Kleiner Führer zu Burgen, Schlössern und Rittersitzen: Zwischen Kleve und Hünxe: Burg Gemen

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Die Wasserburg Gemen
Auf einen Blick
Adresse: Schloßplatz 1, 46325 Borken
Verwendung: Jugendburg
Bauherr(en): Herren von Gemen, Hermann-Otto II. von Limburg-Styrum
Bauzeit: 13. Jahrhundert
Ausbau 14.-16. Jahrhundert
Umbau im 17. Jahrhundert
Architekturstil: Barock und Neorenaissance
Geokoordinate: 51° 51' 47" N 6° 51' 59.6" O
Website: jugendburg-gemen.de
Bildergalerie: Wikimedia Commons

Überblick[Bearbeiten]

In der westfälischen Parklandschaft im früheren Sumpfgebiet der Bocholter Aa steht die Burg Gemen. Auch wenn der Name anderes vermuten lässt, handelt es sich bei der Anlage heute um ein Schloss. Seine frühere Schlossfreiheit gab dem heutigen Borkener Stadtteil Gemen seinen Namen.

Das Schloss entstand aus dem allmählichen Umbau einer mehr als 900 Jahre alten Wasserburg, die von den Edelherren von Gemen, einem der einflussreichsten westfälischen Adelsgeschlechter seiner Zeit, erbaut wurde. Es steht auf zwei Inseln, die von einem weitreichenden Gräftensystem umflossen werden. Die Burg war Mittelpunkt der Herrschaft Gemen.

Bewohner und Besitzer[Bearbeiten]

Mittelalter[Bearbeiten]

962 wurde ein Hof namens Gamin als Vogteilehen des Damenstifts Vreden erstmals urkundlich erwähnt. Seine damalige Besitzerin mit Namen Mathilde konnte ihre Abstammung bis auf Herzog Widukind zurückführen. Seit dem Jahr 1100 ist dann mit Bernhardus die Ghemene urkundlich belegt, dass sich die Vredener Vögte nach ihrem Stammsitz nannten.

Die Geschichte der Herren von Gemen war seit dem 12. Jahrhundert von ständigen Auseinandersetzungen mit den Fürstbischöfen von Münster geprägt, die seit jener Zeit auch weltliche Landesherren dieser Region waren. Um sich ihre Reichsunmittelbarkeit zu bewahren, gingen die Burgbesitzer immer wieder erfolgreich wechselnde Bündnisse, so zum Beispiel mit den Grafen und späteren Herzögen von Kleve, dem Erzbischof von Köln und der reichsfreien Stadt Dortmund, ein.

Bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatte sich die Herrschaft Gemen durch geschickte Heiratspolitik und siegreiche Fehden gegen die Nachbarn territorial erheblich erweitert. Als Heinrich III. von Gemen 1370 Familienoberhaupt wurde, begann der rasante Aufstieg der Gemener zu einem der wichtigsten Adelsgeschlechter in Westfalen. Heinrich erwarb die Burg von seinem Lehnsherrn und machte sie somit zum Allodial seiner Familie. Er war es auch, der die Anlage bis 1411 weiter ausbauen ließ. Ein heute noch erhaltener Inschriftenstein nennt ihn und seine Frau Katharina von Bronkhorst als die Bauherren.

Heinrichs Sohn Johann II. führte die Politik seines Vaters erfolgreich fort und konnte sein Herrschaftsgebiet im Westen bis Gelderland ausweiten. Als sein Sohn Heinrich IV. 1492 ohne männliche Erben starb, kamen Burg und Herrschaft durch Heirat der Cordula von Gemen an den Grafen Johann IV. von Schauenburg und Holstein-Schaumburg und Sternberg.

Frühe Neuzeit[Bearbeiten]

Johanns Enkel Jobst II., ein Vetter Wilhelms I. von Oranien, führte ab 1560 die lutherische Reformation in Gemen ein und legte somit den Grundstein für eine der ältesten protestantischen Gemeinden Westfalens. Weil Jobst II. auch den Freiheitskampf der Niederländer gegen das katholische Spanien unterstützte, wurde Gemen 1568 von Fernando Álvarez de Toledo, dem Herzog von Alba, belagert und geplündert. Anders erging es der Herrschaft jedoch im Dreißigjährigen Krieg. Jobst-Hermann, dem Enkel Jobsts II., gelang es, Gemen während der Kriegswirren nahezu schadlos zu halten.

Als Jobst-Hermann jedoch im Jahr 1635 unverheiratet starb, entbrannten Erbstreitigkeiten um die Herrschaft, in deren Verlauf sich Jobst-Hermanns Tante, die Gräfin Agnes von Limburg-Styrum, ihres Zeichens Äbtissin von Vreden, durchsetzen konnte. Sie trat ihr Erbe kurze Zeit später an ihren Neffen Hermann-Otto I. von Limburg-Styrum ab. Dessen Sohn Adolf-Ernst versuchte erfolglos, in Gemen wieder den Katholizismus einzuführen.

1694 gelang es dann Hermann-Otto II. von Limburg-Styrum den jahrhundertelangen Streit mit dem Bistum Münster um die Landeshoheit durch einen Prozess vor dem Reichskammergericht endgültig für seine Familie zu entscheiden. Am 15. September 1700 kam es anschließend zu einem Vergleich zwischen den beiden streitenden Parteien und die Herrschaft wurde reichsunmittelbar. Hermann-Otto II. war es auch, der die einstige Wehranlage in ein Schloss umgestalten ließ.

1772 wurde Damian August Philipp von Limburg-Styrum, Fürstbischof von Speyer, mit der Herrlichkeit Gemen belehnt. Als dieser 1775 dann zugunsten des Grafen Ferdinand Menrad von Limburg-Styrum-Illeraichen auf den Besitz verzichtete, erhob jedoch auch der Graf Simon August von Lippe-Detmold Ansprüche auf Gemen, da seine Familie die Rechtsnachfolge der Grafen von Holstein-Schaumburg angetreten hatte. Er sandte eine als Bauern verkleidete Abteilung Soldaten zum Schloss und ließ dieses im Handstreich besetzen. Erst im Januar 1776 gelang den Limburgern die Rückeroberung der Anlage, da ein strenger Winter die Schlossgräben hatte zufrieren lassen und so das Schloss von allen Seiten zugänglich war.

1800 erbte Freiherr Alois Sebastian von Bömelberg zu Erolzheim Burg und Herrschaft Gemen. Doch er konnte sich nicht mehr lange an seinem Besitz erfreuen, denn am 12. Juli 1806 wurde die Herrschaft mediatisiert und in das Fürstentum Salm eingegliedert. Sie verlor damit ihre Reichsunmittelbarkeit und wurde nur acht Jahre später – als Ergebnis des Wiener Kongresses – Preußen zugeschlagen.

Am 24. Mai 1822 erfuhr die Schlossanlage ihren vorerst letzten Besitzerwechsel. In jenem Jahr erwarb sie Reichsfreiherr Johann Ignatz Franz von Landsberg-Velen, der am 15. Oktober 1840 von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen in den Grafenstand erhoben wurde und sich anschließend Graf von Landsberg-Velen und Gemen nannte. Seine Familie ist heute noch im Besitz des Schlosses.

Baugeschichte[Bearbeiten]

Es kann angenommen werden, dass die Burg Gemen im 9. oder 10. Jahrhundert als Motte errichtet wurde (siehe [BrRe2005]). Eine erste urkundliche Erwähnung findet sie aber erst im Jahr 1274 (siehe [BrRe2005]). Die heutige Schlossanlage ist eine Nachfolgerin dieser ersten Burg, deren Baugeschichte sich im Wesentlichen in fünf Abschnitte gliedert.

13. Jahrhundert – Ausbau zur Ringburg[Bearbeiten]

Mitte des 13. Jahrhunderts war die Burg unter Goswin von Gemen zu einer Ringburg ausgebaut worden. Der errichtete runde Bergfried, dessen Fundament noch heute erhalten ist, besaß zwei Meter dicke Mauern und war integriert in eine fast kreisrunde Ringmauer. Innerhalb der Mauer wird sich vermutlich ein Wohngebäude befunden haben, jedoch ist dieses nicht mehr mit Sicherheit feststellbar. Von Archäologen wird angenommen, dass diese Anlage die Nachfolgerin einer Turmhügelburg beziehungsweise Motte gewesen ist. Zu jener Zeit war die damalige Burgfreiheit – bestehend aus Häusern von Burgmannen, Handwerkern und Hörigen – bereits auf die Größe des heutigen Ortskerns angewachsen.

14. Jahrhundert[Bearbeiten]

Vermutlich im 14. Jahrhundert wurde die Ausdehnung der Hauptburg durch die Errichtung einer neuen Ringmauer fast verdoppelt und erhielt somit einen polygonalen Grundriss. Ein kleiner zweigeschossiger Palas mit einer Grundfläche von 8 mal 17,5 Metern gehörte ebenso zur Bebauung wie vermutlich ein rechteckiger Wohnturm im Norden. Welcher Gestalt mögliche Gebäude im Westen der Kernburg waren, lässt sich heute nicht mehr ermitteln.

15. Jahrhundert[Bearbeiten]

Unter Heinrich III. erhielt die Burg Gemen ihre heutige Größe. Bis 1411 ließ er im Westen einen dreigeschossigen Palas mit großen Saal und Gewölbekeller errichten und stockte den Ballturm (den ehemaligen Bergfried) auf vier Geschosse auf. Auch die Erbauung des sogenannten Batterie- oder Kappellenturms aus Backsteinen geht auf ihn zurück. Eine Bermemauer im Süden, Westen und Norden verschaffte der Ringmauer zusätzliche Stabilität.

16./17. Jahrhundert[Bearbeiten]

Nach einigen geringfügigen Baumaßnahmen im 16. Jahrhundert, wie zum Beispiel dem Bau eines Uhrenturms im Hof (wohl 1571; siehe [BrRe2005]), erhielt die Anlage unter Hermann-Otto II. von Limburg-Styrum um 1700 (siehe [BrRe2005]) im Wesentlichen ihr heutiges Erscheinungsbild als Schloss. Durch kleine architektonische Veränderungen am gotischen Äußeren erhielt Gemen eine leicht barocke Nuance. Das Portal am Nordflügel wurde im klassisch-römischen Stil komplett neu gestaltet. Eine Besonderheit in Westfalen sind hierbei die beiden das Portal flankierenden Löwenstatuen, welche die Treppe abwärts schreiten. Außerdem wurde das Schloss 1692 mit einem gelblich gefärbten Putz verkleidet und durch weiße Farbstriche als Fugenteilung untergliedert.

Im Inneren wurden im Zuge dieser Baumaßnahmen die großen Zimmer in kleinere Kabinette unterteilt und mit Kaminen ausgestattet sowie mit Stuckaturen versehen. Als Ergebnis existiert auf Schloss Gemen heutzutage mit dem sogenannten Rittersaal nur noch ein größerer Saal im nördlichen Teil des westlichen Palas.

19./20. Jahrhundert[Bearbeiten]

Bautätigkeiten im 19. und 20. Jahrhundert beschränkten sich vornehmlich auf kleinere Umgestaltungen und Modernisierungsarbeiten, da die Anlage im Zweiten Weltkrieg keine nennenswerten Schäden davontrug. Lediglich die Vorburg erhielt eine vollkommen neue Gestalt. Durch einen Brand 1865 waren die alten Gebäude zerstört, sodass sie ab 1882 im Stil der Neorenaissance neu errichtet wurden. Im gleichen Zug wurde auch der heutige repräsentative Schlosszugang angelegt.

Die letzte nennenswerte Baumaßnahme fand 1950 im Erdgeschoss des Ostpalas mit Einrichtung der Michaelskapelle statt.

Heutige Nutzung[Bearbeiten]

Auf Initiative des damaligen Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen, wurde das Schloss 1946 an das Bistum Münster verpachtet und wird seither als dessen Jugendbildungsstätte genutzt. Als „Jugendburg Gemen“ ist sie weit über die Grenzen Nordrhein-Westfalens bekannt und mit über 200 Betten und mehr als 20 Seminarräumen eine der fünf größten Einrichtungen dieser Art in Deutschland. Betreut wird sie in Vertretung der Kirche durch den Kaplan des Schlosses. Neben vielen Kursen unterschiedlichster Träger finden dort vor allem Tage religiöser Orientierung unter der Betreuung eines Pädagogik-Teams statt. Zudem wird samstags abends Eucharistie in der Michaelskapelle und dienstags sowie donnerstags jeweils morgens in der von-Galen-Kapelle gefeiert.

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit an der Burg sind die musisch-kulturellen Angebote. Diese wurden bereits zu Beginn der Arbeit der Jugendburg von engagieren Musikpädagogen angeregt, die dann zur Gründung der „Werkgemeinschaft Musik im Bistum Münster e. V.“ geführt haben. Jährliche Hauptaktivität ist die Chor- und Instrumentalwoche, die jeweils in der ersten Woche der Herbstferien in Nordrhein-Westfalen stattfindet. Schon seit 1951 treffen sich dabei im Schnitt etwa 120 Personen, um in verschiedenen Workshops generationenübergreifend gemeinsam Musik zu machen.

Die Burg Gemen ist heute zudem Station der 100-Schlösser-Route. Der Radweg verbindet auf vier Rundkursen die Schlösser im Münsterland.


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