Suizidprophylaxe/ DAS UMFELD DER SELBSTTÖTUNG

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Um Suizid (= Selbsttötung) nicht als isoliertes Phänomen zu sehen, ist es wichtig, einerseits die Kulturen, in denen die Selbsttötungen stattfinden zu kennen und andererseits die Verbindungen zu verwandten Bereichen der klinischen Psychologie, der Psychiatrie und der Sozialen Arbeit zu sehen.

Das kulturelle Umfeld[Bearbeiten]

Historisches[Bearbeiten]

  • Selbsttötung hat es in fast allen Kulturen zu fast allen Zeiten gegeben. Die Gründe, die dazu führten und die Art wie mit Selbsttötung umgegangen wurde, waren allerdings sehr unterschiedlich.
  • Umgang mit Suizidalen (ausgewählte Beispiele aus der Geschichte)
    • In Salzburg wurde zur Zeit Mozarts ein Mensch, der sich umgebracht hatte, mit den Füßen an einen Pferdewagen gebunden und mit dem Gesicht nach unten aus der Stadt geschleift.
    • Lord Byron macht sich in einem der Vorworte zu Don Juan darüber lustig, dass der Suizid eines Adeligen anders bewertet wird, als der eines gewöhnlichen Menschen. Er schreibt über den Marquis von Londonderry, der sich 1822 das Leben nahm: "Über seine Todesart braucht wenig gesagt zu werden. Nur so viel: hätte ein unglücklicher Radikaler, zum Beispiel Waddington oder Watson, sich den Hals abgeschnitten, man hätte ihn eingescharrt mit üblichem Zubehör, Pfahl und Hammer. Aber der Minister war ein eleganter Mondsüchtiger, ein empfindsamer Selbstvernichter - er schnitt sich bloß die 'Carotidialarterie' durch ..., und siehe da! - das Schaugepränge und die Abtei und 'Bangeheulte Schmerzenslaute' in den Tagesblättern und der Totenbeschauer mit seiner Eulogie über dem blutenden Leichnam des Verstorbenen ... und die widerwärtige ruchlose Salbaderei entarteter und verschworener Feinde alles dessen, was ehrlich und ehrenswert ist!" (Byron 1977, S. 223f)
    • Es gab in Mitteleuropa bis ins 20. Jahrhundert "Suizidvorschriften", meist ungeschriebene, aber jedem bekannte Erwartungshaltungen, unter welchen Bedingungen man sich umzubringen hatte. In der K. u. K. Armee war es z.B. üblich, dass sich ein Brückenbauer, dessen Bauwerk (mit Todesfolge für Andere) eingestürzt ist, das Leben nehmen musste. Gleiches galt bei uneinbringlichen Schulden und anderen "Vergehen", bei denen ein Offizier seine eigene Ehre oder die des Kaisers verwirkt hatte.
    • "Suizidvorschriften" gab und gibt es auch in anderen Kulturen (z.B. Harakiri von Samurais). Heute handelt es sich oft "nur noch" um verinnerlichte Verhaltensanweisungen, die früheren offenen kulturellen Regeln entsprechen. Die genannten Gründe für diese Verhaltensweisen sind fast immer der Verlust der Ehre bzw. der "Gesichtsverlust". Wegen der noch zu besprechenden Ähnlichkeiten zwischen suizidalem Verhalten und Fremdtötung sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es auch Kulturen gibt, in denen an Stelle von Selbsttötungen Fremdtötungen, sog. "Ehrenmorde" praktiziert werden.
  • Zeitlich gehäuftes Auftreten von Suiziden (Auswahl)
    • Laut einiger (nicht aller) Quellen, soll es nach der Veröffentlichung des Romans Die Leiden des jungen Werther von J.W. von Goethe so viele Suizide gegeben haben, dass das Buch zeitweise verboten werden musste.
    • In den 1920er Jahren wurden die Lieder Trauriger Sonntag bzw. Einsamer Sonntag verboten, weil sich so viele Menschen deswegen umbrachten. Der gleichnamige Film gibt übrigens die Atmosphäre wieder, die Suizide wahrscheinlicher macht.
    • In kleinerem Umfang kommt gehäufte Selbsttötung immer wieder vor (z.B. September 1991: vier junge Erwachsene bringen sich innerhalb von 10 Tagen in Hörbranz, Vorarlberg um). Es darf vermutet werden, dass gerade für diese Häufungen die Qualität der Berichterstattung in den Medien mit entscheidend ist.
    • Massensuizide
      Es gibt immer wieder Massenselbsttötungen. Dabei kommen in der Regel individuelle Einstellungen und massenpsychologische Phänomene zusammen. Es gibt immer wieder Hinweise darauf, dass ein Teil der Massensuizide in Wirklichkeit Fremdtötungen waren.

Statistik des Suizids in Deutschland und in anderen Länder[Bearbeiten]

Diese statistischen Betrachtungen mögen zwar langweilig sein, sind aber für eine Risikoeinschätzung auch im Einzelfall nicht völlig ohne Wert.

  • Zu trennen sind Suizide und Suizidversuche.
  • Zu trennen sind die Zahlen
    • der Frauen ( viele Suizidversuche, eher wenige echte Suizide)
    • der Männder ( weniger Suizidversuche, dafür größerer Anteil echter Suizide)
  • Zu trennen sind Suizide von jungen und körperlich gesunden Menschen, von Suiziden alter und schwer kranker Menschen.
  • Zu bedenken sind die hohen Dunkelziffern und die Tendenz mancher Länder, ihre Suizide nicht zu veröffentlichen. So wurden die Suizide in der DDR weitgehend verschwiegen.

Aktuelle globale Suizidtendenzen[Bearbeiten]

Globale Selbsttötung ist eine Analogie zur individuellen Selbsttötung. Sie geht insofern weiter als der einzelne oder der Massensuizid, als sie den Tod der ganzen Menschheit oder großer Teile davon zum Inhalt hat. Auch wenn möglicherweise kein direkter Zusammenhang zwischen den nachfolgend genannten Tendenzen und der individuellen Entwicklung zu einem Suizid besteht, ist es wichtig diese Tendenzen zu kennen und seine eigene Einstellung dazu reflektiert zu haben. Suizidale (und übrigens auch Hedonisten) benutzen sie bisweilen als Rechtfertigung für ihr Vorhaben: Das hat doch sowieso alles keinen Sinn mehr! Die Welt geht ohnehin unter. usw.

  • Das atomare Selbstzerstörungspotential,
    Es wurde während des Kalten Krieges aufgebaut und ist im wesentlichen noch immer vorhanden. Es ist weiterhin nicht auszuschließen, dass Fehlreaktionen oder Fehlentscheidung zum Einsatz atomarer Waffen mit verheerender Wirkung führen können.

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  • Umweltzerstörung (Ökozid)
  • Aufbau eines weltweiten Konfliktpotentials durch zunehmendes Nord-Süd-Gefälle?

Suizid in Philosophie und Theologie[Bearbeiten]

  • ausgewählte Kapitel aus der Geistesgeschichte
  • "Selbstmord ist nicht die letzte Freiheit, sondern im doppelten und damit schlimmsten Sinne des Wortes die letzte Unfreiheit des Menschen " österr. Journalist (Ringel 1987, zit nach Wissen 1994)
  • ausgewählte Kapitel aus der Theologie z.B.
  • Suizid in der Bibel (z. B. Judas, Mt 27,3ff)
  • diverse Stellungnahmen zum Thema Suizid im Laufe der Jahrhundert
  • Umgang mit Suizidalen seitens der Kirche im 20. Jahrhundert


Die Verdrängung des realen Todes aus unserer Alltagskultur[Bearbeiten]

  • Umgang mit alten Menschen
    • direkte Abwertung des Alters
    • indirekte Abwertung des Alters durch Verherrlichung der Jugend
  • Umgang mit Sterbenden
    • Tod im Krankenhaus
    • Gegentendenz: Hospizbewegung

Der Kontrast: Der ständig zunehmende vermittelte Tod[Bearbeiten]

  • Tod in den Massenmedien
  • Berichterstattung

in den Nachrichten, im TV; Film- und Videoproduktion (z.B. Horrorfilme)

  • Lieder über Suizid

gibt es grundsätzlich in allen Stilrichtungen. Die Jugendkultur hat in den für sie typischen Ausdrucksformen auch solche depressiver Art. Manche behandeln das Thema Suizid direkt. Ein paar Bei-spiele :

  • Gruppe INXS: der Hit (1994) Suicide Blonde (Suizidales Mädchen mit blondem Haar)
  • Name einer US-Rockgruppe: Suicidal Tendencies
  • Morak: Suizid
  • The Smith: Asleep
  • The Doors: The End
  • darstellende Kunst: viele Karikaturen
  • Witze usw.


Der gegenwärtige Tod in früheren Kulturen[Bearbeiten]

  • z.B. Totentänze im ausgehenden Mittelalter
  • Barockzeit


Selbsterfahrung[Bearbeiten]

  • Meine eigene Einstellung zum Suizid
  • Habe ich im Beruf oder privat schon einmal erlebt, dass ein Mensch, den ich kannte, sich umgebracht hat? Was habe ich gedacht, gefühlt oder getan?
  • Wie geht es mir, wenn ich erfahre, dass ein Mensch, den ich kenne, sich umbringen will?
  • Wie möchte ich sterben, wenn ich es mir aussuchen könnte


Das psychosoziale Umfeld[Bearbeiten]

Die häufigsten Störungen[Bearbeiten]

  • Depression
    • auf der Gefühlsebene: Trauer statt Wut
    • auf der kognitiven Ebene: die "schwarze Brille"
    • auf der Handlungsebene: gelernte Hilflosigkeit
  • Übermäßige Abhängigkeiten (Sucht)
    • Rauchen
    Pro Jahr sterben in den Industriestaaten 1,8 Mio Menschen an den Folgen des Rauchens .

Weltweit 500 Mio Menschen, die 1999 rauchen, werden vorzeitig sterben. Wenn die gegenwärtigen Trends anhalten, könnten es im Jahr 2010 10 Mio Menschen jährlich sein.

  • Jährlich sterben in Österreich 13.000 Menschen an den Folgen des Zigaret-tenkonsums.
  • 1993 entfielen 7% aller Invaliditätspensionen auf Folgen des Alkoholismus

1999 wurden 18,3% der ÖsterreicherInnen als alkoholkrank oder –gefährdet eingeschätzt.

  • Suizid

und deren Gemeinsamkeiten:

  • die Sinnkrise und ?


Die Notausstiege[Bearbeiten]

  • Mord
  • Suizid
  • Verrückt werden

Erklärung der Zusammenhänge durch das 4-Felder-Schema der Grundüberzeugungen über sich selbst und andere Menschen und den dazugehörigen typischen Problemlösungsmustern nach der Transaktionsanalyse .

Die anderen Menschen sind o.k. nicht o.k. Ich bin o.k. 1. Grundposition: sachliche Problemlösung 3. Grundposition: den anderen los-werden (im Extremfall Mord)

Ich bin nicht o.k. 2. Grundposition: Ich bin selbst schuld (im Extremfall Suizid) 4. Grundposition: Alles ist sinnlos (im Extremfall: psychogenes „Ver-rückt“-werden

Kritisch anzumerken ist, dass die „Lebensmittel“ des Menschen nicht ausschließlich in den Beziehungen zu sich selbst und anderen Menschen bestehen müssen. Siehe dazu 4.1.1 (die vier Bereiche, in denen sich Sinn verwirklicht). Da nicht wenige Menschen öfters zwischen der 2. und 3. Grundposition wechseln, wird verständlich, wieso Mord und Selbstmord so häu-fig gemeinsam vorkommen. Viele Suizidale überlegen bis zuletzt, ob sie sich, den/die ande-ren oder alle umbringen sollen. Vgl. dazu auch die Bedeutung der Aggressionsrichtungen (2.1.2).

Selbsterfahrung: Unter welchen (extremen) Bedingungen könnte ich mir vorstellen, dass ich einen dieser Not-ausstiege benützen würde? Welchen? Kenne ich das dazugehörige Problemlösungsmuster auch aus andern eigenen Handlungen?

Vereinsamung als Problem[Bearbeiten]

Unterscheide

  • selbst gewählte Einsamkeit als bewusster, meist zeitlich befristeter Rückzug
  • unfreiwillige Einsamkeit zB wegen der Unfähigkeit, Beziehungen zu gestalten und/oder wegen des zahlenmäßigen Rückgangs der Beziehungen im Alter.
  • Diese Art von Einsamkeit ist wahrscheinlich auch eine Spätfolge des star-ken individualistischen Menschenbildes in der zweiten Hälfte des 20. Jahr-hunderts (zB alleine wohnen wollen, Kleinfamilie, unvollständige Famili-en).
  • Unfreiwillige Einsamkeit verschärft viele andere Problemlagen.
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