Wie mein Buch auf die Welt kommt/ Innovations- und Substitutionsprozesse

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Effekte des Mediums auf den Inhalt
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Digitale Medien auf dem Vormarsch


Gunnar Siewert, Mitgründer von Bookrix (Self-Publishing-Service):
„Die 500 Jahre alte Struktur, dass einige Verleger entscheiden, was auf den Markt kommt, hat ausgedient.“

Quelle: [1]


Mit dem Einzug des digitalen Zeitalters befindet sich der Buchmarkt in einem Stadium des dauernden Übergangs. Der Übergang aus der analogen Gutenberg-Galaxis und die fortschreitende Digitalisierung führen in allen Bereichen zu grundlegenden Veränderungen. Alle an der Herstellung und dem Vertrieb von Büchern Beteiligten sind betroffen: Autorinnen und Autorinnen, Verlage und Buchhandel. Eine zunehmende Zahl merkt es und manche wollen es noch nicht wahrhaben. Aber es ist deutlich, dass alle verunsichert sind, wie sie den Herausforderungen gerecht werden können. Sie erleben, dass das Buch als ältester serienmäßig herstellbarer Datenträger zunehmend in Gefäß und Inhalt zerfällt. Bewährte Technik und Verfahren werden durch innovativere und meist kostengünstigere ersetzt. Bis ins späte 20. Jahrhundert beherrschten in den allermeisten Ländern Verlage und Buchhändler den Buchmarkt. Jetzt sind sie mit der Frage konfrontiert, ob ihr bisheriges Geschäftsmodell in der ,Ära des entleibten Buches‘ überleben wird.[2]

Die Digitalisierung von Inhalten war zuerst ein Thema für die Hersteller von Büchern. Ihr Einsatz versprach niedrigere Herstellungskosten für Bücher. Alle Bereiche – vom Satz bis zum Vertrieb – wurden umgestellt und mittels Computer organisiert. Wer ein gebundenes Buch kaufte, war sich nicht bewusst, dass es eigentlich ein ausgedrucktes E-Book war. Die zunehmende Verbreitung des Internets eröffnete neue Möglichkeiten für die Verteilung und Vermarktung von Büchern, und zwar sowohl in gedruckter als auch in digitaler Form. Da Verlage und besonders der Buchhandel die Chancen des neuen Mediums hinsichtlich der Präsentations- und Distributionsmöglichkeiten zunächst unterbewerteten[3], bekamen sie Konkurrenz durch branchenfremde Mitbewerber. Wie Darst. 4 zeigt, konnte sich der Online-Handel von Büchern erfolgreich etablieren und verdrängt zusehends die stationären Buchhändler.

Darst. 4: Umsatzanteile nach Vertriebswegen in Prozent (gerundet; 2017 Prognose)[4]

Jahr stationär nicht
stationär
Verlag
direkt
Buchklub Versand
klassisch
Versand
online
2005 68 32 18 3 4 7
2011 61 39 19 2 3 15
2017 53 47 20 3 4 19

Die veränderte Marktsituation zwang Verlage, sämtliche betriebliche Abläufe zu überdenken und neue Vertriebsformen zu entwickeln. Mit der zunehmenden Konzentration im Buchhandel wuchs dieser Druck noch, weil große Verlagsgruppen bessere Konditionen aushandeln konnten. Um ihre Kostenstruktur weiter zu optimieren, „reichte es nicht mehr, wenn die Verlagsgruppe insgesamt schwarze Zahlen schrieb, sondern jeder Einzelverlag und schließlich jeder einzelne Titel musste plötzlich gewinnbringend sein.”[5] Die schon in der Nachkriegszeit begonnenen Verschiebungen in der Verlagslandschaft verstärkten die Konzentration auf einige wenige Verlagsgruppen. In Deutschland sind es Random House (Bertelsmann), Springer, Holtzbrink, WEKA und Burda. In den USA kontrollieren sechs Medienkonzerne 90 % dessen, was die Menschen lesen, sehen oder hören.[6]

Die bewährte Praxis, dass wirtschaftlich erfolgreiche Bücher durch Quersubventionierung das Verlegen auch weniger erfolgversprechender Bücher ermöglichen, wird damit unterlaufen. Dies hat sowohl für ein vielfältiges aktuelles Angebot als auch für den Aufbau einer Backlist – das sind alle lieferbaren Titel eines Verlags, welche in der Zukunft für Einkommen sorgen – unheilvolle Auswirkungen.[7] Der amerikanische Medienexperte Jeff Jarvis bringt es als professioneller Blogger und Twitterer mit teilweise scharfen Worten auf den Punkt: „Ich habe nichts gegen Bücher, aber Print als einziges Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr.”[8] In seinem erfolgreichen Buch ,Was würde Google tun?‘ wirft er besonders den Verlegern Versagen vor, weil sie sich nicht den Herausforderungen des digitalen Zeitalters stellen. Er rät ihnen, sich anzupassen und innovativ wie Google zu werden, wenn sie überleben wollen. Kritiker wenden ein, dass Jarvis' Sicht auf Google sehr euphorisch ist, räumen aber ein, dass seine Ansätze dazu anregen, die bisherige Praxis, wie Bücher produziert und vertrieben werden, gründlich zu überdenken.[9]

Quellen

  1. Giesbert 2012, S. 14
  2. Vgl. Neffe 2009, o. S.
  3. Schrape 2012, S. 127
  4. Schrape 2012, S. 127
  5. Blaschke 2006, S. 9
  6. Vgl. Medialeaks 2013, o. S.
  7. Vgl. Luecken 2000, S. 55
  8. Boie 2013, o. S.
  9. Vgl. Boie 2013, o. S.