Meisterhaft – Musterhaft Georg Bötticher/ Tapetenmuster für den europäischen Markt/ Musterspiele

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Musterspiele


Bötticher strebte jedoch nach einem anderen Grundsatz: Papiertapeten sollten sich von den Gewebeimitationen frei machen und ihren eigenen Materialcharakter behaupten. Er benannte Kollegen wie Otto Eckmann (Hamburg 1865–1902 Badenweiler), Walter Leistikow (Bromberg 1865–1908 Berlin/Schlachtensee) und Peter Behrens (Hamburg 1868–1940 Berlin). Diese Maler, Grafiker, Typographen, letzterer war Industriedesigner und der Erfinder des Corporate Designs in Deutschland, schlossen sich in Berlin und München den Sezessionen an. Als nächste Generation traten sie in die Fußstapfen der zumeist englischen Neuerer, die vom Jugendstil her kamen. Bötticher selbst war der festen Überzeugung, dass diese reinen Künstler ohne das handwerkliche Know how keine »verwendbaren« Muster entwerfen konnten, was jedoch sehr zu seinem Bedauern zusehends vernachlässigt wurde.

Streng organische Muster aus England bildeten eine zeitlang den Grundstock für den neu gefundenen Stil, der die Vormachtstellung Frankreichs auf dem Kunstgewerbegebiet ablöste.

In Deutschland schien Bötticher die Entwicklung weniger gradlinig zu verlaufen. Zunächst führte man wieder teuere Importe aus England ein. Auf dem heimischen Markt lag der Schwerpunkt nach wie vor auf den Gewebeimitationen.

Unter diesen Musterzeichnern entstand eine Mischung aus Altem und Neuem: In dem Zusammenhang hob Bötticher die Berliner Firma Lieck & Heider besonders hervor (für die er selbst nie gearbeitet hat), die ohne Maschinen, auf Handdrucktischen großartige Muster lieferten, die der Dessinateur Bötticher als den »Gipfel guter deutscher, charaktervoller Verzierungskunst« bezeichnete.

Das 19. Jahrhundert bezog in seinen ekklektizistischen Formenschatz nahezu alle bisher bekannten Stilelemente ein. Angefangen von den Mustern der antiken Welt, des Mittelalters bis hin zum Barock und Rokoko. Musterzeichner kannten die symmetrischen offenen und geschlossenen Grundformen von Kreuz, Winkel, Dreieck, Rechteck, Bogen, Halbkreis und Kreis aber auch vegetabile Elemente wie etwa Akanthus und Farn, Palmettfries und Eierstab, Rocaillen, Blattmasken oder Ranken aller Art.

Unter ihren Händen wuchsen durch Reihung, Rhythmus oder Verschränkung Mäander, Wellenbänder, Diamantschnitte bis hin zu Knorpeln, aber auch durch freie dynamische Elemente, wie z. B. Spiralen, erwuchsen Ornamente. Die Musterzeichner, heute dem Beruf des Designers verwandt, gestalteten phantasievolle und phantastische Ornamentierungen. Böttichers Handschrift war unverkennbar. Ihm lag besonders das Flachmuster am Herzen.

Die europäischen Flächenornamente wurden seit der Renaissance gesammelt und gingen auf die Antike zurück. In der Arabeske näherten sich die Bandel- oder Rollwerke, Ranken- und Blattwerke den plastischen Naturbildern. Die Mauresken, im Islam aus hellenistischen Pflanzenornamenten entwickelt, bargen mit symmetrisch geordneten Linienschwüngen und stark stilisierten Blüten und Blättern bereits markante Stilisierungen bis zu Abstraktionen. Fügte man menschliche oder tierische Wesen ein, so entstanden Groteske, seit der römischen Antike besonders beliebt. Man übertrug das Ornament gerne und üppig auf alle Lebensbereiche – von der Bauzier über Möbel, Kunsthandwerk bis zu Stoffen und Porzellan.