In der Maßtheorie hatten wir den Begriff der Länge, Fläche und des Volumens geklärt: sie werden durch Maße auf Sigma-Algebren beschrieben. In der Integrationstheorie wollen wir auf der Basis der Maße einen Integralbegriff herleiten und dessen Eigenschaften untersuchen.
Wir hatten nachgerechnet, dass die Umkehrabbildung mit Mengenoperationen vertauscht. Dies verwenden wir, um nun zu untersuchen, wann eine Abbildung zwischen zwei Sigma-Algebren vermittelt.
Seien im Folgenden Grundmengen und Sigma-Algebren mit . Wir definieren eine Abbildung als "gut", wir sagen auch "messbar", wenn sie "gute" Mengen aus der Sigma-Algebra auf "gute" Mengen der Sigma-Algebra abbildet. Was sie mit den "schlechten" Mengen macht, interessiert uns dabei nicht.
Definition (Messraum und Messbarkeit)
Wir nennen eine Grundmenge zusammen mit einer Sigma-Algebra über ihr einen Messraum.
Seien Messräume. heißt -messbar oder einfach messbar genau dann wenn
Schreibweise: oder
Die Definition mit ist sinnvoll um Sigma-Algebren zu vergleichen, aber die Anwendung von X macht keinen Sinn: Sei im einfachsten Fall , dann ist und das ist keine Sigma-Algebra.
To-Do:
Die Verknüpfung messbarer Abbildungen ist messbar.
Die Messbarkeit ist also abhängig von der Funktion und von der Größe der Sigma-Algebren. Das wollen wir uns an einigen Beispielen klarmachen. Die Messbarkeitsbedingung sieht harmlos aus, macht den Studierenden aber deutliche Schwierigkeiten. Wir haben deshalb in den nächsten drei Kapiteln bewusst mehrere Aufgaben aufgenommen, um sich an den Begriff zu gewöhnen und raten dringend, diese durchzuarbeiten.
Aufgabe
a) Eine konstante Funktion ist immer messbar.
b) Die einzigen messbaren Funktionen bzgl. sind die konstanten Funktionen.
c) Sei eine Sigma-Algebra über . Die Indikatorfunktion
ist messbar genau dann wenn Element der Sigma-Algebra ist.
d) Sei gegeben und . Ist dann -messbar?
Beweis
a) Wegen
und da jede Sigma-Algebra über automatisch enthält, ist messbar.
Das konstante f ist eine starke Einschränkung und damit messbar
b) Eine Funktion mit mindestens zwei Funktionswerten a und b ergibt zwei disjunkte, nicht-leere Mengen und . Aber diese können nicht in der Sigma-Algebra liegen, da diese nur die leere Menge und die gesamte Menge enthält. Damit kann die Funktion nur einen Funktionswert annehmen, sie ist konstant.
c) Wegen
Die Indikatorfunktion ist also messabr genau dann wenn
d) Nach Voraussetzung gilt für alle . Wegen folgt die Messbarkeitsbedingung
Aufgabe
Sei und und und .
a) Ist -messbar?
b) Ist -messbar?
c) Ist definiert durch und -messbar?
d) Sei und . Sind die Abbildungen und -messbar?
Beweis
a) Da jedes auf dasselbe abbildet, gilt . Zeige also
Aber die Menge liegt nicht in , wie man nachschaut. Somit ist nicht -messbar.
Die linke Sigma-Algebra ist also zu klein.
b) Da und ist automatisch -messbar, da
Die linke Sigma-Algebra ist groß genug (insbesondere da sie die Potenzmenge ist)
c) ist die Indikatorfunktion für . Nach Aufgabe 1 ist sie messbar, wenn . Das ist gerade so eben der Fall, da . Damit ist -messbar.
Die Indikatorfunktion ist gerade eine so starke Einschränkung und gerade groß genug, dass messbar wird.
d) Da eine gerade Zahlen mit sich selbst multipliziert erneut eine gerade Zahl ergibt,
und eine ungerade Zahl mit sich selbst multipliziert eine ungerade Zahl ergibt, folgt (obwohl F keineswegs ganz trifft!)
und damit wird tatsächlich -messbar
Da nur auf die ungeraden Zahlen abbildet, folgt
und ist messbar.
Aufgabe 3: Messbarkeit auf Abschnitten
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Aufgabe (Messbarkeit auf Abschnitten)
a) Seien ein Maßraum und eine Zerlegung von mit . Seien die Einschränkungen von auf . Betrachte die Sigma-Algebren . Dann gilt
b) Wir hatten die Sigma-Algebra mit und betrachtet im Kapitel über Sigma-Algebren.
Bestimme alle messbaren ? Ist messbar?
Lösung (Messbarkeit auf Abschnitten)
a) Zeige: ist eine Sigma-Algebra auf . Für gilt
"": Sei messbar und . Dann gilt nach Definition von
und ist messbar.
"":
Seien messbar und . Die Funktion ist eindeutig definiert, da die disjunkt sind. Da gilt
und ist messbar.
b) ist nicht messbar, da
Betrachte die . Da sind gemäß Aufgabe 1 nur die konstanten Funktionen messbar.
Da die disjunkt sind, konstruiere durch auf . Die messbaren Funktionen sind nach a) damit genau die, die auf den konstant sind.