Die Sprache der Mathematik: Einleitung
Wenn sich in einer bunt gemischten Gesellschaft der Politikwissenschaftler mit dem Juristen, der Architekt mit dem Kunsthistoriker oder der Biologe mit dem Botaniker unterhält, lauscht das interdisziplinäre Publikum meist gespannt ihren Ausführungen und beteiligt sich gelegentlich auch am Gespräch; fangen aber der Mathematiker und der Physiker an, auch nur die elementarsten algebraischen Sachverhalte zu bereden, scheint das in den Köpfen der anderen ganz schnell das stereotype Bild des schrulligen Wissenschaftlers mit der dicken Brille und den wirren Haaren hervorzurufen, der eine völlig unverständliche, komplizierte Formel nach der anderen an die Tafel knallt; der außerfachliche Zuhörer kann da nur noch verlegen in die Runde lächeln, sich aber sicher sein, dass er mit seinem Gefühl nicht allein ist.
Die Gegenstände der Mathematik sind nun einmal abstrakt; man lernt sie nicht im Alltag kennen (jedenfalls nicht bewusst) und liest nichts über sie in der Zeitung. Wer sie nicht kennt, dem bleibt der Inhalt mathematischer Fachgespräche völlig verschlossen. Um über sie zu sprechen, muss man neue Begriffe entwickeln, ja, fast schon eine neue Sprache lernen.
Wikibooks sollen und wollen den Anspruch der Allgemeinverständlichkeit erfüllen, zugleich aber dem Leser einen Einstieg in ein Fachgebiet ermöglichen und dabei ruhig auch etwas in die Tiefe gehen. Gerade in der Mathematik ist das nicht einfach, da man beim Leser keine Kenntnis der grundlegenden mathematischen Begriffe voraussetzen kann, und so werden meistens am Anfang eines jeden Buches die immer gleichen logischen, mengentheoretischen und algebraischen Sachverhalte mehr schlecht als recht kurz abgehandelt.
Dieses Buch soll nun keine Abhandlung über formale Logik oder über das Zermelo-Fraenkelsche Axiomensystem der Mengenlehre werden; vielmehr soll hier in allgemeinverständlicher Weise und mit wenig abschreckendem Formalismus ein Einblick in das Fundament der Mathematik gewährt werden, der es dem Leser erlaubt, danach ohne Schwierigkeiten mit der Lektüre eines Analysis- oder Algebra-Buches zu beginnen.