Varianten der klassischen Mechanik/ Koordinatentransformationen
Wenn bei einem betrachteten System der Energieerhaltungssatz erfüllt ist, können aus der Energiebilanz-Gleichung durch Differenziation nach der Zeit oft sehr leicht die Bewegungsgleichungen hergeleitet werden. D.h. wenn also im eindimensionalen Fall
gilt, wird hieraus durch Ableiten nach der Zeit:
Hieraus folgt mit dann die Bewegungsgleichung
Dies funktioniert aber offensichtlich nur, wenn die Kräfte F
Potentialkräfte sind. Letzteres ist aber nicht immer der Fall: Ein
prominentes Beispiel hierfür sind geschwindigkeitsabhängige Kräfte
wie Reibungskräfte. Diese können folgendermaßen modelliert werden:
mit z.B. bei der sog. "Stokes'schen
Reibung" oder
bei der sog. "Newton'schen Reibung" .
Beide Varianten der Reibungskräfte sind phänomenologischer Natur:
die Newton'sche Reibung wird z.B. gerne verwendet, wenn die Reibung
der Luft auf einen im Schwerefeld der Erde fallenden Körper berücksichtigt
werden soll. Die Stokes'sche Reibung kommt z.B. bei sog. "laminaren
Strömungen" (im Gegensatz zu den sog. "turbulenten
Strömungen" ) zum Tragen und wird außerdem in Beispielen
der Mechanik gerne bei Reibungseffekten verwendet, die beim Gleiten
von Körpern auf einer Oberfläche entstehen. Beiden Ansätzen ist aber
gemeinsam, dass sie in ihrer Stärke mit der Geschwindigkeit zunehmen
und der Bewegung entgegen wirken (daher das Minuszeichen). Der Proportionalitätsfaktor
sei darin eine Konstante, nämlich die sog.
"Reibungskonstante" .
Es wirkt auf das Federpendel also noch zusätzliche eine Stokes'sche Reibungskraft, d.h.
Die potentielle Energie V für das Federpendel lautet hierin
wieder wie gewohnt ,
wobei wir die Federkonstante D mittels der Frequenz
ausgedrückt haben. Multiplizieren wir diese Bewegungsgleichung wie
im vorangegangenen Kapitel beim Federpendel ohne Reibung mit der Geschwindigkeit
, so ergibt sich diesmal jedoch
Die Gesamtenergie E ist also nicht erhalten, wenn Reibungseffekte
berücksichtigt werden, d.h. die Reibungskonstante
nicht verschwindet. Weil offensichtlich
gilt, nimmt sie sogar tendenziell im Laufe der Zeit ab (vorausgesetzt,
der "Zeitpfeil" wird nicht umgekehrt).
Leider können wir uns somit beim sog. "gedämpften harmonischen Oszillator" , also z.B. beim Federpendel mit Stokes'schen Reibungskräften, zum Lösen der zugehörigen Bewegungsgleichung
noch nicht einmal mehr wenigstens eine der beiden notwendigen Zeitintegration
mit Hilfe des Energieerhaltungssatzes ersparen. Es gibt aber noch
weitere Methoden, um sich die Arbeit zu erleichtern, wie z.B. mit
Hilfe von Koordinatentransformationen. Wenn die Bewegungsgleichung
z.B. nicht den Term in x enthielte, ließe sich eine Zeitintegration
sehr leicht ausführen. Nach unseren Annahmen verschwindet aber der
Term nicht, da ja weder m noch Null sind.
Mit folgendem Trick können wir aber etwas sehr Ähnliches erreichen:
Wir wählen eine Koordinatentransformation
in der die neue Variable q auch eine komplexe Zahl sein darf.
Setzen wir jene Ausdrücke für und
in die Bewegungsgleichung ein, ergibt dies folgende Differenzialgleichung:
Jetzt können wir hieraus durch die Wahl von
eine Differenzialgleichung erster Ordnung in y machen:
Mit Hilfe einer quadratischen Ergänzung ist es auch möglich, diese
Gleichung als
zu schreiben. Wählen wir jetzt noch ,
vereinfacht sich die Gleichung zu
Nehmen wir nun z als rein imaginär an, d.h.
mit reellem , dann erhalten wir daraus:
Der erste Summand ist hierin nach Voraussetzung reell, wenn
reell ist: Der erste Summand ist dann der Realteil und der zweite
Summand der Imaginärteil einer komplexen Zahl. Diese komplexe Zahl
soll aber Null sein, was nur der Fall ist, wenn sowohl der Real- als
auch der Imaginärteil Null sind:
und
Setzten wir in die erste der beiden Gleichungen nacheinander wieder
alle verwendeten Substitutionen ein, ergibt sich eine Differenzialgleichung
für , die sich elementar nach der Zeit integrieren
lässt:
Für erhalten wir also die beiden Lösungen
,
für ergeben sich die beiden Integrale ,
während wir für nur eine Lösung gefunden
haben: ,
wobei durch Einsetzen in die ursprüngliche Bewegungsgleichung gezeigt
werden kann, dass auch
eine mögliche Lösung bei darstellt. Eine
lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung besitzt ja immer zwei
Fundamentallösungen, deren sog. "Linearkombination"
, d.h. auch wieder eine Lösung der
Differentialgleichung ist. Wegen
lässt sich für den Fall zeigen, dass die
zugehörige Lösung wieder zeitlich periodisch ist:
wobei wir die beliebigen Konstanten einfach gleich
bzw. gesetzt haben.
Lässt man hierin die Reibungskonstante z.B.
gegen Null gehen, ergibt sich wieder die bekannte periodische Bewegung
des ungedämpften, harmonischen Oszillators, die wir bereits im vorigen
Kapitel hergeleitet haben.