Durch den Begriff der Stetigkeit einer Funktion
an einer Stelle
wird der Sachverhalt präzisiert, dass eine "kleine" Abweichung von
auch nur eine "mehr oder weniger kleine" Abweichung vom Funktionswert
liefert. Durch den Begriff der Differenzierbarkeit wird dieses "mehr oder weniger" genauer qualifiziert, indem untersucht wird, wie groß die Abweichung vom Funktionswert im Verhältnis zum Argumentwert ist, und man dadurch zu einer Aussage über die "momentane" Funktionswertänderung an einer Stelle
gelangt.
Sei
eine Funktion, die in einer Umgebung
von
definiert ist, so dass also
ist. Man bildet den so genannten Differenzenquotienten von
bei
:
In konkreten Rechnungen ist es oft bequem,
zu setzen; dann kann der Differenzenquotient auch so geschrieben werden:
wobei
so gewählt sein muss, dass
insbesondere also
ist. Man beachte, dass der Differenzenquotient an der Stelle
(bzw. für
) nicht definiert ist.
Existiert aber der Grenzwert
so heißt die Funktion
differenzierbar bei
, und der Grenzwert
heißt Differenzialquotient von
bei
für den auch
oder (wesentlich genauer!)
geschrieben wird.
Man kann nun jeder Stelle
an der die Funktion
differenzierbar ist, den zugehörigen Differenzialquotienten zuordnen, also die Funktion
bilden;
heißt Ableitungsfunktion oder kurz Ableitung von
und man hat (falls vorhanden)
für alle
und die Definitionsmenge von
enthält genau diejenigen
bei denen
differenzierbar ist.
Nach dem eingangs zu Stetigkeit und Differenzierbarkeit Gesagtem erwartet man die Gültigkeit folgenden Satzes.
- Satz
- Wenn eine Funktion
bei
differenzierbar ist, so ist
bei
auch stetig.
Beweis. Die Differenzierbarkeit bei
besagt, dass
gilt. Unter Voraussetzung von
und unter Benutzung von
rechnet man nun
also
Dies aber ist äquivalent mit
womit die Stetigkeit von
bei
gezeigt ist. -
Aus der Stetigkeit bei
kann aber nicht auf Differenzierbarkeit bei
geschlossen werden; denn beispielsweise ist die Betragsfunktion
an der Stelle
stetig wegen
aber wegen

besitzt der Differenzenquotient bei 0 keinen Grenzwert, so dass
bei 0 nicht differenzierbar ist.
Vorstehendes Beispiel zeigt, dass als differenzierbare Funktionen höchstens stetige Funktionen in Betracht kommen; ist eine Funktion dagegen nicht stetig, so kann sie erst recht nicht differenzierbar sein.
Beispiele zur Bildung der Ableitung:
1) Sei
und
Man bildet zunächst den Differenzenquotienten von
bei
für alle 
Da hier insbesondere
so ist

wobei der Term auf der rechten Seite der Gleichung auch im Falle
definiert ist, so dass

2) Sei
und
für alle ![{\displaystyle x\in ]-\infty ;5[\setminus \{1\}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f87f7e9d835d3f74e7d8fd0391864d4f6e0af464)
Man muss nun den Term so umzuformen versuchen, dass er durch
kürzbar wird - falls dies überhaupt möglich ist.
Im vorliegenden Fall hilft die Anwendung der 3. binomischen Formel weiter:
für alle ![{\displaystyle x\in ]-\infty ;5[\setminus \{1\}.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f87f7e9d835d3f74e7d8fd0391864d4f6e0af464)
Da hier insbesondere
so ist jetzt Kürzung durch
möglich:
für alle ![{\displaystyle x\in ]-\infty ;5[\setminus \{1\},}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/a11131e6ec2d6345cf4cb71c0c3cdd6f243698cd)
wobei der auf der rechten Seite der Gleichung stehende Term auch bei 1 definiert ist, so dass

Aus den vorstehenden Beispielen wird folgendes allgemeines Vorgehen ersichtlich:
- Die Bildung der Ableitung
ist für nicht ganz-rationale Funktionen nur dann möglich, wenn es gelingt, den Differenzenquotienten
durch
zu kürzen. In einem solchen Fall ergibt sich
als der Wert des gekürzten Terms an der Stelle
und damit ist dann
gefunden.