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Untersuchungen zur Mentalität der Bewohner von Paris in den Jahren 1794/95

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Dieses Buch steht im Regal Geschichte.

Einleitung - Legitimation der Arbeit

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Ziel dieser Arbeit ist es, ein exemplarisches Beispiel für die Relevanz der „Geschichte von unten“ zu liefern. Es soll hier sinnfällig nachvollzogen werden, wie „Mentalitäten“ für eine neue Auffassung von Geschichte genutzt werden können. Die Untersuchung der Praxis der Verbreitung neuen Gedankengutes soll den Blick für gegenwärtige Prozesse der Ideologieproduktion und -verbreitung eröffnen.

Die „Kulturpolitik“ der Französischen Revolution bietet meines Erachtens ausgezeichnetes Anschauungsmaterial zur Geschichte von Ideologieproduktion und Mediennutzung. Die Erforschung und Darstellung dieses speziellen Bereiches revolutionären Alltags als Mentalitätsgeschichte, hat einen aus der Forschung und der Historiographie nicht mehr wegzudenkenden Stellenwert gewonnen. Dieser „Perspektivwechsel“ als neuer oder anderer Blickwinkel des Erfahrens von „Geschichte“ kann die traditionelle, verfassungsrechtlich orientierte (Schulbuch-) Darstellung der Französischen Revolution sinnvoll ergänzen. Aus meiner Sicht bietet dieser mentalitätsgeschichtliche Darstellungs- und Erfahrungsansatz einen weit größeren und nachvollziehbareren Zugang zur Geschichte an, da sich ein Nachvollziehen und Eintauchen in historisch relevantes Denken und Handeln m.E. wesentlich substanzieller erfahren lässt.

Aus historiographisch-konservativer Sicht muss natürlich auch die Problematik genannt werden, die sich aus diesem „Perspektivwechsel“ ergibt. Die Aufbereitung des in einer „Privatsphäre entstandenen Quellenmaterials zu generalisieren, erscheint im Moment das zentrale methodische Problem zu sein. In Ermangelung eines theoretischen Gerüstes, müssen sich die Protagonisten dieser Methode den „Vorwurf“ des unorthodoxen Vorgehens und als Träger eines Protestes gegen die menschenferne, die Strukturen und Prozesse betonende moderne Sozialgeschichtsschreibung gefallen lassen, auf der Suche nach Wärme, nach Subjektivität in der modernen Industriegesellschaft.

Um der Problematik der Definition des Mentalitätsbegriffes näher zu kommen, sei hier die Definition von Rolf Reichardt genannt: „... die Mentalitäten haben ihren systematischen Ort zwischen Ideen und Verhalten, Doktrin und Stimmung, an der Verbindungsstelle von Kollektivem, Absichtlichem und Unwillkürlichem, Außergewöhnlichem und Durchschnittlichem. Sie sind mehr als Lebensgewohnheit, Brauchtum und Sitte und nicht nur eine bloße Widerspiegelung der sozioökonomischen Verhältnisse, sondern etwas Dynamisches, eine z.T. eigengesetzliche Kraft, eine Geisteshaltung, die ein Werturteil über bestimmte Dinge impliziert, ein Komplex affektiv geladener Erwartungs- und Verhaltensdispositionen, die sich nicht zuletzt in irrationalen Emotionen wie Frömmigkeit, Furcht, Mythen, Hass und Aggressionen äußern. Zur Mentalität gehört auch die geistig-kulturelle Infrastruktur einer Zeit: Sprache, Vokabular, Redensarten, Zeit- und Raumvorstellungen, Rechen-, Lese-, Schreibfähigkeit. Mentalitäten sind wesentlicher Bestandteil soziokultureller Systeme.“

Im mentalitätsgeschichtlichen Mittelpunkt soll die Arbeit von M. Vovelle „Französische Revolution- Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitäten“ stehen. In dieser Arbeit versucht der Autor den Nachweis von kurzfristigen Mentalitätsveränderungen, von Strukturbrüchen, die manchmal nur weniger Jahre bedürfen, zu führen.

Schwerpunktmäßig werden aus dem ersten Teil „Die Geschichte“ das Kapitel IV „Vom Thermidor zum Direktorium“ und aus dem dritten Teil „Ansätze einer Geschichte der Mentalitäten während der Revolution“, Kapitel I „Geschichte einer Entdeckung“ und Kapitel II „Die gelebte Erfahrung der Revolution“ Unterkapitel 4 „Die Tabula rasa oder das Autoda-fé“ zur Bearbeitung meines Themas herangezogen.

Die Geschichte

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Die soziokulturellen Bedingungsfaktoren der Französischen Revolution

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Die Aufklärung

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Wie jede bedeutende gesellschaftswissenschaftliche oder geistige Bewegung hatte auch die Aufklärung eine Vielzahl von Bedingungsfaktoren, die eine der wichtigsten Epochen des modernen Europas vorbereiten sollte. Die gesamte detaillierte Darstellung der Ursachen und Voraussetzungen der Aufklärung würde den hier gesetzten Rahmen sprengen. Schon der Versuch einer allgemeingültigen Definition zeigt die Grenzen auf. Festzuhalten ist die Notwendigkeit einer mosaikartigen Zusammenführung der einzelnen Denkansätze, die sich ab dem Ende des 15. und Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelten und sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts zu operativen Handlungsmodellen komprimierten.

Noch 1783 stellte der Berliner Theologe J. F. Zöllner die Frage, was denn Aufklärung überhaupt bedeute. Die Beantwortung dieser Frage sei genauso wichtig, wie die Antwort auf die Frage, was Wahrheit sei. Diese Frage löste unter den „Fachleuten“ der Zeit eine rege Diskussion aus, wobei erstaunlich ist, dass sie mehr als 100 Jahre nach Beginn der Aufklärung geführt wurde und mit Namen wie Descartes, Spinoza, Locke, Hume, Leibniz, Bayle, Montesquieu, Rousseau, Voltaire, Thomasius, Mendelsohn, Schiller und Lessing verbunden ist und sich als revolutionierendes Element über Europa verbreitete.

Beispielhaft für das Kaleidoskop der Leitsätze der Aufklärung seien hier nur einige genannt:

  • Descartes: “Cogito, ergo sum.“
  • Schiller: „Sire, Geben Sie Gedankenfreiheit.” (aus „Don Carlos“)
  • Locke: „Die Vernunft lehrt die Menschen, dass wir alle gleich und unabhängig sind“
  • Voltaire: „Lieber Gott, wenn es dich gibt, sei meiner Seele gnädig, wenn ich eine habe.“

Sicher die noch heute populärste Definition von Aufklärung lieferte Immanuel Kant als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Sein „Sapere aude!“ wurde zum Mainstream der Aufklärung. Vernunft und Menschenwürde sollen die kulturell bestimmenden Faktoren sein und die „Vernunft (ist) als letzter Probierstein der Wahrheit“ anzusehen.

Die Gesellschafts- und Staatslehre der Aufklärung

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Der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Gesellschafts- und Staatslehren der Aufklärung kann hier nicht Rechnung getragen werden. Wichtig für das Verständnis der „Aufklärer“ ist die Anerkennung und Kenntnis des Absolutismus als gesellschaftspolitischer Hintergrund als der konkrete Bezugspunkt der Staatsrechtsphilosophen der Aufklärung. Ferner setzt die staatsrechtliche Aufklärung die Kenntnis des neuen Menschenbildes voraus, welches sich vom bisherigen wesentlich unterscheidet. Denn gerade die Diskrepanz zwischen den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und dem neuen Menschenbild löst neue Vorstellungen von Gesellschaft, Staat, der Bedeutung des Individuums und seiner „natürlichen“ Rechte aus.

Alle Staatsphilosophen werden an fünf erkenntnisleitenden Fragen gemessen:

  1. Wie entsteht die Gesellschaft?
  2. Wie entsteht ein Staat?
  3. Was ist der Staat?
  4. Welche Interdependenz besteht zwischen Staat und Individuum?
  5. Wie kann, wie soll staatliche Macht kontrolliert werden?

Die Französische Revolution

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Krisen und Probleme

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Sucht man nach den Ursachen, die zum Ausbruch der Revolution führten, stößt man auf viele Einzelfaktoren, die erst in ihrer Summe das revolutionäre Potential von 1789 bildeten. Große Unterschiede sind in der Intensität und der Wirkungsdauer zu finden.

Fakt scheint zu sein, dass die Krise des Ancien régime ihren Ursprung in der Gesellschaftsstruktur des vorrevolutionären Frankreichs und in der Wirtschafts- und Finanzkrise des maßlos überschuldeten Staates hatte, die in ihrem Zusammenwirken letztendlich zu einer Staatskrise führten. Hinzu kam die Wirkung der Aufklärung, die speziell im Großbürgertum den Wunsch an politischer Partizipation verfestigte.

Die feudale Ständegesellschaft war geprägt durch eine eklatante Schieflage bezüglich der Anteile an der Gesamtbevölkerung und deren ökonomischen Normierungen. Machte der Klerus nur 0,5% der Gesamtbevölkerung aus, der Adel 1,4%, stellte der Dritte Stand 98,1% der Bevölkerung. Waren Klerus und Adel mit dem Privileg der Steuerfreiheit versehen, ergibt sich für den Dritten Stand die Notwendigkeit/Verpflichtung der Finanzierung des Staatshaushaltes durch Steuern.

Für alle Stände gilt, dass sie keine homogenen Gruppen darstellen und auch innerhalb der Stände es große ökonomische Unterschiede zu verzeichnen gibt. Besonders zu beachten ist der Dritte Stand, da sich in ihm die Unterschiede der realen Lebensbedingungen aus revolutionärer Sicht besonders stark zeigen. Strukturell lässt sich dieser Stand in Land und Stadt unterteilen. War die Landbevölkerung durch die Staatsteuern schon stark belastet, wurden ihnen durch die zahlreichen grundherrlichen und kirchlichen Abgaben die (vitalen) Existenzgrundlagen entzogen. Die Stadtbevölkerung litt weniger unter der feudal bedingten Doppelbelastung, als an stetig steigenden Preisen für die Grundnahrungsmittel, denen keine Einkommenserhöhung entgegenstand. Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Position der städtischen Großbürger, die in Lebensstil und -haltung dem Adel nacheiferten.

Von der Revolution zur Konstitution

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Auf dem vorrevolutionären Höhepunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise, bedingt unter anderem durch den Verlust von Kolonien in Übersee und verlorenen Kriegen, die immens teure Hofhaltung von Versailles, die Finanzierung der Adelsprivilegien, wurde von Seiten des Königs ein Krisenmanagement initialisiert, dass die verschiedenen Interessenlagen der einzelnen Stände und deren „revolutionären Ziele“ verdeutlicht. Der Untergang des Ancien Régime wurde durch die wenig weitsichtige Haltung des Adels geprägt, der eine Steuerbeteiligung zur Sanierung des maroden Staatshaushaltes kategorisch ablehnte und den König zwang, sich nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten umzusehen und damit (revolutionäre) Kräfte freisetzte und sie auf ihre speziellen Bretter der weltgeschichtlichen Bühne hob. Die spezifischen sozioökonomischen Bedingungen bestimmten die jeweilige revolutionäre Dynamik. Es lassen sich in der Zeit von Juni 1789 bis Juli 1792 drei Handlungsstränge erkennen:

  • Revolution der Deputierten: Konstituierung des Dritten Standes als Nationalversammlung, hinführend zur Errichtung einer konstitutionellen Monarchie
  • Revolution der Städte: Erhebung der Stadtbevölkerung mit spontanen Aktionen
  • Revolution der Bauern: Erhebung der Landbevölkerung gegen die Grundherrschaft und das Feudalsystem insgesamt.

Frankreich als Republik

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Die erste Phase der Revolution endete mit dem Sturz der Monarchie am 10. August 1792. Ursächlich dafür können sicherlich die ungelösten Finanzprobleme, die Assignatenentwertung, Teuerung und Lebensmittelknappheit genannt werden. Vom Verkauf von Kirchengütern profitierten die reichen (nichtadeligen) Landbesitzer; der Kirchenkonflikt stürzte Frankreich in ein Schisma, das Ludwig XVI. endgültig der Nationalversammlung entfremdete. Auch der romtreue Klerus und viele katholische (Land-) Bürger wurden zu Feinden der Revolution.

Der missglückte Fluchtversuch des Königs und der Ausbruch des Krieges im Frühjahr 1792 und die damit verbundene Invasionsangst rief eine allgemeine Panikstimmung hervor und beschleunigte die Ereignisse. Ausdruck dieser Dynamik war der Sturm auf die Tuilerien und die Gefangennahme des Königs, Zurückschlagung der Invasionsarmee in Valmy („Ca ira“), die Deklaration der Republik durch den Nationalkonvent. In Paris organisierten sich Menschenmassen. Diese Phase ist gekennzeichnet durch die Konventsherrschaft der Girondisten, deren erfolglose Kriegs- und Wirtschaftspolitik, die sich erstmals in gezielten Aktionen der Stadtbevölkerung entlud und sich für die „Septembermorde“ verantwortlich zeigte.

Federführend war die Sansculottenbewegung, eine Gruppe von kleinbürgerlichen Produzenten - dem jakobinischen Egalitarismus verpflichtet -, keine Proletarier, die sich in den permanent tagenden Organen der Pariser Kommune organisierten. An die Spitze der Sansculotten traten militante Gleichheits- und Gerechtigkeitsfanatiker, eine „Mikroelite in Stadtviertelformat“.

Eine entscheidende qualitative Wende erfuhr die Revolution im heißen Sommer 1792. Die vorherrschende panische Angst tobte sich vom 2. bis 5. September in den Gefängnissen von Paris aus. 1400 Gefangene werden ohne Unterschiede von der aufgebrachten Menge niedergemacht. „Man kann also das Massaker nicht damit erklären, dass plötzlich der Abschaum der Hauptstadt freie Bahn gehabt hätte: Kleinbürger, nicht Kriminelle oder Asoziale haben so grässlich gehaust“.

Diesem Urteil steht Vovelles Sichtweise der Dinge entgegen, der diesen Akt der „Volksjustiz“ als eine Initialzündung einer neuen revolutionären Etappe versteht, in der die „revolutionäre Bourgeoisie mit den Volksmassen rechnen muss“.

Diese psychoseartigen Reaktionen auf die schwere wirtschaftliche Not, auf äußere und innere Bedrohung, waren in den folgenden zwei Jahren auch die Basis der „Terreur“, der Schreckensherrschaft der Revolutionsregierung, die darauf bedacht war, dass die Volksbewegung ihren eigenen Zielen untergeordnet blieb. In Folge von Krieg und Bürgerkrieg verschärfte sich die Versorgungslage und die Volksbewegung erreichte in der Mobilisierung der städtischen Bevölkerung eine neue Stufe. Die bürgerlichen Kräfte im Konvent stellten sich diesen Forderungen, die ihren Vorstellungen von ökonomischer Freiheit widersprachen, entgegen. Unter Wahrnehmung der Gunst der Stunde, kam die Bergpartei, die immer stärker unter Robespierres Einfluss geriet, der Volksbewegung entgegen, um die girondistischen Rivalen im Konvent auszuschalten. Die Verhaftung und Hinrichtung einiger girondistischer Konventsabgeordneter wurde durch einen Volksaufstand (25. Juni 1793) initialisiert.

Robespierre machte sich zum Sprachrohr der Sansculotten, indem er nicht nur das allgemeine Wahlrecht zum Nationalkonvent unterstützte, sondern auch die Forderung nach direkter Demokratie. Die Volksouveränität sollte durch die Sektionen ausgeübt werden. Die Position der Sansculotten wandelte sich vom Petitionär zum Souverän, dem die legislative Gewalt zustand. So ließ sich die Volksbewegung gegen das Parlament mobilisieren. Ebenso wurde die Volksjustiz (September 1792) zu einer direkten Rechtssprechung des souveränen Volkes legitimiert. Der Kampf gegen die inneren und äußeren Feinde der Republik – ohne Rücksicht auf individuelle Freiheitsrechte – hatte begonnen. Im März 1793 nahm das Revolutionstribunal seine „Arbeit“ auf. Die „Sichel der Gerechtigkeit“ blieb ständig aufgestellt. Die Organisation des Terrors nahm seinen Anfang und wurde zum offiziellen Prinzip der Revolutionsregierung.

Die Zeit bis Juli 1794 ist die Schreckensherrschaft der Jakobiner und des Wohlfahrtsausschusses, gestützt auf die Volksbewegung, Revolutionstribunal, Überwachungsausschüsse, allgemeiner Sicherheitsausschuss, Militärkommissionen in den Bürgerkriegsgebieten sorgten dafür, dass die „Sichel der Gerechtigkeit“ kaum noch stillstand.

In der Endphase der Schreckensherrschaft verselbständigte sich die Ideologie des Terrors. Die zunehmende Radikalisierung führte im Frühjahr 1794 zu einem Kampf ihrer Anhänger untereinander. Die Radikalsten der Radikalen forderten eine Verschärfung des Terrors (Hébertisten), während auf der anderen Seite die „Nachsichtigen“ („Indulgents“) standen. Robespierre konnte sich nur behaupten, indem er beide Fraktionen der Bergpartei liquidierte. Die Revolution begann ihre Kinder zu fressen.

Es wurde, trotz vergeblicher Stabilisierungsversuche, immer deutlicher, dass der Terror auch dem Ziel diente, die selbständige Sansculottenbewegung auszuschalten und sie der jakobinischen Diktatur zu unterwerfen. Die Bilanz des Terrors lag bei ca. 35.000 Toten und ca. 400.000 Inhaftierten. 85% der Hingerichteten kamen aus dem Dritten Stand, vor allem Arbeiter und Bauern!

In der Konventsitzung vom 27.Juli 1794 (9. Thermidor) wurde Robespierre verhaftet und am nächsten Tag hingerichtet. Der „Nachthermidor“ brachte aber zunächst nicht den erhofften inneren Frieden, sondern der Terror richtete sich jetzt in bürgerkriegsähnlicher Form gegen die bisher herrschenden Jakobiner. Durch die Aufhebung des „Großen Maximums“ kam es zu einer Preisexplosion und zu erneuten Hungersnöten. Im Mai 1795 fand die letzte „revolutionäre“ Aktion der Sansculotten statt. Sie stürmten den Sitzungssaal des Konvents und forderten „Brot und die Verfassung von 1793“. Regierungstruppen schlugen den Aufstand jedoch blutig nieder. Von einem Ende des blutigen Terrors kann nicht die Rede sein. Die Thermidorianer trugen noch lange an diesem Erbe des Terrors, der Thermidor wurde zum Symbol für das “Nicht-Vergessen können“.

Die Französische Revolution als Spiegel sozialer Bewegungen und Umbrüchen der Mentalitäten

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Vom Thermidor zum Direktorium

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Den Zeitraum von 1795 bis 1799 umfassend, kann diese Phase der Französischen Revolution als eine Zeit der Korruption und der Leichtlebigkeit, des Elends und der Gewalt bezeichnet werden. Vor allem gekennzeichnet durch Instabilität, bedingt durch den Versuch, eine Republik auf das normale Funktionieren von repräsentativen Institutionen zu gründen, die sich mit den Hypotheken aus Terror, Krieg und Finanzkrise belastet sah. Der Staatstreich wird zur politischen Methode und symbolisiert den prinzipiellen Formfehler des Systems.

Diese großflächige Unterminierung des Regimes zeigt sich besonders im Autoritätsverlust. Das Land entgleitet der staatlichen Kontrolle. „Primitive rebels“ (chauffeurs) terrorisieren das Land. Nach Vovelle zeigen sie auf unterschiedlichste Weise die Rückkehr zu den elementarsten Formen der Volksrebellion. Diese Auflösungserscheinungen werden durch die Verschiebung in der französischen Kriegspolitik vorangetrieben. Die Annäherung an die vorrevolutionäre Machtpolitik weist dem Krieg eine Art von Ersatz für die politische Aktivität der Sansculotten zu, die vom Thermidor an ohne Beschäftigung sind. Der „Cäsarismus“ zeigt sich am revolutionären Horizont.15

Ansätze einer Geschichte der Mentalitäten während der Französischen Revolution

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Geschichte einer Entdeckung

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Einleitend führt Vovelle in die Entdeckung der Mentalitätsgeschichte ein. Über einen Exkurs durch die „personifizierte romantische Geschichtsschreibung“, in der ein „Held“ auf der einen, die „Menge“ als begeisternde und beunruhigende Kollektivfigur, als das authentische oder verzerrte Ebenbild des „Volkes“ auf der anderen Seite steht. Gilt diese „impressionistische, intuitive und erschauernde Historiographie als überholt, findet man „Geistesblitze“, die sich in den sogenannten journées finden lassen. Positivistische Veränderungen in der Geschichtsschreibung des ausgehenden 19. Jahrhunderts bilden eine gewisse Kontinuität in der romantischen Mentalitätsgeschichte einerseits, verbinden ihn aber andererseits mit einem neuen Interpretationsansatz. Die Problematik des Helden wird durch die Faszination für die Menge ersetzt. Der Schwachpunkt dieses Ansatzes liegt sicher in der anthropomorphen Reduktion der Erfassung von Verhaltensformen der Menge. Mentalitäten lassen sich nach Vovelle nicht – wie geschehen – auf einige elementare Tropismen reduzieren. Die Utilarisierung als Steuerungsmöglichkeiten der Masse ist evident und wird von konservativer Seite favorisiert, da damit Geschichte und Ideologien zugunsten der reinen Manipulation eliminiert werden können. Verständnis bringt der Autor aber auch der Historiographie entgegen, die einer ambivalenten und mystifizierenden Mentalitätsgeschichte misstraut hat. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts beginnen einzelne Historiker aus der Annales-Tradition auszuscheren, indem sie die das Gewicht der Mentalitäten nicht leugnen, aber diese lediglich als Widerstände, als Trägheiten, als das Erbe einer sehr alten Vergangenheit begreifen. Ebenso verurteilt der Autor eine Mentalitätsgeschichte, die sich in einem psychologischen Ansatz erschöpft, der von Phantasmen von Heute und Gestern geprägt und bestimmt ist.

Ende der 60iger Jahre entwickelte sich Mentalitätsgeschichte zu einer Gegenbewegung zu der sich auf lange Zeitabläufe konzentrierenden Geschichte, die die kollektiven Mentalitäten zu „Gefängnissen der langen Dauer“ erklärt hat. Dieser Ansatz ermöglicht die Negation der schöpferischen Macht des Augenblicks, die Verbindung des plötzlichen Umbruchs mit der Vergangenheit, auch der Zukunft, bestimmt aber die der intensiv erlebten Gegenwart. Somit ist Revolution und Mentalitätsgeschichte, sowohl die Geschichte von Widerständen als auch von explosiven Innovationen, die in einer nicht qualifizierenden Geschichtsbetrachtung, den Moment des Umbruches und des Umschlages als ein bevorzugtes Experimentierungsfeld sieht.

Der Ersatz alter Modelle durch die Untersuchung kollektiver Mentalitäten bedeutet nicht nur einen inhaltlichen, sondern auch einen Methodenwechsel. Notwendigerweise ist eine Überschreitung der traditionellen Quellengattungen notwendig, um die kollektiven Verhaltensweisen in ihrer Massenhaftigkeit zu erfassen. Dieser Methodenwechsel lässt dann die Erforschung des „Schweigens und auch die Proklamation einer sich revolutionierenden Gesellschaft“ zu. Was nicht heißt, dass die geschriebene Quelle an Bedeutung verliert, sie wird nur anders gelesen. Massenhafte Lexikographie und semantische Analysen von Plakaten, Mitschriften, Pressemitteilungen, Flugblättern, Liedern, etc., ermitteln die Träume jener Zeit, geforderte oder bekämpfte Werte. Demographische Ergebnisse liefern Einblicke in neue Gesten und Verhaltensmuster. Diese massenhaften und anonymen Quellen entwickeln eine Geschichte des Schweigens. In Kombination mit der politischen Soziologie lässt sich die Zusammensetzung einer Gruppe rekonstruieren und ein typisches zeitimmanentes Profil eines revolutionären Menschen zeichnen. Der Wunsch nach Erfassung der revolutionären Unmittelbarkeit öffnet den Standpunkt des „repressiven Blickes“. Staatliche Organisationen (Polizei, Justiz) sammeln Einblicke in die Revolution (Verhöre, Ermittlungsakten, Steckbriefe, etc.) und liefern damit die Möglichkeit ein ganzes System von Verhaltensmustern zu rekonstruieren. Aber nicht nur damit lässt sich das Manko derer beheben, die keine schriftlichen Quellen hinterlassen haben oder konnten. Die Macht des Bildes gewinnt mentalitätsgeschichtlich an Bedeutung. Unabhängig – ob Volkskunst oder Kunst der Elite – lässt sich ein neues ethisches und ästhetisches Modell erkennen. Die Kunst „geht auf die Straße“ und präsentiert mit dem „römischen Filter“ einen Einblick in eine wesentliche Dimension neuer kollektiver Sensibilität.

Auch hat die mündliche Befragung mentalitäts-methodisch ihren Wert, da sie noch heute auf der Ebene des kollektiven Gedächtnisses etwas über die Erfahrungen aus der Revolutionszeit bezeugt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Begriff der revolutionären Mentalität seine Eindeutigkeit verliert. Er muss als ein Kaleidoskop der verschiedensten Dimensionen gesehen werden, als eine „kontrastive“ Landkarte der französischen Mobilitäten und Widerstände, die ein differenziertes Bild der verschiedenen Aspekte der Mentalitäten zulässt. Dieses Kaleidoskop der Aspekte der Mentalitäten umfasst u.a.: Die Angst, die Menge, die Gewalt, die Tabula rasa oder das Autodafé.

Die gelebte Erfahrung der Revolution - Tabula rasa oder Autodafé

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Exemplarisch und zur Verdeutlichung eines mentalitätsgeschichtlichen Methodenansatzes wird im folgenden das Phänomen der „Tabula rasa oder das Autodafé“ herangezogen. Weist Vovelle den kollektiven Realitäten wie Angst, Menge, Gewalt usw. eine mächtige Rolle zu, ist er der Meinung, diese Grenze deutlich überschreiten zu müssen, um zu vermeiden, den revolutionären Ansatz lediglich als eine Antwort auf verschiedene unkontrollierte und negative Triebregungen zu verstehen. Er stellt sich die Aufgabe, wie dieser gewaltsame Bruch mit der Vergangenheit erlebt und zum Ausdruck gebracht wurde. Er gibt uns einen Einblick in den Diskurs der Eliten und setzt diesen in den Kontext der Haltung der handelnden Massen. Die geschriebenen und gesprochenen deklamatorischen Formulierungen der bürgerlich-revolutionären Eliten geben Einblick in das Bewusstsein einer unmittelbar erlebten Veränderung und der Notwendigkeit einer totalen Umwälzung. Marat, Sieyés, Desmoulins, Isnard, Cambon, Carmagnole u.v.a. formulierten das Gefühl an einer vollständigen Zerstörung teilzunehmen. Man begriff Revolution nicht nur in ihrer Radikalität, sondern auch in deren Unmittelbarkeit. Die Revolution wurde in allen Phasen der Revolution als unbesiegbar und irreversibel verstanden. Revolution als point of no return! Wie stand die politisierte Volksmasse zu diesen „literarischen“ Äußerungen? Spiegelten sie nur die vulgarisierte Form dieses Diskurses der Eliten wider, oder kreierten sie eine autonome Linie?

Der deckungsgleiche Wunsch nach grundlegender Veränderung der Welt äußerte sich nicht nur in Worten, sondern vor allem in Gesten und symbolischen Aktionen. Als typisch nennt Vovelle den „revolutionären Vandalismus“ als Beweis einer gleichmacherischen Mentalität. Für ihn ist „Vandalismus“ eine fassbare, gebündelte Realität, die er als ein Produkt einer Konzertierung an der Spitze oder aus der Spontaneität des Volkes geboren sieht; die flächenbrandartige Mobilität als eine sachlogische Konsequenz. Diesen Wirkungskomplex revolutionären Handelns der Volksmassen in Form des „Vandalismus“ versteht Vovelle als Tabula rasa. Beispielhaft werden Erkenntnisse der Entchristianisierungskampagne in Südfrankreich herangezogen. Ausgelöst durch Regierungsinitiativen zu Liquidierung monarchischen Erbes, Fanatismus und Aberglaubens, Einschmelzung von Kirchenglocken und Einführung u.a. des Revolutionskalenders. Diese radikalen Aktionen stützten sich auf ein ambivalentes Zusammentreffen mit gleichmacherischen Aktionen an der Basis und kommen nach Vovelle in zwei Bildern zum Ausdruck: dem Autodafé und der Maskerade. Sie zeigen das Auftauchen einer alten Ausdrucksform einer verdrängten Volkskultur und zugleich deren Veränderung. Das Autodafe wird bildhaft dargestellt als ein großer Baum, geschmückt mit den Symbolen der alten Welt, der in einem riesigen Feuer verbrennt. Als volksbewegtes Synonym versteht Vovelle die Verbrennung von Beichtstühlen, Heiligenfiguren, religiösen Bildern usw. in dörflichen Gemeinschaften. Er sieht darin eine symbolhafte revolutionäre Umgestaltung des Johannis-Feuers.

Vergleichbare Gesten, wenn auch auf anderer Ebene reproduziert die Maskerade. Prozessionen mit dem „Esel mit der Mitra“, bei denen ausgehungerte Maulesel, gekleidet in Messgewänder, Karren ziehen, auf denen Symbole des Feudalismus und des „Aberglaubens“, Puppen mit den charakteristischen Zügen des Kaisers, Katharina der Großen, des englischen Königs und des „römischen Tyrannen“ hineinlegt sind. Anschließend werden diese Symbole dem Feuer übergeben. Nach Meinung Vovelles artikulieren die Volksmassen mit gestischen Mitteln, in Form von „Eintagsrevolten“, das Gleiche wie die Eliten in ihren Diskursen: Die Tabula rasa/Maskerade soll eine neue Welt hervorbringen, in dem sich die zerstörerischen Aspekte der Tabula rasa/Maskerade sich mit der Utopie einer neuen Welt vermischen, als deren Begründer sich die Revolutionäre sehen.

Kritische Schlussbetrachtung

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Alleine das Thema der Arbeit verursachte bei mir im Verlauf der Bearbeitung die Befürchtung, im Rahmen einer schulischen Facharbeit und meiner Vorkenntnisse, die sich eröffnende Tiefe der mentalitätsgeschichtlichen Thematik nicht realisieren zu können. Der geforderte mentalitätsgeschichtliche Untersuchungsansatz verlangte sowohl die Einarbeitung in die umfangreiche Problematik des historiographischen Phänomens von Mentalitätsgeschichte an sich, als auch sehr hohes fachwissenschaftliches Abstraktionsniveau, das durch mein Schulwissen nicht gedeckt war. Somit schwand die in der Legitimation formulierte „Leichtigkeit“, weil sinnhaft erscheinend, schnell dahin. Die Einsicht, Geschichte nicht nur als „Strukturgeschichte“, sondern als „gelebte Geschichte“ zu verstehen und auch so weiterzuleiten, sollte das erkenntnisleitende Motiv dieser Arbeit werden. Schnell wurde deutlich, dass der Umgang mit Beispielen aus der „Geschichte von unten“ das Lernen und Verstehen von Geschichte zwar lebendiger werden lässt, aber nicht zu einer klaren, methodischen Erfassung der historischen Phänomene führt.

Bedingt durch die notwendige „Doppelstrategie“ in der Bearbeitung entschloss ich mich, die Französische Revolution bis zum 9.Thermidor II nach den Regeln der strukturgeschichtlichen Methodik und der Arbeitsaufgabe zu bearbeiten, um dann immer stärker mit der Phänomenologie der mentalitätsgeschichtlichen Methodik, in Anlehnung an Vovelles Arbeit, mich mit dem mentalitätsgeschichtlichen (Unter-)Thema zu beschäftigen, wobei sich die Reduktion/Focusierung auf die Bevölkerung von Paris als nicht umsetzbar erwies. Die mir zur Verfügung stehende Literatur ermöglichte es mir nur in Ansätzen, eine Trennung zwischen der „Pariser Bevölkerung“ und dem Phänomen der „Volksbewegung“ zu ziehen. Somit entstand eine Arbeit, die nicht nur Grenzen aufzeigt, sondern auch eine Perspektive, die für mich als Resümee zeigt, dass keine Methode die andere ersetzen kann beziehungsweise soll, da beide Methoden ihre Stärken und Schwächen haben, aber im Zusammenspiel zu mehr „Lust auf Geschichte“ führen können.

Literaturverzeichnis

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  • Vovelle, Michel; Die Französische Revolution- Soziale Bewegungen und Umbruch der Mentalitäten, München, Wien 1982
  • Spurensuche Geschichte, Vom Mittelalter zur Französischen Revolution, Herausgegeben von P.Knoch
  • Reichardt, Rolf; „Histoire des Mentalités“ Eine neues Dimension der Sozialgeschichte am Beispiel des französischen Ancien Regimé, in Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 3, 1978
  • Fehrenbach, Elisabeth; Vom Ancien Regimé zum Wiener Kongress, in: Oldenbourg, Grundriss der Geschichte, München 1986
  • Geschichts-Kurse für Sekundarstufe 2, Revolutionen, herausgegeben von Herbert Prokasky und Martin Tabaczek; Paderborn 1992
  • Furet, Francois und Richet, Denis; Die Französische Revolution, München 1981
  • Fischer Weltgeschichte, Band 26; Das Zeitalter der europäischen Revolutionen 1780-1848 Lust an der Geschichte, Die Französische Revolution 1789-1799, herausgegeben von Ulrich Friedrich Müller, München 1988
  • Schuch Stefan; Die französische Revolution, Freising 2004
  • Unterrichts-Materialien Geschichte, Stark Verlag, Absolutismus, Aufklärung und Französische Revolution