Eigentumsgarantie des Grundgesetzes/ 4. Leitlinien gesetzgeberischer Ausformung.
Bei der Neugestaltung des Eigentums ist der künftige Inhalt des Eigentums mit dem bisherigen Inhalt zu vergleichen. Ergibt sich anhand der Gesamtbetrachtung aller Regeln insgesamt ein Gleichstand bezogen auf den Gegenstand, ist der Gesetzgeber weitestgehend frei in seiner Gestaltung. So ist die Umgestaltung von privatrechtlichen Vergleichsansprüchen in gesetzliche Ansprüche keine nachteilige Veränderung (42, 263, 299). Ist am Maßstab der Kerneigenschaften des Eigentums ein Minus in der künftigen Ausformung des Eigentums zu sehen, so hat der Gesetzgeber für diese Verminderung die Vorgaben des Grundgesetzes zu beachten. Dies gilt allerdings nicht für solche Rechte, die er selbst geschaffen hat. Für sie nimmt der Staat seit jeher für sich in Anspruch, sie wieder durch Gesetz zu entziehen, sei es dass es sich um Befugnisse oder Rechtspositionen handelt, sei es, dass subjektive Forderungsrechte in Rede stehen (2, 381, 401). Die Vorgaben des Grundgesetzes sind dabei, dass er die grundlegende Wertentscheidung des GG zugunsten des Privateigentums im herkömmlichen Sinne zu beachten hat und die Veränderung mit allen übrigen Verfassungsnormen in Einklang stehen muss (Gleichheitssatz, Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, Prinzip der Rechts- und Sozialstaatlichkeit) (14, 263, 278). Daher verletzt ein von einem unzuständigen Gesetzgeber erlassenes Enteignungsgesetz das Grundrecht des Betroffenen (24, 367, 385). Bei Fortführung überkommener Regelungen ist an der grundsätzlichen Verfügungsfreiheit zu messen, ob sich eine Einschränkung ergibt. Sie fortzuführen bedarf gleichfalls der Legitimation durch Art. 14 II GG (62, 169, 182). Denn Art. 14 Abs. 2 GG rechtfertigt nicht eine übermäßige durch die sozialen Belange nicht gebotene Begrenzung privater Befugnisse (52, 1, 32).
Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, den Freiheitsraum des einzelnen im Bereich der Eigentumsordnung und die Belange der Allgemeinheit in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Hierzu hat Art. 14 Abs. 2 GG eine verbindliche Richtschnur gegeben. Die gesetzlichen Eigentumsbindungen müssen vom geregelten Sachbereich geboten und in ihrer Ausgestaltung selbst sachgerecht sein. Die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient (25, 112, 117 f.). Die Institutsgarantie verbietet es, dass solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören, so dass der durch das Grundrecht geschützte Freiheitsbereich aufgehoben oder wesentlich eingeschränkt wird (24, 367, 389). Der Gesetzgeber kann nicht unter dem Etikett einer Inhaltsbestimmung eine Regelung treffen, die nach ihrem materiellen Gehalt eine Enteignung ist. Er kann aber umgekehrt Belastungen der Eigentümer, die sachlich keine Enteignung darstellen, den strengeren Erfordernissen des Enteignungsrechts unterstellen. Voraussetzung dafür, dass der Gesetzgeber von seinem Recht, die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG zu konkretisieren, Gebrauch macht, ist, dass der Eigentumsgegenstand in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht (58, 137, 148). Diese Orientierung am Gemeinwohl umfasst auch das Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange des einzelnen Rechtsgenossen, der auf die Nutzung des Eigentumsobjekts (z.B. Mietwohnung) angewiesen ist. Der Gesetzgeber muss beide Elemente des im GG angelegten dialektischen Verhältnisses von verfassungsrechtlich garantierter Freiheit und dem Gebot einer sozia1 gerechten Eigentumsordnung in gleicher Weise Rechnung tragen und die schutzwürdigen Interessen in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Das bedeutet nicht, dass sie zu jeder Zeit das gleiche Gewicht haben müssten. Nur die einseitige Bevorzugung ist verfassungswidrig (37, 133, 140 f.). Art. 14 Abs. 1 Satz 2 ermächtigt den Gesetzgeber, in bereits begründete Rechte und Ansprüche einzugreifen und diesen einen neuen Inhalt zu geben. Allerdings sind privatrechtliche Ersatzansprüche ausgenommen, da sie nicht dem Wohl der Allgemeinheit dienen (42, 263, 294). Es müssen gerade in bezug auf den Regelungsgegenstand Gründe des Wohls der Allgemeinheit vorliegen, denen auch bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Vorrang vor dem grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers zukommt (a.a.O.). Bei Ansprüchen, die dem Einzelnen als Mitglied einer Solidargemeinschaft von konkret Geschädigten zufallen, trifft den Einzelnen die Pflicht, eine Neuordnung der Berechtigungen hinzunehmen, die auf eine Stärkung der Rechtspositionen aller zielt (a.a.O., S. 302). Ebenso ist das Grundeigentum von vornherein mit der Pflicht belastet, dass die Rechtsbeziehungen zu den konkreten Grundstücken durch Umschaffung bei prinzipieller Werterhaltung neu gestaltet werden (Umlegung) (42, 263, 300). Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, auch gewohnheitsrechtlich anders ausgestaltete Eigentumsbefugnisse neu und inhaltlich abweichend vom bisherigen Recht zu regeln (49, 382, 393). Beschränkungen des Nutzungsrechts, die mit dem öffentlichen Interesse begründet werden, müssen von daher legitimiert sein. Eine übermäßige, vom sozialen Bezug des Gegenstandes nicht legitimierte Einschränkung kann nicht mit Art. 14 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden. Die Begrenzung des geschützten Rechts muss vom geregelten Sachbereich her geboten sein und darf nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient (49, 382, 400). Der Gesetzgeber ist bei der Schaffung einer verfassungsmäßigen Güterordnung nicht an einen sich aus der "Natur der Sache" ergebenden Eigentumsbegriff gebunden (bezieht sich auf den Regelungsgegenstand) (53, 300, 339 ). Aus der Eigentumsgarantie lässt sich nicht ein Anspruch auf Einräumung gerade derjenigen Nutzungsmöglichkeiten herleiten, die dem Eigentümer den größtmöglichen Vorteil verspricht. Ebenso kann aus der Eigentumsgewährleistung nicht hergeleitet werden, dass eine Befugnis nach ihrem Beginn für alle Zukunft erhalten bleiben müsse oder nur im Wege der Enteignung wieder genommen werden dürfe. Der Gesetzgeber steht nicht vor der Alternative, die alten Rechtspositionen entweder zu konservieren oder gegen Entschädigung zu entziehen (58, 300, 339, 345, 349 ff.). Die Intensität der Rechtsschmälerung hat auch bei der Inhaltsbestimmung keine Grenzen. Die Rechtsschmälerung kann zum völligen Entzug der Sache führen. Der Legitimationszwang wächst aber entsprechend. So gehört es nicht zum Inhalt des Eigentums, eine Sache, von der eine Gefahr für das Wohl der Allgemeinheit ausgeht, behalten zu dürfen (20, 351, 356, 361).
Das privatrechtliche Eigentum kann wegen des Erfordernisses des Gemeinwohls an einer funktionierenden Eigentums- und Wirtschaftsordnung auch so gestaltet werden, dass eine unmittelbare Verschiebung von Eigentumsrechten zwischen Privaten hoheitlich bewirkt wird (BBauG, FlurbereinigungsG). Die Zuweisung von Grundstücken an andere als den bisherigen Eigentümer ist möglich, wenn dies dem Interesse der Allgemeinheit an einer vernünftigen Bodenordnung dient, andererseits dies auch im allgemeinen Interesse der Betroffenen liegt (24, 367, 417). Die Bauleitplanung ist daher ein Ordnungs- und kein Zwangsinstrument (56, 249, 280 ). Das Grundgesetz gebietet auch nicht, dass der Grundstücksverkehr so frei sein müsse wie der übrige Kapitalverkehr. Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit hier in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen, als bei anderen Vermögensgütern. Der Grundgesetzgeber hat bei Art. 14 Abs. 2 GG vor allem die Bodenordnung im Auge gehabt. Das Gebot der sozialgerechten Nutzung ist nicht nur eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers, sondern in erster Linie eine Richtschnur für den Gesetzgeber, bei der Regelung des Eigentumsinha1ts das Wohl der Allgemeinheit zu beachten. Es liegt darin die Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat (21, 73, 82 f.). Daher ist im Grundstücksverkehr eine preisrechtliche Regelung eine zulässige �Eigentumsbindung (a.a.O., S. 81, 87, 90). Durch das Sozialstaatsprinzip wird auch die Vertragsfreiheit inhaltlich zulässig begrenzt (a.a.O.). Ebenso bedeuten gesetzliche Bauverbote nur Inhaltsbestimmungen des Eigentums. Es gehört nicht zum Eigentum, überall bauen zu dürfen (25, 112, 115; 24, 367, 422). Überhaupt ist die Einführung einer Gestattungspf1icht immer eine Inhaltsbestimmung des Eigentums. Die Verweigerung der Gestattung verlautbart dann diese Eigentumsschranke (58, 300, 337). Wenn Regelungen zur Genehmigung oder sonstiger Art den Eingriff auf das notwendige Maß reduzieren sollen, aber diesem Anspruch nicht genügen, so sind nur diese Regelungen verfassungswidrig, nicht die Inhaltsbestimmung als solche (anders als bei verfassungswidriger Entschädigungsregelung nach Art. 14 Abs. 3 GG) (49, 382, 397; 58, 137, 150; 62, 169, 182). Ein weiterer Fall der Inhaltsbestimmung (und nicht der Enteignung) ist die Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit bei Dauerverträgen über die Nutzung des Eigentums (52, 1, 27). Aber auch die Ordnung anderer Gegenstände kann zum Wohl der Allgemeinheit so geregelt werden, dass es zum vollständigen Rechtsentzug kommt. So können wirtschaftshindernde Beteiligungen an Unternehmen aufgrund gesetzlicher Regelungen weggenommen werden (14, 263, 282). Auch die Einschränkung der vertraglichen Verfügungsbefugnis am eigenen Kunstwerk (Aufnahme in ein Schulbuch gegen den Willen des Künstlers) ist Inhaltsbestimmung des Eigentums, desgleichen die Ablieferungspflicht eines Pflichtexemplars an eine öffentliche Bibliothek (58, 137, 144).