Zweideutigkeit als System - Thomas Manns Forderung an die Kunst: Schwere Stunde
Selbstanalyse des Genies
[Bearbeiten]Entstanden ist die Schiller-Novelle im Mai 1905, nach Rückkunft Thomas Manns von seiner Hochzeitsreise. [1] [2] Der Erstdruck erschien am 9. Mai 1905 in der Zeitschrift »Simplicissimus« anlässlich des Schiller-Jubiläums. Dem satirischen Genre dieser Zeitschrift entspricht die „schöne Klage“, die die kleine Erzählung durchzieht, allerdings nicht. Handelt es sich doch um Selbstqual für „Größe! Außerordentlichkeit! Welteroberung und Unsterblichkeit des Namens!“
Schiller geht während einer kalten Winternacht in seinem kargen Zimmer auf und ab. Die Arbeit am Werk, an »Wallenstein«, war ins Stocken geraten. In erlebter Rede gibt Thomas Mann Schillers grübelnde Gedanken wieder um Selbstfindung und Sendung.
Der Schlaflose sieht im Werk „eine unglückselige und der Verzweiflung geweihte Empfängnis“. Doch elend, ganz elend fühle er sich nicht, so lange es ihm möglich sei, „seinem Leben große und schöne Namen zu geben!“ - Was gelte alles Glück der ewig Unbekannten, der Sendungslosen gegen dieses Ziel: „Gekannt sein, - gekannt sein von den Völkern der Erde!“ „Künstleregoismus“ rechtfertigt Thomas Mann diese Leidenschaft für das eigene Ich. Sie brenne beim Ruhmbedüftigen tief und unauslöschlich im Seelengrund, „im Dienste von irgend etwas Hohem“.
Ton und Wortwahl treibt Thomas Mann in gewagte Höhe. „Heldentum“ und „Göttlich-Unbewusstes“ leiste der Dichter, der dem „heilige Form“ gebe, was in orphischer Tiefe der Seele reif für die Form geworden sei. Das Gedicht, so gehen Schillers nächtliche Gedanken, ist es nicht das „reine Urbild des Seins“, lange bevor es sich „Gleichnis und Kleid aus der Welt der Erscheinung lieh?“
Die mit Sprachglanz geschriebene Novelle läuft auf eine Apotheose des Dichters hinaus. Sein Genie macht ihn zum poeta deus alter.[3] Zugleich führt Thomas Mann den Preis vor Augen, den Genialität und Vollbringertum einfordern.
Q u e l l e n:
- ↑ Potempa, Georg: Thomas Mann-Bibliographie. Morsum/ Sylt: Cicero Presse 1992, S. 143
- ↑ Vaget, Hans R. : Das Wunderkind. Novellen. In: Helmut Koopmann (Hrsg.): Thomas-Mann-Handbuch, Stuttgart. Kröner 2001, S. 572
- ↑ Der Dichter als zweiter Gott.