Adventskalender 2011: Türchen 20
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Winterzeit ist Schulzeit
[Bearbeiten]Die Angaben zur Klassengröße für die Zeit vor 1800 sind nicht statistisch erfasst, so wie wir es für die heutige Zeit gewohnt sind. Fast anekdotenhaft können aber Ausschnitte aus der Schulwirklichkeit gegeben werden.
- HEPPE (1971, Band 5, S. 1 f.) informiert aus dem Herzogtum Sachsen-Meiningen über Berichte, die sämtliche Schullehrer im Jahre 1614 und 1621 schreiben mussten. In dem Bericht des Schulmeisters Johannes Marschall von Dermbach heißt es: „Es ist an diesem Orte beides, Docentibus und auch Discentibus, ein sehr beschwerlich und verdrießlich Schulleben, weil die Schulstube zu klein und niedrig ist, daß man leider die Schuljugend nicht alle, zumalen heberno tempore, da sich bei 70 oder 80 Knaben hier befinden, in einer Stube beieinander haben kann, und dann auch noch ein Schulmeister oder ein anderer ehrlicher Mann, der ein wenig procerioris staturae (hervorragender Leibesgröße) ist, denn die Knaben, mit niedergebeugtem Körper und Kopf müssen irepieren und hineinkriechen“ (S. 2). In einem anderen Bericht heißt es: „Es schicken aber die Eltern ihre Kinder erstlich wenig in die Schule, bis um Martini. Wenn dann der Winter dahergehet, kommen sie, das meiste klein Gesindlein, der Knaben manchmal 20, der Mädchen sechs bis acht; und wenn das dritte Quartal angehet, um Ostern, nehmen die Eltern, was sie gebrauchen können, und ein wenig warm wird, wieder heraus; aber die Kleinen laßen sie hineingehen bis um Johanni“ (HEPPE, 1971, Band 5, S. 6).
- Über das Jahr 1652 berichtet HEPPE (1971, Band 4, S. 307) aus dem Herzogtum Mecklenburg-Schwerin über ein Visitationsprotokoll, das die Schule zu Wittenburg betrifft: „Die Schule sei an Frequenz sehr schwach und halten die Leute ihre Kinder nicht fleißig dazu; bei winterlicher Zeit wären etwa 50 Kinder, welche zur Schulen gehalten werden; an Sommertagen würden die Kinder von den Eltern zum Hüten mitgebraucht und kämen gar selten derselben über 30 in die Schule.“
- Die Unterschiede hinsichtlich der Schülerbesuchszahlen im Sommer und Winter wurde von HEPPE auch für das Königreich Hannover bestätigt: „In Alten-Celle wurde das Verhältnis der Sommer- und Winterschulen von dem Schullehrer so angegeben, daß er im Sommer fünf, im Winter 88 Schulkinder habe. In Wienhausen hat der studirte Schullehrer im Winter 80 bis 90 im Sommer kaum 10 Kinder. Indessen pflegten doch die lernbegierigen Kinder im Sommer ihren Katechismus mit ins Feld zu nehmen …“ (HEPPE, 1971, Band 3, S. 222).
Die Zahlenangaben über die zur gleichen Zeit unterrichteten Schüler bzw. Schülerinnen schwankten enorm von ca. 30 bis 300 Schülern. Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass die Quellen vor allen Dingen Schultypen beschreiben, die für die unteren „Volksklassen“ bestimmt waren. Ein weiteres Charakteristikum stellten die saisonalen Schwankungen dar: Im Sommer leere Klassen/Schulen, im Winter überfüllte.
Auszugsweise kopiert aus Klassengröße – gestern und heute/ Das 19. Jahrhundert
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