Cauchy-Produkt für Reihen – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Aus Wikibooks

In diesem Kapitel wollen wir untersuchen, unter welchen Voraussetzungen es erlaubt ist, Reihen miteinander zu multiplizieren. Für die Produktreihe werden wir eine sehr praktische Formel herleiten, die Cauchy-Produkt Formel. Eine sehr wichtige Anwendung ist die Funktionalgleichung der Exponentialfunktion. Als Voraussetzung für das Cauchy-Produkt wird, wie schon beim Umordnungssatz, die absolute Konvergenz die entscheidende Rolle spielen.

Der Intuitive Ansatz scheitert[Bearbeiten]

Ziel in diesem Kapitel ist es eine Reihenformel für das Produkt zweier Reihen herzuleiten und zu untersuchen unter welchen Voraussetzungen die Produktreihe konvergiert. Wie wir schon im Kapitel Rechenregeln für Reihen gesehen haben, ist die intuitive Lösung leider falsch. Als Beispiel betrachten wir das Produkt der beiden geometrischen Reihen und . Denn mit der Geometrischen Summenformel gilt zum einen

Zum Anderen ist aber

Wir können diese Formel daher ,,getrost vergessen´´!

Multiplikation endlicher Summen[Bearbeiten]

Um der tatsächlichen Reihenformel auf die Schliche zu kommen, betrachten wir zunächst endliche Summen und . Der Vorteil bei endliche Summen ist, dass bei diesen die allgemeine Rechengesetze gelten (siehe Eigenschaften für Summe und Produkt). Wir können die Summanden des Produktes also beliebig ausmultiplizieren, vertauschen und Klammern setzen, um eine Summenformel der Form zu erhalten.

1. Versuch: Ausmultiplizieren der vollen Summequadrate[Bearbeiten]

Es gilt

Andererseits gilt ebenso

Vertauschung der Reihenfolge bei Doppelsummen

Die beiden Doppelsummen bringen uns jedoch leider nicht weiter, da beide Summen von bis laufen, und wir ja eine kompakte Darstellung suchen. Die innere Summe darf dafür nur bis laufen! :-(

2. Versuch: Dreieckssummen[Bearbeiten]

Der „Trick“ beim Cauchy-Produkt ist es, nicht wie oben die vollen „Quadratsummen“ zu betrachten, sondern nur die Reihenfolge der „Dreieckssummen“ zu vertauschen:

Vertauschung der Reihenfolge bei den Dreieckssummen

Cauchy-Produktformel mit Beispiel[Bearbeiten]

Damit haben wir einen „heißen Kandidaten“ für unsere Reihen-Produktformel gefunden! Dieser lautet:

Bevor wir uns an den allgemeinen Beweis der Formel ranwagen, überprüfen wir sie zunächst Mal an unserem Beispiel von oben. Wir haben schon gezeigt . Andererseits gilt

Also ist unsere Formel für diese beiden Reihen richtig!

Gegenbeispiel mit konvergenten Reihen[Bearbeiten]

Im Beispiel oben waren beide Reihen und absolut konvergent. Die Frage ist nun, ob dies, wie beim Umordnungssatz für Reihen eine hinreichende und notwendige Bedingung ist, oder ob es ausreicht, wenn die beiden Reihen nur im gewöhnlichen Sinne konvergieren.

Dazu betrachten wir die Reihe . Diese konvergiert nach dem Leibniz-Kriterium, jedoch nicht absolut, da die Reihe nach dem Verdichtungskriterium divergiert. Wir bilden das Produkt der Reihe mit sich selbst, d.h. es ist . Für die rechte Seite in unserer Formel gilt dann

Nun ist aber

Also ist die Folge der Reihenglieder keine Nullfolge. Nach dem Trivialkriterium divergiert die Reihe .

Dieses Gegenbeispiel zeigt, dass „gewöhnliche“ Konvergenz für die beiden Reihen, die multipliziert werden nicht ausreicht!

Cauchy-Produkt für absolut konvergente Reihen[Bearbeiten]

Satz (Cauchy-Produkt für Reihen)

Sind die Reihen und absolut konvergent, so konvergiert auch die Produktreihe absolut und es gilt die Cauchy-Produktformel

Beweis (Cauchy-Produkt für Reihen)

Seien und die -te Partialsummen der Reihen und und .

Beweisschritt: und konvergieren.

Da und absolut konvergieren, konvergieren nach den Grenzwertsätzen für Folgen ebenso und . Außerdem konvergiert gegen und ist eine Cauchy-Folge.

Beweisschritt: mit konvergiert ebenfalls gegen

Quadratsumme

Multiplizieren wir die Partialsummen und , so erhalten wir die „Quadratsumme“

Dreieckssume

Andererseits ist gleich der „Dreieckssumme“

Differenz aus Quadrat- und Dreieckssumme

Wegen ist außerdem

Differenz der Quadratsummen

Zuletzt ist noch und daher . Dabei ist die Gaußklammer, d.h. größte ganze Zahl . Diese bewirkt, dass abgerundet wird, falls ungerade ist. Ist gerade, so ändert sie Nichts. Daraus folgt für den Betrag unserer Differenz

Da nach Beweisschritt 1 eine Cauchy-Folge ist, konvergiert die Differenz für gegen . Damit folgt

Beweisschritt: konvergiert absolut, d.h. .

Es gilt

Also sind die Partialsummen beschränkt, daraus folgt die absolute Konvergenz der Reihe .

Anwendungsbeispiele[Bearbeiten]

Funktionalgleichung der Exponentialfunktion[Bearbeiten]

Wir starten mit der „Mutter aller Anwendungsbeipiele“ zum Cauchy-Produkt, der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion. Die Exponentialreihe konvergiert mit dem Quotientenkriterium für alle absolut, denn

Damit ist die Cauchy-Produktformel anwendbar, und es gilt

Cauchy-Produkt Geometrischer Reihen[Bearbeiten]

Die Geometrische Reihe konvergiert für alle mit absolut und es gilt die Geometrische Summenformel .

Andererseits gilt mit der geometrischen Summenformel . Daraus folgt nun

Hinweis

Allgemeiner gilt für alle und für die Formel

Für ergibt sich die geometrische Summenformel, für die Formel aus dem Beispiel. Zum Beweis verweisen wir auf die entsprechende Übungsaufgabe.

Cauchy-Produkt von Sinus- und Kosinus-Reihe[Bearbeiten]

Mit Hilfe des Cauchy-Produktes lassen sich auch verschiedene Identitäten für die Sinus- und Kosinusfunktion beweisen. Dazu benutzen wir die Reihendarstellungen und . Diese konvergieren nach dem Quotientenkriterium absolut für alle .

Additionstheorem der Sinusfunktion[Bearbeiten]

Wir zeigen zunächst das Additionstheorem für die Sinusfunktion

für alle

Wir starten auf der rechten Seite der Gleichung

Hinweis

Sehr ähnlich zeigt man für alle das Kosinus-Additionstheorem

Zum Beweis siehe auf die entsprechende Übungsaufgabe.

Formel für die Kosinusfunktion[Bearbeiten]

Als zweites Beispiel zeigen wir für die Formel

Da die Kosiuns-Reihe für absolut konvergiert, gilt

Hinweis

Die Formel kann einfacher auch ohne das Cauchy-Produkt mit Hilfe des Additiontheorems für den Kosinus und des trigonometrische Pythagoras beweisen:

Abschließendes Gegenbeispiel[Bearbeiten]

Wir haben oben schon gesehen, dass das Cauchy-Produkt zweier konvergenter Reihen, die jedoch nicht absolut konvergieren, divergieren kann. Ebenso kann es auch umgekehrt sein, dass das Cauchy-Produkt zweier divergenter Reihen konvergiert. Dazu betrachten wir die Reihen

Beide Reihen sind offensichtlich divergent, da die Partialsummen unbeschränkt sind. Für das Cauchy-Produkt gilt jedoch

Also konvergiert das Cauchy-Produkt und ergibt sogar null! Wer hätte das gedacht?! ;-)