Teilchenphysik: Der Higgs-Mechanismus

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In der 1970er Jahren schrieb der Brite Peter Higgs (* 29. Mai 1929) an einen Studenten: "Ich habe etwas völlig Nutzloses entdeckt". Heute halten wir diese Entdeckung jedoch nicht mehr für ganz so nutzlos - ganz im Gegenteil: gegenwärtig geben wir Milliarden von Dollar aus, um diese Entdeckung zu überprüfen.

Das Ganze hat damit begonnen, dass man in Experimenten bei den Eichbosonen der schwachen Kraft eine Masse feststellte. Den Theorien des Standardmodells der Teilchenphysik zufolge dürften Eichbosonen jedoch keine Masse besitzen. Peter Higgs fragte sich deshalb, warum Teilchen überhaupt eine Masse besitzen. Er überlegte sich - wie schon viele andere - wie es sein kann, dass das leichte Elektron betragsmäßig exakt die gleiche elektrische Ladung hat wie das fast 2000 mal schwerere Proton. Oder warum das Neutron fast die gleiche Masse wie das Proton hat - jedoch ein kleines bisschen schwerer ist als das Proton (was eine grundlegende Voraussetzung für unser Dasein ist, denn schließlich ist das Neutron instabil und zerfällt zu einem Proton; wäre es andersherum, hätten sich keine Atome bilden können). Das gipfelt darin, dass das Standardmodell überhaupt keine Massen für Teilchen vorsieht - die Existenz von massiven Teilchen steht im direkten Widerspruch mit dem Standardmodell. Eine Lösung für dieses Problem bietet das Higgs-Feld.

Als ein Vergleich zum Higgs-Mechanismus, kann man sich eine politische Veranstaltung vorstellen. Zunächst stehen die Leute gleichmäßig im Raum verteilt. Betritt zum Beispiel ein hohes Regierungsmitglied den Saal, so wird es sofort von einer Menschenmenge umgeben - man will Autogramme oder man will mit ihm reden. Will diese Person nun an das andere Ende des Saales gelangen, so wird sie sich durch die Menschenmenge durchkämpfen müssen. Betritt jedoch der Oppositionsführer den Raum, so wird man sich demonstrativ von ihm abwenden und er hätte keinerlei Problem den Saal zu durchqueren.

Ähnlich funktioniert der Mechanismus. Peter Higgs stellte die Hypothese auf, nach der im gesamten Universum ein überall gleichmäßiges Feld - heute Higgs-Feld genannt - existiert. Dieses Feld übernimmt die Aufgabe der Menschen im obigen Vergleich. Manche Teilchen bremst es mehr ab, andere weniger. So entsteht die Trägheit - und da die Trägheit mit der Masse des Teilchens verknüpft ist, erhält jedes Materieteilchen so seine Masse.
Da wir wissen, dass ein Feld grundsätzlich immer mit einem Teilchen verbunden sein muss, folgt aus dem Higgs-Feld die Notwendigkeit eines neuen, unentdeckten Teilchens – genauer gesagt eines Bosons, dieses Teilchen nennen wir Higgs-Boson. Über dieses Teilchen weiß man, dass es einen Spin von 0 haben muss und dass es elektrisch ungeladen sein muss. Es selbst hat eine Masse ungleich null. Aus dem Standardmodell ergibt sich eine obere Grenze der Masse des Higgs-Teilchens von etwa 1.000 GeV/c². Durch experimentell gemessene Daten kann die Masse auf zwischen 114 GeV/c² und 600 GeV/c² eingeschränkt werden. Durch neuere Berechnungen wird die Masse auf zwischen 117 GeV/c² und 153 GeV/c² geschätzt. Es gibt jedoch auch Theorien, welche ein Higgs-Multiplett mit Energien von über 200 GeV/c² ermöglichen. Zum Vergleich: ein Nukleon hat eine Masse von knapp 1 GeV/c². Da die Masse des Higgsteilchens so hoch ist, widersetzte es sich der Entdeckung, bis sein Nachweis im Jahre 2012 bekannt gegeben wurde und drei seiner Entdecker im Folgejahr den Physik-Nobelpreis erhielten.

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