Verwaltungsrecht in der Klausur/ § 8 Einstweiliger Rechtsschutz 1: Der Antrag nach § 80 V VwGO/ C. Begründetheit

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§ 8 Einstweiliger Rechtsschutz 1: Der Antrag nach § 80 V VwGO

C. Begründetheit

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49 Ist der Antrag nach § 80 V VwGO zulässig, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob er auch begründet ist.

I. Die Struktur der Begründetheitsprüfung[Bearbeiten]

Autorin der Ursprungsfassung dieses Abschnitts I. ist Dorothea Heilmann

50 Der Obersatz der Begründetheit in einem Verfahren nach § 80 V VwGO richtet sich nach dem jeweiligen Antragstyp (Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung).

1. Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

51 In der Klausur wäre der Obersatz zur Prüfung der Begründetheit eines Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 V 1 Alt. 1 VwGO i.V.m § 80 II 1 Nr. 1-3 VwGO wie folgt zu formulieren:

„Der Antrag nach § 80 V 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn und soweit das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung (Suspensivinteresse) das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung (Vollziehungsinteresse) überwiegt. Maßgeblich hierfür ist insbesondere, ob der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung Aussicht auf Erfolg hätte. Zudem müsste der Antrag gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet sein.“

a) Passivlegitimation[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

52 Während bereits innerhalb der Zulässigkeit unter dem Punkt „Antragsgegner“ die „passive Prozessführungsbefugnis“ geprüft wurde (s. dazu § 2 Rn. 409), ist es möglich, innerhalb der Begründetheit noch die „Passivlegitimation“ zu prüfen (s. dazu bereits § 2 Rn. 510). Passivlegitimiert ist in einem Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in analoger Anwendung des § 78 VwGO die Behörde bzw. deren Rechtsträger, die den Verwaltungsakt erlassen und dessen sofortige Vollziehung angeordnet hat.[1]

b) Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

53 An dieser Stelle ist die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zu prüfen (s. dazu ausführlich § 2 Rn. 553). Wie bereits aus der Anfechtungsklage bekannt, sind dabei die Ermächtigungsgrundlage des Verwaltungsakts (a) sowie dessen formelle (b) und materielle Rechtmäßigkeit (c) herauszuarbeiten und zu prüfen.

54 Mit Blick auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sind dabei folgende drei Varianten zu beachten:

55 Variante 1: Es bestehen „ernsthafte Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts: Der Antrag nach § 80 V VwGO ist in diesem Falle stets begründet, da an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein überwiegendes Interesse bestehen kann.

56 Variante 2: Der Verwaltungsakt ist „offensichtlich rechtmäßig“: Der Antrag nach § 80 V VwGO ist unbegründet, es bleibt bei der gesetzlichen Wertung der Interessenlage (§ 80 II 1 Nr.1-3 VwGO).

57 Variante 3: Die Erfolgsaussichten sind unklar: Hier ist eine („echte“) Interessenabwägung im Sinne einer Folgenbetrachtung vorzunehmen (in einer Klausur nicht möglich!).

58 Klausurtipp: In der Klausur ist daher das „normale“ Schema einer Rechtmäßigkeitsprüfung eines Verwaltungsakts anzuwenden. „Summarisch“ bedeutet, dass sich das Gericht mit den jetzt vorhandenen Beweisen zufriedengibt und keine lange Beweisaufnahme einleitet – wie dann später im Hauptsacheverfahren. Das Prüfungsschema in der Klausur bleibt aber gleich (wie bei einer Anfechtungsklage), da hier mit den vorliegenden „Beweisen“ zu arbeiten ist, deren rechtliche Würdigung vollumfänglich erfolgt.

2. Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

59 In der Klausur wäre der Obersatz zur Prüfung der Begründetheit eines Antrages auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 V 1 Alt. 2 VwGO i.V.m § 80 II 1 Nr. 4 VwGO wie folgt zu formulieren:

„Der Antrag nach § 80 V 1 Alt. 2 VwGO ist begründet, wenn und soweit die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (formell) fehlerhaft war oder wenn das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung (Suspensivinteresse) das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung (Vollziehungsinteresse) überwiegt.[2] Maßgeblich hierfür ist insbesondere, ob der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung Aussicht auf Erfolg hätte. Zudem muss der Antrag gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet sein.“

a) Passivlegitimation[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

60 Die Passivlegitimation ist auch beim Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wie soeben in Rn. 52 zu prüfen.

b) Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

61 An dieser Stelle sind Zuständigkeit, Verfahren und Form im Hinblick auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu prüfen, wobei insbesondere die schriftliche Begründung, die sich aus § 80 III 1 VwGO ergibt, klausurrelevant ist.

aa) Zuständigkeit[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

62 Aus § 80 IV 1 VwGO ergibt sich, dass zum einen die Behörde, die den streitgegenständlichen belastenden Verwaltungsakt erlassen hat (Ausgangsbehörde, Alt. 1) oder die Behörde, die über den Widerspruch zu entscheiden hat (Widerspruchsbehörde, Alt. 2) die Vollziehung aussetzen kann und damit zuständig ist.[3]

bb) Verfahren[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

63 Im Rahmen der Prüfung der korrekten Verfahrensdurchführung ist regelmäßig auf folgendes Standardproblem einzugehen: Fraglich ist, ob der Antragsteller vor Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit hätte angehört werden müssen, § 28 I VwVfG.

64Dies wirft die Frage auf, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung ihrerseits einen Verwaltungsakt darstellt und dementsprechend die Verfahrensanforderungen des VwVfG greifen. Nach ganz überwiegender Meinung stellt die Anordnung der sofortigen Vollziehung keinen Verwaltungsakt dar, da sie keine sachliche Rechtsfolgenanordnung und damit keine „Regelung“ i.S.d. § 35 VwVfG begründet. Als reines Verwaltungsinternum, stellt sie eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zum Verwaltungsakt dar: Sie schließt anders als ein Verwaltungsakt kein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 9 VwVfG ab und kann nicht formell bestandskräftig werden.[4]Demnach ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung kein eigenständiger Verwaltungsakt, mit der Folge, dass eine direkte Anwendung des § 28 VwVfG nicht möglich ist.

65 Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird als Bestandteil des Haupt-Verwaltungsakts (Nebenentscheidung) bzw. als unselbstständiger Annex zu diesem betrachtet, da sie den Haupt- Verwaltungsakt voraussetzt und nur die Vollziehung desgleichen regelt.[5] Zum Teil wird vertreten, dass eine analoge Anwendung des § 28 VwVfG in Betracht komme, weil der Entzug des Suspensiveffekts zu einer derartigen Eingriffsintensität führe, die mit dem Erlass eines Verwaltungsakts vergleichbar sei.[6] Dies ist jedoch abzulehnen, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Eingriffsintensität nicht mit einem Verwaltungsakt vergleichbar ist, für ein gerichtliches Vorgehen gegen sie keine Fristen bestehen und sie damit zusammenhängend keiner Bestandskraft fähig ist. In jedem Fall ist aber eine nachträgliche Heilung im gerichtlichen Verfahren durch Nachholung möglich.[7]

Aufbauhinweis: Dieser Punkt ist nur zu diskutieren, wenn sich im Sachverhalt Anhaltspunkte für eine mangelnde Anhörung ergeben. Wenn jedoch laut Bearbeitungsvermerk die Anhörung als erfolgt anzusehen ist, gilt dieser Hinweis in der Regel nicht nur in Bezug auf den zugrundeliegenden Verwaltungsakt, sondern auch auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

cc) Form[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

66 Eine spezielle Form ist nicht festgeschrieben, die Anordnung erfolgt aber in der Regel – wie ihre Begründung – schriftlich und ist mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden.[8]

67 Der Antrag nach § 80 V VwGO ist bereits begründet, wenn die Vollziehungsanordnung formell rechtswidrig ist. Dies beruht auf der Tatsache, dass § 80 III 1 VwGO nicht nur eine bloße Formvorschrift, sondern eine rechtliche Voraussetzung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist. Aus diesem Grund kommt dem speziellen Begründungserfordernis aus § 80 III 1 VwGO für die Fälle des § 80 II 1 Nr. 4 VwGO besondere Bedeutung zu. Damit ergibt sich eine Klausurrelevanz. Oftmals wird eine Begründung abgedruckt, welche von den Bearbeiter_innen entsprechend auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden soll. Die Begründung muss demnach auf den konkreten Fall abgestellt und darf nicht lediglich formelhaft ausgeführt sein.[9] Dies beruht auf der damit beabsichtigten Warnfunktion für die Behörde, die sich vor Augen führen soll, dass sie den Bürgern den durch § 80 I 1 VwGO als Grundsatz normierten Suspensiveffekt nimmt. Nicht ausreichend ist beispielsweise, wenn lediglich ausgeführt wird, dass die „Anordnung der sofortigen Vollziehung im öffentlichen Interesse liegt“.[10]

68 Examenswissen: Ob eine Heilung der unzulänglichen bzw. unterbliebenen Begründung durch ein nachträgliches Nachschieben (Nachholen) möglich ist, ist umstritten. Die eine Ansicht lehnt dies mit dem Verweis auf den eindeutig formulierten § 80 III 1 VwGO („In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen.“) und dem Schutzzweck der Norm (Warnfunktion, Kenntnis der verwaltungsbehördlichen Erwägungen für Betroffenen und für verwaltungsgerichtliche Überprüfung[11]) ab.[12] Diesem rechtsstaatlichen Standpunkt hält die Gegenauffassung Gründe der Prozessökonomie entgegen und gestattet eine Nachholung der fehlenden bzw. mangelhaften Begründung bis zur Stellung eines Eilantrags gem. § 80 V VwGO.[13]

Zu konstatieren ist, dass auf die Heilungsmöglichkeit des § 45 VwVfG mangels Verwaltungsakt-Qualität nicht zurückgegriffen werden kann. Eine analoge Anwendung des § 45 VwVfG scheitert zudem an der abschließenden Regelung des § 80 III 1 VwGO hinsichtlich des Begründungserfordernisses. Zudem würde die analoge Anwendung gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 III GG) mit Blick auf die Bürger verstoßen. Schließlich ist auch nicht § 114 S. 2 VwGO (weder direkt noch analog) heranzuziehen, da dieser einen materiellen Begründungsmangel in der Gestalt eines Ermessensfehlers beinhaltet.[14] Ein schlichtes Nachholen der Begründung mit heilender Wirkung ist somit nicht möglich.[15]

69 Streit besteht auch darüber, ob das Gericht im Falle der formellen Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen oder die Vollziehungsanordnung isoliert aufzuheben hat.

Sollte der Antrag schon aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit[16] der Vollziehungsanordnung an dieser Stelle begründet sein, etwa, weil die Behörde pauschal auf das Interesse der Öffentlichkeit an der sofortigen Vollziehung verweist, ist eine Prüfung in der Sache durch das Gericht nicht erforderlich. Dennoch macht es in der Klausur Sinn, die Abwägung (s. sogleich Rn. 71 ff.) noch vorzunehmen, denn bei nur formellen Mängeln droht erneut die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Umstritten ist, ob das Gericht bei einem Begründungsmangel die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellt oder die formell mangelhafte Vollziehungsanordnung isoliert aufhebt.[17] Einer Auffassung nach kann die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt werden, da die Behörde ansonsten aufgrund der Bindungswirkung des gerichtlichen Beschlusses an einem erneuten, formell rechtmäßigen Erlass der Anordnung der sofortigen Vollziehung gehindert sei.[18]

Die zutreffende Gegenansicht[19] führt jedoch aus, dass die formelle Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führt, da die Behörde im Fall eines gerichtlichen Beschlusses nicht daran gehindert sei, eine neue, formell rechtmäßige Vollziehungsanordnung zu erlassen. Begründet wird dies damit, dass die Bindungswirkung der Entscheidung nicht weitergehen könne als ihre Gründe und zudem eine isolierte Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in § 80 V 1, Alt. 2 VwGO nicht vorgesehen sei. Des Weiteren spreche das Regel-Ausnahme-Verhältnis (s. Rn. 22) des § 80 I, II VwGO für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, da im Falle der formellen Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Regelfall bestehe, welcher durch das Gericht lediglich deklaratorisch festzustellen sei.[20]

70 Für den Fall, dass im Sachverhalt ein Neuerlass einer Anordnung der sofortigen Vollziehung geschildert wird, ist auf den Zeitpunkt der Anordnung der sofortigen Vollziehung abzustellen. Es ist zu differenzieren, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung vor oder nach Stellung eines Antrags nach § 80 V 1 Alt. 2 VwGO getroffen wird. Bei Ersterem sind die Rechte des Betroffen in Ermangelung einer Antragsfrist für den Eilantrag gewahrt, so dass eine Nachholung den Begründungsmangel unbeachtlich werden lässt. Bei Letzterem ist der ursprüngliche Begründungsmangel nicht von vornherein unbeachtlich. Nur wenn die Voraussetzungen des § 91 VwGO analog vorliegen, darf das Gericht den Neuerlass einer Vollziehungsanordnung mit ordnungsgemäßer Begründung berücksichtigen und den früheren Begründungsmangel als unbeachtlich bewerten.[21]

c) Abwägung des Aussetzungsinteresses des Antragstellers mit dem öffentlichen Vollzugsinteresse[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

71 Hier liegt der Schwerpunkt der Begründetheitsprüfung. An dieser Stelle ist die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zu prüfen (s. dazu ausführlich § 2 Rn. 553). Wie bereits durch die Anfechtungsklage bekannt, sind dabei die Ermächtigungsgrundlage des Verwaltungsakts (a) sowie dessen formelle (b) und materielle Rechtmäßigkeit (c) herauszuarbeiten und zu prüfen. Im Anschluss an die Rechtmäßigkeitsprüfung des Verwaltungsakts ist im Fall des § 80 II 1 Nr. 4 VwGO zudem das Interesse der Öffentlichkeit an der sofortigen Vollziehung (d) auf sein Überwiegen hin zu prüfen.

72 Mit Blick auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sind dabei folgende drei Varianten zu beachten:

73 Variante 1: Es bestehen „ernsthafte Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts: Der Antrag nach § 80 V VwGO ist in diesem Falle stets begründet, da an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakt kein überwiegendes Interesse bestehen kann.

74 Variante 2: Der Verwaltungsakt ist „offensichtlich rechtmäßig“: Zwar kann der Bürger kein schutzwürdiges Vertrauen daran haben, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont zu bleiben. Es ist jedoch streitig, ob bei einem solchen Fall (offensichtliche Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs) die Begründetheit des Antrages automatisch (also auch ohne Prüfung des Dringlichkeitsinteresses) auszuschließen ist. Abhängig ist dies von der Bedeutung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache: Sind diese maßgeblich, was bei einer fehlerfreien Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fall ist, kommt der Interessenabwägung ausschlaggebende Bedeutung zu, so dass der Antrag bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts unbegründet wäre. Einem Antrag nach § 80 V VwGO ist jedoch stattzugeben, wenn die (materiellen/formellen) Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht vorliegen, da zur Begründetheit des Antrages die Rechtswidrigkeit der Vollziehungsanordnung bereits ausreicht.

75 Variante 3: Die Erfolgsaussichten sind unklar: Hier ist eine („echte“) Interessenabwägung im Sinne einer Folgenbetrachtung vorzunehmen (in einer Klausur nicht möglich!).

76 Klausurtipp: In der Klausur ist daher das „normale“ Schema einer Rechtmäßigkeitsprüfung eines Verwaltungsakts anzuwenden. „Summarisch“ bedeutet, dass sich das Gericht mit den jetzt vorhandenen Beweisen zufriedengibt und keine lange Beweisaufnahme einleitet – wie dann später im Hauptsacheverfahren. Das Prüfungsschema in der Klausur bleibt aber gleich (wie bei einer Anfechtungsklage), da hier mit den vorliegenden „Beweisen“ zu arbeiten ist.

77 Examenswissen: Im Fall der faktischen Vollziehung bedarf es keiner Interessensabwägung. Dies ergibt sich daraus, dass bei solch einer Entscheidung kein gerichtlicher Ermessensspielraum gegeben ist, da die faktische Vollziehung aufgrund des tatsächlich bestehenden Suspensiveffekts rechtswidrig ist. Damit besteht hinsichtlich des „Ob“ der Vollziehungsanordnung eine Verpflichtung des Gerichts zur Anordnung.

3. Literaturhinweise[Bearbeiten]

Dorothea Heilmann

78 Erbguth, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte, JA 2008, 357; Jansen/Wesseling, Der Beschluss nach § 80 V VwGO, JuS 2009, 322; Shirvani/Heidebach, Hauptsacherechtsbehelf und vorläufiger Rechtsschutz, DÖV 2010, 254; Heilmann/Zimmermann, Referendarexamensklausur Öffentliches Recht: Moses mahnt, Mettigel am Rand – Aufgabe, SächsVBl. 4/2017, 117; Heilmann/Zimmermann, Referendarexamensklausur Öffentliches Recht: Moses mahnt, Mettigel am Rand – Lösungshinweise zu der Aufgabe in Heft 4, SächsVBl. 5/2017, 137

Falllösung: Fall 14 in: Eisentraut, Fälle zum Verwaltungsrecht, 2020

Lehrvideo: Friedmann/Volhard/Yüksel, Peer2Peer-Lehrvideo Einstweiliger Rechtsschutz nach § 80 V 1 VwGO

II. Der Antrag nach § 80 V VwGO im Polizei- und Ordnungsrecht[Bearbeiten]

Autor dieses Abschnitts II. ist Nikolas Eisentraut

79 Der Antrag nach § 80 V VwGO spielt auch im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht eine hervorgehobene Rolle. Dies liegt daran, dass für ordnungsbehördliche Verwaltungsakte häufig die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet (§ 80 II 1 Nr. 4 VwGO) wird oder sie bereits qua Gesetz für „unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten“ (§ 80 II 1 Nr. 2 VwGO) besteht. In diesen Fällen wird der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO begehren. Im Rahmen der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ist in diesem Fall die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung zu untersuchen. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts im Rahmen des § 80 V VwGO ist bereits in Rn. 53 ff. dargestellt worden.

80 Literaturhinweis: Eine Falllösung zu § 80 V VwGO bei einem für sofort vollziehbar erklärten Aufenthaltsverbot nach § 31 III 1 HSOG findet sich bei Bretthauer, JURA 2018, 409.

III. Der Antrag nach § 80 V VwGO im Kommunalrecht[Bearbeiten]

Autor dieses Abschnitts III. ist Sebastian Piecha

81 Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gelten die allgemeinen Vorschriften zu § 80 V VwGO (dazu Rn. 1 ff.) auch im Kommunalrecht, wo sich insoweit sonst keine Besonderheiten ergeben.

82 Bedeutende Weichenstellung ist, wie zuvor schon erläutert (s. § 2 Rn. 1271 ff.), insbesondere die Abgrenzung, ob es sich bei der angegriffenen Maßnahme der Kommune oder Aufsichtsbehörde um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG handelt oder nicht und welche Klageart im Hauptsacheverfahren statthaft wäre, da sich hiernach die Statthaftigkeit des Verfahrens nach § 80 V VwGO bzw. § 123 VwGO bemisst.

83 Kommunalrechtlich sind hier insbesondere Sachverhalte denkbar, die etwa die Zulässigkeit von Bürgerbegehren, die Aufhebung von Ratsbeschlüssen oder die Untersagung oder Rücknahme bestimmter Äußerungen etwa des Bürgermeisters[22] betreffen. Auch spielen Zulassungen zu öffentlichen Einrichtungen (bspw. Parteitag in einer Stadthalle) oft eine Rolle in Eilsachen.


Fußnoten

  1. VGH Mannheim, Beschl. v. 6.3.1974, Az. V 943/73 = DÖV 1974, 607; Beschl. v. 24.3.1994, Az. 14 S 2628/93 = NVwZ 1995, 1220 (1221); VGH München, Beschl. v. 27.6.1984, Az. Nr. 14 CS 84 A.1057 = BayVBl. 1984, 598; VGH Kassel, Beschl. v. 28.11.1988, Az. 8 TH 3971/88 = NVwZ 1990, 677; OVG Lüneburg, Beschl. v. 21.11.1988, Az. 3 B 167/88 = NJW 1989, 2147 (2148); Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 80 Rn. 165.
  2. Dazu näher Erbguth/Guckelberger, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 2018, § 21 Rn. 15.
  3. Näheres zum Zeitraum der Zuständigkeit: vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80, Rn 81.
  4. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 80 Rn. 80.
  5. BVerwG, Urt. v. 12.5.1966, Az. II C 197/62 = BVerwGE 24, 92 (94); Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn 78; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2019, Rn. 1482.
  6. Vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019 § 80 Rn 82.
  7. Vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019 § 80 Rn 82.
  8. Vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019 § 80 Rn 83.
  9. Vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019 § 80 Rn 84.
  10. Vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019 § 80 Rn 85.
  11. Vgl. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 80 Rn. 86.
  12. VGH Mannheim, Beschl. v. 25.8.1976, Az. X 1318/76 = NJW 1977, 165; Bay. VGH v. 24.2.1988, Az. 14 CS 88.00004 = BayVBl. 1989, 117 (118); m.w.N. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 80 Rn. 91.
  13. OVG Koblenz, Beschl. v. 30.1.1985, Az. 11 B 201/84 = NVwZ 1985, 919; OVG Saarlouis, Urt. v. 11.3.1983, Az. 2 W 46/83 = AS 18, 187 (192); m.w.N. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 80 Rn. 91.
  14. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 80 Rn. 93.
  15. Vgl. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 80 Rn. 97.
  16. Z.T. wird hier von Nichtigkeit gesprochen, so etwa OVG Münster, Urt. v. 1.8.1961, Az. III B 349/61 = NJW 1962, 699; VGH Mannheim, Beschl. v. 18.4.1961, Az. IV 111/61 = NJW 1962, 1172.
  17. Vgl. Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2019, Rn. 159.
  18. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.08.1976, Az. X 1318/76 = NJW 1977, 165; Thüringer OVG, 1.3.1994, Az. 1 EO 40/94 = ThürVGRspr 2013, 37.
  19. Vgl. Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2019, Rn. 159.
  20. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 2.12.1993, Az. 4 M 10/9 = DÖV 1994, 352; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 19.6.1991, Az. 4 M 43/91 = NVwZ 1992, 688 (690).
  21. Vgl. Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 50. Ed., Stand: 1.7.2019, § 80 Rn. 97.
  22. Beispielfall zu Rechtsfragen kommunaler Satzungen s. Funke/Papp, JuS 2010, 395 ff.