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Soziologische Klassiker/ Soziale Ordnung/ Simmel, Georg

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Georg Simmel

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Laut Georg Simmel ist die Aufgabe der Soziologie, "die Formen des Zusammenseins von Menschen zu beschreiben und die Regeln zu finden, nach denen das Individuum, insofern es Mitglied einer Gruppe ist, und die Gruppen untereinander sich verhalten." [1]

Simmels Ausgangspunkt zur Erklärung sozialer Ordnung ist dabei weder die Gesellschaft als Makrostruktur, noch das handelnde Individuum, sondern die gegenseitigen dynamischen Beziehungen – die Wechselwirkung der einzelnen Teile.

In seiner Theorie spielt auch der Konflikt eine wesentliche Rolle, da Simmel ihn als eine einende soziale Interaktion sieht, der Menschen aneinander bindet, Beziehungen stärkt und somit auch wesentlich für soziale Ordnung ist.


Wechselwirkungen

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Gesellschaft entsteht, da Individuen ständig aufeinander einwirken, sich wechselseitig beeinflussen. Diese Wechselwirkung der Individuen ist weiters nur ein anderes Wort für „Vergesellschaftung“. Durch die wechselseitige Beeinflussung der Individuen schaffen sie selbst die Bedingungen, die ihr weiteres Handeln bestimmen.[2]


Wechselwirkung ist ein Begriff, zur Analyse der dynamischen Beziehung zwischen Individuen, Gruppen oder anderen sozialen Einheiten. Wechselwirkung bedeutet, dass das was ein Individuum tut, sieht oder erwartet, Auswirkungen auf das hat, was ein anderes Individuum tut sieht oder erwartet und umgekehrt (vergleichbar mit dem Begriff der „Interaktion“). Wechselwirkung beschreibt soziale Phänomene nach ihrer Relation zueinander und Funktion ihre Reziprozität füreinander Individuen schaffen einerseits Wechselwirkungen und sind andererseits von diesen betroffen.[3]


Weiters entstehen durch Wechselwirkung Einheiten, wie beispielsweise Gruppen. Wechselwirkungen zwischen mehreren Gruppen können wiederum Strukturen einer Gesellschaft formen.[4]


Da Wechselwirkung gegenseitige dynamische Beziehungen meint, ist gesellschaftliche Ordnung nichts endgültiges, sondern kann nur als Ordnung im Prozess verstanden werden. Aus diesem Grund schlägt Simmel vor, nicht von Gesellschaft, sondern von Vergesellschaftung zu sprechen. Durch jede Interaktion zwischen Menschen geschieht, so Simmel, der Prozess der Vergesellschaftung.[5]

Die drei soziologischen Apriori

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Damit solche Wechselwirkungen und damit Vergesellschaftung überhaupt entstehen können, stellt Simmel drei Grundbedingungen (Apriori) auf, die absolut notwendig sind:

  • Menschen sehen andere Menschen nicht in ihrer Individualität, sondern als Typen (Bsp.: Mann, Frau, Student, Ausländer, etc...). Das tun wir deshalb, da uns Menschen intransparent erscheinen und wir deshalb anhand der Typenbildung eine soziale Welt des miteinander Handelns konstruieren.
  • Menschen weisen individuelle Eigenschaften und Charakterzüge auf, mit denen sie Rollen und Typen ausfüllen. Somit stehen sie sowohl in der Gesellschaft und gleichzeitig ihr gegenüber. Sie sind Produkte und Produzenten der sozialen Wirklichkeit.
  • Durch seine Qualitäten ist jedes Individuum auf eine bestimmte soziale Position angewiesen. Die gesellschaftlichen Rollenmuster sind jedoch unabhängig von der Individualität der Menschen schon vorhanden. Sie müssen von den Individuen nur ausgefüllt werden. Somit sind diese stets dazu aufgerufen, "ihren Platz" zu finden und einzunehmen.[6]


Entstehung von Formen

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"Man kann (...) die Grenze des eigentlich sozialen Wesens vielleicht da erblicken, wo die Wechselwirkung der Personen untereinander nicht nur in einem subjektiven Zustand oder Handeln derselben besteht, sondern ein objektives Gebilde zustande bringt, das eine gewisse Unabhängigkeit von den einzelnen daran teilhabenden Persönlichkeiten besitzt."[7]

Die Wechselwirkung der Personen untereinander kann also auch über subjektives Handeln der Einzelnen hinausgehen, sich verselbstständigen und Stabilität annehmen. Dadurch entstehen „objektive Gebilde“, die gewissermaßen unabhängig vom Einzelnen sind und zugleich auch zentrale Veränderungen der sozialen Makrostrukturen überdauern können. Diese objektiven Gebilde nennt Simmel Formen.


Ein Beispiel dafür ist die Institution Ehe: Sie ist eine stabile Form der Wechselwirkung zwischen zwei Personen und prägt deren Persönlichkeit und Handlungsweisen. Gleichzeitig prägt sie auch den Charakter der Gesellschaft. Dabei erweist sich die Institution Ehe als stabiler als das Individuum (Ehe kann eher die Persönlichkeit eines Individuums beeinflussen, als ein Individuum die Institution Ehe verändern; Auch beim Tod zweier Eheleute besteht die Institution als solches weiter) und als viele Makrostrukturen.[8]

Weitere Beispiele für große„objektive Gebilde“ sind der Staat, eine Religion oder Arbeitsteilung. Beispiele für scheinbar flüchtigere Wechselwirkungen sind Dankbarkeit oder Konflikt. Weiters gehört auch die Kleingruppe zu den Wechselwirkungen, die sich zu einer Form verdichtet hat.

Die Entstehung solcher Gebilde ist also weder auf individuelles Handeln, noch auf die Gesellschaft zurückzuführen, sondern entsteht durch eine eigendynamische Entwicklung von Wechselwirkungen. Damit entsteht etwas „Substantielles“, das den Individuen als wechselseitige Verpflichtung gegenübersteht. Es ist vom Individuum getragen und doch von ihm unabhängig. Das typisch soziale Verhalten wird somit für den Einzelnen zum Sollen.[9]


Beispiel für die Entstehung sozialer Formen anhand des Konflikts

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Die Ursache von Konflikten sind verschiedene Ziele zweier (oder mehrerer) Parteien, die einander widersprechen (das Erreichen des einen Ziels verhindert das Erreichen des anderen Ziels). Somit bestehen unser Leben und unsere Gesellschaft permanent aus Konflikten, die auch positiv sind, solange sie ausgetragen werden.

Ist ein Konflikt vorhanden, will man eine Einheit erreichen. Um eine Einheit zu erreichen gibt es mehrere Möglichkeiten: Konsens, Kompromiss (oder Auslöschung einer Partei).

Gruppen entstehen oft durch Konflikte. Konflikte innerhalb von Gruppen wirken reinigend und verhindern Spaltungen (wenn man sie positiv austrägt). Konflikte mit Fremdgruppen stärken den inneren Zusammenhalt.

Der Konflikt bindet Gegner aneinander, da sie aufeinander angewiesen sind.

Das Vorhandensein von Konflikten kann somit ein Zeichen von Stabilität in Beziehungen sein. Gleich wie eine Beziehung ohne Konflikte nicht überlebensfähig wäre (da sie Probleme sichtbar machen und somit Lösungen ermöglichen) wäre auch eine Gesellschaft ohne Konflikte nicht überlebensfähig.[10]

Was bringt Menschen dazu, in Wechselwirkung zueinander zu treten?

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Weiters stellt sich die Frage, was Individuen überhaupt dazu bringt, in Wechselwirkung zueinander zu treten.

Simmel meint dazu, Wechselwirkung entstehe immer aus bestimmten Trieben heraus oder um bestimmter Zwecke willen.

Er hält den Menschen für egoistisch und altruistisch zugleich. Hierbei versteht er die beiden Begriffe jedoch nicht als moralisch wertende Begriffe, sondern als Grund des Handelns: Ist das Handeln am eigenen Interesse oder dem eines anderen orientiert? Somit bedingt egoistisches Handeln ein altruistisches Handeln, da wir unserem eigenen Interesse nur durch Orientierung an anderen nachgehen können.[11]


Recht, Sitte und andere Normen menschlichen Zusammenlebens wurden von der Allgemeinheit zu ihrem Nutzen – also der individuellen Selbstsucht entgegengesetzt – geprägt. Somit erstrecken sie sich in alle Lebensbereiche des Einzelnen hinein, weshalb er von ihnen Gebrauch machen muss. Je größer der Kreis der sozialen Beziehungen eines Individuums ist, desto öfter muss er um seines eigenen Vorteils willen am Interesse eines anderen orientiert handeln, indem er ihm beispielsweise Zuneigung entgegen bringt und desto weniger kann er unmittelbar egoistisch verfahren.[12]


Gesellschaft ist also die Summe der Wechselwirkungen, aus welchen sie fortlaufend entsteht.[13]


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Hauptartikel zu Georg Simmel in diesem Wikibook

Georg Simmel in der deutschsprachigen Wikipedia


Literatur

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  • Abels, Heinz (2007):
    "Einführung in die Soziologie. Bd.1: Der Blick auf die Gesellschaft. 3.Auflage"
    Wiesbaden
  • Gabriel, Manfred (2008):
    "Kurs - Soziologisches Denken, Klassische Theorie. Sommersemester 2008"
    Paris-Lodron-Universität Salzburg
  • Rosa, Hartmut / Strecker, David / Kottmann, Andrea (2007):
    "Soziologische Theorien"
    Konstanz

Einzelnachweise

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  1. Simmel zit.n. Abels 2007, S. 99
  2. Vgl. Abels 2007, S.100
  3. Gabriel 2008
  4. Vgl. Abels 2007, S.100
  5. Vgl. Abels 2007, S.100
  6. Vgl. Rosa, Strecker & Kottmann 2007, S.94
  7. Simmel zit.n. Abels 2007, S. 102
  8. Vgl. Rosa, Strecker & Kottmann 2007, S.93
  9. Vgl. Abels 2007, S.102
  10. Gabriel 2008
  11. Vgl. Abels 2007, S. 103
  12. Vgl. Simmel zit.n. Abels 2007, S. 103
  13. Vgl. Abels 2007, S.105