Was ist Integration? – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

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Ein maßtheoretischer Blick auf Integrale[Bearbeiten]

  • in der Analysis 1 wurde das Riemann-Integral für Funktionen einer Variablen definiert.
  • oft wird das bestimmte Riemann-Integral einer Funktion als Flächeninhalt zwischen dem Graphen und der x-Achse veranschaulicht.
  • Beispiel: Bild einer nichtnegativen reellwertigen Funktion auf einem Intervall und der Fläche unter dem Graphen. Das bestimmte Integral ist der Flächeninhalt dieser Fläche.
  • doch wer interessiert sich für solche Flächeninhalte?
  • an der Definition des Riemann-Integrals sieht man (betrachte äquidistante Stützstellen): diese Anschauung leitet sich her aus dem Übergang von einer endlichen Summe mit und Stützstellen zu einer "überabzählbaren Summe" .
  • am Beispiel veranschaulichen (immer feinere Balken der Breite unter Funktionsgraph)
  • wir können das Riemann-Integral also auffassen als eine verallgemeinerte Summation, als "überabzählbare Summe" der Funktionswerte von .
  • Der Übergang von der Summe zum Integral wird auch deutlich bei der Bogenlänge einer Funktion (Beispiel + Bild):
  • Natürlich werden die Funktionswerte der integrierten Funktion nicht einfach nur summiert. Jeder Summand wird zusätzlich mit gewichtet. Im Grenzübergang entsteht das Integral der Funktionswerte von , von denen jeder gleich stark mit dem infinitisemal kleinen Wert gewichtet wird.
  • in den Beispielen waren die "Gewichte" die Längen der Intervalle der Zerlegung, mit anderen Worten, ihr Maß, wenn man das Lebesgue-Maß zugrunde legt.
  • könnte man für die Gewichtung auch ein anderes Maß zugrunde legen? Mit der Maßtheorie haben wir das theoretische Werkzeug dazu.
  • bei der Unterteilung des Definitionsbereichs einer Funktion in verschiedene Teilmengen zur Approximation wird dann das "Gewicht" jeder dieser Teilmengen durch ihr Maß beschrieben. Die daraus durch einen Grenzübergang verallgemeinerte Summe entspricht dann dem Integral bezüglich des Maßes (eine Art "überabzählbare gewichtete Summe").
  • wofür könnte man diese Verallgemeinerung zu anders gewichteten Summen benötigen? Wir schauen drei Beispiele an, in denen der "Summe" jeweils verschiedene "Gewichte" zugrundeliegen.

Drei Beispiele[Bearbeiten]

Körper mit inhomogener Massenverteilung[Bearbeiten]

  • wollen die Masse eines Körpers mit inhomogener Massenverteilung bestimmen (z.B. eines Himmelskörpers).
  • Die ortsabhängige Dichte (Masse/Volumen) des Körpers werde durch eine Funktion ("Dichtefeld") beschrieben.
  • man kann nun versuchen, näherungsweise die Masse zu bestimmen, indem man den Körper in kleine Stücke unterteilt (z.B. Würfel), "Stützpunkte" wählt und die Summe bildet, wobei das Volumen von bezeichnet.
  • Durch Grenzübergang zu unendlich kleinen Stücken erhält man die genaue Masse. (Wie genau der Grenzübergang aussieht, interessiert uns an dieser Stelle nicht.) Die Summe wird zu einem Integral über die Menge :
  • die "Gewichte" in diesem Beispiel sind das Volumen der einzelnen Stücke. Das Maß bzgl. dem integriert wird ist also das Volumen im , d.i. das Lebesguemaß.
  • weil das Lebesguemaß translationsinvariant ist, werden bei der Integration wie beim Riemann-Integral alle Teile gleich gewichtet.
  • das Beispiel zeigt, dass Integration bzgl. allgemeinen Maßen auch eine Verallgemeinerung zu mehrdimensionaler Integration (Funktionen in mehreren Unbekannten) möglich macht.

Erwartete Temperatur[Bearbeiten]

To-Do:

Das Beispiel muss überarbeitet werden/ein besseres gefunden werden. In der Summe wird das Bildmaß benutzt, das sollte beim Übergang zum Integral beibehalten oder von Anfang an anders gemacht werden.

  • Angenommen, an einem festen Ort auf der Welt werden Temperaturen in einem möglichen Bereich von [-200,+200] gemessen und man kennt die Verteilung der Temperatur, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass ein gemessener Wert in einem Bereich liegt (Notation: ). Diese Wahrscheinlichkeit wird durch ein Wahrscheinlichkeitsmaß beschrieben, das wir nennen wollen. Z.B. wird sein, da so hohe Temperaturen auf der Erde nicht vorkommen.
  • man kann als auf einer unbekannten Menge definierte Funktion auffassen. (In der Wahrscheinlichkeitstheorie würde man eine "Zufallsvariable" nennen.)
  • für die gegebene Verteilung will man die an dem Ort zu erwartende Durchschnittstemperatur bestimmen.
  • Das kann man machen, indem man den Temperaturbereich in immer kleiner werdende Intervalle partitioniert und z.B. immer den unteren Wert des Intervalls summiert, gewichtet mit der Wahrscheinlichkeit, dass eine Temperatur in dem Intervall auftritt:
  • Der so bestimmte Wert wird etwas unter dem erwarteten Wert liegen, aber man kann ihn genau bestimmen, indem man die Intervalllänge gegen 0 streben lässt.
  • aus der Summe wird so ein Integral über den (unbekannten!) Definitionsbereich von bzgl. des W.maßes :
  • hier werden die einzelnen Summanden entsprechend ihrer Wahrscheinlichkeit gewichtet (i.A. nicht alle gleich).
  • Die Integration (nach Lebesgue) ist ein wichtiger Bestandteil der Wahrscheinlichkeitstheorie.

Spektralzerlegung linearer Operatoren[Bearbeiten]

  • in der Linearen Algebra lernt man, dass selbstadjungierte Endomorphismen diagonalisiert werden können und als Summe von Orthogonalprojektionen auf die Eigenräume geschrieben werden können (Spektralzerlegung).
  • Unter anderem in der mathematischen Formulierung der Quantenmechanik untersucht man selbstadjungierte lineare Abbildungen zwischen unendlichdimensionalen Vektorräumen (sog. lineare Operatoren zwischen Hilberträumen). Dabei kommen Methoden der Funktionalanalysis zum Einsatz.
  • Das Spektrum eines solchen Operators ("verallgemeinerte Eigenwerte") kann abzählbar oder sogar überabzählbar unendlich sein.
  • Die Spektralzerlegung verallgemeinert sich damit auf eine unendliche Reihe oder ein Integral über das Spektrum des Operators . Natürlich ist im Moment gar nicht klar, wie ein solches Integral zu verstehen ist.
  • die "Gewichte" der einzelnen Summanden sind in diesem Beispiel nicht mehr reelle Zahlen, sondern lineare Abbildungen (Orthogonalprojektionen). Mithilfe von sog. Spektralmaßen, die nicht reelle Zahlen, sondern Orthogonalprojektionen als Werte annehmen, kann man dennoch das Integral im Sinne der Maßtheorie bilden. (Details interessieren uns nicht.)
  • Das Beispiel soll zeigen, wie weitreichend die Interpretation des Integrals als "überabzählbare gewichtete Summe" ist und wie mächtig ein Integralbegriff ist, mit dem man bzgl. allgemeinen Maßen integrieren kann.

Wie gehen wir vor?[Bearbeiten]

To-Do:
  • Einführung des Begriffs "messbare Abbildung"
  • Einschränken des Begriffs auf "messbare numerische Funktion" -> Approximation durch Treppenfunktionen
  • Lebesgue-Integral als elementares Integral über Treppenfunktionen <- und -> gewichtete Summen
  • L-Integral allgemein als Grenzwert elementarer Integrale


  • die drei Beispiele zeigen, dass es sinnvoll ist, die Integrationstheorie allgemein für beliebige Maße zu formulieren. Wir werden das Lebesgue-Integral kennenlernen (benannt nach Lebesgue, aber es wird dabei nicht nur bzgl. des Lebesgue-Maßes integriert!)
  • befinden uns also in der folgenden Situation: haben eine reellwertige Funktion , wobei eine Menge ist (z.B. Körper , Wahrscheinlichkeitsraum oder Spektrum ). Der Definitionsbereich wird bei der Approximation in Teilmengen zerlegt, die Teil einer -Algebra messbarer Teilmengen sind. Ein Maß liefert dann die "Gewichte" als Maß dieser Teilmengen .
  • Insgesamt muss also auf einem Maßraum definiert und reellwertig sein.
  • Wir betrachten hier nur reellwertige Funktionen. Offenbar ist aber das Entscheidende am Wertebereich von , dass Elemente addiert werden können, wie wir in den Beipielen gesehen haben. Man kann das Integral auch für Banachraum-wertige Funktionen definieren (Bochner-Integral), aber das machen wir hier nicht.
  • Werden uns bei der Definition des Integrals von der Beobachtung leiten lassen, dass das Integral im Wesentlichen aus einem Grenzübergang einer Summe entsteht, also im Übergang von Funktionen mit nur endlich/abzb. unendlich vielen Funktionswerten zu Funktionen mit überabzb. unendlich vielen Funktionswerten.