Blitzkurs Theoretische Informatik/ Einleitung
Der Informatiker Edsger Wybe Dijkstra soll einmal gesagt haben: „In der Informatik geht es genau so wenig um Computer wie in der Astronomie um Teleskope.“ Dieser griffige Satz lässt auch einem Laien unmittelbar begreiflich werden, dass Informatiker keineswegs durchweg bleiche Kellergespenster sind, die den ganzen Tag am Computer sitzen, sich von Tiefkühlpizza ernähren und kein Liebesleben kennen. „Den Informatiker“ gibt es sowieso nicht. Genauso wie die Biologie keine monolithische Wissenschaft ist, sondern vielmehr zwischen verschiedenen Teilwissenschaften wie Molekularbiologie, Genetik, Ökologie und Zoologie und auch Überschneidungen mit anderen Wissenschaften wie Bioinformatik und Biochemie unterschieden werden muss, gibt es eben auch solche und solche Informatiker.
Die gängigste Einteilung der Informatik in Teilgebiete unterscheidet die Angewandte Informatik, die Praktische Informatik, die Technische Informatik und eben die Theoretische Informatik.
Unter Angewandter Informatik versteht man unter anderem das, was heutzutage in fast jedem Sekretariat passiert: Auf dem Schreibtisch steht ein Computer, der zur Textverarbeitung, zur Tabellenkalkulation und für Internetdienste wie E-Mail und WWW genutzt wird. Darüber hinaus ist die Angewandte Informatik die Schnittstelle zu allen anderen Wissenschaften, denn sie nutzt die Errungenschaften der anderen Teilgebiete der Informatik, um Computersysteme zur Berechnung und Automatisierung beliebiger Vorgänge zu erstellen.
Mit Praktischer Informatik beschäftigen sich Softwareentwickler, die der Angewandten Informatik unter die Arme greifen, indem sie zu von ihr entworfenen Geräten Treiber programmieren und sonstige Software schreiben.
Die Technische Informatik erforscht, wie Computer und Computernetze aufgebaut sein sollten, damit sie nicht nur funktionieren, sondern das auch noch möglichst schnell und zuverlässig. Die neuesten Bildschirmtechnologien sind ein Produkt der Technischen Informatik, genauso wie die moderne Telekommunikation.
Die Theoretische Informatik schließlich beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Problem überhaupt mit Methoden der Informatik lösbar ist und wenn ja, wie effizient. Hier wird die Verwandtschaft der Informatik mit der Mathematik besonders deutlich, denn Theoretische Informatik findet fast ausschließlich im Kopf statt.
Nach dieser Einteilung der Informatik hat als das eine Extremum die Angewandte Informatik am meisten mit Computern zu tun, während das andere Extremum, die Theoretische Informatik, die beständigste Teilwissenschaft ist. Neu erworbenes Wissen in den Teilgebieten Angewandte, Praktische und Technische Informatik kann in zwei Jahren schon wieder veraltet und damit höchstens noch zu nostalgischen Zwecken brauchbar sein. Die Theoretische Informatik aber legt bei ihrer Weiterentwicklung nichts ad acta, und sie ist unabhängig vom technischen Fortschritt. Der Begriff „Theoretische Informatik“ wurde im 20. Jahrhundert geprägt. Völlig unabhängig von der Existenz von Rechenmaschinen hätte man aber auch schon vor dreihundert Jahren anfangen können, die Theoretische Informatik zu entwickeln.
Wenn du mehr über die Theoretische Informatik lernen willst, sei dir also dessen bewusst, dass du dabei nicht erfahren wirst, wie man etwa ein Spiel programmiert. In diesem Buch wirst du nichts über Programmiersprachen, nichts über den inneren Aufbau deines Computers und keine Anleitung zur Installation irgendeiner Software lesen. Es ist noch nicht einmal nötig, dass du beim Nachvollziehen der Aussagen in diesem Buch Zugang zu einem Abakus oder irgendeinem anderen Rechengerät hast. Du benötigst nur einen Stapel Papier, einen Stift und einen wachen Kopf.