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Die Prädikatenlogik ist eine Erweiterung der Aussagenlogik. In der Aussagenlogik werden mit Junktoren zusammengesetzte Aussagen betrachtet. Die Aussagen selbst werden nicht näher untersucht. Das erfolgt nun in der Prädikatenlogik: wie werden Aussagen gebildet? Dazu drei einfache Beispiele:
- (1)

- (2)

- (3)

In diesen Aussagen gibt es sogenannte Individuenkonstante nämlich:
,
und
. Das sind Namen, die bestimmte Zahlen bzw. Menschen oder Gegenstände bezeichnen. In der Prädikatenlogik werden diese Objekte Individuen genannt. Im Beispiel (3) kommt die Variable
vor. Variable bezeichnen auch Individuen, aber es ist nicht festgelegt welche das genau sein sollen. Üblich ist deshalb auch der Ausdruck Unbekannte. Des Weiteren kommen Prädikate vor:
ist ein Prädikat, ebenso
. Prädikate bezeichnen Eigenschaften die auf Individuen zutreffen können oder nicht. Zu Prädikaten gehören Leerstellen, die mit drei Punkten
gekennzeichnet sind. Die Anzahl der Leerstellen ist die Stellenzahl des Prädikats.
Schliesslich kommt im Beispiel (3) das Funktionszeichen
und das Gleichheitszeichen
vor. Wie die Prädikate haben die Funktionszeichen Leerstellen, in die Namen für Individuen eingesetzt werden. Funktionszeichen haben also auch eine Stellenzahl. Aber während die Prädikate mit den eingesetzten Namen Aussagen ergeben, liefern die Funktionszeichen mit den Namen wieder einen Namen für ein Individuum. Das Gleicheitszeichen verbindet ebenfalls zwei Namen und macht daraus eine Aussage.
Aber das ist noch nicht alles: zur Prädikatenlogik gehören auch noch die Quantoren, und zwar der Allquantor
(für alle ...) und der Existenzquantor
(es gibt ...). Beispiele:
- (4)

- (5)

Entwickelt wurde die Prädikatenlogik von Gottlob Frege und Charles Sanders Peirce unabhängig voneinander. Frege entwickelte sein System der Prädikatenlogik in der 1879 erschienenen Begriffsschrift[1]. Freges Notation sah damals sehr anders aus als die heutige, sie bestand aus mit Linien verbundenen Prädikaten, die auch abzweigen konnten, außerdem gab es in seiner Notaion weniger Junktoren und keinen Existenzquantor, trotzdem konnte man mit seiner Prädikatenlogik alles sagen, was man auch mit der modernen ausdrücken kann, auch wenn es teilweise etwas umständlicher ist. Peirces Notation ähnelte aber schon der modernen.
Eine formale Sprache[Bearbeiten]
Für die Prädikatenlogik erweitern wir die Sprache der Aussagenlogik.
In der Prädikatenlogik gibt es 9 Arten von Zeichen:
- Aussagenkonstante
,
,
, ...
- Junktoren
,
,
,
,
,
, 
- Klammern
, 
- Individuenkonstanten
,
,
, ...
- Prädikate
,
,
, ...
- Funktionszeichen
,
,
, ...
- Gleichheitszeichen

- Variable
,
,
, ...
- Quantoren
, 
Die ersten drei Arten von Zeichen entsprechen denen der Aussagenlogik.
In der Prädikatenlogik gibt es zwei Arten von wohlgeformten Zeichenreihen, nämmlich Formeln und Terme. Die ersten drei Regeln entsprechen denen der Aussagenlogik:
- Jede Aussagenkonstante ist eine Formel,
und
sind Formeln.
- Ist
eine Formel, so ist auch
eine Formel.
- Sind sowohl
als auch
Formeln, so sind auch
,
,
und
Formeln.
- Jede Individuenkonstante und jede Variable ist ein Term.
- Ist
ein
-stelliges Funktionszeichen und sind
Terme, so ist
ein Term.
- Ist
ein
-stelliges Prädikat, und sind
Terme, so ist
eine Formel.
- Sind
und
Terme, so ist
eine Formel.
- Ist
eine Formel und
eine Variable, so sind
und
Formeln.
Es gibt keine weiteren Formeln und Terme. Aus dieser Definition ergibt sich sofort:
Lemma: Jede Formel der Aussagenlogik ist auch eine Formel der Prädikatenlogik.
Die Regeln 1. bis 3. der Grammatik stimmen zwar wörtlich mit denen der Aussaglogik überein, aber ihr Anwendungsbereich ist sehr viel umfangreicher. Ist
ein 1-stelliges Prädikat,
eine Individuenkonstante und
eine Variable, so sind beispielsweise
und
Formeln nach den Regeln 6. und 8. Mit der Regel 3. können wir daraus die Formel
bilden.
Die Anzahl der Formeln und Terme hängt nun nicht allein von der Anzahl der Aussagenkonstanten ab, wie das in der Aussagenlogik war. Vielmehr hängt es auch von der Anzahl der Individuenkonstanten, der Relationen, der Funktionszeichen und der Variablen ab, wieviele Formeln und Terme es gibt.
In den folgenden Beispielen seien:
- Individuenkonstanten:

- Funktionszeichen:
(1-stellig),
(2-stellig)
- Prädikate:
(einstellig),
(1-stellig),
(einstellig),
(grösser als, 2-stellig)
Ausdruck
|
Art
|
Begründung
|
|
Term
|
nach Regel 1, weil eine Individuenkonstante ist
|
|
Term
|
nach Regel 5
|
|
Formel
|
nach Regel 6
|
|
Formel
|
nach Regel 6
|
|
Formel
|
nach Regel 6 und Regel 2
|
|
-
|
ein Funktionszeichen ist kein Term und keine Formel
|
|
Term
|
nach Regel 5
|
|
Formel
|
nach Regel 7
|
|
-
|
ist ein 2-stelliges Prädikat
|
|
Formel
|
nach Regel 6
|
|
-
|
es fehlt die Variable des Quantors
|
|
Formel
|
nach den Regeln 6, 2 und 8
|
|
Formel
|
nach den Regeln 5, 7 und 8
|
Wir erweitern die Klammerersparnisregeln der Aussagenlogik wie folgt:
- Aussenklammern können weggelassen werden,
bindet stärker als die Quantoren und die Junktoren,
und
binden stärker als die Junktoren,
und
binden stärker als
und
,
bindet stärker als
.
Ist
eine Individuenkonstante, so ist
wie folgt zu lesen:
. Beachte, dass sich der Quantor nur auf die unmittelbar folgende Formel bezieht, im Beispiel nur auf die Gleichung.
Wir lassen Aussenklammern und weitere Klammern weg, wenn sie inhaltlich ohne Bedeutung sind, wie beispielsweise hier:
. 2-stellige Funktionszeichen und 2-stellige Prädikate schreiben wir zwischen die Argumente:
und
. Wir setzen auch zusätzliche Klammern, wenn dieses die Verständlichkeit erhöht. Aus dem Zusammenhang sollte aber immer klar hervorgehen, wie die Formel nach den ursprünglichen Regeln zusammengesetzt ist.
In der Prädikatenlogik muss nicht nur den Formeln einer der Wahrheitswerte Wahr oder Falsch zugeordnet werden, sondern es muss auch für die Terme eine Bedeutung festgelegt werden.
Interpretation, Bewertung[Bearbeiten]
Definition:
- Eine Bewertung

- legt eine nichtleere Menge
als Individuenbereich fest,
- ordnet allen Individuenkonstanten
ein Element von
zu,
- ordnet jedem
-stelligen Funktionszeichen
eine
-stellige Funktion von
in
zu,
- ordnet jeder
-stelligen Relation
eine
-stellige Relation über
zu,
- ordnet allen Variablen
ein Element aus
zu,
- ordnet allen Aussagenkonstanten
einen Wahrheitswert
oder
zu.
Es gilt also für eine Bewertung
:






Insbesondere ordnet also
den Variablen Werte zu. Dieser Teil von
wird Belegung genannt. Die Bewertung
sei wie
definiert, nur dass der Variablen
der Wert
zugeordnet wird. Wir setzen die Bewertung
wie folgt auf alle Terme und Formeln fort:



und 







Feststellung:
Schränken wir eine Interpretation der Prädikatenlogik auf die Formeln ein, die auch Formeln der Aussagenlogik sind, so erhalten wir eine Interpretation im Sinne der Aussagenlogik!
Redeweisen:
Für die Interpretation der Prädikatenlogik sind die gleichen Redeweisen wie bei der Aussagenlogik üblich:
erfüllt eine Formel
, wenn
der Formel
den Wert Wahr zuordnet.
erfüllt die Formelmenge
, wenn
alle Formeln aus
mit Wahr belegt. Eine andere Redeweise lautet:
ist ein Modell von
bzw. von
.
widerlegt eine Formel
, wenn
die Formel
mit Falsch bewertet.
wird dann auch Gegenbeispiel für
genannt.
Auch die Definitionen und Sätze zur logischen Folgerung
können aus der Aussagenlogik übernommen werden:
Definition: Seien
und
Formelmengen.
- Dann folgt
aus
, wenn für alle Bewertungen gilt: sind alle Formeln aus
Wahr, dann ist wenigstens eine Formel aus
Wahr.
- Schreibweisen:
(aus
folgt
) und
(aus
folgt nicht
).
Damit
gilt, muss es also eine Bewertung
geben, die alle Formeln aus
mit
und alle Formeln aus
mit
belegt.
- Statt
schreiben wir einfach
, lassen also die Klammern
weg.
- Mit
ist
gemeint.
- Ein wichtiger Spezialfall ist
(aus
folgt
).
steht für
(
ist die leere Menge).
Satz: Es gilt
genau dann, wenn 
Beweis:
Es gelte
und es sei
eine Bewertung, die alle Formeln aus
Wahr macht.
Wenn
die Formel
mit Falsch bewertet, sind wir fertig, weil dann
die Formel
erfüllt. Wenn
die Formel
mit Wahr bewertet, ist es nach Voraussetzung die Formel
oder eine Formel aus
Wahr. Im zweiten Fall ist nichts weiter zu zeigen und im ersten Fall ist auch
Wahr.
Gelte nun umgekehrt
und
erfülle alle Formeln aus
.
Wenn
eine Formel aus
Wahr macht, sind wir fertig. Wenn
die Formel
Wahr macht, gibt es zwei Möglichkeiten:
bewertet
mit Falsch, dann ist alles klar. Bewertet
die Formel
mit Wahr, bewertet sie auch die Formel
mit Wahr. Also gilt
. ✔
- ↑ Gottlob Frege: Begriffsschrift. 1879. (Nachdruck: Olms, Hildesheim 1998, ISBN 3-487-00623-5)