "Wer heute mit dem Begriff Heimat umgeht, muß fragen, wer ihm über die Schulter sieht, wer ihm souffliert." (BAUSINGER in: Moosmann (Hrsg.): Heimat, Sehnsucht nach Identität. Berlin 1980, S.28) Welche unterschiedlichen Assoziationen mit dem Heimatbegriff zu­sammenhängen, wird deutlich durch eine geschichtliche Betrachtung seiner Entwicklung. Der erste Heimatbegriff, er liegt vor der Indu­strialisierung, bezeichnete den konkreten Besitz eines Einzelnen. Grundbesitzer nannten ihren Hof "Heimat", die durch Erbschaft weitergegeben wurde. So wurde jemand heimatlos, wenn er ohne Erbanteil leer ausging. Heimat hat hier den deutlichsten Sinn von Schutz und Versorgung des Einzelnen. 8 Hier möchte ich auf die wichtige Anmerkung der Autoren V. BREDOW und FOLTIN aufmerksam machen, die den Bereich der "sozialen Dimension" der Heimat für sehr schwierig halten. In ihm sind nämlich alle ideologischen Elemente dieses Begriffs enthalten. Während der Industrialisierung emtwickelten sich zwei verschiedene Bilder von Heimat: Das Bürgertum hatte einen Begriff von Heimat, welcher im Gegensatz zur industriellen Entwicklung stand. Heimat wurde eine Art "Kompensationsraum", eine Utopie für diejenigen, die durch den Fortschritt ihren Einfluß schwinden sahen. So standen sich erstmals Natur, Tradition und Zerstörung des Lebensraums gegenüber. Heimat wurde somit abgetrennt vom alltäglichen Geschehen und beschränkte sich auf eine "Spazierwelt" : "Gerade (...) die Neutralisierung von Heimat zu einer abgezogenen Vorstellung, die alle widerspenstigen und individuellen Realitätsmomente abgestreift hat -gerade sie gab diesem Heimatbegriff jene Flexibilität und Schmiegsamkeit, mit denen er bis in die Gegenwart überdauern konnte." (BAUSINGER, 1983; S. 212) Der zweite Begriff galt als "politisches Beschwichtigungsangebot." (ebd. S.213) Heimat wurde gleichgesetzt mit "Vaterland", um der "heimatlosen Arbeiterbewegung" ein "Identifikationsangebot" zu machen. (KASCHUBA, W.; in: Tübinger Korrespondenzblatt, Nr.20/1979; S.12; zit. aus: BAUSINGER, 1983; S.213) Dieser Offerte, die Arbeiterbewegung in das politische System "Vaterland" zu integrieren, um sie sicherlich leichter zu beeinflussen, entgegnete diese damit, ihre Bewegung als ihre Heimat anzusehen. Somit entstand das erste Mal ein Heimatbegriff, der nicht an einen Ort gebunden ist, sondern ein soziales, individuelles Gebilde ist. Auch der Heimatbegriff des 19. Jahrhunderts ist geprägt durch die idyllisierende Betrachtung des Bürgertums. Er beinhaltet aber auch die karge und harte Lebensführung der Landbevölkerung, die zum Symbol für Bodenständigkeit wurde. So wurde auch ein funktionales Menschenbild geschaffen, welches für die Kolonialmacht Deutschland von Vorteil war. Um 1890 und zwar auf Grund der Krisensituation formierten sich Großbauern und Landwirte gegenüber der Freihandelspolitik. So gelang das bäuerlich-ländliche zu einer Aufwertung durch den Zu­sammenschluß zwischen den Agrariern und den Heimatverbindungen. Heimat wurde auch als Gegenwert zum zentralistischen Reich gesehen. Hier wird wieder die "konservative Tendenz" gegenüber der "Durchindustrialisierung" (ebd. S.213) deutlich. "Da die Heimatbewegung keine Chance mehr sah, sich konstruktiv mit der ganzen Gesellschaft und ihrer Entwicklung auseinanderzusetzen, zog sie sich mehr und mehr auf Teilgebiete zurück." Und es sind gerade diese Teilgebiete, die Heimat zum Produkt "von der Stange" (ebd. S.214) herunterkommen ließen. Sie ist nichts an­deres als die Nische, die dem Menschen gegenüber der menschen­feindlichen Arbeitswelt bleibt. So entsteht eine idyllisierte Verklärung dieses Begriffs, der nur die friedliche Kunstwelt auf dem Lande zuließ. Auswüchse dieses ideologischen Begriffs sind Heimatlieder, Heimatschlager und andere Massenprodukte. Dieses Begriffsver­ständnis fassen V. BREDOW und FOLTIN wie folgt zusammen: "Das Heimat-Ideologem (=Ideologie-Teilstück) 9 neigt zur Prostitu-tion."(V.BREDOW, FOLTIN; 1981, S.16) Dieser Zustand wurde eine nützliche Voraussetzung für die Ideologie des Nationalsozialismus. Gleichzeitig mit der scheinbar unpolitischen Heimatbewegung wurde das nationalsozialistische Menschenbild vermittelt. ("Blut-und Bodengläubigkeit"; BAUSINGER, 1983, S.214) Der Heimatbegriff ist nach BAUSINGER aber kein unkritischer Begriff für eine Ideologie wie der des "3. Reiches". Im Gegenzug hat "Heimat" eine "zentrifugale" Wirkung, die eine Gleichmachung von Region, Tradition und Vaterland schwierig macht. Nach dem Kriege erhielt der Heimatbegriff -trotz seines ideologi­schen Mißbrauchs -eine Renaissance. Deutschland zerfiel in Länder und Regionen. Ein Teil dazu trägt auch die starke Zuwanderung von heimatlosen Vertriebenen bei, die die Relevanz der Geborgenheit durch Heimat unterstrichen. Nach einer Phase der Unpopularität des Begriffs gewann er in den 70er Jahren an Beachtung zurück. Dieser neue Heimatbegriff steht aber nicht in der Tradition der Verherrli­chung von Idyllen und ländlicher Ursprünglichkeit. Er ist vielmehr eine Beschreibung eines Lebensinhaltes von "neuer Qualität." (ebd. S.215) Für BAUSINGER unterscheidet er sich vor allem vom historische Begriff durch seinen aktiven Charakter. Heimat ist nicht mehr das 9 Interessant in diesem Zusammenhang ist der Gedanke der o.g. Autoren, daß Heimat nicht als Ideologie per Definition gesehen werden kann, sie kann nur ein wichtiges Teilstück einer solchen sein. Da sie "eine hinreichend unspezifische, allgemeine Erfahrung" (S.16) eines jeden Individuums ist, ist sie somit leicht integrierbar in jede Form von Ideologie. schöne Vergangene, dem die Menschen nachtrauern; es ist auch nicht mehr die Scheinwelt, die Nische, in der das Leben erst lebenswert ist. Heimat ist der Begriff für die aktiver Beteiligung an der Gestaltung unseres direkten Umfeldes. Es geht auch um den Erhalt von liebge­wonnenen Zeugnissen aus der Vergangenheit, aber es geht vor allem um die Realisierung einer lebenswerten Umwelt. Hier zeigt sich auch das Paradoxon, daß Umweltschutz auch einen konservativen Aspekt hat, der seinen Vertretern allerdings nicht bewußt ist. (vgl. v.BREDOW, FOLTIN, 17ff)

4. Heimweh

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4.1 Begriffserläuterung

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Hier möchte ich die Erläuterung der Begriffe Trennung -Bindung und Heimat abschließen, um jetzt explizit auf den des Heimwehs einzugehen. Bevor ich einen Überblick über die geschichtliche Entste­hung des Begriffs gebe, möchte ich selbst einen ersten Versuch einer Definition machen. Hierfür scheint es mir hilfreich, einen kurzen Exkurs über die Grundideen F. KRUEGERs zu einer Gefühlstheorie zu machen:

4.1.1 Exkurs: Gefühlstheorie F. KRUEGERs

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Der Begriff "Gefühl" wird alltäglich in jedem möglichen Zusam­menhang benutzt. Gefühle sind uns allgegenwärtig, sie beeinflussen direkt oder indirekt unser Tun und unser Befinden. Aber die Frage bleibt häufig offen: Was sind Gefühle, woher kommen sie, welche sind ihre Funktionen? Der Psychologe Felix KRUEGER fordert in dem Buch "Zur Philosophie und Psychologie der Ganzheit" (Hrsg. E. Heuss; Berlin, 1953) eine Strukturierung der Komplexität von Gefühlen. In den Kapiteln 5 ("Tiefendimension und die Gegensätzlichkeit des Gefühlsleben"; 1918) und 6 ("Das Wesen der Gefühle: Entwurf einer systematischen Theorie"; 1928) versucht er eine theoretische Basis zur Erforschung dieses wichtigen Gebietes zu entwickeln. KRUEGERs Theorie der "Ganzheitspsychologie" geht auf den Ansatz W. WUNDTs zurück, der schon 1874 von "drei -in sich bipolaren -Hauptrichtungen der Gefühlsqualität" (zit. nach: KRUEGER; 1918) sprach. Er betrachtete die Gefühle als Phänomene, welche sich zwischen drei Polen Erregung -Beruhigung Lust -Unlust Spannung -Lösung befinden. WUNDT versucht mit diesem Modell zu verdeutlichen, daß ganz ver­schiedene Gefühle immer zwischen diesen Extremen anzuordnen seien und daß ihre Beschreibung somit erleichtert werden kann. An­dere Autoren reduzierten dieses Modell auf die Polarität Lust -Unlust. Für KRUEGER ist diese Beschränkung aber nicht glücklich, da diese Form der "Zweidimensionalität" der Komplexität der Gefühle nicht gerecht werden könne. Er entwickelte daher, angelehnt an WUNDT, ein Modell, welches zwei Charakteristika der Gefühle besonders betont:

1. ihre "Komplexqualtitäten" (KRUEGER; 1928, S.204) d.h. ihre Ganzheit
2. die Tiefendimensionalität, d.h. ihre Gegensätzlichkeit


1. Die Ganzheit der Gefühle

Die Ganzheit der Gefühle beinhaltet ihre Komplexität. KRUEGER be­schreibt, daß Gefühle immer aus Teilkomplexen bestehen, die wie­derum ihre eigenen Qualitäten ("Komplexqualitäten") haben. Zu die­sen "Gefühlselementen" gehören auch die o.g. Begriffspaare. Wichtig ist hierbei die "unscharfe, gefühlsartige Gegebenheit" der Erlebniswelt zu berücksichtigen. Dieser Faktor der Unschärfe ist auch ein Grund, die Ganzheitlichkeit des Gefühlserlebens hervorzuheben. Denn diese Eigenschaft läßt das Gefühl zu einem diffusen Erlebnis werden, welches mehr ist, als nur die Summe seiner verschiedenen Komplexqualitäten. Deshalb entwickelte KRUEGER die Idee einer Ganzheitspsychologie. Für KRUEGER ist das gefühlsartige Erleben überhaupt die erste, ge­netisch früheste und echteste Art des Erlebens. Hier kann man eine Zusammenhang sehen zu HEGELs "Phänomenologie des Geistes" (Bamberg, 1807), in der beschrieben wird, daß die sinnliche Stufe des Menschen ("sinnliche Gewissheit") die Basis für seine geistige Entwicklung ist. Auch bei HEGEL ist diese Stufe unmittelbar an die Relation Subjekt -Objekt gebunden und verbleibt auf einer nonver­balen Ebene.10 2.Die Tiefendimensionalität der Gefühle Bei der Tiefendimensionalität der Gefühle handelt es sich um die Frage, ob die Begriffspaare Erregung -Beruhigung, Lust -Unlust, 10 Die zweite Stufe nennt HEGEL dann "Wahrnehmung", in der das Objekt verbalisiert wird; seine Eigenschaften werden dabei auf das scheinbar Wesentliche beschränkt und der Bezug zum wahrnehmenden Objekt ist nur noch mittelbar. Spannung -Lösung im Gegensatz zueinander stehen oder ob sie sich ergänzen. Ist die Gegensätzlichkeit keine allgemeine Eigenschaft der Gefühle oder läßt sich diese auf den Konflikt Lust -Unlust be­schränken? Für KRUEGER stellt sich diese Frage nicht, für ihn beinhal­tet jedes Gefühl einen angenehmen und unangenehmen Aspekt, die Grenze zwischen den einzelnen Begriffspaaren ist sehr unscharf zu ziehen. Ein Gefühl ist nicht exakt zu beschreiben, gerade diese Ei­genschaft macht ein Gefühl zu einer Empfindung, die es von realen Erscheinungen unterscheidet. Die Tatsache, daß KRUEGER an den wichtigsten Punkten seinen "Ganzheitstheorie" mit der Unschärfe von gefühlsartigem Erleben argumentiert, macht es seinen Kritikern leicht, seine Ideen in Frage zu stellen. Es ist aber vor allem der konsequente Schluß aus der Tatsache, wie schwierig es ist, eine Erlebensstufe zu beschreiben, die gerade durch ihre Nichtsprachlichkeit hervortritt. Auch KRUEGER wird dem Gesamtbild der Gefühlswelt nicht gerecht, aber sein Verdienst ist es, dieses wichtige psychologische Phänomen aus seiner wissen­schaftlichen Versenkung herauszuholen und eine systematische Me­thode zu entwickeln, die der Komplexität des Themas gerecht wird.

4.1.2 Versuch einer Definition und einer Fragestellung

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Heimweh ist ein Gefühl, welches der Mehrheit der Menschen unserer Kultur bekannt ist. D.h., jeder hat ein bestimmtes Bild von dem Begriff, sei es aus eigener Erfahrung oder aus der Vorstellung, wie sich dieses Gefühl auswirken könnte. Solche "Gefühlsbeschreibungen" variieren aber sehr stark: Sie reichen von der Sehnsucht nach einem imaginären Ort (z.B. Traumschloß) bis zum schmerzlichen Vermissen der vertrauten Umgebung. Diese Empfindung ist dann meist mit einer schlechten körperlichen Verfassung verbunden. Manche messen der "Heimat" nur einen sehr geringen Anteil am "Gefühlsganzen" bei. Sie benutzen die beiden Begriffe Heimweh und Sehnsucht synonym. Einige definieren Heimweh als eine Gefühl, welches entsteht, wenn jemand von seiner gewohnten Heimat entfernt ist, und er diese Trennung als ein Defizit erlebt. Diejenigen, die betroffen waren oder sind, haben eine individuelle Begrifflichkeit von dem, was sie erleben oder erlebt haben. Dieses Erleben schließt aber auch wiederum eine große Varianz der Symptome ein. Sie reichen vom "bitter-süßen Gefühl" über Gefühlskälte bis zur psychosomatischen Erkrankung. Meine Arbeit soll sich besonders mit der zuletzt genannten Gruppe beschäftigen, nämlich der, welche die Trennung von ihrer gewohnten Umwelt als eine psychische aber auch physische Krise empfindet. Dabei sollen folgende Fragen im Vordergrund stehen:

1. Wie überhaupt entsteht dieses Gefühl, welche psychologischen Vorgänge können es auslösen?
2. Wie bewältigen die Betroffenen die Krise?

4.2 Entstehung eines Begriffs und seiner Definition

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Bevor ich auf einen Erklärungsansatz zu dem Entstehen des Gefühls "Heimweh" komme, möchte ich einen geschichtlichen Überblick ge­ben, über den Gebrauch dieses Begriffs, wo er entstanden ist, welche seine Bedeutung in der Vergangenheit war und wie sich diese im Laufe der Zeit gewandelt hat. Diese historische Betrachtung soll auch die Vielfalt der Begriffsbedeutung verdeutlichen und uns eine Möglichkeit bieten, unser Interesse an diesem Phänomen näher ein­zugrenzen. In ihrem Aufsatz "Heimweh und Tradition" aus dem Jahre 1965 (aus: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 1965, S. 1-31) versucht die Ethnologin Ina-Maria GREVERUS, einen Überblick über die Erforschung des Begriffs "Heimweh" zu entwickeln und seinen Zu­sammenhang mit dem Terminus "Tradition" zu verdeutlichen. Daraus wird die folgende Begriffsentwicklung deutlich: Aus der Bezeichnung einer Krankheit wurde sie zu einem Grundbegriff einer geistigen Epoche, nämlich der der Romantik. Zum ersten Mal wurde der Begriff des Heimwehs im 16. Jahrhundert erwähnt. Im Schweizer Dialekt bezeichnete er als "Schweizerkrankheit " (GREVERUS; 1965, S.5) die Symptome, die bei Söldnern auftraten, die außerhalb ihrer Heimat stationiert waren. 1688 beschreibt der Baseler Arzt Johannes Hofer die Krankheit als psychisches Problem, welches auf den Zusammenhang von Leib und Seele einwirke. Er nennt das Krankheitsbild "Nostalgie". Der Arzt BLUMBACH aus Göttingen beschreibt 1783 die Ursache sinngemäß so: "Je größer der Kontrast zwischen Heimat und Fremde, desto anfälliger sei der Mensch für Heimweh." (ebd. S.4) Mit der Romantik gelang der Begriff nach Deutschland und wurde zum Symbol einer ganzen Epoche. Noch bei SCHLEGEL (1835) handelt es sich um die Trennung von der Familie, der gewohnten sozialen und physischen Umwelt. Später deutet man diese Bindung als "Anpassungsunfähigkeit der Patienten" (ebd. S.5) und somit als ein Phänomen bei "einfacheren" Menschen, die diesen Mangel kognitiv nicht verarbeiten können. Der Wissenschaftler Charles ZWINGMANN (Frankfurt a.M., 1962) unterteilt die Kriterien für das Erscheinungsbild in zwei Typen: a) Die exogenen Kriterien sind die räumlichen Aspekte, die die Trennung von der Heimat ausmachen,womit auch soziale Kontakte mit eingeschlossen sind, b) wobei endogene, "zeitliche" Kriterien solche sind, die vertikale Veränderungen und damit die fortschreitende individuelle Entwick­ 11 lung jedes Einzelnen bedeuten. Aber auch ZWINGMANN sieht in "einem Mangel an intellektueller Mobilität" eine mögliche Anlage für Heimweh. GREVERUS' Kritik an ZWINGMANN: Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs der "Heimat", nämlich ihre Ortsbezogenheit, würde in seiner Definition vernachläßigt. Heimat wird hier zum "persönlichen Satisfaktionswert." (ebd. GREVERUS, S.6)12 GREVERUS definiert Heimat als ein Konstrukt, welches "nur in einer subjektiven Bezogenheit und Bestimmtheit (existiert)." (ebd. S.7) So steht am Ausgang der Untersuchungen die Frage nach dem Zusammenhang von Heimat und Heimweh. Ihr Heimatbegriff steht in der Tradition BREPOHLs, daß der Mensch als Wesen in der Gesellschaft einen Bezug zu "bestimmten Fixpunkten" entwickelt und daß sein Sehnen danach eine "sympolische Rückkehr" 11 Auch ZWINGMANN verdeutlicht hier die Vierdimensionalität des Heimatbegriffs. Für ihn sind die äußerlichen (exogenen) Aspekte der Rahmen der Persönlichkeits­entwicklung. Aber es ist vor allem die zeitliche, vertikale (endogene) Dimension, der genausoviel Relevanz anerkannt werden muß. 12 Nach der Ansicht GREVERUS' wird hier der Begriff "Heimat" auf den "räumlich­klimatischen Aspekt beschränkt und somit nicht mehr brauchbar. Mit dem Verweis auf die unter 11 aufgeführten Erläuterungen bin ich der Meinung, diesen Begriff weiter zu gebrauchen. zum gewohnten Umfeld bedeutet. Hier bringt die Autorin den Begriff der Tradition mit in die Diskussion, indem sie diesen über seine alltagstheoretische Bedeutung hinaus erweitert: Tradition sieht sie nicht nur als Güter und Werte aus vergangenen Generationen, die oft unreflektiert weitergegeben werden, sondern sie sieht auch ihren aktiven Aspekt: Menschen entwickeln anhand der "Traditionsgüter" ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einem bestimmten "Traditionskreis" So entsteht der aktive Aspekt von Tradition im Zusammenhang zwischen Zusammengehörigkeit (Gruppe) und Ausgrenzung. Der Verlust dieses "Zusammengehörigkeitsgefühls" allein ist aber für GREVERUS nicht kein "Heimweh", sondern hinzu kommt auch die Sehnsucht nach der räumlichen Geborgenheit. (vgl. S.9) Sehnsucht ist ein Gefühl der Suche nach einem angenehmeren, freieren Empfinden als das momentane Erleben. Die Sehnsucht richtet das Denken und Fühlen in die Zukunft oder die Vergangenheit des Betroffenen (SCHOTT und MUMMERT, 1993) Häufig ist mit dieser Unterscheidung auch eine qualitative Wertung des Empfundenen verbunden: So, daß zurückgewandte Sehnsucht als schmerzlich und lähmend wahrgenommen wird, die in die Zukunft gerichtet, aber als positiv und motivierend erlebt wird. Auch GREVERUS beachtet diese Unterscheidung: Nur die Sehnsucht, die nach der verlassenen oder verlorenen Heimat empfunden wird, ist für sie "Heimweh". Menschen, die ihre "erste Heimat" aktiv verlassen, um eine neue zu finden, empfinden auch Sehnsucht, diese ist aber nach vorn gerichtet und oft von existentiellen Motiven begleitet. In diesem Zusammenhang gebraucht sie den Begriff des "Satisfaktionsfaktors Heimat", der erfüllt ist, sobald eine sichere Existenz gefunden wurde. "Heimweh", welches in diesem Zusam­menhang empfunden wird, nennt GREVERUS "Pseudo-Heimweh." (ebd. S.14) Ich meine, daß es schwierig ist, bestimmte Gründe für sein indivi­duelles Heimweh zu finden. Sicherlich verlassen viele Menschen ihre angestammte Heimat aus wirtschaftlichen Gründen. Es ist aber nicht zu leugnen, daß diese Menschen in ihrer "neuen Heimat" immer noch starke Sehnsucht nach den räumlichen und sozialen Fixpunkten ihres "Heimatlandes " haben. Richtig ist, daß die Sehnsucht, die sie beim Verlassen der Heimat empfinden, kein Heimweh sein kann, es schließt aber eine spätere Betroffenheit nicht aus.13 Der dichte Zusammenhang der Begriffe Heimweh, Tradition und auch der der Heimat führte dazu, daß sich ihre Bedeutung ständig wandelte, und daß besonders der Heimwehbegriff ein weites Spektrum an Assoziationen erhielt: Zuerst beschrieb er das Leiden desjenigen, der die Trennung von seiner gewohnten Umgebung als ein Defizit empfindet und sie somit schmerzlich für ihn ist. Heimweh umfaßt später die Sehnsucht einer ganzen geschichtlich-literarischen Epoche, der Romantik. Der direkte Zusammenhang dieser Extreme wird besonders im folgenden Zitat R. WEISS': (R. WEISS: Volkskunde der Schweiz; Erlenbach-Zürich, 1946, S.15ff zit. bei GREVERUS 1965, S.20) "Ihr stärkster Antrieb war und ist das Heimweh nach ei­nem verlorenen Paradies der Ursprünglichkeit." In diesem Zitat wird auf der einen Seite die starke Sehnsucht nach der räumlichen und sozialen Geborgenheit deutlich, wie auf der anderen die einer Generation, die nach dem Zeitalter der Aufklärung eine Epoche des Wandels und der Kulturkrise erlebten und auf der Suche nach bewährten Traditionen und Überlieferungen sind. Eine Steigerung dieser Entwicklung war die Tendenz, die Begriffe "Heimat" als "Sprachen-und Traditionsraum" eines Volkes und "Vaterland" gleichzusetzen und als zu erstrebendes Ziel aufzuwerten. Die Romantik brachte aber auch die Lösung des Begriffs Heimweh aus dem medizinisch-regionalen Bereich und wertete sie als "metaphysischen Wert" auf. 13 Kritisch möchte ich auch die für mich generalisierende Aussage GREVERUS' machen, in der sie eine Unterscheidung des Heimwehs von Arbeitsmigranten und Heimatvertriebenen aufzeigen will. Sie legt sie am Bespiel des unterschiedlichen Vereinslebens der beiden Gruppen dar: Heimatvertriebene führen ein sehr intensives Vereinsleben (Vertriebenenverbände, Landsmannschaften etc.) Greverus sieht den Grund hiefür in dem schon oben erwähnten Faktor der Tradition, mit deren Hilfe das Leid des erzwungenen Exodus aus der "geliebten" Heimat weiterlebt. Dies hat sicher eine reduzierende Wirkung auf das Heimweh. Warum aber führen die bei uns lebenden "Südländer" (ebd. S.18) keinen vergleichbaren Kult ihrer Traditionen? Für die Autorin liegt der Grund darin, daß die Mehrheit der Arbeitsmigranten aus "sozial niedrigster Schicht" kommen, und für ihre kulturellen Güter noch kein Traditionsbewußtsein entwickelt haben. (ebd. S.19)

4.3 Erklärungsansatz: Reaktanztheorie

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Heimweh ist ein Gefühl der Sehnsucht nach der Geborgenheit des Gewohnten, des Bekannten. Es ist gerichtet auf den Ort, den man als seine Heimat bezeichnet, d.h. an dem man seine direkte Umwelt kennt, sei es die räumliche oder soziale. Diese Beziehung ist keine einseitig-passive, sie ist vielmehr reziprok, d.h. gegenseitig zu ver­stehen. Der Einzelne gehört zum Ganzen "Heimat" und ist aktiv an ihm beteiligt. Heimweh ist eine Form der Sehnsucht, die geprägt ist durch ein schmerzliches, wenn nicht zerstörerisches Gefühl, nach rückwärts gerichtet, d.h. sie ist an die Vergangenheit gebunden, in der man diese o.g. Erfahrungen mit seiner heimatlichen Umwelt gemacht hat. Das Gefühl der Trennung wird dann als schmerzliches empfunden, wenn die vorgefundene "fremde" Umgebung gravierende Defizite aufweist, d.h. daß sie die Erwartung des Betroffenen nach Geborgenheit und Ganzheit nicht erfüllen kann. Dies kann ein länger andauernder Zustand sein, das Gefühl der "Fremde" kann aber auch erst durch eine Extremsituation wie z.B. eine seelische Krise entstehen. Dann verschwindet dieses Gefühl des "Verlassenseins" auch unmittelbar mit der Lösung des aktuellen Konflikts. Sind die Defizite rein existentieller Natur, spricht man nicht von Heimweh, da die Be­drohung der Existenz eine in die Zukunft gerichtete Sehnsucht ist. (GREVERUS 1965, S.14) Um von Heimweh zu sprechen, bedarf es also eine bestimmte Form der Sehnsucht, die sich auf das vergangene Bekannte bezieht. Hier spielt das psychologische Phänomen hinein, bei dem jemand, der sich momentan in einer schwierigen Situation befindet, wie z.B. in einer Prüfung, einer Phase des Umbruchs oder einem ähnlichen, wichtigen Lebensabschnitt, daß sich in einer solchen Situation der Betroffene nach der unmittelbaren oder sogar mittelbaren Vergangenheit sehnt. Diese Sehnsucht ist gekennzeichnet durch eine Idealisierung des Erlebten, d.h., daß nur positive Erlebnisse bewußt werden. Negative Eindrücke, die es mit Sicherheit in jeder Lebensphase gilt, bleiben ausgeschlossen oder finden ein viel geringeres Gewicht in der Erinnerung. Dieses Phänomen scheint mir in der Reaktanztheorie J.BREHMs (aus: Sharon S. BREHM: Anwendung der Sozialpsychologie in der klinischen Praxis; Bern, Stuttgart, Wien, 1980; 2. Kapitel) deutlich dargestellt zu sein. In seiner Theorie beschreibt BREHM das men­schliche Verhalten, der sich zwischen verschiedenen Alternativen für eine entscheiden muß. Nach BREHM gewinnt die Alternative für den Betroffenen an Attraktivität, welche schon verloren ist, oder von Verlust bedroht ist. D.h., das Individuum spricht der Entscheidung die größte Attraktivität zu, die kaum oder nicht zu erreichen ist. In diesem Verhalten spielen natürlich folgende Determinanten eine Rolle: a) Die Relevanz der Entscheidung: welche Qualität und Wichtigkeit hat die Entscheidung für den Betroffenen? b) Die Quantität der Alternativen der Alternativen: Wieviele ver­schiedene Entscheidungsmöglichkeiten stehen offen und wieviele sind verloren oder von Verlust bedroht? c) Erfahrungen mit ähnlichen Entscheidungen: Die menschliche Psy­che neigt dazu, ihre gemachten Erfahrungen zu verallgemeinern, was zur Folge hat, daß im Falle eines Freiheitsverlustes versucht wird, diese Erfahrung in einer ähnlichen Situation implizit zurück zu ge­winnen. So spielen auch Erfahrungswerte eine Rolle beim Reaktanz­verhalten. Für unseren Zusammenhang ist es wichtig, daß der Mensch dazu tendiert, eine Entscheidungsalternative an Attraktivität gewinnen zu lassen, die für ihn unerreichbar ist oder zumindest schwerer zu reali­sieren ist. Das heißt, daß der Betroffene das begehrt, was für ihn nicht oder nur schwer verfügbar ist. Das Reaktanzverhalten ist durch folgende Verhaltensmuster geprägt: a) "Die Art der direkten Wiederherstellung der Verhaltensfreiheit." (S.S. BREHM, S.32) Diese besteht natürlich nur dann, wenn die Al­ternative noch nicht verloren ist. b) Die indirekte Form des Reaktanzverhaltens ist gekennzeichnet durch den Versuch, durch ein ähnliches Verhalten die Entschei­dungsfreiheit wiederzugewinnen. Hier bekräftigt BREHM die Relevanz der Implikation auch im Reaktanzverhalten. Durch diese Form der stellvertretenden Wiederherstellung gewinnt der Betroffene implizit seine Entscheidungsfreiheit zurück. c) Die dritte Form der Reaktanz tritt ein, wenn der Betroffene erkennt, daß seine Entscheidungsfreiheit nicht wiederzugewinnen ist. Hier muß er nach BREHM auf seiner Reaktanz "sitzenbleiben." Der Autor ist der Meinung, daß die hier empfundene Frustration langsam abnehmen werde. d) Eine vierte Art des Verhaltens ist die beobachtbare Aggression, welche die Reaktanz häufig begleitet. Aggression könnte als Versuch gelten, die Freiheit auf direkter Weise wiederzuerlangen oder eine bedrohte Freiheit durch Einschüchterung zu erhalten. Für unseren Zusammenhang möchte ich der Verhaltensform der Ag­gression noch einige hinzufügen: Aggression gehört zu den klassi­schen Formen des Bewältigungsverhaltens (Coping-Verhalten). An­dere Verhaltensformen sind die der Regression, der Verdrängung und der Rationalisierung (Bewußtwerdung). Das Modell der Reaktanz läßt sich aber nicht nur auf das schon er­wähnte Phänomen der "vergoldeten" Vergangenheit anwenden, son­dern dient auch als Erklärung für das Erleben und Verhalten von Betroffenen, die Heimweh empfinden. Hierbei ist der Aspekt des Reaktanzverhaltens hervorzuheben, bei dem immer die Entschei­dungsalternative an Attraktivität gewinnt, die verloren ist oder zu­mindest von Verlust bedroht ist. Die Heimat, die momentan oder zeitlich unbegrenzt unerreichbar geworden ist, wird somit subjektiv zu einer attraktiveren Alternative zum aktuellen Aufenthaltsort. Allein ihr Wegfall macht die Heimat somit zu einem Konstrukt von angenehmeren, positiven Empfinden. Negative, unangenehme Gefühle werden durch die Sehnsucht über­lagert, diesen verlorenen Zustand wiederzuerlage.n

Empirischer Teil

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Anschließend an den theoretischen Teil habe ich einige Interviews mit Personen durchgeführt, die von sich behaupteten, von diesem Gefühl des Heimwehs betroffen zu sein. Ich entschied mich, diese Gespräche nach einer Methode durchzuführen, die den Interviewpartnern die größtmögliche Freiheit ließ, ihre eigenen Ideen und Empfindungen in ihren Beitrag einzubringen. Um die spätere Auswertung im Vergleich zu den im ersten Teil entwickelten Gedanken zu erleichtern, habe ich einen Fragebogen erstellt, der mir als Leitfaden dienen sollte, um eventuell ausgelassene Aspekte während des Gesprächs zu berücksichtigen. In der anschließenden Auswertung möchte ich diese beiden Teile meiner Arbeit verknüpfen. Nach der Durchführung der drei Interviews habe ich mich für die Auswertung eines Einzigen entschieden, da dieses, meiner Meinung, das schmerzliche Gefühl von Heimweh gut und prägnant wiedergibt. Die anderen zwei könnten dieAussagen nur bestätigen und in einigen Punkten vielleicht auch geringfügig erweitern.

5. Interview

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Bevor wir zur Durchführung und Erläuterung des Interviews kommen, möchte ich die angewandte Methode des qualitativen Interviews darstellen, um ihre technischen Aspekte und Vorteile zu verdeutlichen. Mein Grundgedanke zu den Interviews war, daß die Befragten selbst den Inhalt ihrer Darstellung bestimmen sollen und daß sie die Möglichkeit haben, eigene Ideen zum Thema zu entwickeln, ohne durch theoretische Vorkenntnisse beeinflußt zu sein.

5.1 Methodologische Kriterien des qualitativen Interviews

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5.1.1 Methodologische Prämissen des qualitativen Interviews

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Aus diesem Grunde wählte ich eine Form des Qualitativen Interviews, welches unter folgenden Prämissen durchgeführt wird. (nach: Siegfried LAMNEK: Qualitative Sozialforschung; Band 2: Methoden und Techniken; München 1989)

1. Ein wichtiges methodologisches Kriterium ist die Offenheit: wie schon oben angedeutet, bestimmt der zu Befragende die erbrachte Information. Er hat die Möglichkeit, den Ablauf, die Dauer, den Inhalt und alle anderen äußeren und inneren Aspekte des Gespräches zu beeinflussen. Hierzu gehört auch die Fähigkeit des Interviewers, flexibel auf unerwartete Reaktionen des zu Befragenden einzugehen.
2. Ein zweiter wichtiger Aspekt des qualitativen Interviews ist dessen Kommunikativität: Dieses Paradiga beinhaltet die äußere und innere Form des Interviews. Das betrifft sowohl die Sprache, den Ausdruck und die Mimik und Gestik der betroffenen Personen, wie auch die Umgebung und Situation, in der das Gespräch geführt wird.
3. Der dritte wichtige methodische Aspekt des qualitativen Interviews ist der der Interpretativität: Die Aussagen des zu Befragenden werden nicht nur als Beleg für möglicherweise schon erstellte Theorien genutzt, vielmehr sollen sie als Grundlage und zur Entwicklung solcher Theorien dienen. (Dies gilt besonders in der von mir gewähl­ten Form des "problemzentrierten Interviews".)

5.1.2 Methodologisch-technische Aspekte des qualitativen Interviews

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Aus diesen methodologischen Grundsätzen des qualitativen Interviews lassen sich folgende "methodisch-technischen Aspekte" (LAMNEK, S.65) ableiten:

1. Aspekt der Standardisierung (u.a. offene Fragen, Einzelfall, Länge des Interviews)
2. Aspekt der Authentizität des Interviews (Sprache, Milieu, Situation)
3. Aspekt der Atmosphäre ("kollegial-neutral" (ebd. S.66), nondi­rektiv)
4. Aspekt der Auswahl (Zugang zum Interviewten)
5. Aspekt der höheren Kompetenz des Interviewers und Interviewten
6. Asymmetrie der Kommunikationssituation
7. Aufzeichnungsgerät

Aufgrund der Hauptprämisse des qualitativen Interviews, der zu Be­fragende selbst bestimme Form und Inhalt des Interviews und wird somit aktiv an dessen Ablauf beteiligt, scheint mir der wichtigste technische Aspekt der (Nicht-)Standardisierung zu sein. Er impliziert die Authentizität des Interviews, d.h., daß der Interviewer die Sprache, das Milieu und die Situation des Befragten in der Formulierung seiner Fragen und Bemerkungen berücksichtigt. Es bedeutet auch, daß er (der Interviewer) zwar Fragen in der Form eines Leitfadens vorher sammeln kann, daß er ihre Reihenfolge aber im Laufe des Gespräches diesem anpasst, d.h. auch, daß Fragen, die in einem anderen Zusammenhang vielleicht schon angesprochen wurden, nicht nochmal ausdrücklich gestellt werden müssen. Die Fragen müssen aber immer, um den Erzählcharakter des Interviews zu garantieren, offen formuliert sein. Hieraus ergeben sich auch zwei weitere charakteristische Elemente des qualitativen Interviews: Es handelt sich dabei eher um eine Methode der Einzelfallforschung als um eine empirische Methode der Datenerfassung. Dafür spricht sowohl die längere Dauer des einzelnen Interviews, als auch die Prämisse, daß keine theoretischen Ansätze in dem Interview vorgestellt werden sollen. Dies ist die Voraussetzung für einen Bericht des Interviewten, der frei sein soll von möglichen Vorgaben oder Erwartungen des Interviewers. Um ein solches Gespräch möglich zu machen, bedarf es einer Atmosphäre, die als "kollegial-neutral" aber nondirektiv beschrieben wird. Der Interviewer muß die Kompetenz besitzen, eine für den zu Befragenden angenehme Situation zu schaffen. Das ist zum Beispiel möglich, indem man das Gespräch in seiner alltäglichen Umgebung führt und sich auf seinen Lebensrhythmus einstellt. Trotzdem sollte der Kontakt zwischen den Interviewpartnern über einen Dritten hergestellt werden, damit garantiert wird, daß kein Bekannter interviewt wird, der Interviewte aber eine Vertrauensbasis zu seinem Gegenüber hat. Außerdem ist somit gewährleistet, daß der zu Befragende auch kompetent ist, sich zum entsprechenden Thema zu äußern. Hier wird auch ein anderer Aspekt der von mir ausgewählten Inter­viewform deutlich, nämlich die der Anforderung an die beiden Ge­sprächspartner noch einer höheren Kompetenz der Gesprächsführung. Der Interviewer muß im Laufe des Gespräches in der Lage sein, spontan auf mögliche unerwartete Reaktion seines Gegenüber einzugehen. Er muß situationsbedingt handeln und kann die Fragen nur als eine Art Leitfaden nutzen. Der zu Befragende muß wiederum die Fähigkeit besitzen, seine Beiträge frei zu formulieren. Da er sich nicht an einem Fragebogen orientieren kann und er im Mittelpunkt des Interesses steht, muß er auch in der Lage sein, dieser Situation standzuhalten: Er muß eine eigene Vorstellung des Themas haben und diese muß selbständig erläutert werden. Ein anderer Aspekt des qualitativen Interviews ist die "Asymmetrie der Kommunikationsform". LAMNEK hält diese Ungleichheit der Redeanteile nicht für unnatürlich. Er vergleicht sie mit der Situation, daß eine Person erzählt, während die andere interessiert zuhört. Um diesen verschiedenen Aspekten gerecht zu werden, um ein kon­zentriertes Gespräch zu führen und es nachher in seinen Details zu interpretieren, ist es nötig, es so aufzuzeichnen, daß es später noch komplett wiedergegeben werden kann. Hierzu leistet eine Ton­bandaufzeichnung eine unverzichtbare Hilfe: Der Interviewer kann sich während des Gespräches voll auf die Aussagen des zu Befragen­den einlassen und dieser wird nicht durch Notizen unterbrochen.

5.2 Das problemzentrierte Interview

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5.2.1 Die Methode des Interviews

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Die Methode des problemzentrierten Interviews ist ein Teil einer problemzentrierten Forschungstechnik. WITZEL (1985) nennt sie eine "Methodenkombination bzw. -integration von qualitativem Interview, Fallanalyse, biographischer Methode, Gruppendiskussion und Inhaltsanalyse." (zit. nach LAMNEK, 1989, S. 74) Im Gegensatz zum narrativen Interview, in welches der Interviewer ohne jedes Konzept geht, um dessen Resultat als theoretische Grundlage seiner Erkenntnisse zu machen, ist das problemzentrierte Interview eine Kombination aus dieser rein induktiven Vorgehens­weise und der der Deduktion, in welcher der Forscher seine vorab formulierten Theorien anhand der erhobenen Daten bestätigen will. Das problemzentrierte Interview soll vielmehr dazu dienen, theoreti­sche Konzepte im Vergleich mit den Erfahrungswerten zu bestätigen oder gegebenenfalls zu modifizieren. Wichtig dabei ist, daß der For­scher sein Konzept in das Gespräch zwar mit einfließen läßt, er es aber nicht explizit vorstellt. Der Vorteil dieser induktiv-deduktiven Vorgehensweise ist, daß theoretisch erarbeitete Konzepte anhand von Daten bestätigt oder verworfen werden können. Vorkenntnisse des Forschers, und sind sie auch noch so undifferenziert, werden be­rücksichtigt. Dabei darf man aber die Gefahr nicht außer acht lassen, daß die vorausgegangene Beschäftigung mit dem Thema implizit in die Formulierung der Fragen oder der Gesprächsführung einfließen kann. Um diese Gefahr abzuwenden, ist es wichtig, die Offenheit des theoretischen Konzeptes gegenüber den Gesprächsinhalten zu wahren, diese zu bestätigen, zu modifizieren oder gegebenenfalls zu verwerfen.

5.2.2 Der Ablauf des Interviews

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Der Ablauf eine problemzentrierten Interviews gestaltet sich nach WITZEL in 4 Phasen. Phase 1: Die erste Phase dient zur Klärung der Form des Interviews. Sie soll ein offener Einstieg in die Interviewsituation sein, in dem das Thema umschrieben und somit auch eingegrenzt wird. Die erste Phase verläuft möglichst vor der eigentlichen Aufnahme, auch um den Befragten mit der Methode der Aufzeichnung vertraut zu machen. Phase 2: In der zweiten Phase soll der zu Befragende zum Erzählen stimuliert werden. Hier hat der Erzähler die Möglichkeit, frei sein Alltagserlebens zum Thema darzustellen. Mittel der Stimulierung können u.a. Erzählbeispiele oder ein Einstiegsfrage sein. In dieser Phase der "allgemeinen Sondierung" (ebd. S.75) wird dem Inter­viewten überlassen, was er zu dem vorgegebenen Thema zu berichten hat. Die Aufgabe des Interviewers ist es hier, aktiv zuzuhören, um in einem weiteren Schritt gegebenenfalls auf die einzelnen Punkte nochmal einzugehen. Phase 3: Diese geschieht dann in der Phase der "spezifischen Sondierung", in der die Möglichkeit besteht, die angesprochenen Aspekte und die vielleicht noch offenen gebliebenen Fragen anzusprechen. Hierzu stehen folgende Mittel bereit:

  • Die reine "Verständnisfrage": Hier hat der Interviewer die Gelegenheit, Fragen nach offengeblieben Aspekten in der Erzählung zu stellen. Er kann auch offen formulierte Fragen einfließen lassen, die das Gespräch noch vertiefen könnten.
  • Die "Zurückspiegelung": Durch die Wiederholung der vom Befragten gebrauchten Worte, wird ihm angeboten diesen Aspekt nochmal zu bedenken.
  • Die "Konfrontation": Hier wird der zu Befragende mit möglichen Widersprüchen in seine Aussagen konfrontiert. Dieses Mittel birgt die Gefahr der Klimaverschlechterung.

Phase 4: Die Phase der direkten Fragestellung zum Thema dient als Möglichkeit, das Gespräch mit einigen direkten Fragen abzuschließen. Diese Phase läßt auch zu, daß der Interviewer gezielt auf einen Aspekt eingeht, der ihm noch als wichtig erscheint, der aber in den Erläuterungen des Interviewpartners nicht angesprochen wurde. Diesem "Fahrplan" für ein qualitatives Interview, welches sich auf ein bestimmtes Thema richtet, stellt WITZEL noch eine weitere fakultative vor: Phase 0: Den vier genannten Phasen kann noch eine fünfte voraus­gehen, um die zu befragenden Person auf das Thema einzustimmen. Dies könnte, nach WITZEL, z.B. anhand eines kurzen, standardisierten Fragebogens geschehen, der eigentlich ein Mittel der quantitativen Datenerhebung ist. Außer dem genannten Vorteils, nämlich, daß der Interviewpartner sich vorab schon mit dem Thema beschäftigt, kann dieser Fragebogen auch später bei der Auswertung der einzelnen Interviews Hilfe leisten und dies besonders bei einer umfangreicheren Befragung. Zur Erfassung der Daten sind folgende Hilfsmittel nützlich:

  • der Kurzfragebogen: Er dient auch zur besseren Interpre­tation der einzelnen Inhalte, da er den nötigen Hintergrund bieten kann:
  • der Leitfaden: Er hilft dem Interviewer, eine Art Überblick über die von ihm erarbeiteten Bereiche zu behalten. Durch eine offen formulierte Frage kann der Forscher einen bestimmten Aspekt des Themas ins Gespräch einbringen.
  • Tonbandgerät
  • das Postskript: Es wird empfohlen, neben der Verschriftli­chung des Interviews auch einen Bericht darüber anzufer­tigen, was vor und nach dem Interview zum Thema gesagt wurde, oder welche Besonderheiten das Gespräch möglich­erweise hatte, die aus der Mitschrift nicht hervorgehen.

5.3 Das Interview

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Zu Beginn meiner Arbeit stand die Idee eines Versuchs, eine theore­tische Erklärung des Gefühls "Heimweh zu formulieren, um diese dann anhand von Interviews zu erläutern, zu verdeutlichen und wie­derzugeben, aber auch um sie möglicherweise zu modifizieren. Aus dieser Vorgabe heraus habe ich mich dazu entschieden, eine Form des qualitativen Interviews durchzuführen, weil diese am ehesten die Authentizität des zu Interviewenden bewahrt. D.h. in ihr hat er die Möglichkeit, seine Vorstellungen, Anregungen und Gedanken zum Thema zu äußern, ohne von vorgegebenen Fragen beeinflußt zu sein. Mir lag es vielmehr nahe zu erfahren, wie jemand das Gefühl der Sehnsucht nach seiner Heimat empfindet und auch wie er damit um­geht und wie er diese Krise versucht zu bewältigen (Coping-Verhalten).

5.3.1 Der Fragebogen

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Ich wählte deshalb die Form der offenen Fragestellung, um den In­terviewten anhand eines Leitfaden in die Situation zu versetzen, seine persönlichen Erfahrungen und Empfindungen zu schildern. Der vorformulierte Leitfaden diente dabei nur als Stütze für den Inter­viewer, bestimmte Aspekte während des Interviews zu berücksichti­gen, die ihm während der Beschäftigung mit dem Thema als wichtig und interessant erschienen. Es sollte aber auf keine Fall als bindendes Gerüst des Interviews verstanden werden. So konnte es vorkommen, daß die Reihenfolge der gestellten Fragen während des Interviews verändert wurden, daß einige Fragen auch weggelassen wurden und sogar, daß auf das Stellen von Fragen ganz verzichtet wurde. Der von mir angewandte Leitfaden steht insofern mit den theoretischen Vorgaben eines problemzentrierten Interviews in Zusammenhang, da seine Fragen sich in den einzelnen Phasen nach WITZEL (unter 5.2.2) wiederfinden lassen. Im folgenden Abschnitt möchte ich auf die einzelnen vorformulierten Fragen eingehen, um meine Intention zu erläutern.

  • Frage 1: Frage nach dem bisherigen Lebenslauf im Bezug zum Thema

Diese Frage sollte klären, in welchem Zusammenhang der zu Befra­genden zur genannten Problematik steht. Es soll deutlich werden, ob es in seinem Lebenslauf einen Moment oder ein Ereignis gibt, welches zum Ausbruch dieses Gefühls führte, ob er z.B. seine angestammte Heimat schon früh verlassen hat. Der Interviewte soll hier zum Erzählen stimuliert werden, u.a. soll ihm die Möglichkeit gegeben werden, sich die Situation zu vergegenwärtigen, in der er Heimweh empfunden hat. Diese Einstiegsfrage entspricht der 2.Phase der Darstellung Witzels zum problemzentrierten Interview: Zur Phase der "allgemeinen Sondierung")

  • Frage 2: Was empfindest Du, wenn Du über Heimweh nachdenkst?

Diese Frage soll schon, wie Frage 1, dem zu Befragenden die Mög­lichkeit geben, sich in die Situation einzufühlen, in der er Heimweh empfunden hat. Sie gehört somit auch in Phase 2. (Diese Frage stellte sich im Verlaufe der Interviews als überflüssig heraus)

  • Frage 3: Könntest Du ungefähr eine Situation beschreiben, in der Du Heimweh hattest?

Auch diese Frage gehört zu den Einstiegsfragen der Phase 2, mit deren Hilfe der Befragte zum Erzählen stimuliert werden soll. Während der Gespräche stellte sich aber heraus, daß die Interviewpartner von selbst ein Heimweh-Erlebnis schilderten, um ihr Empfinden an diesem zu erläutern. Die folgenden Fragen gehören in die Phase 4 des Interviews, in der dem Interviewpartner die Möglichkeit gegeben wird, bestimmte Aspekte des Gesprächs aufzugreifen, indem er direkte Fragen zum Thema stellt, die seiner Meinung nach zu berücksichtigen sind.

  • Frage 4: Eine Untersuchung hat ergeben, daß Menschen, die unter Heimweh leiden, sich wärmer anziehen. -Wie wirkt sich das Gefühl von Heimweh auf Deinen Alltag aus?

Aus dieser Frage läßt sich ableiten, wie sich das aktuelle Gefühl des Heimwehs auf den Tagesablauf des Betroffenen auswirkt, ob er z.B. gestört wird oder vielleicht sogar erleichtert wird. Im Gegensatz zu dem möglichen Bewältigungsverhalten, ist hier mehr das Ausmaß des Erlebens gemeint.

  • Frage 5: Ich kenne jemand, der sagt, Heimweh sei ein Gefühl stärker als Liebe und Hass. -Ist es für Dich ein starkes oder stärkeres Gefühl?

Wie schon Frage 4, so zielt auch diese Frage auf die Intensität des Empfindens. Unter Vorgabe eines, vielleicht übertriebenen, Beispiels soll der Interviewte nachempfinden können, wie stark sich diese Ge­fühl des Heimwehs bemerkbar macht.

  • Frage 6: Hast Du bestimmte Mechanismen, mit Heimweh fertig zu werden, es vielleicht zu verdrängen?

Diese Frage nach den Mechanismen, wie der Betroffene mit dem Heimweh umgeht, richtet sich auf das Verhalten, um dieses Gefühl zu bewältigen. Ist es ein Gefühl, welches rational erklärbar ist und somit ein wenig erträglicher, oder sind andere Mechanismen dazu nötig? Problematisch bei der Formulierung der Frage ist vielleicht der Hinweis auf die Möglichkeit der Verdrängung, der die Antwort beeinflussen könnte.

  • Frage 7: Hat sich das Gefühl des Heimwehs von der Kindheit bis heute verändert?

Ein Gefühl wird von Kindern anders erlebt als von Erwachsenen. Kinder sind noch nicht unbedingt in der Lage, eine extreme Situation, wie die Trennung von seiner gewohnten Umgebung mit ihren sozialen Bindungen und der persönlichen Geborgenheit, kognitiv zu verarbeiten, um sie leichter zu bewältigen. Deshalb ist es möglich, das junge Menschen intensiver auf Heimweh reagieren als Erwachsene, die die Fähigkeit besitzen, eine zeitlich begrenzte Krisensituation zu überstehen.

  • Frage 8: In dem Wort "Heimweh" steckt der Begriff "Heimat". Welche Bedeutung hat dieser für Dich?

Hier soll der zu Befragende einen Bezug herstellen zwischen seinem Heimweh und seiner Heimat. Was bedeutet für ihn "Heimat", welche Relevanz hat dieser Begriff in diesem Zusammenhang? Ist Heimat ein persönlich wichtiger Wert im emotionalen Haushalt oder spielt er hier eine untergeortnete Rolle? Ist Heimat heutzutage überhaupt noch ein akzeptabler Begriff oder sollte man eine solche Ortsbezogenheit überwunden haben?

5.3.2 Das Postskript

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Das vorliegende Interview wurde am 14.Dezember 1993 in der Wohnung der Probandin durchgeführt. Es fand außer der vorherigen Terminabsprache kein Vorgespräch statt. Die Tonbandaufnahme dauerte 34 Minuten, wobei das Gespräch über das Thema mehr Zeit in Anspruch nahm. Die Probandin wurde mir durch eine Freundin vermittelt, welche mich auf ihre starke Betroffenheit vom Gefühl des Heimwehs aufmerksam machte. Die Probandin befand sich zur Zeit des Interviews in einer Prüfungsphase, welche sich, nach ihren An­gaben, auf ihr momentanes Befinden niederschlug. Schon bei der Einführung in die Thematik und beim Einstieg in das Gespräch war besonders auffallend, wie interessiert die Probandin am Thema war. Das wurde deutlich, als sie vor allem Fragen über die möglichen Ursachen dieses Gefühls stellte. Dieses Bedürfnis nach einer Erklärung über die Herkunft ihrer "Krankheit" führte während des Gespräches zu einer längeren Unterbrechung, in der sie wiederholt nach theoretischen Ansätzen zu diesem Thema fragte. Diesen Teil des Interview habe ich herausgenommen, da dessen Inhalt nicht zur Klärung unserer Fragestellungen beiträgt, er ist aber ein wichtiges Beispiel für das Ausmaß, welches dieses Gefühl im Leben des Betroffenen haben kann. Das Gespräch fand in einer angenehmen, warmen Atmosphäre statt. Die Probandin versuchte, sehr dicht an ihr Empfinden heranzukom­men, welches sie im Zustand des Heimwehs hat.

5.4 Die Auswertung

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5.4.1 Die Gefühlsbeschreibung

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Zu Beginn der Auswertung des Interviews, welches ich ausgewählt habe, möchte ich auf die Passagen des Gespräches eingehen, die das Gefühl des Heimwehs beschreiben. Hierbei scheint mir die Formu­lierung eines "totalen Verlassenheitsgefühls" (Zeile 56) eine sehr prägnante Wiedergabe des Empfindens zu sein. Die Interviewte macht den Vergleich mit einer Form der Ohnmacht: "...es ist ganz schwer, da wieder zu sich zu kommen." (Z. 56f.) Eine Ohnmacht, die die Betroffene überkommt, die aber ihren ganzen Gefühlszustand durchdringt und beherrscht: "Es ist so ein Gefühl, das bahnt sich so leise an, (...),aber irgendwann ist so der Bann gebrochen und man kann irgendwie nicht mehr anders, als sich schlecht (zu) fühlen." (Z. 49ff.) Für die Probandin ist dieser Zustand nicht nur eine seelische, gefühlsmäßige Betroffenheit ("Ja, und als ich dann das erste Wochenende zu Hause war, da (...) bin ich in Tränen ausgebrochen, sobald jemand das Wort "Köln" in den Mund genommen hat." Z. 122ff.), sondern sie macht sich vorallem körperlich bemerkbar. "Heimweh-Attacken", "da habe ich die ganze Zeit auf dem Klo ver­bracht..." (Z. 46ff.) "Ich hatte auch solche Magenschmerzen, ich konnte auch nichts mehr essen,..." (Z. 111f.) Ein wichtiger Faktor für das Gefühl des Verlassenseins ist der sub­jektiv empfundene Grad der Geborgenheit. Dieser kann schon aus­reichend erfüllt sein durch die Anwesenheit einer gewohnten, ver­trauten Person: " Es muß meistens nur ein Mensch dabei sein, mit dem man sich gut versteht, den man gut kennt und mit dem man da wirklich zusammen auch ist und dann ist das überhaupt kein Problem mehr. (...) das muß schon ein engerer Bekannter sein." (Z. 148ff.) Das Gefühl der Trennung ist dabei schon gelindert oder sogar aufgehoben: "Und dann (...) haben wir die ganzen anderen wiedergetroffen, und ab da war es wie weggeblasen." (Z. 222f.) Die Interviewpartnerin unterschied auch das Gefühl des Heimwehs von allen anderen starken Gefühlen, wie z.B. das der Liebe oder des Hasses, da es für sie gerade mit körperlichen Symptomen verbunden ist. "Es ist ein ganz außergewöhnliches und einzigartiges Gefühl, (...), weil es halt auch die körperlichen Symptome hat,..." (Z. 177ff.) Sie vergleicht das Heimwehgefühl mit dem der Angst (Z. 182f). Es ist also ein Gefühl, welches die Funktion erfüllt, das Individuum vor einer vermeidlich gefährlichen Situation zu schützen. Ein Gefühl, welche uns alarmiert, indem es uns erst emotional lähmt, um uns dann zum Handeln aufzufordern. Hier können wir einen Zusammenhang zwischen dem menschlichen Angstverhalten und dem Gefühl des Heimwehs erkennen. Angstverhalten ist für BOWLBY eine natürliche Disposition, die er sich parallel zum Bindungsverhalten aneignet (siehe unter 2.2.3). Auch diese hat die Funktion, den Menschen vor Gefahren zu schützen. Angst, wie auch Heimweh, sind also Mechanismen, die dem Individuum helfen sollen, eine adäquate Reaktion auf eine gegebene Unsicherheit zu leisten.

5.4.1.1 Reaktanzverhalten beim Heimweh
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Wie schon unter 4.3. erläutert, ist das Heimweh ein Gefühl, welches durch die Tatsache entsteht, daß die menschliche Psyche dazu neigt, eine vermeidliche Alternative wegen ihrer Unerreichbarkeit aufzu­werten. Mit anderen Worten: Die verlorene oder verlassene Heimat gewinnt allein durch ihre Abwesenheit an Attraktivität. Dieses defizi­täre Gefühl wird dadurch verstärkt, daß sich die betroffene Person in einer extremen psychischen Situation befinden kann, daß sie zum Beispiel auf der Suche nach neuen Bindungen am neuen Aufenthaltsort ist: "... wir sind auch immer zusammen 'rumgezogen (...) und ich weiß nur noch, daß ich in den ersten zwei Tagen (...) wirklich wie bescheuert hinter denen hergerannt bin, (...) und (ich) total weg war, also mir ging es einfach nur total schlecht... vor Heimweh. Obwohl ich wußte: Ich bin in viereinhalb Tagen schon wieder zu Hause,..." (Z. 94ff.)

5.4.2 Die Formen des Coping-Verhaltens

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Nachdem ich die Beschreibung des Erlebens von Heimweh einer Betroffenen erläutert habe, möchte ich nun auf die verschieden For­men eingehen, diese Gefühl zu bewältigen, d.h., da es als negativ und schmerzlich empfunden wird, mit ihm umzugehen, es vielleicht sogar zu lindern oder "abzustellen". Wie schon in Kapitel 4 erwähnt wurde, gibt es verschiedene aktive Formen der Bewältigung eines seelischen Zustandes:

  • die Aggression
  • die Regression
  • die Verdrängung
  • die Rationalisierung

Diese Bewältigungsformen haben den gemeinsamen Charakter: Alle vier Formen werden vom Betroffenen aktiv angewandt, sie sind zwar in ihrer Auswirkung verschieden, der Betroffene aber handelt aktiv. Ich möchte hier einen fünften, in unserem Zusammenhang wichtigen Punkt, anfügen. Er ist ein Bestandteil der Reaktanztheorie Brehms: Dieser behauptet in der dritten Form des Reaktanzverhaltens (vgl. 4.3), daß der Betroffene, sobald er die Unmöglichkeit einer Wiederherstellung seiner Entscheidungsfreiheit erkannt hat, auf die­sem Verlust "sitzenbleibt", ihn somit akzeptieren muß. Diese Form der Akzeptanz kann sich für den Betroffenen aber nur als Frustration bemerkbar machen, da er unfreiwillig auf die attraktivere Alternative verzichten muß. Hieraus resultiert dann eine passive Form des Co­pings, nämlich die Kapitulation gegenüber dem Schicksal: "(...) ich glaube auch, daß es immer so bleiben wird, daß es einfach so in mir drin ist und ich kann da nichts daran machen und das ist eben so, Pech gehabt." (Z. 258ff.) Im Folgenden möchte ich anhand einiger Beispiele aus dem Interview die Formen des Coping-Verhaltens beim Heimweh verdeutlichen. Auf die Frage "Hast Du Dir ein Verhalten angeeignet, damit (dem Gefühl des Heimwehs) umzugehen?" (Z. 193) nennt die Probandin selbst folgende Formen des Coping-Verhaltens:

  • das Gefühl zu "überspielen", d.h. es zu "verdrängen"oder -"zu versuchen, sich rational (...) mit dem Kopf klar zu machen,

wie unsinnig das ist." (Z. 202ff.) Sie ist sich somit selbst bewußt, welche der oben genannten Formen des Coping-Verhaltens im Falle von Heimweh häufiger auftreten:

  • die der Verdrängung und
  • die der Rationalisierung.

Der Mechanismus der Verdrängung wird auch an anderer Stelle deutlich: " Als ich da abends ins Bett gegangen bin, hatte ich schon wieder so ein ganz leichtes mulmiges Gefühl im Bauch, (...). Wo ich dann aber gesagt habe: So jetzt schnell pennen und einfach nicht mehr dran denken." (Z. 207ff.) Diese Verdrängung des Heimwehgefühl kann den selben Erfolg der Bewältigung haben, wie die Tatsache, daß die Anwesenheit eines Bekannten dieses Gefühl des Verlassenseins schon auflösen kann: "Und das hat dann auch irgendwie funktioniert." (Z.211) Dabei aber bleibt die Frage offen, ob der Bekannte als ein Teil des Heimat-Ganzen dieses kompensieren kann, oder ob er doch nur von dem Gefühl Heimweh ablenkt. Eine andere wichtige Verhaltensform ist die Bewußtwerdung des Problems, die Rationalisierung. Sie bedarf der Fähigkeit des Betrof­fenen, dieses Gefühl zu akzeptieren: " ... also ich habe mich damit abgefunden." (Z. 253f.) Die Rationalisierung kann aber zu einem inneren Widerspruch zu dem Gefühl führen, da die Betroffene zwar wahrnimmt, daß sie dieses Gefühl für sich kennt, sich aber nicht die Gründe dafür erklären kann: "Dazu muß ich sagen, daß ich eigentlich nicht glaube, daß ich so ein Typ bin, wo man normalerweise sagen würde: Klar, der hat ja Heimweh. Weil ich erstens nicht so eine tolle Bindung zu meinen Eltern hatte,(...) also nicht, daß man sagen könnte, ich bin von (daher) verwöhnt, (...). Außerdem würde ich mich sehr als kontaktfreudig einschätzen,..." (Z. 73ff.) Eine Rationalisierung des Gefühls führt auch dazu, daß man sich in Zukunft mit dieser Tatsache arrangiert, daß man sein weiteres Leben, beruflich wie auch privat, auf diese Empfindung einstellt. Die Probandin macht dies in folgender Aussage deutlich: "...nach dem Abitur, habe ich immer überlegt: was soll ich machen? (...) meine Eltern haben immer sehr das unterstützt, daß ich vielleicht ein Jahr Au-pair (...) in Frankreich. Aber ich habe das deswegen mich auch nicht getraut.(...) ich wußte zwar, das geht dann irgendwann wieder weg, aber ich dachte: Die erste Woche, die ist dann so hart, das will ich mir nicht zumuten." (Z. 66ff.) In dieser rationalen Akzeptanz schwingt auch eine Art der Resignation mit: "Oh Gott, geh' bloß nicht irgendwann nochmal allein ins Ausland, das schaffst du einfach garnicht." (Z.63ff.) An einer anderen Stelle führt die Probandin das Gefühl des Heimwehs auf ihre Unreife zurück: "Ich kann mir nur sagen: Eigentlich müßte ich (Lachen) immer weiter so mich entwickeln, oder immer erwachsener werden, (...) immer selbständiger werden, vielleicht und im Zuge dessen auch immer weniger Heimweh haben, also immer fähiger werden, irgend wohin mal alleine wieder zu gehen, so für längere Zeit." (Z. 236ff.) Natürlich empfindet sie diese Unreife subjektiv, da sie versucht, eine Erklärung für ihr Ausgeliefertsein gegenüber dem Gefühl des Heim­wehs zu finden. Wie groß dieser Druck auf sie wirkt, der eine Folge ihres starken Empfindens des Heimwehgefühls ist, läßt sich an zwei Aspekten des Gesprächs gut wiedergeben:

1. In der langen Unterbrechung am Ende des Interviews beharrte die zu Interviewende auf eine Erklärung über die Entstehung von Heim­weh; sie wollte sich nicht mit der Tatsache ihres Empfindens abgeben, sondern sie suchte nach einem Grund, nach einer Ursache, die möglicherweise in ihrer Kindheit liegen würde.
2. Ein anderer, wichtiger Aspekt für diesen Leidensdruck der Betrof­fenen ergibt sich aus der Tatsache des wiederholten Lachens der Probandin. Lachen ist ein Ausdruck von seelischer Betroffenheit. Der Mensch versucht, durch Lachen Abstand von einer ihm unange­nehmen Situation zu gewinnen. Das Lachen ist aber gerade an den Stellen des Gespräches zu finden, an denen die Interviewpartnerin sehr dicht an ihrem persönlichen Empfinden des Heimwehgefühls ist. Das Lachen scheit auch deshalb eher gequält, da sie versucht, eine Distanz zu der Thematik vorzugeben, die sie aber noch nicht erreicht hat. vgl. Zeile 105-114)

6. Schluß

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Am Ende meiner Arbeit möchte ich rekapitulieren, welche Erkenntnisse für mich persönlich wichtig waren und, wie ich meine, es interessant machten, sich über einen längeren Zeitraum mit diesem Thema zu beschäftigen: Während der Zeit, die die vorliegende Arbeit in Anspruch nahm, erkannte ich mehr und mehr, wie aktuell dieses Thema ist. Es waren unzählig viele Menschen, die mir ihre Betroffenheit von diesem Gefühl bekundeten. Das ist mir vorher nicht bewußt gewesen und ich denke, daß viele mit ihrem Heimweh alleine sind. Abgesehen von der Quantität des Ausmaßes dieses Gefühls ist mir auch deutlich geworden, wie stark doch seine Empfindung sein kann und wie es den Einzelnen in seinem seelischen Befinden beherrscht. Eine für mich überraschend und wichtige Erkenntnis ist auch der direkte Zusammenhang zwischen dem Gefühl des Heimwehs und dem der Angst. Beide haben sowohl in ihrer Auswirkung wie auch in ihrer Funktion gemeinsame Aspekte. Wichtig ist mir auch ein differenzierter Gebrauch des Heimatbegriff: Man kann einen alltäglichen Terminus nicht auf die "geistige Müllkippe" werfen, weil er schon häufig ideologisch mißbraucht wurde. Ich finde es produktiver, diese Verflechtung zu entwirren, um demjenigen nicht Unrecht zu tun, der diesen Begriff für seinen psychischen Haushalt als unverzichtbar ansieht.


7. Anhang und Literatur

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7.1. Das Interview

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1 Susanne (23 Jahre) Datum: 14.12.93 Dauer: 34 Minuten
2
3 F(rage): Zuerst interessiert mich Dein Lebenslauf, d.h., wo Du geboren
4 bist, wann und ob in Deinem Lebenslauf irgendwo ein Punkt war, der
5 mit der Problematik (Heimweh) etwas zu tun hat, dass da irgendwo ein
6 Bruch war...
7
8 A(ntwort): Da habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Also, wann ich
9 geboren bin (...) 1970 im Juli in Bielefeld. Acht Kilometer von
10 Bielefeld weg, also mehr in einem Dorf, dort habe ich auch immer
11 gewohnt, die ganze Zeit. Im Haus, welches meine Eltern dort gebaut
12 haben, ich weiß nicht, ob da irgend wann...(Spontan:) Ich hatte immer
13 schon Heimweh, also z.B., wohnte meine beste Freundin, ich weiß
14 nicht, wie alt war ich da, das kann sein, dass das noch vor der Schule
15 gewesen ist sogar, keine Ahnung, oder während der Grundschulzeit
16 (...). Jedenfalls wohnt die schräg gegenüber, also nur über so eine
17 Spielstraße drüber, in einem Haus wohnte die, und da war ich auch
18 ständig, und habe ich bei der irgendwann mal übernachtet und dann
19 mußte mich der Vater mal tatsächlich nachts wieder nach Hause
20 bringen, weil ich es nicht ausgehalten habe. Also anscheinend war das
21 immer schon so drin; obwohl ich auch öfter mal weg war, bei
22 Verwandten, wo ich dann gleichaltrige Cousinen oder Cousins hatte,
23 die auch alle so 100 Kilometer weiter weg wohnten und die ich nicht
24 so häufig gesehen habe, also garnicht so toll kannte, und das ging
25 eigentlich gut.
26 Das einschneidenste Erlebnis jedenfalls, wo ich bemerkt habe, ich
27 habe wirklich Heimweh, während ich dieses andere da, als ich bei
28 meiner Freundin da gepennt habe, das kann man ja noch als normal
29 betrachten, da war ich ja noch klein. obwohl andere Kinder das
30 vielleicht... nicht jedes Kind das vielleicht hat.
31 Aber das, was wirklich schlimm war, da war ich, ich schätze 17, da
32 war ich in Frankreich, in Grenoble und zwar war das so, dass meine
33 Eltern, also Freunde von meinen Eltern, die haben dort Verwandte, die
34 Schwester von dem Mann, die wohnt da mit ihrer Familie in Grenoble
35 und die setzt sich dort immer sehr für Schüleraustausch und so etwas
36 ein und dann hatten wir irgendwann Osterferien und die Tochter (...)
37 von unseren Bekannten, die war fünf Jahre jünger als ich, also
38 vielleicht so 12, die wollte halt da hinfahren zu ihrer Tante und
39 Verwandten nach Grenoble und ich hatte irgendwie die Idee, auch mal
40 drei Wochen (in) eine Familie dort zu kommen; und dann hat das aber
41 nicht so richtig geklappt, und da hat diese Tante (...) mich aber
42 trotzdem mit eingeladen zu kommen. Dann war ich da, und dann
43 haben wir da noch nach einer Familie gesucht und dann auch
44 gefunden: Also eine Familie mit zwei kleine Kindern, auch in
45 Grenoble, bei denen ich dann auch zwei Wochen sein sollte. Und da
46 war ich dann und habe echt so richtige Heimweh-Attacken gekriegt:
47 Also, da habe ich echt fast die ganze Zeit auf dem Klo verbracht und
48 geheult. Das war ganz schlimm, ich habe auch nachts ganz schlecht
49 geträumt. Es ist so ein Gefühl, das bahnt sich so leise an, man kommt
50 da hin und denkt erst: Ja, ist ja klar, dass du dich nicht so super toll
51 fühlst, du kennst die ja alle noch nicht, und dann sind die aber auch
52 total nett und so, aber irgendwann ist so der Bann gebrochen und man
53 kann irgendwie nicht mehr anders, als sich schlecht (zu) fühlen.
54 Obwohl die total nett sind und das nicht an denen liegt, oder so,
55 überhaupt nicht, aber es ist halt ein totales
56 VERLASSENHEITSGEFÜHL, glaube ich. (Pause) Und es ist ganz
57 schwer, da wieder zu sich zu kommen. (Pause)
58 Und dann irgendwann, ich schätze, das war ein Wochenende, und
59 dann ein paar Tage später habe ich die Astrid, die ist eine Bekannte,
60 die da bei ihrer Tante noch war, so wieder getroffen, dann ging das
61 langsam auch. Irgendwann geht's dann wieder, aber dieser Anfang war
62 echt schlimm. Also, ich fand es wirklich richtig schrecklich. Das war
63 für mich hinterher immer ein Grund zu sagen: "Oh Gott, geh' bloß
64 nicht irgendwann noch mal allein ins Ausland, du schaffst das einfach
65 garnicht." Dieses Heimwehgefühl, das ist so wirklich schlimm. Und
66 z.B. nach dem Abitur, habe ich immer überlegt: was soll ich machen?
67 (Ich) wußte überhaupt noch nicht genau, was ich jetzt weiter machen
68 wollte und meine Eltern haben immer sehr das unterstützt, dass ich
69 vielleicht ein Jahr Au-pair mache oder so... in Frankreich. Aber ich
70 habe das deswegen mich auch nicht getraut. Einfach, weil ich dachte...
71 ich wußte zwar, das geht dann irgendwann wieder weg, aber ich
72 dachte: Die erste Woche, die ist dann so hart, das will ich mir nicht
73 zumuten. Dazu muß ich sagen, dass ich eigentlich nicht glaube, dass ich
74 so ein Typ bin, wo man normalerweise sagen würde: Klar, der hat ja
75 Heimweh. Weil ich erstens nicht so eine tolle Bindung zu meinen
76 Eltern hatte, sondern immer sehr viel Krach mit denen, also nicht, dass
77 man sagen könnte, ich bin von (daher) verwöhnt, oder verhätschelt
78 oder habe immer schon am Rockzipfel meiner Mutter gehangen, das
79 stimmt irgendwie nicht. Außerdem würde ich mich sehr als
80 kontaktfreudig einschätzen, ich würde immer schnell Kontakt kriegen,
81 daran liegt es irgendwie nicht, ich habe auch keine schlechten
82 Erfahrungen gemacht, dass diese Familie in Frankreich jetzt gemein zu
83 mir gewesen wäre. Irgend etwas, so dass ich mich nicht da hatte
84 wohlfühlen können, nicht richtig angenommen oder so. Also, das ist
85 halt trotzdem total... so eine Sache die man einfach rational nicht
86 beeinflussen kann. Und dann bin ich halt nach Köln gekommen, nach
87 dem Abitur, zum Studieren und war dann da und da waren dann
88 wieder wirklich ähnliche Symptome wie in Grenoble, obwohl das total
89 hohl war. Ich weiß selber, dass es total bescheuert ist, dass ich
90 überhaupt keinen Grund hatte, weil ich kannte hier zwar fast keinen,
91 aber immerhin doch eine Frau, die ich auf der Eignungsprüfung für
92 Musik schon kennen gelernt hatte und die ich direkt, als ich hierhin
93 kam, am ersten Tag angerufen hatte. Also, dann war ja schon der erste
94 Uni-tag und wir sind auch immer zusammen 'rumgezogen, noch eine
95 Dritte dabei, und ich weiß nur noch, dass ich in den ersten zwei Tagen,
96 oder am ersten Tag wirklich wie bescheuert hinter denen her gerannt
97 bin, durch die Bibliotheken und so, die haben sich alles angeguckt und
98 (ich) total weg war, also mir ging es einfach nur total schlecht... vor
99 Heimweh.
100 Obwohl ich wußte: ich bin in viereinhalb Tagen schon wieder zu
101 Hause, außerdem bin ich nicht in einem anderen Land und ich bin nur
102 200 Kilometer von zu Hause weg und das war auch nicht so nach
103 meinen Eltern unbedingt, aber einfach, glaube ich, dass man sich dann
104 so verlassen fühlt. Total bekloppt, aber ich...
105 F.: Einsamkeit...
106 A.: Ja, obwohl es aber eigentlich auch nicht so war, weil ich hatte schon
107 jemand. (...) An einem Tag wirklich da wollte ich mich zur Uni
108 schleppen und da wohnte ich an der Subbelrather Straße, (ich) war
109 dann auf dem Weg zur Bahn, zum Gürtel, (lachend) und dann wirklich
110 so auf halber Strecke konnte ich echt nicht mehr. Ich hatte auch solche
111 Magenschmerzen, ich konnte auch nichts mehr essen, ich habe mich
112 dann da irgendwie auf die (gezwungener lachend) Straße gesetzt, auf
113 den Bürgersteig, weil es mir so schlecht ging. Und dann (...) bin ich
114 wieder nach Hause gegangen, habe mich echt ins Bett gelegt, und ich
115 konnte vor lauter Heimweh nichts essen. Und zum Glück war dann
116 gerade ein sehr guter Freund, also ein total lustiger Mensch so, war
117 dann gerade, der ist Elektriker, der war gerade auf Montage in Köln
118 und der hat mich dann abends besucht und der hat auch, ich weiß
119 nicht, zwei Stunden bestimmt gebraucht, bis ich das erste essen
120 konnte, also immerhin noch trotzdem. Ja, und als ich dann das erste
121 Wochenende zu Hause war, da bin ich auch fast wieder in Tränen...
122 oder bin ich in Tränen ausgebrochen, sobald jemand das Wort "Köln"
123 in den Mund genommen hat, (lachend) total ätzend. Ja, aber dann
124 irgendwann hat sich das natürlich verloren... Doch das Doofe ist, nur
125 was mich auch immer verwundert, ist, dass es anscheinend..., ich weiß
126 nicht, ich kann mir vorstellen, dass es auch nicht unbedingt besser
127 wird. Also, dass es immer wieder kommen würde, in so Situationen.
128 Ich weiß es nicht. Andererseits kann ich mir jetzt vorstellen, klar, dass
129 es doch besser (wird), weil ich habe einfach auch jetzt (...) hier in Köln
130 die vier Jahre, die ich hier wohne, viel mehr erlebt, als ich vorher
131 erlebt hatte, aber ich kann mir vorstellen, dass es doch immer wieder
132 kommt und wirklich... Das Schlimme ist wirklich, dass man da einfach
133 nichts gegen machen kann. Auch nicht mit guten Worten und mit
134 irgendwie... sich zu überlegen, dass es völlig unlogisch ist, sich jetzt
135 hier so aufzuregen oder..., ich weiß nicht. Es ist halt wie so eine Sucht
136 oder eine Krankheit. Sucht ist vielleicht nicht das richtige Wort, weil
137 man sucht es ja nicht, aber wie etwas, was über einen kommt. Mehr
138 weiß ich auch garnicht dazu zu erzählen. (Pause)
139
140 F.: Ich habe von einer Untersuchung gehört, wo Menschen behauptet
141 haben, dass sie sich, wenn sie Heimweh haben, wärmer anziehen.
142 Wie gehst Du so im Alltag mit dem Gefühl um?
143
144 A.: Ich habe das nicht im Alltag. Also, das ist bei mir kein alltägliche
145 Sache. Es stellt sich auch nicht ein, wenn ich z.B. mit mehreren
146 Leuten eine Gruppenreise mache oder so etwas. Es muß meistens nur
147 ein Mensch dabei sein, mit dem man sich gut versteht, den man gut
148 kennt und mit dem man da wirklich zusammen auch ist und dann ist
149 das überhaupt kein Problem mehr. Ich habe das wirklich nur, wenn ich
150 irgendwie so alleine auf mich gestellt bin: Obwohl, diese Freundin, die
151 ich da jetzt (in Köln) schon vorher ein bißchen kannte, also das hat
152 dann anscheinend nicht ausgereicht, das muß schon ein engerer
153 Bekannter sein. (Pause) Aber im Alltag kenne ich das nicht. (Pause)
154 Ich bin ja jetzt... hier ist ja auch mein Heim, jetzt. Ich sehne mich halt
155 nicht nach meinen Eltern zurück, sondern nach etwas, wo ich alles
156 kenne, nach so einem Schutzraum, wahrscheinlich.
157 F.: ... nach Sicherheit...
158 A.: Ja. (Pause) oder z.B. kann ich mich daran erinnern, ich weiß jetzt
159 nicht, ob das Heimweh war oder etwas anderes, jedenfalls dass ich
160 irgendwann, so der letzte Urlaub, den ich mit meinen Eltern gemacht
161 habe, ich weiß auch nicht, wie alt ich da war, (...) vielleicht auch 17
162 (...). Jedenfalls waren wir da auch in Frankreich und ich weiß nur, dass
163 ich da wirklich auch mich total mies gefühlt habe, ich hatte überhaupt
164 keinen Bock mehr darauf, ich wollte irgendwie nach Hause,
165 unbedingt. Aber es war nicht nur so, dass ich gerne nach Hause wollte,
166 es war schon intensiver, aber ob man das hetzt Heimweh nennen kann,
167 weiß ich auch nicht. (Pause)
168
169 F.: Ich kenne jemanden, der sagt, Heimweh sei ein Gefühl stärker als
170 Liebe und Hass. (...)
171 Ist es für Dich ein starkes Gefühl oder stärkeres Gefühl?
172
173 A.: Als Liebe und Hass, oder stärker im Sinne von...
174 F.: ... als andere Gefühle, im Vergleich zu anderen.
175 A.: Es ist ein ganz außerordentlich und einzigartiges Gefühl, also, ich
176 könnte es nicht mit Liebe oder so etwas vergleichen, überhaupt nicht,
177 weil es halt auch diese körperlichen Symptome hat, dass einem total
178 schlecht wird, nee, (das) würde ich nicht mit Liebe vergleichen und
179 Hass habe ich in dem Sinne auch noch nicht erfahren. Es ist einfach
180 etwas ganz anderes, es ist ein bißchen wie Angst. Wenn man richtig
181 Angst hat, das geht auch in die Richtung. Aber irgendwie finde ich,
182 kann man das nicht mit diesen beiden anderen Gefühlen vergleichen
183 oder mit irgend etwas, es ist schon etwas Krankhaftes. Ich empfinde es
184 jedenfalls als unnormal, auf jeden Fall. Und ich kann es mir selbst
185 auch nicht erklären. Ich finde einfach keine Erklärung dafür, warum
186 ich so ein Gefühl haben müßte oder irgend etwas, was das
187 rechtfertigen würde. Ich finde es einfach nur ...ja, krankhaft. (Pause)
188 F.: Wenn du sagst krankhaft, dann müßtest du ja Mechanismen haben,
189 wie du damit umgehst.
190 Hast Du Dir ein Verhalten angeeignet, damit umzugehen?
191
192 A.: Ich muß dazu sagen, es ist ja auch sehr selten, (...) das war halt
193 dieses eine Mal, wo ich in Frankreich überhaupt darauf gekommen
194 bin. Dann in Köln habe ich es wohl nicht so erwartet und da war das
195 andere aber auch schon wieder so lange her, dass das auch für sich
196 stand. Und seitdem ist es so nicht mehr aufgetreten, einfach weil ich
197 auch in solchen Extremsituationen ja garnicht mehr bin, deswegen
198 kann ich nicht sagen, ich habe etwas, was ich dagegen machen kann.
199 Man kann halt nur versuche, es entweder zu überspielen,zu verdrängen
200 und so oder (zu) versuchen, sich rational... doch versuchen, das sich
201 mit dem Kopf klar zu machen, wie unsinnig das ist. Also z.B., war ich
202 jetzt letztes Jahr mit mehren Leuten mit einem Orchester wieder in
203 Frankreich und auch in Familien untergebracht, die ich auch schon
204 kannte. Als ich da abends ins Bett gegangen bin, hatte ich schon
205 wieder so ein ganz leichtes mulmiges Gefühl im Bauch, so wo sich...
206 so, was so in diese Kategorie rein gehört. Wo ich dann aber gesagt
207 habe: So jetzt schnell pennen und einfach nicht mehr dran denken.
208 Und das hat auch irgendwie funktioniert. Da fällt mir nämlich ein,
209 inzwischen war doch noch etwas, weil bevor ich nach Köln
210 gekommen bin, also so in der 12. Jahrgangsstufe, da macht man ja
211 immer diese Kursfahrten mit dem Leistungskurs. Ich war in La
212 Rochelle, in Frankreich, bei der Familie, wo ich letztes Jahr auch noch
213 einmal war und da hatte ich das auch ganz schlimm wieder. Wieder
214 das gleiche, wir sind da halt abgeliefert worden, die waren super nett,
215 alles total Klasse. Aber wir mußten das erste Wochenende alle allein
216 in unseren Familien verbringen. Und das fand ich wieder ganz doof,
217 also es war nicht mehr so schlimm, dass ich da wirklich ständig geheult
218 habe, aber ich habe mich echt total schlecht gefühlt. Und dann am
219 Montag (...) haben wir die ganzen anderen wieder getroffen, und ab da
220 war es wie weggeblasen. Also, dann konnte ich auch abends in der
221 Familie sein, ohne dass ich mich irgendwie unwohl gefühlt habe.
222 (Pause) Aber es ist immer wieder dasselbe, vielleicht kommt es ja
223 auch... vielleicht ist es ja auch Einbildung, so dass man sich denkt, man
224 weiß schon, wie man darauf reagiert und reagiert dann auch so, aber
225 ich glaube es eigentlich eher nicht, weil dafür ist das Gefühl zu stark,
226 als dass man sagen könnte, es ist so ein "Reinsteigern", das empfinde
227 ich eigentlich überhaupt nicht so. Also, es ist etwas ganz anderes, als
228 wenn man sich zum Beispiel in irgend eine Hysterie hineinsteigert, das
229 gibt es ja wirklich, dass man mal völlig sauer ist und dann auch
230 wirklich sich noch selber saurer macht, weil man das gerade so nötig
231 hat, aber damit ist das überhaupt nicht zu vergleichen, finde ich.
232 (Pause) Tja, und wie man das behandeln soll, weiß ich auch nicht,
233 keine Ahnung. Ich kann mir nur sagen: Eigentlich müßte ich (Lachen)
234 immer weiter so mich entwickeln, oder immer erwachsener werden,
235 oder wie immer man das auch blöd ausdrücken möchte und immer
236 selbständiger werden, vielleicht und im Zuge dessen auch immer
237 weniger Heimweh haben, also immer fähiger werden, irgend wohin
238 mal alleine wieder zu gehen, so für längere Zeit. Aber ich kann nicht
239 sagen, ob es so ist, ich würde es mir vielleicht jetzt eher zutrauen, ich
240 würde vielleicht sagen: Ich versuche es, aber ich wüßte andererseits
241 auch wieder genau, dass die ersten Tage wieder genau so werden
242 würden. Also, jedenfalls ging das für mich so weit, dass ich immer
243 deswegen diesen Wunsch, mal ein Jahr ins Ausland zu gehen, was ich
244 wirklich gerne machen würde, was auch viele Freunde von mir
245 gemacht haben. Meine beste Freundin z.B., die ist ständig in
246 Neuseeland oder in England, und ich beneide das dann immer total
247 aber ich weiß, ich kann das nicht machen. Ich finde das selber total
248 affig eigentlich, ich finde das total bescheuert, wenn man nicht so
249 unabhängig ist. Ja, aber (..) ich find es auch nicht so, dass ich... also ich
250 habe mich damit abgefunden. Ich empfinde das wirklich als etwas,
251 wofür ich nichts kann. Also, ich empfinde es jetzt nicht so, dass ich
252 sage: Mann, das muß ich jetzt unbedingt lernen; es ist so, wenn ich das
253 nicht mache, dann weiche ich dem aus. Wahrscheinlich ist das der
254 Punkt, (...) ich glaube auch, dass es immer so bleiben wird, dass es
255 einfach so in mir drin ist und ich kann da nichts daran machen und das
256 ist eben so, Pech gehabt. Und nicht so, als so eine Lernsache, die ich
257 mir selber mit Willen oder so etwas austreiben kann. (Pause) Das ist
258 wahrscheinlich ziemlich wichtig, dass man es selbst dann so sieht.
259 Aber ich meine, das kommt ja auch, weil das Gefühl ja so ist, weil
260 man wirklich einfach nichts dagegen machen kann. Weil es so
261 unbeeinflußbar ist; man ist da völlig machtlos und (sagt) deswegen:
262 Was soll man dagegen tun, wie soll man das lernen?
263 F.: Ausgeliefert sein...
264 (Pause)
265
266 F.: Das Gefühl Heimweh ist ja auch sehr stark in der Kindheit und zieht
267 sich dann über Jahre hinweg bis zum Erwachsensein.
268 Gibt es denn da Unterschiede, gibt es eine Entwicklung vom
269 Empfinden her, von den Mechanismen her, damit umzugehen?
270
271 A.: Ich weiß nicht, ich kann mich halt an das Heimweh, was ich als
272 Kind hatte, garnicht mehr so richtig erinnern, während mir das andere
273 Heimweh, dieses erwachsene Heimweh, oder wie ich das auch immer
274 nennen soll, also das ist mir wirklich eingegraben, das kann ich auch
275 beschreiben, das Gefühl. Das kann ich auch mir wieder bewußt
276 machen, wie ich mich da fühle und das andere, da kann ich irgendwie
277 nicht richtig was zu sagen.
278 (Längere Unterbrechung des Interviews wegen Rückfrage der Inter-
­279 viewpartnerin nach den Ursachen von Heimweh)
280
281 F.: Es steckt in dem Wort HEIMweh ja auch HEIMat drin.
282 Was fällt Dir den da spontan zu ein, was Heimat ist?
283
284 A.: Ich würde eher Heim sagen, nicht Heimat sondern Heim. Das ist
285 Zuhause, einfach. (Es muß) ja nicht das Elternhaus sein, aber da, wo
286 man sich heimisch fühlt. (...) Es drückt ja die Geborgenheit aus, wo
287 man sich sicher fühlt, wo man eben Zuhause ist. Das ist natürlich das
288 ganze Umfeld, damit sind nicht nur die Eltern gemeint, sondern die
289 ganzen Freunde, die man hat. Wahrscheinlich auch nicht nur spezielle
290 Freunde, sondern einfach so das bekannte Umfeld. (Pause) Also
291 Heimat ist, glaube ich, auch wieder abgeleitet. Ich wurde das erst
292 hauptsächlich auf Heim beziehen.

7.2 Literaturverzeichnis

[Bearbeiten]
  • Bausinger Hermann: Heimat und Identität; in: Moosbach (Hrsg.): Heimat, Sehnsucht und Identität; Berlin 1980
  • Bausinger, Hermann: Auf dem Wege zu einem neuen, aktiven Heimatverständnis -Begriffsgeschichte als Problemgeschichte; in: Bürger im Staat, Jhrg.:1983 Heft 4, S.211-216
  • Böll, Heinrich: Stadt der alten Gesichter; in: Bienek (Hrsg.): Heimat; München, Wien 1985 Bowlby, John: Bindung; München, 1975; hier: Frankfurt am Main, 1984 Bowlby, John: Trennung; München, 1976; hier: Frankfurt am Main, 1986 Bredow, Wilfried von und Foltin, Hans-Friedrich: Zwiespältige Zufluchten. Zur Renaissance des Heimatgefühls; Bonn 1981 Brehm, Sharon, S.: Anwendung der Sozialpsychologie in der klinischen Praxis; Bern, Stuttgart, Wien, 1980
  • Brepohl, Wihelm: Die Heimat als Beziehungsfeld -Entwurf einer soziologischen Theorie der Heimat; in: Soziale Welt; Band 3 (1952), S.12-22
  • Brepohl, Wilhelm: Heimat und Heimatgesinnung als soziologische Begriffe und Wirklichkeiten; in: Rabl (Hrsg.), München 1959, S.13-27
  • Greverus, Ina-Maria: Heimweh und Tradition; in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 1965, Band 61, S. 1-31
  • Hegel, G.W.F.:Phänomenologie des Geistes;Bamberg und Würzburg, 1807 hier: Stuttgart, 1987
  • Krohne, Heinz W.: Theorien zur Angst; Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 19812
  • Krueger, Felix: Zur Philosophie und Psychologie der Ganzheit; in: Heuss E.; Berlin, 1953
  • Lamnek, Siegfried: Qualitative Sozialforschung; München, 1989; Band 2: Methoden und Techniken
  • Roth, Hans-Joachim: Wider den undifferenzierten Gebrauch des Heimatbegriffs in der interkulturellen Pädagogik; in: Informati­onszentrum für Ausländer (IZA) Jhrg.:1991 Heft 4, S.61-69