Astronomische Berechnungen für Amateure/ Positionsastronomie/ Kataloge

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Es gibt viele Sternkataloge, die meisten findet man auch im Internet. Die Dateien sind auf Universitäts-, Instituts- oder NASA-Servern gelagert und wurden auch in diesem Umfeld erstellt. Wer sich den einen oder anderen Katalog herunter laden will, sollte darum folgende Punkte beachten: das Format der Dateien entspricht nicht in jedem Fall dem bei PC gewohnten Format. Für gewisse Kataloge sind mittlerweilen Versionen im PC-Format verfügbar, aber das ist nicht immer der Fall. Jedenfalls sind in den meisten Fällen die Originalkataloge in einem Binärformat gespeichert und müssen zuerst durch ein spezielles Leseprogramm „extrahiert“ werden. Jedoch sind die verfügbaren Beispielprogramme in der Regel in Fortran geschrieben, damit für Amateure nur in den seltensten Fällen direkt nutzbar. Sie sollten die ReadMe- und Infodateien sorgfältig lesen.

Kataloge und Sternkarten beziehen sich immer auf eine Standardepoche. Neuere Kataloge oder neue Versionen älterer Kataloge verwenden in der Regel die Standardepoche J2000.0, denn seit 1984 empfiehlt die IAU, diese Standardepoche zu verwenden. Bei älteren Katalogen können aber durchaus noch ältere Standardepochen – meist B1950.0 – angewendet werden. In diesem Fall sind die Sternpositionen zwingend zu korrigieren. Die dafür vorgesehenen Korrekturen in Präzession und Nutation werden in einem späteren Kapitel behandelt.

Die Kataloge enthalten in der Regel auch eine Angabe über die Eigenbewegung eines Sterns. Diese erfolgt auf einem Grosskreis an der Himmelskugel. Aus praktischen Gründen wird sie in Katalogen aber in eine Eigenbewegungskomponente μα in Richtung der Rektaszension und in eine Komponente μδ in Richtung der Deklination aufgespalten. Ist t0 die Epoche des Katalogs und t der Zeitpunkt, zu dem man die Sternposition benötigt, so kann man die Eigenbewegung in den beiden Komponenten als konstant ansehen, wenn der Unterschied zwischen t0 und t nicht mehr als einige Jahrzehnte umfasst. Andernfalls muss man berücksichtigen, dass infolge der Präzession die Komponenten sich im Laufe der Zeit ändern. Die zugehörigen Formeln werden im Kapitel über Präzession vorgestellt. Kann man diesen Effekt aber vernachlässigen, dann berechnen sich die Korrekturen Δα bzw. Δδ infolge der Eigenbewegung zwischen t>0 und t wie folgt:



Klären Sie sorgfältig ab, in welchen Einheiten μα bzw. μδ im Katalog geführt werden. Der Bright Star Catalogue führt z.B. die Eigenbewegung sowohl in Rektaszension wie auch in Deklination in arcsec/y, also Bogensekunden pro Jahr. Der SAO-Katalog dagegen führt die Eigenbewegung in Rektaszension in Zeitsekunden pro Jahr, in Deklination in Bogensekunden pro Jahr auf. Die Unsicherheit wird oft in Millibogensekunden pro Jahr (mas/a oder mas/y: milli-arcseconds per annum bzw. per year) angegeben.


Beispiel:

BSC Bright Star Catalogue; Mizar ζ (79) UMa HR 5054 SAO 28 737 μα = 0.122 arcsec/y, μδ = –0.02 arcsec/y; Alcor 80 UMa HR 5062 SAO 28  51 μα = 0.118 arcsec/y, μδ = –0.016 arcsec/y.


Für die Zwecke des (rechnenden) Amateurs sind die folgenden Kataloge von Bedeutung:

BS/BSC/YBS Bright Star Catalogue (Yale University Observatory), 5th revised edition (1991); enthält alle 9096 Sterne heller als 6.5m und liefert für sie eine Fülle von Basisinformationen, inkl. Rektaszension und Deklination zu den Epochen B1900.0 und J2000.0 sowie die Eigenbewegungskomponenten in den beiden Koordinatenrichtungen zur Standardepoche J2000.0. Abkürzung der Nummer: HR nnnn, steht für Harvard Revised Photometry Catalogue, dem Vorgänger des BSC.

SAO Star Catalogue (Smithsonian Astrophysical Observatory, Washington D. C.; 1984), enthält 258 996 Sterne heller als 9m (ziemlich komplett); Rektaszension und Deklination zur Epoche J2000.0 sowie die Eigenbewegungskomponenten in den beiden Koordinatenrichtungen zur Standardepoche J2000.0.

HD Henry Draper Catalogue, ursprünglich am Harvard College Observatory erstellt, listete 225 300 Sterne bis etwa zur Helligkeit 9m auf. Zwei Ergänzungen („Extensions“) erweiterten den Katalog auf insgesamt 359 083 Sterne. HD-Nummern werden gerne zitiert, wenn ein griechischer Buchstabe (System Bayer) oder eine Sternbild-Nummer (System Flamsteed) fehlen.

FK5 (Fundamentalkatalog 5) listet in Part I 1535 Sterne auf, in Part II weitere 3117 Sterne, insgesamt also 4652 Sterne, die gleichmässig über den ganzen Himmel verteilt sind. Ihre Positionen sind besonders genau vermessen und legen ein Fundamentalsystem für Koordinatenangaben fest. Gegenwärtig wird der FK5 durch den FK6 ersetzt, der 878 besonders genaue Sternörter und 3272 Ergänzungen, insgesamt also 4150 Sterne umfasst. Beide Kataloge werden vom ARI Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg herausgegeben,

BD Bonner Durchmusterung führt 325 037 Sterne bis zur Helligkeit 9.5m, vom Himmelsnordpol bis zur Deklination –2°, ergänzt um die südliche Durchmusterung (weitere 133 659 Sterne) für alle von Bonn aus gerade noch sichtbaren Sterne. Katalognummern haben folgende Gestalt: BD+55 1598 (Mizar), BD+55 1603 (Alcor), BD–8 1063 (Rigel β Ori), also zuerst die Deklination und dann eine fortlaufende Nummer. Die Bonner Durchmusterung wurde durch die Córdoba Durchmusterung CD (Córdoba in Argentinien; 580 000 Sterne) und die Cape (Town) Photographic Durchmusterung CPD (450 000 Sterne) ergänzt, um auch den südlichen Himmel abzudecken. Herausgegeben von der Universität Bonn.

Messier Catalogue, der bekannte Katalog von 110 nichtstellaren Objekten, den Charles Messier (1730 – 1817) von 1771 bis 1784 veröffentlichte.

(R)NGC (Revised New General Catalgue of Nebulae and Clusters of Stars), der Nachfolger des NGC und der beiden Ergänzungen IC I und IC II (Index Catalogue), enthält 7840 Objekte, darunter die Messier-Objekte.

Von den historischen Sternkatalogen sei der Sternkatalog Uranometria erwähnt, den 1603 der deutsche Jurist und Astronom Johann Bayer (1572 – 1625) veröffentlichte. Auf ihn geht der Brauch zurück, Sterne innerhalb eines Sternbildes mit griechischen Buchstaben zu bezeichnen. Als zweiter sei der Sternkatalog Historia coelestis Britannica (2800 Sterne) erwähnt, den 1712 der englische Astronom John Flamsteed (1646 – 1719) veröffentlichte. Abweichend von Bayer verwendete er zur Identifikation von Sternen in einem Sternbild Nummern. Beide Kennzeichnungssysteme sind bis heute im Gebrauch.


Die beiden wichtigsten Server, die im Internet astronomische Daten – wozu gerade die verschiedenen Sternkataloge gehören – zur Verfügung stellen, sind das CDS Centre de Données Astronomiques de Strasbourg und das ADC Astronomical Data Center (NASA). Spezielle Kataloge werden auch von anderen Servern zur Verfügung gestellt – eine gezielte Suche mit einer Suchmaschine führt meist relativ schnell zum Erfolg, wenn man weiss, wonach man suchen muss.


Übungen

  • Der Doppelstern 61 Cyg gehört zu den Sternen mit einer grossen Eigenbewegung. Im Bright Star Catalog BSC wird seine Eigenbewegung bezogen auf die Epoche J2000 mit μα = 4.136"/a und μδ = 3.203"/a angegeben. Wenn seine Koordinaten zur Epoche J2000 α = 21h 06m 54.6s und δ = 38° 44' 45" betragen, zur Epoche B1900 dagegen α = 21h 02m 24.8s und δ = 38° 15' 10": wie viel vom Unterschied ist auf die Eigenbewegung zurückzuführen?
  • Albireo oder β1 Cyg gehört zu den Sternen mit kleiner Eigenbewegung: μα = +0.002"/a und μδ = –0.002"/a lauten die Werte für die Epoche J2000 des BSC. Wenn die Koordinaten zur Epoche J2000 α = 19h 30m 43.3s und δ = 27° 57' 35" bzw. zur Epoche B1900 α = 19h 26m 41.3s und δ = 27° 44' 58" betragen: wie gross ist hier der Anteil der Eigenbewegung an der Veränderung?