MathGymOS/ Analysis/ Komplexe Zahlen/ Die Polarform

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Im vorhergehenden Kapitel haben wir gewisse Eigenschaften und das Rechnen mit Komplexen Zahlen kennen gelernt. Manche Rechnungen mit diesen neuen Zahlen sind etwas aufwendig und die Rechenregeln kann man sich nur schwer merken. In diesem Kapitel soll eine neue Darstellungsform eingeführt werden welche das Rechnen mit den Komplexen Zahlen enorm vereinfacht und wesentlich leichter anzuwenden ist. Diese neue Darstellungsform heisst Polarform und beruht auf einer Koordinatentransformation. Bisher haben wir die Komplexen Zahlen als Punkte der Gauss'schen Ebene dargestellt. Durch eine Transformation können wir aber von den kartesischen Koordinaten zu den Polarkoordinaten wechseln und gelangen somit zur Polarform.


Bevor wir eine Komplexe Zahl transformieren können, müssen wir uns überlegen, welche Grössen wir für die Polarkoordinaten benötigen. Das unten stehende Bild (links) zeigt ein kartesisches Koordinatensystem mit einem Punkt und einem Vektor zu diesem Punkt. In diesem Koordinatensystem sind auch lauter konzentrische Kreise eingezeichnet, die den Übergang vom kartesischen zum polaren Koordinatensystem symbolisieren sollen. Das polare Koordinatensystem ist nämlich folgendermassen aufgebaut: Um den Nullpunkt sind konzentrische Kreise angeordnet und durch den Nullpunkt verlaufen Geraden (rechtes Bild). Möchte man also in Polarkoordinaten einen Punkt in der Ebene finden, so muss man die Entfernung zum Nullpunkt angeben und den Drehwinkel .

Der Winkel liegt im offenen Intervall [0°,360°[. Es ist also möglich auch einen Winkel anzugeben der grösser als 360° ist. Allerdings hat man sich nach 360° einmal im Kreis bewegt und die Zählung beginnt wieder von vorne. Das heisst, man könnte anstatt beispielsweise 467° auch 107° als Drehwinkel angeben weil man sich nach 360° wieder am Anfang befindet und dann um weitere 107° dreht (was zusammen 467° ergibt).

Als nächstes müssen wir herausfinden, wie man kartesische Koordinaten in polare umrechnet. Das ist aber nicht weiter schwierig, wenn man sich das erste Bild genau anschaut. Im eingezeichnet Dreieck gelten folgende Beziehungen:

Die ersten zwei Beziehungen geben an, wie man kartesische Koordinaten in polar Koordinaten umrechnen kann. Die anderen Beziehungen geben an, wie sich und in Abhängigkeit der kartesischen Koordinaten berechnen lassen. Mit diesem Wissen können wir eine Komplexe Zahl der Form in die äquivalente Form umrechnen.


Definition
wird als Polarform bezeichnet und kann durch abgekürzt werden.


nennt man den absoluten Betrag der Zahl .


Der Winkel heisst Argument von

 


Bei der Berechnung des Winkels ist Vorsicht geboten! Ob man nun oder berechnet ist dem Arkustangens egal. Aber tatsächlich handelt es sich hier um zwei verschiedene Winkel! Der Punkt liegt im 2. Quadranten des kartesischen Koordinatensystems (Quadrant oben links) also sollte der Winkel irgendwo zwischen 90° und 180° liegen. Der Punkt liegt hingegen im 4. Quadranten (unten rechts) und der Winkel ist irgendwo zwischen 270° und 360°.

Der Punkt (0|y) beziehungsweise der Punkt (0|-y) sind ebenfalls problematisch. Denn ist nicht definiert, weil die Division durch Null nicht definiert ist. Wir können de Winkel aber trotzdem angeben, indem wir uns das Koordinatensystem genauer anschauen: Der Punkt liegt (bei positivem y) irgendwo auf der positiven y-Achse und die steht senkrecht auf der x-Achse. Der Winkel beträgt also 90°. Der Punkt liegt hingegen auf der negativen y-Achse und der Winkel beträgt somit 270°. Es ist also ganz einfach herauszufinden, wie groß der Winkel ist, wenn man sich überlegt, in welchem Quadranten oder auf welcher Achse der Punkt liegt. Trotzdem folgt hier eine Fallunterscheidung, die zur Überprüfung eigener Überlegungen herangezogen werden kann:


Jetzt können wir uns endlich zwei einfachen Beispielen zuwenden:

1. Beispiel:


2. Beispiel:

wegen und


Wie zu Beginn des Kapitels erwähnt kann die Polarform gewisse Rechnungen erheblich vereinfachen. Die Addition und die Subtraktion führt man am besten immer noch komponentenweise, also in kartesischen Koordinaten, aus. Die Multiplikation und Division ist aber einfacher mit Hilfe der Polarform. Hier eine kurze Herleitung:

Bis hier hin haben wir nur und die Binomischen Formeln benötigt. Um aber jetzt weiter zu kommen müssen wir zwei Additionstheoreme aus der Trigonometrie anwenden:

Ein einfacher Vergleich dieser beiden Formeln mit der letzten Zeile der Multiplikation in Polarkoordinaten liefert schliesslich folgendes Ergebnis:

Diese Formel lässt sich wesentlich einfacher merken. Bei der Multiplikation in Polarkoordinaten werden die Beträge multipliziert und die Winkel addiert. Geometrisch gesprochen entspricht die Multiplikation in Polarkoordinaten einer Drehstreckung. Kurzes Beispiel:

(Beispiel folgt noch)

Die Division Komplexer Zahlen in Polarkoordinaten lässt sich glücklicherweise einfacher herleiten: