Siliciumverarbeitung: Geschichtlicher Abriss

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Letzte vollständige inhaltliche Aktualisierung: April 2008

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Silicium als Element und erste Nutzung[Bearbeiten]

Elektronenschalendiagramm

Silicium[FN 1], Si, ist nach Sauerstoff das zweithäufigste in der Erdekruste vorkommende Element. Es existiert ausschließlich in Oxiden und Silicaten; natürliche Vorkommen des metallisch-grau glänzenden elementaren Siliciums sind nicht vorhanden. Es ist ein typisches Halbmetall. Als solches besitzt es sowohl Eigenschaften von Metallen sowie von Nichtmetallen. Als ein Element der 14. Gruppe (IV. Hauptgruppe) mit der Ordnungszahl 14 besitzt es vier Valenzelektronen, je zwei in der 3s- und 3p-Schale. Die wichtigste Eigenschaft für die heutige praktische Anwendung ist die Tatsache, dass es sich bei Silicium um einen Elementhalbleiter[FN 2] handelt.[1]

Nutzung bis Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts[Bearbeiten]

Aufgrund des großen über die Erde verteilten Vorkommens werden Siliciumverbindungen in Form von Lehm oder Ziegeln in den meisten Kulturen der Welt seit jeher für den Bau von Gebäuden verwendet. Auch wurden verschiedene harte siliciumhaltige Gesteine wie Obsidian und Feuerstein seit Jahrtausenden als Werkzeuge und Waffen verwendet und Siliciumverbindungen wurden zu Glas weiterverarbeitet. Diese Anwendungen erfolgten allerdings ohne Kenntnis des Elements an sich. Elementares Silicium wurde vermutlich erstmals 1823 hergestellt.[2] Mit der beginnenden Industrialisierung etablierten sich Siliciumverbindungen schnell als wichtiger Bestandteil von modernen Baumaterialien wie Zement. Diese Nutzung ist in erster Linie auf das große Vorkommen sowie auf die verhältnismäßig simple Verarbeitung zurückzuführen, weniger auf die spezifischen Eigenschaften an sich.

Nutzung in Elektro- und Solarindustrie[Bearbeiten]

Ende des Jahres 1947 wurde von Bardeen, Brattain und Shockley der erste Transistor, ein regelbarer elektrischer Widerstand basierend auf dem Effekt des Kristallgleichrichters, bekannt als p-n-Übergang, gebaut.[3] Dieser Transistor bestand damals noch aus dem verhältnismäßig seltenem Germanium. Erst ein Jahrzehnt später realisierten Noyce und Kilby unabhängig voneinander eine integrierte Schaltung auf Siliciumbasis und legten damit den Grundstein für die Entwicklung heutiger Mikroprozessoren. Der kommerzielle Durchbruch siliciumbasierender Schaltungen ließ ein weiteres Jahrzehnt auf sich warten, bis 1966 der erste Taschenrechner gebaut wurde. Seitdem erhöht sich die von der Elektroindustrie benötigte Menge an reinem Silicium Jahr für Jahr.

Mit der Realisierung eines p-n-Übergangs war auch die Grundlage für Solarzellen geschaffen. Entdeckt wurde die Möglichkeit der Umwandlung der Sonnenstrahlung erst 1954, als Tests an einem Siliciumgleichrichter eine höhere Stromlieferung unter Sonneneinstrahlung ergaben. Mit dem Beginn der Raumfahrt wurden neue Möglichkeiten der Energieversorgung von Satelliten gesucht. Während der erste Satellit der Vereinigten Staaten, Explorer 1, ausschließlich mit Batterien betrieben wurde und bereits nach etwa 4 Monaten den Funkverkehr einstellte,[4] entschied sich die NASA für ihren zweiten Satelliten, Vanguard 1, Solarzellen zum Aufladen des Akkumulators zu verwenden. So war auch für den Fall, dass diese neue Technik ihren Dienst versagte, für eine gewisse Zeit die Energieversorgung sichergestellt. Entgegen der Befürchtungen kritischer Stimmen konnte Vanguard 1 dank der Solarzellen sieben Jahre lang Signale zur Erde senden.[5] Aufgrund dieses Erfolgs wurden Solarzellen von nun an zum Standard für die Stromversorgung von Raumsonden und für diesen Einsatzzweck kontinuierlich weiterentwickelt.

Die Raumfahrt führte zwar zur beständigen Weiterentwicklung der Solarzellen, allerdings kam die Anwendung auf der Erde aufgrund der hohen Kosten zunächst nicht in Frage. Erst mit der Ölkrise 1973 stieg das Interesse. Von nun an wurden Solarzellen in mehr und mehr Inselanlagen wie beispielsweise zum Betrieb von Signalanlagen auf hoher See eingesetzt. Das Interesse durch Privatpersonen wurde im deutschsprachigen Raum Ende der 1980er Jahre durch das Projekt Megawatt geweckt. Im Rahmen dieses Projektes wurden 333 Wohnhäuser in der Schweiz mit Solarzellenmodulen ausgestattet.[6] In Folge dessen wurden in Deutschland die Photovoltaiktechnik mit einer Reihe von Maßnahmen gefördert.[7]

Die Marktentwicklung der vergangenen Jahre[Bearbeiten]

Um die heutige Situation der Solarindustrie zu verstehen, erfolgt nun als Abschluss noch ein kurzer Abriss der Marktentwicklung der letzten Jahre.

Die Halbleiterindustrie unterliegt seit jeher zyklischen Schwankungen.[8] Dennoch schufen die Hersteller von Reinstsilicium im Zuge des Booms der Internetaktien bis zum Jahr 2000 ungebremst neue Kapazitäten - obwohl die Chipherstellung in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre des letzten Jahrtausends stark boomte und ein Nachlassen absehbar war. Mit dem Platzen der Dot-Com-Blase im Herbst 2000 sank die Nachfrage der Elektroindustrie stark, es kam zu einem Überangebot von Silicium. Die Solarindustrie verwertete zu diesem Zeitpunkt noch zum allergrößten Teil die Ausschüsse des für die Elektroindustrie vorgesehenen Materials und konnte die Überschüsse ebenfalls nicht verwerten. Dies führte zu einem Preissturz für Reinstsilicium: Im Herbst 2003 kostete ein Kilogramm nur noch 30 US-Dollar. Alle großen Siliciumhersteller hatten den weiteren Ausbau der Produktionskapazitäten vorerst eingestellt.

Die Solarindustrie begann in diesen Jahren stark zu wachsen (siehe Tabelle). Während der kombinierte Siliciumbedarf von Elektro- und Solarindustrie 2004 noch etwa 5000 Tonnen unterhalb der produzierten Menge lag[9], stieg die Nachfrage bis 2006 schon so stark an, dass die Preise für langfristige Verträge bereits über dem langjährigen Mittel von 50 US-Dollar je Kilogramm lagen. Die Tagespreise erreichten vereinzelt 300 US-Dollar, mehr als das Zehnfache des Preises von 2003 [8]. Seitdem wächst die Solarbranche weiterhin Jahr für Jahr stark, auch weil die Dauer zur Inbetriebnahme einer neuen Fertigungsstätte mit etwa einem Jahr nur ein Drittel der Zeit beträgt, die die Inbetriebnahme einer Fabrik zur Herstellung von Reinstsilicium beansprucht.

Installierte Leistung an Photovoltaikmodulen[10]
Jahr Gesamtleistung Zuwachs Anstieg des Zuwachs
in MWp[FN 3] in % in MWp in %
1994 502 0 0 0
1995 580 16 78 0
1996 669 15 89 14
1997 795 19 126 42
1998 948 19 153 21
1999 1150 21 202 32
2000 1428 24 278 38
2001 1762 23 334 20
2002 2201 25 439 31
2003 2795 27 594 35
2004 3847 38 1052 77
2005 5152 34 1305 24
2006 6627 29 1475 13
2007 9100 37 2473 68
2008 15675 72 6575 266
2009 22878 45 7203 10
2010* 24840 - - -

 * Prognose

grafische Darstellung
grafische Darstellung

Aufgrund der sehr angespannten Marktsituation ist der Innovationsbedarf in der Herstellung von Reinstsilicium sehr hoch. Für fast jeden Schritt werden Jahr für Jahr Lösungen publiziert, welche den effektiven Preis je Wafer zu senken versuchen.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Oft auch Silizium geschrieben, diese Schreibweise ist allerdings nicht IUPAC-konform.
  2. Halbleiter wirken bei tiefen Temperaturen isolierend, werden unter Einwirkung von Licht oder Wärme elektrisch leitfähig.
  3. Megawatt peak - Nennleistung bei maximaler Sonneneinstrahlung

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Werner Zulehner, Bernd Neuer, Gerhard Rau. Silicon. In Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry. Wiley-VCH, 6 2000.
  2. expliQ. Silizium - chemischer Alleskönner, 2008.
  3. Walter Houser Brattain. Laboraufzeichnungen, 12 1947.
  4. P. E. Zadunaisky. The Orbit of Satellite 1958 Alpha (explorer i) during the First 10500 Revolutions. SAO Special Report, 50, October 1960.
  5. U.S. Naval Research Laboratory. Vanguard celebrates 50 years in space, 2008.
  6. Markus Real, Hans Lüdi. Project Megawatt: experience with photovoltaics in Switzerland. Photovoltaic Specialists Conference, 1991., Conference Record of the Twenty Second IEEE, pages 574–575, 10 1991.
  7. Zu den wichtigsten gehören das Energieeinspeisegesetz, das 1000-Dächer-Programm und das 100000-Dächer-Programm
  8. 8,0 8,1 Lindey Blanchfield. Silicon flares on the solar surge Chemical Market Reporter, 270(3):24–25, 7 2006.
  9. Degussa AG. Wachstumsschub für die Sonne. Degussa AG Presseinformation, 17, 11 2006.
  10. Eleni Despotou, Adel El Gammal, Benjamin Fontaine. Global Market Outlook for Photovoltaics until 2014. European Photovoltaic Industry Association, 4 2010.