Examensrepetitorium Jura: Zivilprozessrecht Erkenntnisverfahren: Klausurbasics 2

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Begründetheit der Klage[Bearbeiten]

Hier kann, wenn sich die Zusatzfrage auf den bereits geprüften Anspruch bezieht, auf das Ergebnis des Gutachtens verwiesen werden. Ansonsten erfolgt hier die materiell-rechtliche Prüfung (unter Berücksichtigung der prozessualen Beweislastverteilung).

Die Widerklage[Bearbeiten]

Zulässigkeit der Widerklage

1. Ordnungsgemäße Erhebung der Widerklage (§§ 261 Abs. 2, 297 ZPO).

2. Örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff., subsidiär § 33 ZPO).

3. Sachliche Zuständigkeit (§ 1 ZPO, §§ 23, 71 GVG).

4. Keine anderweitige Rechtshängigkeit der Widerklage (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

5. Rechtshängigkeit der Klage zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage.

6. Kein Ausschluss der Widerklage durch Gesetz (z.B. § 595 Abs. 1 ZPO).

7. Identität der Parteien.

8. Konnexität von Klage und Widerklage (str.).

Der Beklagte kann sich auch dadurch gegen die Klage zur Wehr setzen, dass er seinerseits den Kläger verklagt. Dieses Vorgehen hat für den Beklagten einige Vorteile:

  • Es besteht ein besonderer Gerichtsstand an dem Gericht, bei dem die Klage erhoben wurde. Wird der Beklagte also an seinem Wohnsitz verklagt, kann er dort auch den Kläger verklagen.
  • Da es sich bei der Widerklage nicht um ein Verteidigungsmittel, sondern einen eigenen Angriff handelt, gibt es keine Präklusion. Hat es der Beklagte z.B. versäumt, im Prozess rechtzeitig die Aufrechnung zu erklären (und sie dann auch nicht mehr erklärt), kann er die Gegenforderung immer noch mit der Widerklage durchsetzen. Damit ist auch die taktische Flucht in die Widerklage möglich.
  • Bei der Widerklage muss im Gegensatz zur Klage kein Gerichtskostenvorschuss gezahlt werden.

Im Gutachten sind zunächst Zulässigkeit und Begründetheit der Klage komplett zu prüfen, im Anschluss dann Zulässigkeit und Begründetheit der Widerklage.

Die Widerklage muss ordnungsgemäß erhoben worden sein. Das geschieht in der Regel durch Schriftsatz, der den Anforderung an eine Klageschrift entsprechen muss (§ 261 Abs. 2 in Verbindung mit § 253 Abs. 2 ZPO), ist jedoch auch in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll möglich (§ 297 ZPO).

Bei der örtlichen Zuständigkeit sind zunächst die allgemeinen Vorschriften (§§ 12 ff. ZPO) zu prüfen. Erst subsidiär braucht auf den besonderen Gerichtsstand der Widerklage gemäß § 33 ZPO zurückgegriffen werden. Dieser greift ein, wenn Klage und Widerklage in Zusammenhang stehen (sog. Konnexität). Ein solcher Zusammenhang kann sich entweder aus dem gemeinsamen Streitgegenstand (weit auszulegender wirtschaftlicher Zusammenhang entsprechend § 273 BGB) oder aus dem Zusammenhang der Widerklage mit einem Verteidigungsmittel ergeben (Hauptfall: Der Beklagte rechnet gegen den Klageforderung auf und klagt den "unverbrauchten" Rest der Gegenforderung per Widerklage ein). Liegen auch die Voraussetzungen von § 33 ZPO nicht vor, kommt nur noch die örtliche Zuständigkeit aufgrund rügeloser Einlassung in Betracht (§ 39 ZPO, siehe dazu schon oben).

Bei der sachlichen Zuständigkeit gelten §§ 23, 71 GVG (siehe schon oben). Zu beachten ist, dass die Streitwerte von Klage und Widerklage nicht zusammengerechnet werden (§ 5 Halbs. 2 ZPO).

Der Streitgegenstand der Widerklage darf nicht schon anderweitig rechtshängig sein (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Das ist insb. der Fall, wenn mit der Widerklage auf Feststellung geklagt wird, dass der Anspruch des Klägers nicht besteht. Eine solche Widerklage ist unzulässig. Zulässig ist jedoch die negative Feststellungswiderklage in dem Fall, dass nur eine Teilklage erhoben worden ist, aber der Beklagte die Entscheidung über die volle Forderung herbeiführen will. Hier ist zunächst nur der mit der Klage erhobene Teil rechtshängig geworden, für den Rest steht der Widerklage keine Rechtshängigkeit entgegen!

Umstritten ist, ob das Merkmal der Konnexität als weitere Voraussetzung (also über die Bedeutung für die örtliche Zuständigkeit hinaus) vorliegen muss.

  • Die Rechtsprechung bejaht das (Wortlaut des § 33 ZPO "wenn"). Danach muss zwischen Klage und Widerklage ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen. Ist das nicht der Fall, wird die Widerklage als unzulässig abgewiesen.
  • Die h.L. wendet § 33 ZPO dagegen nur im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit an[1]. Für diese Ansicht spricht die Stellung der Norm im Abschnitt "Gerichtsstand"; außerdem ist die Rechtsfolge fehlenden Zusammenhangs gemäß § 145 Abs. 2 ZPO die Prozesstrennung, nicht die Unzulässigkeit der Widerklage.

Im Gutachten muss der Streit nicht entschieden werden, wenn in der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit schon die Konnexität bejaht wurde. Eine Streitentscheidung ist ebenfalls dann entbehrlich, wenn der Kläger sich rügelos auf die Widerklage eingelassen hat: In dem Fall greift die allgemeine Präklusionsvorschrift des § 295 Abs. 1 ZPO (§ 39 ZPO ist nicht anwendbar, wenn das Merkmal der Konnexität über die örtliche Zuständigkeit hinaus angewendet wird).

Die petitorische Widerklage[Bearbeiten]

Die petitorische Widerklage ist keine eigene Klageart, sondern ein Unterfall der "normalen" Widerklage nach § 33 ZPO. Da hier aber einige examensrelevante Bereiche aus dem Sachen- und Zivilprozessrecht zusammentreffen, soll dieser Sonderfall etwas ausführlicher dargestellt werden.[2]

Beispiel: B ist Eigentümer eines Pferdes, das sein Sohn unerlaubt vom Hof mitnimmt und an den gutgläubigen K verkauft. Einige Wochen später erfährt B, dass sich das Pferd auf dem Hof des K befindet. Also begibt er sich nachts zum Hof des K und nimmt das Pferd weg. K verklagt B auf Herausgabe des Pferdes.

Zunächst ist zu fragen, ob K einen Herausgabeanspruch hat.

  • Ein Anspruch aus § 985 BGB (entsprechende Anwendung auf Tiere, § 90a BGB) scheidet aus, da K kein Eigentum erworben hat. Er war zwar gemäß §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB gutgläubig, jedoch war der Gutglaubenserwerb aufgrund von § 935 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen.
  • K ist aber Besitzer des Pferdes gewesen, da er die tatsächliche Gewalt inne hatte (§ 854 Abs. 1 BGB). Da er zudem glaubte, Eigentümer des Pferdes geworden zu sein, ist er Eigenbesitzer. Ansprüche aus § 1007 Abs. 1 und 2 BGB scheitern jedoch, da B ein Recht zum Besitz, nämlich aus Eigentum, hat (§ 1007 Abs. 3 S. 2 in Verbindung mit § 986 Abs. 1 S. 1 BGB in entsprechender Anwendung).
  • K kann jedoch gemäß § 861 Abs. 1 BGB Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt, - sog. possessorischer Besitzschutz. Die Fehlerhaftigkeit des Besitzes des B ergibt sich daraus, dass er verbotene Eigenmacht begangen hat (§ 858 Abs. 2 S. 1 BGB): B hatte kein Recht, das Pferd vom Hof des K zu entfernen. Die Rechte aus § 859 BGB dürfen nur zeitnah geltend gemacht werden; ansonsten gilt das staatliche Gewaltmonopol. Das Gleiche gilt für sonstige Selbsthilferechte (z.B. § 229 BGB).

Zwischenergebnis: K kann Herausgabe des Pferdes von B verlangen.

Die Klage des K ist also zunächst schlüssig. B wird jedoch einwenden, Eigentümer des Pferdes zu sein. Diese petitorische Einwendung ist ihm jedoch versagt: § 863 BGB erlaubt die Berufung auf ein Recht zum Besitz (also hier aufgrund Eigentums) nur zur Begründung der Behauptung, dass keine verbotene Eigenmacht vorliegt. § 863 BGB erfasst somit gerade nicht die Behauptung, dem eigenmächtig Handelnden stehe ein materielles Recht an der Sache zu[3].

Somit wäre die Klage des K also begründet. Dieses Ergebnis kann jedoch nicht befriedigen: B müsste das Pferd zwar herausgeben, könnte aber jederzeit Klage aus § 985 BGB erheben und würde diesen Prozess auch gewinnen. Daher lässt die h.M. die Widerklage aus § 985 BGB schon im ersten Prozess zu. Entgegen dem Zweck von § 863 BGB, den Besitzschutzprozess von petitorischen Einwendungen frei zu halten, ist dem B also die Berufung auf sein Eigentum an dem Pferd erlaubt. Da B von K die Herausgabe des Pferdes aus § 985 BGB verlangen kann, ist die Widerklage auch begründet. Die h.M. zieht bei gleichzeitiger Entscheidungsreife von Klage und Widerklage, um widersprüchliche Verurteilungen zu vermeiden, § 864 Abs. 2 BGB entsprechend heran[4].

Ergebnis: Die Klage des K wird abgewiesen, auf die Widerklage des B wird K verurteilt, das Pferd an B herauszugeben.

Versäumnisverfahren[Bearbeiten]

Das Versäumniverfahren ist in §§ 330 ff. ZPO geregelt. Ein Versäumisurteil (VU) kann sowohl gegen den Beklagten als auch gegen den Kläger ergehen. In der Fallbearbeitung kann es entweder um den Erlass eines VU gehen (also Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen) oder um den prozessualen Umgang mit einem bereits vorliegenden VU.[5]

Seltener ist der Fall, dass beide Parteien säumig sind. Das Gericht kann dann nach Aktenlage entscheiden oder das Ruhen des Verfahrens anordnen (§ 251a ZPO).

Voraussetzungen des Versäumnisverfahrens[Bearbeiten]

Säumnisverfahren

1. Säumnisfähiger Termin.

2. Säumnis einer Partei.

3. Antrag auf Erlass des VU.

4. Zulässigkeit der Klage.

5. Kein Ausschlussgrund nach § 335 ZPO.

6. Kein Erlasshindernis gem. § 337 ZPO.

Der Erlass eines VU setzt das Vorliegen einiger allgemeiner Voraussetzungen voraus. Diese sind immer zu prüfen, unabhängig davon, ob es um ein VU gegen den Beklagten oder den Kläger geht.

Zunächst muss die Säumnis bei einem säumnisfähigen Termin stattfinden, zu dem die säumige Partei ordnungsgemäß geladen worden ist (§§ 214 ff. ZPO). Unerheblich ist, ob es sich um einen ersten oder späteren Verhandlungstermin handelt (§ 332 ZPO).

Säumnis liegt entweder vor, wenn eine Partei abwesend ist oder nicht verhandelt (§ 333 ZPO). Verhandeln bedeutet seitens des Klägers das Stellen eines Sachantrags. Seitens des Beklagten muss ein streitgegenstandsbezogener Antrag vorliegen - in der Regel wird es sich um den Klageabweisungsantrag handeln, es genügt jedoch z.B. auch ein Beweisantrag. Allgemein reicht eine, mindestens konkludente, Bezugnahme der Parteien auf ihre Schriftsätze (§ 137 Abs. 3 ZPO).

Im Anwaltsprozess (§ 78 ZPO) muss jede Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten sein. Ansonsten ist sie nicht postulationsfähig und kann keinen wirksamen Antrag stellen. In dem Fall liegt ebenfalls Säumnis vor.

Die anwesende Partei muss einen wirksamen Antrag auf Erlass des VU gegen die säumige Partei stellen.

Für den Erlass eines VU muss die Klage zulässig sein. Nur in dem Fall kann ein sog. "echtes" VU ergehen, nämlich aufgrund der Säumnis und gegen den Säumigen. Ist die Klage schon unzulässig, wird sie nach allgemeinen Regeln durch Prozessurteil abgewiesen. In diesem Fall spricht man von einem sog. "unechten" VU, da es nicht aufgrund der Säumnis ergeht.

Der Erlass eines VU ist in den Fällen von § 335 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen, insb. wenn die abwesende Partei nicht ordnungsgemäß geladen war (Nr. 2). Bei Fehlen von Prozessvoraussetzungen, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf ebenfalls kein VU ergehen (Nr. 1); das betrifft z.B. den Fall, dass die anwesende Partei durch einen Bevollmächtigten, der kein Rechtsanwalt ist, vertreten wird (§ 88 Abs. 2 ZPO) und dieser keine Vollmacht vorlegen kann.

Im Fall von § 337 ZPO ist der Erlass eines VU ebenfalls ausgeschlossen. Wenn das Gericht davon ausgeht, dass die abwesende Partei schuldlos verhindert ist, darf kein VU gegen sie ergehen.

Versäumnisurteil gegen den Beklagten[Bearbeiten]

Versäumnisurteil gegen den Beklagten

1. Statthaftigkeit des Versäumnisverfahrens

a) Beklagter nicht erschienen, verhandelt nicht (§ 333 ZPO) oder ist nicht postulationsfähig (§ 78 Abs. 1 ZPO)

b) Antrag des Klägers (§ 331 Abs. 1 S. 1 ZPO)

c) Voraussetzungen des § 335 ZPO liegen vor, insb. ordnungsgemäße Ladung des Beklagten

2. Zulässigkeit der Klage

3. Schlüssigkeit der Klage: der Tatsachenvortrag des Klägers muss geeignet sein, den Klageantrag als (nach materiellem Recht) begründet erscheinen zu lassen (§ 331 Abs. 1, 2 ZPO)

Ein Versäumnisurteil ergeht gegen den Beklagten, wenn dieser sich entweder im schriftlichen Verfahren nicht gegen die Klage verteidigt (§ 331 Abs. 3 ZPO) oder zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint bzw. keinen Antrag stellt (§ 331 Abs. 1 ZPO). Ein VU ergeht auch, wenn der Beklagte in einem Verfahren mit Anwaltszwang (insb. beim Landgerichtsprozess, § 78 Abs. 1 ZPO) nicht anwaltlich vertreten ist.

Weiter muss die Klage zulässig sein, ansonsten ergeht ein "unechtes" VU (siehe schon oben).

Außerdem muss die Klage schlüssig sein (vgl. § 331 Abs. 2 ZPO: "soweit es den Klageantrag rechtfertigt"). Das bedeutet, der Kläger muss zu allen Voraussetzungen des Anspruchs, den er geltend macht, die notwenigen Tatsachen vortragen. Der Umfang der Darlegungslast ergibt sich also aus dem materiellen Recht.

Versäumnisurteil gegen den Kläger[Bearbeiten]

Bei Säumnis des Klägers wird die Klage auf Antrag des Beklagten abgewiesen. War die Klage zulässig, ergeht ein sog. "echtes" VU. Bei Unzulässigkeit wird die Klage durch Prozessurteil abgewiesen (siehe schon oben). Eine Sachprüfung findet nicht statt.

Einspruch gegen das Versäumnisurteil[Bearbeiten]

Einspruch (Zulässigkeit)

1. Einlegung des Einspruchs durch Einspruchschrift (§ 340 ZPO)

2. Statthaftigkeit: gegen "echtes" VU (§ 338 ZPO)

3. Frist: zwei Wochen (§ 339 ZPO); bei Verfristung Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO)

4. Nachholung der versäumten Prozesshandlung mit dem Einspruch

Besonderheiten ergeben sich, wenn gegen den Schuldner bereits ein Versäumnisurteil (VU) vorliegt. Gegen ein ergangenes VU kann der Beklagte binnen zwei Wochen Einspruch einlegen und die versäumte Prozesshandlung nachholen (§§ 338 ff. ZPO). Ist der Einspruch zulässig, ist der Prozess in die Lage vor der Säumnis zurückversetzt (§ 342 ZPO) und geht normal weiter.

Der zulässige Einspruch ist eine Voraussetzung für die Fortsetzung des Prozesses (sog. Prozessfortsetzungsvoraussetzung). Die Prüfung findet daher vor der Zulässigkeitsprüfung der Klage statt. Ohne zulässigen Einspruch bleibt das VU gegen den Schuldner bestehen. Eine weitere Prüfung findet dann nicht mehr statt.

Der Einspruch ist nur gegen ein "echtes" VU statthaft (aufgrund der Säumnis & gegen den Säumigen). Da das "unechte" VU ein normales Prozessurteil ist, kann es nur mit der Berufung angegriffen werden (§§ 511 ff. ZPO).

Zu beachten ist, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines VU nicht im Rahmen des Einspruchs geprüft werden; ob das VU gesetzmäßig ergangen ist, interessiert hier nicht. Der Einspruch muss für die Fortsetzung des Prozesses nur zulässig sein.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand[Bearbeiten]

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

I. Zulässigkeit des Antrags

1. Antrag, ggfs. konkludent

2. Statthaftigkeit: Versäumung einer Notfrist (§ 233 ZPO), insb. Einspruchsfrist gemäß § 339 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO

3. Zuständig ist das Prozessgericht (§ 237 ZPO)

4. Form: wie Einspruchschrift inkl. Angabe der Tatsachen (§ 236 ZPO)

5. Frist: zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses (§ 234 ZPO)

II. Begründetheit des Antrags

1. Verhinderung der Fristwahrung

2. Ohne Verschulden

3. Glaubhaftmachung (§§ 236 Abs. 2 S. 1, 294 ZPO)

4. Nachholung der versäumten Prozesshandlung (§ 236 Abs. 2 S. 2 ZPO)

Ein zusätzliches Problem kann sich ergeben, wenn die zweiwöchige Einspruchsfrist für den Schuldner bereits abgelaufen ist. In dem Fall kann Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO gestellt werden. Bei dem Prüfungspunkt "Frist" ist dann zunächst festzustellen, dass der Einspruch verfristet ist, und im Anschluss ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung vorliegen (siehe Übersicht).

Prüfungsschwerpunkt ist in der Regel die Frage, ob die Frist unverschuldet versäumt wurde. In Betracht kommt eigenes Verschulden, das des gesetzlichen Vertreters (§ 51 Abs. 2 ZPO) oder des prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts (§ 85 Abs. 2 ZPO). Beruht die Fristversäumung auf einem Fehler des Büropersonals des Rechtsanwalts stellt sich die Frage, ob dies dem Rechtsanwalt und damit wiederum der Partei zuzurechnen ist. Im Prozessrecht gilt nicht § 278 BGB, so dass der Rechtsanwalt für ein Verschulden des Büropersonals nicht einzustehen hat; vielmehr kommt es darauf an, ob ihm ein eigenes Organisationsverschulden anzulasten ist.

Verfahren bei Vollstreckungsbescheid[Bearbeiten]

Ein Vollstreckungsbescheid (VB) kommt im Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO) zustande. Dabei handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren, in dem der Gläubiger ohne streitiges Verfahren zu einem Vollstreckungstitel kommen kann (§ 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Zunächst ergeht ein Mahnbescheid gegen den Schuldner, gegen den dieser Widerspruch einlegen kann (§ 694 ZPO). Legt er keinen Widerspruch ein, erlässt das Mahngericht auf Antrag des Gläubigers den VB (§ 699 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Der VB steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich (§ 700 Abs. 1 ZPO). Liegt also ein VB gegen den Schuldner vor, kann dieser ebenfalls Einspruch einlegen. Das oben Gesagte gilt insoweit entsprechend. Mit dem Einspruch beginnt dann das streitige Verfahren (§ 700 Abs. 3 ZPO).

Ist der Beklagte dann erneut säumig, so darf nicht einfach ein "zweites" VU ergehen! Denn im Rahmen des Mahnverfahrens, für welches die funktionelle Zuständigkeit bei den Rechtspflegern besteht, wurde die Schlüssigkeit der behaupteten Forderung nicht geprüft. Diese Prüfung muss daher vor Erlass des "zweiten" VU durch den Richter erfolgen.

Übersicht über die Rechtsbehelfe und Rechtsmittel im Säumnisverfahren[Bearbeiten]

          Versäumnisurteil
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Keine Berufung       sondern nur Einspruch
  (§ 514 I)                (§ 338)
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                               │
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        Einspruch unzulässig         Einspruch zulässig              Säumnis im Einspruchstermin
        wird verworfen (§ 341)   Fortführung des Prozesses (§ 342)
                  │                           │                                  │
                  │                           │                                  │
                  │              ┌────────────┴──────────────┐           es ergeht Zweites VU
                  │              │                           │                (§ 345)
                  │              │                           │                   │
                  │    VU wird aufrecht erhalten    VU wird aufgehoben           │
                  │         (§ 343 S. 1)              (§ 343 S. 2)       dagegen ist Berufung
                  │              │                           │            statthaft (§ 514 II)
                  │              │                           │
                  │              │                           │
               gegen das Urteil ist jeweils die Berufung statthaft

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 33 Rn. 1.
  2. Siehe dazu Amend, Aktuelles und Historisches zur richterlichen Anerkennung des possessorischen Besitzschutzes (Anmerkung zu BGH, NJW 1999, 425), JuS 2001, 124, 127; Schellhammer, Sachenrecht, 2001, Rn. 62.
  3. Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl. 2004, § 863 Rn. 1.
  4. Palandt/Bassenge, § 863 Rn. 3; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 33 Rn. 29.
  5. Siehe dazu Stadler/Jarsumbek, Das Versäumnisverfahren gem. §§ 330 ff. ZPO, insbesondere das zweite Versäumnisurteil, JuS 2006, 34 ff., 134 ff.