Meisterhaft – Musterhaft Georg Bötticher/ Tapetenmuster für den europäischen Markt/ Entstehung und Entwicklung der Tapete

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Entstehung und Entwicklung der Tapete


Johann Wolfgang von Goethe, 1816: „In meinem Zimmer sind Tapeten,die mich schon seit sechs Tagen in Erstaunen versetzen“
Quelle: Unbekannt

In der griechischen Antike hieß Tapete tapes, in der römischen tapetum und im Persischen tapeh. In unserem Begriff Tapete klingt dies alles durch.

Man bezeichnete damit zunächst Wandbehang, Tischdecke oder Teppich. Ab dem 15. Jahrhundert setzte eine Differenzierung zwischen Tapisserie als Wandbehang und Tapete als fest angebrachter Wandbekleidung und Wandteppich ein.

In Deutschland war schließlich seit dem 19. Jahrhundert Tapete gleichbedeutend mit bedrucktem Papier, in Frankreich heißt es papier peint und meint ein kunsthandwerklich bemaltes Papier und im Englischen spricht man von wallpaper, also nur vom Trägermaterial.

Die Tapete hat eine lange Tradition, zeitlich zurückgehend bis zur Renaissance – zunächst auf Materialien wie Stoff und Leder als Träger. Von den ursprünglichen Wandbespannungen Leder, Stoff, Wachstuch, Leinen entwickelte sie sich bis hin zum Papier als Gestaltungsträger.

Das 17. Jahrhundert mit seiner differenzierten Wohnkultur imitierte anfänglich aufwändig kostbare Stoffbespannungen à la Seide und Samt. Dann folgte eine Zäsur. Es gelang die technischen Mittel zu verbessern. Die ersten Tapetenrollen, entstanden ab etwa 1790. Die Erfindung des endlosen Papiers gelang dem Engländer Louis Roberts 1799, doch erst ab 1840 gab es das Rollenpapier, die wesentliche Voraussetzung für den Rotationsdruck mit Leimfarbe. Die technischen Möglichkeiten, Tapetenrollen herzustellen und die Drucke zu verbessern, machte die Tapete im Wortsinn »salonfähig«.

Durch die neuen Raumaufteilungen und deren unterschiedliche Funktionen im 18. Jahrhundert erlebte die Tapete ihre erste Blütezeit.

In England und Frankreich pflegten der Adel und das wohlhabende Bürgertum die Moden zu atemberaubenden Salon-Dekoren. Man entwickelte Tapeten mit Perlmuttschimmer, Samt- oder Seidenanmutungen. Es entstanden Tromp l’oeils (Augentäuschungen) in höchster Perfektion.

Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die Technik ausgereift. Der Leimfarbendruck trat seinen Siegeszug an bis ins 20. Jahrhundert.

Die Vorteile der Tapete lagen auf der Hand, man konnte schnell auf veränderte Moden reagieren. Der »Tapetenwechsel« wurde ein Synonym für Verwandlung und Erneuerung. Trotz aller technischen Neuerungen blieb es in der Tapetenfabrikation immer auch bei dem klassischen Handdruck bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus.

Ab 1851 gab es Weltausstellungen (Exposition Universelle Internationale, World’s Fair), technische und kunsthandwerkliche Leistungsschauen, die für innovativen Austausch, aber auch schon für Produktpiraterie im heutigen Sinne standen.

Als Austragungsort der Weltausstellungen wechselten sich London und Paris unrhytmisch ab. Georg Bötticher besuchte 1873 die fünfte Weltausstellung, die erstmals in Wien stattfand. Musterdesigner wie Bötticher, Tapeten-Fabrikanten wie auch potente Kunden sahen die neusten Techniken und Trends.

Ein weiterer technischer Umbruch kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Tragen. Er brachte die Gaufrage, das Einpressen kleiner Musterungen durch Walzen ins Papier; den Kupferwalzdruck und die weiterentwickelte Flocktechnik mit sich. Damit gelangen weiterführende Gewebe-Imitationen, denn nach wie vor waren Stoffe die Basis der Inspiration für die Designer. Die Maxime waren nicht so sehr die Muster, sondern die Materialien. Die galt es auf dem Papier zu imitieren. Steigende Farbzahlen verhalfen zu immer großartigen Tromp l’oeil-Effekten.

Ab Mitte des 19. bis ins 20. Jahrhundert setzte verstärkt die maschinelle Herstellung ein, ein neuer Zweig der Großindustrie entstand. Die deutschen Zentren waren nach 1870/71 die Regionen entlang des Rheins, das Ruhrgebiet, Niedersachsen und Sachsen. Das führte streckenweise zunächst zu Preiserosionen und Qualitätsverlusten.

Um 1900 setzte eine hitzige Debatte um die Hygiene der Tapeten ein, auf die Tapetenhersteller 1911 in einer konzertierten Aktion mit einer Ausstellung in Hamburg reagierten. In den 70ern kämpften gerade die mittelständischen Unternehmen ums Überleben.

Zwischen 1970–1990 brachten, wohl ausgehend von der neuen Museumsarchitektur, die weißen Wände (die sog. white cubes) das vorläufige Aus für die Tapetenhersteller. Dieser Trend war eine Mode und wurde wieder gegenläufig.