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Analysis II: Ableitungen

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Unterkapitel

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Mit dem hier gesammelten Wissen lassen sich noch weitere interessante Eigenschaften und Strukturen ableiten. Die Unterkapitel können auch voneinander abhängig sein. Darauf wird in den entsprechenden Kapiteln hingewiesen.

Einleitung

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Nachdem die Struktur von Räumen genau untersucht wurde, stellt sich die Frage, wie man das Konzept des Differentials auf diese neuen Räume übertragen kann. Schon im eindimensionalen Fall konnte man das Differential als Linearisierung im Kleinem interpretieren und diese Interpretation wird benutzt, um das Differential von Funktionen zwischen Banach-Räumen zu definieren. Interessanterweise wird kein Wissen über eindimensionale Differentiation benötigt, da die hier vorgestellten Konzepte eine Stufe darunterliegen. Erst durch die Beschränkung auf den und Definiton der partiellen Ableitung wird dieses Wissen wieder brauchbar.

Benötigte Definitionen

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Es werden nur grundlegende Definitonen benötigt mit Ausnahme des und , welche nicht häufig benutzt werden. Es werden keine Sätze aufbauend auf diesen Definitionen hier beschrieben oder bewiesen.

Es sei ein reeller Vektorraum. Es gebe eine Funktion mit den folgenden Eigenschaften
und

  • und für (Definitheit)
  • (Homogenität)

Eine solche Funktion heißt 'Norm auf .
Bemerkung: Diese Definiton lässt sich für einen Vektorraum über einen beliebigen Körper erweitern. Dieser Fall ist aber für dieses Buch nicht relevant.

Normierter Raum

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Ein mit einer Norm versehender Vektorraum heißt normierter Raum .

Banach-Raum

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Ein bezüglich der kanonischen Metrik vollständiger normierter Raum heißt Banachraum

Lineare Abbildung

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Eine Abbildung zwischen den Vektorräumen heißt lineare Abbildung, falls gilt:

  1. .
  2. .

Bemerkung: auch diese Definiton lässt sich für Vektorräume über beliebige Körper ausdehnen.

Stetige Abbildungen zwischen normierten Räumen

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Seien normierte Vektorräume und mit

dann gilt:

Raum der stetig linearen Abbildungen

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Seien und Banachräume. Dann heißt

der Raum der stetig linearen Abbildungen von V nach W, mit der Norm

Bemerkung: Sind und endlich dimensional, so ist es auch . Dann sind alle Normen äquivalent.

Die Ableitung als Linearisierung

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Mit den obigen Definitonen und Aussagen kann man nun Differenzierbarkeit von Abbildungen zwischen Banachräumen definieren.
Es gibt sogar mehr als eine Definition und welche man benutzt ist Geschmackssache und hängt von der Aufgabe ab. Natürlich sind diese Definitionen äquivalent, auch wenn die Äquivalenz hier nicht explizit bewiesen wird.

Definition

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Seien Banachräume, und .
Man nennt in differenzierbar, wenn es eine stetige Abbildung

gibt, so dass
gilt.

Dabei ist mit der Norm wie oben definiert.
Wenn in allen Punkten differenzierbar ist, so heißt die Funktion differenzierbar. Die Abbildung heißt Ableitung von in . Die Definition bedeutet also, dass man jedem Punkt eine eigene Linearisierung zuordnet.

Stetige Differenzierbarkeit

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Eine schärfere Aussage als die Differenzierbarkeit bietet die stetige Differenzierbarkeit, d.h. die Ableitung ist auch stetig.
Definition:
ist stetig differenzierbar, wenn sie in allen Punkten differenzierbar ist und

stetig ist

Eindeutigkeit der Ableitung

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Von einer sinnvollen Definiton der Ableitung fordert man, dass diese Eindeutig ist. Genau das zeigt der nächste Satz:

Satz (Eindeutigkeit der Ableitung)

Sind so ist

.

In diesem Beweis nutzt man hauptsächlich die Linearität und Stetigkeit der Ableitung aus, um die Äquivalenz zu zeigen.

Der formale Beweis schaut folgendermaßen aus:
Man will zeigen, dass gilt.
Nutze dann Voraussetzung, für
Das liefert:

wegen der Stetigkeit von und gilt das auch für .


Daraus folgt die Eindeutigkeit und Wohldefiniertheit der Ableitung.

Alternative Definiton

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Man kann auch die Ableitung über einen Limes definieren, wie man es aus der reellen Analysis gewohnt ist:
Seien Banachräume, und .
Dann heißt differenzierbar in , wenn es ein gibt mit

.

Dann heißt die Ableitung von f im Punkt p.
Bemerkung: Die Norm kann im Zähler auch weggelassen werden, aber im Nenner nicht.

Erste Schritte

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Nachdem die Definition der Ableitung eingeführt wurde, wird es Zeit für die ersten Gehversuche.

Beispiel 1

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Aus der reellen Analysis ist bekannt, dass konstante Funktionen überall differenzierbar, ja sogar stetig differenzierbar sind. Die Ableitung von konstanten Funktionen ist im zudem immer die Nullabbildung. Diese Erkenntnis gilt auch in Banachräumen: Sei Dann gilt: (Man beachte, das dies fast der ersten Definiton der Ableitung entspricht und unmittelbar ablesbar ist) Man setzte also

d.h. man ordnet jedem Punkt die Nullabbildung zu.

Beispiel 2

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Diesmal sei f stetig und linear. Aus der reellen Analysis weiß man, dass lineare Funktionen überall stetig differenzierbar sind, wobei in der reellen Analysis aus der Linearität die Stetigkeit folgt. Das gilt in Banachräumen nicht mehr, deshalb muss die Stetigkeit extra gefordert werden. Ansonsten lassen sich wieder diese Erkenntnisse auf Banachräume übertragen: Sei
Also gilt wegen der Linearität: (Das entspricht wieder fast der Definiton von der Ableitung)
Man kann also

definieren.

Diese Abbildung ist konstant (jedes x bildet auf die selbe Funktion ab) und somit stetig und erfüllt damit die Definition der Ableitung. Also gilt:

Beispiel 3

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Als drittes einführendes Beispiel wird folgende Abbildung untersucht:

Es wird gefragt, ob diese Abbildung im Punkt 0 differenzier ist.
Für dieses Beispiel empfiehlt es sich die zweite Definition zu nehmen. Natürlich kann man auch die erste verwenden.
In diesem Beispiel könnte man die Abbleitung sofort erraten, wenn man dafür ein geschultes Auge hat, aber wir wollen uns erstmal bis zu dem Punkt vorarbeiten, ab dem man wirklich die Ableitung "sieht": Setze und setze p in die Definiton ein:

.

Jetzt kann man sehen, wenn man L zur Nullabbildung definiert, geht der Limes wunderbar auf:

Somit ist g im Punkt p = 0 mit der Abbleitung

Rechenregeln

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In der reellen eindimensionalen Analysis gibt es vier zentrale Rechenregeln für die Ableitung:

  • Summenregel
  • Produktregel
  • Quotientenregel
  • Kettenregel

Diese Regeln gelten sogar schon in Banachräumen.

Zuätzlich gibt es in Banachräumen noch die Komponentenregel, welche besonders für den Fall wichtig ist.

Summenregel

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<div id="Satz:Summenregel" class="serlo-box serlo-theorem " style="border-left: #bedfed solid .3rem; margin-top: 1.5rem; margin-bottom: 2rem; padding-left: 0.8rem;">

Satz (Summenregel)

Wenn differenzierbar ist in p, dann ist in p differenzierbar.
Die Ableitungen werden bzw. genannt.

Im reellen Fall benutzt man die Eigenschaften des Limes. In Banachräumen muss man zusätzlich die Dreiecksungleichung hinzuziehen, damit man die Summe auseinanderziehen kann. Das ist aber kein weiteres Problem, da beide Summanden per Bedingung gegen 0 konvergieren sollen. Mit der ersten Definition ist der Beweis sogar geradezu trivial. Deswegen wird der Beweis mit beiden Definitionen geführt, um auch einmal ein Gefühl für beide Definitionen zu bekommen:

  • Mit der ersten Definition
Man setze in die Definition ein:
Dann folgt aus der Differenzierbarkeit von und :
Somit lautet die Ableitung
  • Mit der zweiten Definition
Man setze in die Definition ein:
Man nemhe an, dass sich als darstellen lässt. Mit der Dreiecksungleich für Normen folgt dann
Weil und differenzierbar sind, kennt man die Ableitungen und und weiß, dass die beiden Limetes gegen 0 konvergieren. Somit konvergiert auch die Summe gegen 0 und die Ableitung lautet .

Produktregel

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<div id="Satz:Produktregel" class="serlo-box serlo-theorem " style="border-left: #bedfed solid .3rem; margin-top: 1.5rem; margin-bottom: 2rem; padding-left: 0.8rem;">

Satz (Produktregel)

Wenn differenzierbar ist in p, dann ist in p differenzierbar.
Die Ableitungen werden bzw. genannt.

Die Produktregel gilt in ungeänderter Form auch in Banachräumen und der Beweis ist dem aus der reellen eindimensionalen Analysis sehr ähnlich. Dreh und Angelpunkt des Beweises ist die Identität: Wieder wird der Beweis mit beiden Definitionen geführt, wobei der Beweis diesmal mit der ersten Definiton deutlich kürzer und eleganter ist. Der Beweis mit der zweiten Definiton ist zwar nicht viel schwieriger, aber mehr Schreibarbeit.

  • Mit der ersten Definition
Man setze in die Definition ein:
Dann gilt mit der Voraussetzung:
Daraus folgt, dass im Punkt p differenzierbar ist.
  • Mit der zweiten Definition
Man setze in die Definition ein:
Man nehme an, dass sich darstellen lässt. Mit der Dreiecksungleichung folgt
Man setze und ziehe damit die Funktionen aus der Norm und aus dem Limes:
weil und endlich sein müssen und die beiden Grenzwerte per Voraussetzung (die Ableitungen) gegen 0 konvergieren, konvergiert der gesamte Term gegen 0 und somit ist im Punkt p differenzierbar. Die Ableitungsvorschrift kann man aus dem Beweis ablesen, wenn man der Zerlegung von L folgt.

Kettenregel

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Die Kettenregel ist wie im eindimensionalen Fall eine sehr wichtige Regel, mit der sich überhaupt erst weitere wichtige Sätze beweisen lassen und generell kompliziertere Funktionen ableiten lassen. Der Beweis wird diesmal nur mit der ersten Definiton geführt, da diese besonders elegant ist. <div id="Satz:Kettenregel" class="serlo-box serlo-theorem " style="border-left: #bedfed solid .3rem; margin-top: 1.5rem; margin-bottom: 2rem; padding-left: 0.8rem;">

Satz (Kettenregel)

Seien Banachräume und

differenzierbar, differenzierbar.
Dann ist

in p differenzierbar mit .

Der Beweis erfolgt durch Einsetzen der Funktionen innerinander, um dann deren Differenzierbarkeit auszunutzen:
Beweis:
Schreibe

Also ist differenzierbar.
Die Formel ergibt sich, wenn man einsetzt.

Komponentenregel

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Die Komponentenregel wird wie oben schon angedeutet im interessant, weil sie eine Rechenvorschrift liefert, wie man Funktionen mit dem Muster ableiten kann. Intuitiv würde man behaupten, dass man einfach jedes separat ableiten kann und daraus die komplette Ableitung erhält. Und genau das ist der Fall. Mittels der Komponentenregel hat man dann Zugriff auf alle Erkenntnisse der eindimensionalen Differentiation!
<div id="Satz:Komponentenregel" class="serlo-box serlo-theorem " style="border-left: #bedfed solid .3rem; margin-top: 1.5rem; margin-bottom: 2rem; padding-left: 0.8rem;">

Satz (Komponentenregel)

Sind in p differenzierbar, so ist

in p differenzierbar und .

Der Beweis benutzt die Unabhängigkeit der Funktionen und aus.
Beweis:
Es gilt:

Dann basteln wir uns unsere Komponentenfunktion:





Somit lautet für die oben definierte Funktion die Ableitung im Punkt :

.