UN-Kaufrecht: Schadensersatz

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Zentraler Rechtsbehelf beider Parteien ist der Schadensersatz. Er kann ebenso wie im deutschen Recht nach § 325 BGB neben der Vertragsaufhebung geltend gemacht werden, Art. 81 Abs. 1 S. 1 CISG.

Grundsätze[Bearbeiten]

Vollständiger Ersatz aller Schäden[Bearbeiten]

Beim Schadensersatz folgt das CISG dem Grundsatz der Totalreparation. Der geschädigten Partei müssen demnach gem. Art. 74 CISG alle Schäden, inklusive entgangenen Gewinns und Reputationsverlust[1] ersetzt werden. Ausgenommen sind hingegen immaterielle Schäden.

Kein Verschuldenserfordernis[Bearbeiten]

Anders als nach § 280 BGB erfordert ein Schadensersatzanspruch nach dem CISG kein Verschulden der vertragsbrüchigen Partei (strict liability). In Frage kommt nur eine Exkulpation nach Art. 79 CISG.

Begrenzung auf vorhersehbaren Schaden[Bearbeiten]

Zur Korrektur der weitgehenden Schadensersatzhaftung dient die Beschränkung der Höhe nach auf den bei Vertragsschluss vorhersehbaren Schaden, Art. 74 S. 2 CISG. Maßstab ist die Perspektive der vertragsbrüchigen Partei. Die Beweislast für die Vorhersehbarkeit eines geltend gemachten Schadens trägt die geschädigte Partei.

Ersatz nur in Geld[Bearbeiten]

Einen Anspruch auf Naturalrestitution kennt das UN-Kaufrecht nicht, Schadensersatz ist immer in Geld zu leisten.

Grenzen und Ausnahmen[Bearbeiten]

Deckungsgeschäft[Bearbeiten]

Auch die Mehrkosten eines Deckungskaufs können nach Art. 75 als Schadensersatz geltend gemacht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der ursprüngliche Vertrag zu Recht aufgehoben wurde und das Deckungsgeschäft in angemessener Weise und innerhalb einer angemessenen Zeit nach Absendung der Aufhebungserklärung getätigt wurde. Maßstab für die angemessene Weise ist grundsätzlich der Marktpreis, wobei die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu beachten sind: Hat der Käufer beispielsweise eine dringende eigene Lieferverpflichtung kann auch ein Deckungskauf zu gegenüber dem Marktpreis höheren Kosten angemessen sein, wenn sich nur so eine rechtzeitige Lieferung bewerkstelligen lässt.[2] Das Erfordernis des Deckungskaufs innerhalb eines angemessenen Zeitraums soll den Schadensersatzschuldner davor schützen, dass der Gläubiger auf seine Kosten spekuliert.[3] Faustformel sind zwei Wochen, mehrere Monate sind nur in Ausnahmefällen angemessen.[4]

Eine Pflicht zum Deckungskauf ergibt sich aus Art. 75 nicht, sie kann aber Teil der Schadensminderungspflicht sein.

Schadensminderungspflicht[Bearbeiten]

Art. 77 CISG verpflichtet den Gläubiger, alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, um den Schadensbetrag so niedrig wie möglich zu halten. Angemessen sind alle Maßnahmen, die ein vernünftiger Gläubiger in der gleichen Situation unter Berücksichtigung der einschlägigen Handelsbräuche nach Art. 9 zur Schadensvermeidung und Schadensminderung ergreifen würde.[5] Beispiele für Schadensminderungsmaßnahmen sind Deckungskäufe, die schnelle Veräußerung verderblicher nicht vertragsgemäßer Ware oder das Einlegen von Rechtsmitteln gegen Hoheitsakte, die eine Behinderung der Vertragserfüllung der anderen Partei darstellen.[6]

Die Schadensminderungspflicht kann bereits vor Entstehen des Schadens greifen. Zum Beispiel kann eine Partei die Pflicht treffen, die Gegenseite auf einen besonders hohen drohenden Schaden hinzuweisen.[7]

Kosten die dem Gläubiger im Rahmen der Schadensminderung entstehen, kann er wiederum als Schadensersatz nach Art. 74 CISG geltend machen.[8]

Die Beweislast dafür, dass der Gläubiger eine zumutbare Schadensminderungsmaßnahme unterlassen hat, trägt der Schuldner. Das Entstehen von Schadensminderungskosten muss der Gläubiger beweisen.[9]

Exkulpation[Bearbeiten]

Art. 79 CISG beschränkt die verschuldensunabhängige Garantiehaftung des UN-Kaufrechts, indem sie der vertragsbrüchigen Partei die Berufung auf höhere Gewalt erlaubt. Die Norm ist als enge Ausnahmeregelung zu verstehen. Die Beweislast für die entlastenden Umstände trägt der Schädiger.

Voraussetzung für eine Entlastung ist die kumulative Erfüllung von vier Kriterien:

  1. der Hinderungsgrund ist Ursache der Vertragsverletzung
  2. der Hinderungsgrund war vom Schuldner nicht beherrschbar
  3. das Eintreten des Hinderungsgrundes war für den Schuldner nicht vorhersehbar
  4. der Hinderungsgrund war für den Schuldner nicht vermeidbar oder überwindbar und

Fehlende Beherrschbarkeit[Bearbeiten]

Ein Hinderungsgrund liegt außerhab des Einflussbereichs des Schuldners, wenn er auf höherer Gewalt oder staatlichem Eingriff beruht. Beispiele für höhere Gewalt sind Naturkatastrophen, Kriege, politische Umstürze und Epidemien. Staatliche Eingriffe sind insbesondere Export- und Importverbote, Finanzsanktionen, Maßnahmen zur Devisenkontrolle und Beschlagnahmen.

Vorhersehbarkeit[Bearbeiten]

Das UN-Kaufrecht erwartet von den Parteien, dass sie auch die Möglichkeit der Entstehung von Leistungshindernissen durch höhere Gewalt beim Vertragsschluss bedenken, soweit das dem jeweiligen Schuldner zumutbar war. Der Maßstab ist subjektiv, anders als bei Art. 8 Abs. 2 CISG wird nicht auf eine vernünftige Person der gleichen Art unter den gleichen Umständen abgestellt. An ein im jeweiligen Gebiet erfahrenes Unternehmen werden also z.B. höhere Ansprüche gestellt als an einen Händler, der nur gelegentlich darin tätig wird.

Fehlende Vermeidbarkeit und Überwindbarkeit[Bearbeiten]

Auch nach Vertragsschluss müssen die Parteien alles von ihnen Erwartbare tun, um heraufziehende Leistungshindernisse zu vermeiden oder bereits eingetretene Hindernisse zu überwinden.

Haftung für Erfüllungsgehilfen und Dritte[Bearbeiten]

Für eigene Leute haftet der Schuldner nach Maßgabe des Art. 79 Abs. 1 CISG. Hat der Schuldner eigenverantwortliche Dritte eingeschaltet, gilt gem. Art. 79 Abs. 2 CISG, dass der Schuldner sich doppelt entlasten muss: Er muss nachweisen, dass das Erfüllungshindernis weder für ihn selbst beherrschbar war, noch für den Dritten.[10]

Fehlende Anzeige des Hinderungsgrunds[Bearbeiten]

Nach Art. 79 Abs. 4 muss die nichterfüllende Partei ihren Vertragspartner innerhalb einer angemessenen Frist über Art und Umfang des Hinderungsgrundes und seiner voraussichtlichen zeitlichen Dauer informieren. Tut sie das nicht, haftet sie für die durch die verspätete Mitteilung verursachten Schäden, kann sich aber weiterhin auf Befreiung von ihrer Schadensersatzpflicht für die ursprüngliche Nichterfüllung berufen.[11]

Verursachung durch Gläubiger[Bearbeiten]

Schadensersatz - und alle anderen Rechtsbehelfe - sind zudem ausgeschlossen, soweit die Vertragsverletzung vom Gläubiger selbst verursacht wurde, Art. 80 CISG. Auf ein Verschulden des Gläubigers kommt es nicht an, er kann sich auch nicht auf Art. 79 berufen.[12] Haben sowohl Schuldner als auch Gläubiger die Vertragsverletzung verursacht, stellt die herrschende Meinung wegen des Wortlauts des Art. 80 ("soweit") den Schuldner nur in Höhe des Verursachungsbeitrags des Gläubigers frei.[13]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. CISG Advisory Council Opinion 6 - Calculation of Damages under CISG Article 74
  2. Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 75 CISG Rn. 5
  3. Huber in MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, Art. 75 CISG Rn. 11
  4. Mankowski in MüKoHGB, 3. Aufl. 2013, Art. 75 CISG Rn. 12
  5. Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 77 CISG Rn. 3
  6. Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 77 Rn. 8
  7. Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 77 Rn. 3
  8. Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 77 Rn. 11
  9. Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 77 Rn. 13
  10. Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 79 Rn. 39
  11. Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 79 CISG Rn. 10
  12. Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 80 CISG Rn. 2
  13. Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. 2011, Art. 80 CISG Rn. 3