Laufen: Der Anfang - Lauf los!

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In diesem Teil des Buches wechsele ICH, der Autor, mal auf das DU, da wir uns in Läuferkreisen, insbesondere im Internet, generell zu duzen pflegen. Und Du wirst doch demnächst auch dazugehören, oder? Andernfalls würdest Du dieses Kapitel völlig außer Acht lassen. ICH bin übrigens keine Einzelperson, denn ICH steht im deutschsprachigen Raum sicher für über eine Million Mitbürger, die Laufen zu ihrem Hobby oder auch zu etwas mehr als einem Hobby gemacht haben. ICH bin beispielsweise der etwas dickliche Herr im Park, den Du häufiger triffst und der sich freut, jeden zweiten Tag seine Runden drehen zu können und den Du beneidest, weil er bereits den Absprung ins Läuferleben geschafft hat. ICH bin aber auch der/die mittelambitionierte Freizeitläufer/in, der/die nach Jahren der Völlerei jetzt sein/ihr Idealgewicht erreicht hat und überlegt, ob er/sie vielleicht mal an einem 10-km-Wettkampf teilnehmen sollte. ICH stehe aber auch am Start eines kurzen schnellen 5-km-Rennens in der deutschen Provinz und werde heute sehen, ob ich mit meinen geplanten 18:10 min auf dem Treppchen landen kann. Und ICH bin auch der schräge Vogel, der Dir beim letzten großen Stadtmarathon zugewunken hat, als Du ihn angefeuert hast, dass er das Ziel noch in 4:10h erreichen könne, und der dabei überglücklich - aber auch völlig fertig - gegrinst hat.

ICH weiss nicht, was Dich auf die Idee gebracht hat, Dich fortan etwas mehr zu bewegen. Waren es die Pfunde? Hast Du vielleicht das Rauchen aufgegeben und suchst jetzt eine Ersatzdroge? Du hast sie gefunden. Möchtest Du vom Alltagsstress abschalten und ihm davonrennen? Oder ist der Plan, das Laufen zu beginnen, ein lang gehegter Wunsch? Was auch immer es für Gründe hat, - sie sind gut, und Du solltest einfach anfangen. Du wirst Dich fragen "Wie jetzt? Einfach so anfangen?", und ICH kann Dir nur antworten "ja tu es! - man muss es nicht langfristig planen". Du brauchst in den ersten ein bis zwei Wochen Deiner Laufkarriere nichts weiter als ein paar halbwegs nach sportlicher Betätigung aussehender Klamotten, und ein paar Turnschuhe wirst Du sicher auch haben. Notwendige Investitionen kommen dann etwas später. Zunächst wirst Du lernen, Dich über Deine eigene Leistungsfähigkeit, Deine Motivation und Deine Konsequenz beim Laufen zu freuen. Du wirst merken, dass Dir ein paar Minuten Bewegung am Tag enorm gut tun.

Viele Leute, die jede Menge Kilos zu viel auf der Waage haben, winken erst einmal ab und meinen, dass es mit diesem Gewicht doch gar nicht geht. Was denkst Du, wieviele dieser Leute es jemals überhaupt ausprobiert haben? ICH kann Dir sagen, ein großer Teil der Läufer, die Du vielleicht schon mal beim Training, bei einem Volkslauf oder gar einem Stadtmarathon beobachtet hast, haben genau so angefangen. Sie haben den Knoten, der nicht mehr zu entwirren schien, einfach durchgerissen und sind losgelaufen bzw. haben begonnen sich zu bewegen. Wenn Du einen Bodymassindex (BMI) weit jenseits der 30 hast, solltest Du vielleicht wirklich erst einmal darüber nachdenken, Laufen und Walken zu kombinieren und vor allem auch an eine Ernährungsumstellung zu denken. Aber Du kannst auch laufen. Selbst wenn Dir Ärzte aus orthopädischer Hinsicht davon abgeraten haben, kannst du es wenigstens mal probieren. So mancher Arzt wurde aus läuferischer Sicht schon Lügen gestraft. Apropos Arzt: Wenn Du das nächste Mal bei Deinem Arzt des geringsten Misstrauens bist, erzähl ihm doch mal, dass Du vorhast, regelmäßig zu laufen. Wie reagiert er darauf? Wenn er Dir ein paar kleine Untersuchungen vorschlägt, solltest Du sie nicht ausschlagen. Es muss nicht gleich eine komplette Leistungsanalyse sein. Er soll eigentlich nur seine Zustimmung geben.


So, und nun geht's los. Du hast doch sicher in den letzten 3 Stunden vor Deinem ersten Lauf nichts mehr gegessen, dafür aber reichlich getrunken, oder? Dein Outfit ist vorzeigbar, und die alten Turnschlappen, die aber immer noch ganz gut passen, sind geschnürt? Geh noch mal aufs stille Örtchen - und dann gehts los. Vor Deiner Haustür ist es immer, egal wann Du da rauskommst, zu warm, zu kalt, zu nass, zu trocken, zu dunkel, es fliegen zu viele Fliegen rum und Hilfe! ... der Nachbar kommt gerade um die Ecke! Irgendetwas wird immer sein! Doch halt, Du hast einen Termin mit Dir! Du bist doch nicht etwa luschig und unzuverlässig? Dieser Termin, den Du heute mit Dir hast, ist enorm wichtig!

"Ein großer Lauf beginnt immer mit dem ersten Schritt"

Noch kurz ein Blick zur Uhr. Du stellst Dich in eine lockere Grundstellung, winkelst leicht die Arme an und lässt nun den geraden Körper leicht, ohne einzuknicken, nach vorn fallen und fängst ihn mit dem ersten Laufschritt wieder ab, setzt nun einen Fuß vor den anderen. Du läufst! Und Du läufst in den ersten Wochen NUR langsam, versuchst laufend, nicht rennend, so weit zu kommen, wie es eben geht. Dann legst Du eine Gehpause ein, und wenn Du Dich erholt hast, beginnst Du wieder mit dem Laufen. Dein Ziel in den ersten beiden Wochen ist es, Dich 15 bis 20 Minuten genau so fortzubewegen, also gehend und walkend im Wechsel. Manch einem hilft es, feste Muster dabei zu absolvieren. Ob das jetzt 2 Minuten Laufen und 2 Minuten Gehen ist oder 3 Minuten Laufen und 3 Minuten Gehen ist völlig egal. Mach Dir Deinen eigenen Plan. Man kann einen Laufanfänger nicht in eine Schablone pressen, die Hauptsache ist, dass Du Dich 15 bis 20 Minuten bewegst und dabei merkst, dass das auch Spaß machen kann. Kommst Du nicht so schell aus der Puste, bist Du offenbar ein Naturtalent und  Paul Tergat oder  Paula Radcliff sollte sich jetzt schon mal warm anziehen ;-)!

Selbst in Läuferkreisen wird immer wieder heiß diskutiert, ob man vielleicht täglich laufen sollte? Bekannte Buchautoren, die ihr gutes Geld verdient haben, versuchten jahrelang, dies den mehr oder weniger motivierten Leuten einzureden und trieben sie damit direkt in die Praxen der Orthopäden. ICH hingegen versuche Dich nicht zu missionieren. Probiere es einfach mal aus. Lauf, wenn Du ungefähr eine Woche lang einen Tag gelaufen bist und einen Tag Pause gemacht hast, doch mal 3 Tage hintereinander und fühle mal in Deinen Körper hinein. Geht es den Waden gut, den Muskeln vor dem Schienbein, dem Oberschenkel, der Außenseite der Knie und ist in der Hüfte soweit alles okay? Auf der anderen Seite auch? Es hilft nichts, sich was vorzumachen, Du betrügst Dich nur selbst und gefährdest Dein Vorhaben zu laufen. Danach kannst Du dann selbst entscheiden, wie es weitergeht. Dein Körper ist das beste Messinstrument um dies zu bewerten. ICH warne Dich nur, will Dich nicht überzeugen, aber wie so oft im Leben macht die Dosis das Gift. Lies doch mal im Kapitel Wissen unter Training nach, wie Du Deinen Körper optimierst. Du schaffst es nicht, indem Du ihn überlastest mit dem Versuch ihn 'kaputtzuoptimieren'.

Wenn Du nun 2 Wochen laufend bzw. walkend unterwegs warst, kannst Du ja mal, vielleicht beim Laufen, eine kleine Rechnung aufstellen. Grob geschätzt hast Du in dieser Zeit eine Strecke zurückgelegt, die der normale Bürger in der Summe in 2-3 Monaten zurücklegt. Jetzt ist der Punkt gekommen, wo eine Entscheidung her muss. Möglicherweise stand die Entscheidung schon deutlich früher fest. Wirst Du weiter laufen gehen? Brauchst Du es schon? Brauchst Du es für Dich? Brauchst Du es für Dein Ego, wenn Du stolz Deinem familiären oder gar Deinem beruflichen Umfeld erzählst, wie Du Fortschritte machst, sich Dein Leben beginnt zu verändern? Findest Du es schön, abends ins Bett zu sinken, die Augen zuzumachen und sofort einzuschlafen? Freust Du Dich schon tagsüber darauf, abends, morgens, oder wann immer Du läufst, wieder Deine Runde drehen zu können? Nun, das alles bekommst Du nicht ganz umsonst.

Du hast Dich also entschieden!? Du hast einen Kollegen gefragt oder einen guten Freund der einer wie ICH ist, wo man in der Nähe einen guten Laufladen findet in dem man obendrein auch noch gut beraten wird? Gut, denn das ist das Zeichen, dass Du es weiterhin willst. Du musst jetzt noch einmal stark sein, auch wenn Du in den letzten beiden Wochen schon viel Willensstärke bewiesen hast. Die Willensstärke der ersten beiden Wochen brauchst Du nur am Anfang, Laufen wird Dir später zu einem Bedürfnis werden, wenn Du Deine ersten Erfolge hattest. Nun der Preis für das gute Gefühl: gute Laufschuhe sind teuer, aber sie müssen, gerade für Anfänger, unbedingt sein.

Du stehst also an einem Nachmittag, geschafft vom Alltagsstress, in einem guten Laufladen. Der Verkäufer, der Dich anspricht, hat wahrscheinlich morgens wenig Schuhe verkauft. Sein Geschäft, sein Wettbewerb um den Kunden, läuft am Nachmittag. Damit er Dich irgendwann mal wieder sieht, gibt er sich mit ganzer Kraft Mühe und versucht nett zu sein. Hab erst einmal Vertrauen. Hinterfrage seine Argumente. Verwickele ihn in ein Gespräch. Sollte ICH auch gerade im Laden sein und aussehen wie ein ausgemergelter Marathoni oder auch wie ein athletischer Triathlet, bekomme bitte keine Komplexe denn auch ICH war irgendwann, vielleicht vor noch nicht allzu langer Zeit das erste mal hier. Beobachte MICH ruhig unauffällig. Spüre meine Begeisterung für meinen Sport, sei genauso kritisch und sorgfältig wie ICH. Der Verkäufer wird Dich möglicherweise auf ein Laufband stellen wollen. Keine Sorge, man läuft darauf nicht viel anders. Du hast es selbst in der Hand wie schnell es läuft. Der Verkäufer wird kritisch Deine Füße betrachten, wie Du aufsetzt beim Laufen. Er wird Dich mit Fragen löchern, die Du ihm ehrlich beantworten solltest. Keine Scham! Es geht um Dich, hier sollst du sogar ein Egoist sein. Dann wird er mit mehreren Kartons anrücken. Sich vorher an den Auslagen des Ladens ein paar hübsche Schuhe auszusuchen macht überhaupt keinen Sinn. Laufschuhe sind so individuell wie Du es bist. Vergiss nicht, Du hast Zeit und wenn der Verkäufer Dich in Deinem wahrscheinlich langen Läuferleben wiedersehen will, sollte er sich die Zeit auch nehmen. Probier alle Schuhe durch, die er Dir vorschlägt, - auch die schrill aussehenden und die nicht ganz so schönen. Irgendeiner ist der ideale Schuh für Dich. Er muss passen! Viel besser als Du es von deinen gewöhnlichen Straßenschuhen gewohnt bist. Probier alle aus, auch auf dem Laufband oder auf der Straße. Sollte in dem Laden kein Laufband sein ist das noch lange kein Indiz für einen schlechten Laufladen. Fast alle Verkäufer in Laufläden sind auch aktive Läufer. Versuch an so einen zu geraten. Er wird Dich gewissenhaft beraten.

Geld sollte erst einmal nicht die Hauptrolle spielen. Klar, es ist bitter für so einen Schuh um die 120 Euro ausgeben zu müssen, aber es muss sein. Du wirst sonst schnell die Freude am Laufen verlieren. Zum Schluss fragst Du den Verkäufer dann noch, wie es mit dem Rückgaberecht aussieht. Du wirst staunen, dass er so kulant sein kann. Diese Kulanz ist im Preis der Schuhe enthalten.

So, nun kann es also richtig losgehen. Was Du sonst noch so für Dein neues Hobby brauchst, wird sich nach und nach herausstellen. Jetzt heißt es erst einmal, sie richtig probezulaufen. Fühlst Du es? Fühlt es sich besser an, als in den alten Turnschlappen?

In der nächsten Zeit geht es darum, Stück für Stück eine Regelmäßigkeit aufzubauen und die Strecken immer weiter auszubauen. Gewöhne Deinen vernachlässigten Körper an die Belastung. Du schadest ihm nicht, wenn Du es vorsichtig angehst. In den Zeiten der Ruhe findet Dein Körper die Punkte, an denen er Reparaturen vornehmen kann und er wird allein erkennen, wo er was besser reparieren kann. Vertraue ihm. Du kannst, wenn Du Spaß daran hast, Deine Erfolge und die Erfolge Deines Körpers dokumentieren. Führe ein Tagebuch über das Laufen. So hast du einen Überblick, ob Du sorgfältig und vorsichtig genug zu Werke gegangen bist. Wenn Du wenigstens dreimal, besser viermal in der Woche für eine Stunde laufend unterwegs bist hast Du es geschafft. Du bist infiziert mit dem Laufvirus. Du wirst es nicht mehr sein lassen können.

In den nächsten Wochen dehnst Du Dein Laufprogramm immer weiter in der Länge aus. Du solltest wöchentlich nicht mehr als 10 % der Laufumfänge steigern. Vergiss nie dabei, in Dich hinein zu horchen. Wenn sich irgendwo Schmerzen breit machen, machst Du besser einen Tag mehr Pause. Gib Dir Zeit. Gib Dir die Ruhe, auch beim Laufen. Erst wenn Du in der Lage bist langsam eine längere Zeit zu laufen und Deinen Körper an diese Belastung gewöhnt hast, solltest Du darüber nachdenken ob es für Dich schön wäre, schneller laufen zu können. Manch ein Läufer, den Du auf Deinen Runden triffst, die immer mal wieder woanders entlang führen sollten, hat vielleicht nie das Bedürfnis schneller zu werden. Respektiere das, er möchte sich vielleicht nur etwas bewegen.

Dieses Buch soll Dich auf Deinem weiteren Weg zum Läufer unterstützen. ICH möchte Dich an meinen Erfahrungen teilhaben lassen, Dir zeigen wo Du Fehler machen kannst. ICH habe schon einige Fehler gemacht, teilweise schmerzhafte Fehler. Willst Du sie auch machen? ICH glaube kaum!

WIR sehen uns auf der Laufstrecke !?