Examensrepetitorium Jura: Individualarbeitsrecht: Ansprüche des Arbeitnehmers

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Gleichbehandlung[Bearbeiten]

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Gleichbehandlung wird hier zunächst gewissermaßen "vor die Klammer gezogen", da er für alle Bereiche des Arbeitsverhältnisses gilt.

Grundsätzlich gilt der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dessen Rechtsgrundlage allerdings umstritten ist. Nach wohl h.M. folgt er aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und damit § 241 Abs. 2 BGB[1], inzwischen längst auch auf Gewohnheitsrecht. Mit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nun für weite Bereiche gesetzlich normiert.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann entweder eine Anspruchsgrundlage darstellen (z.B. auf Zahlung gleichen Lohns) oder die Rechtsausübung durch den Arbeitgeber begrenzen (z.B. des Direktionsrechts).

Auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz braucht nicht zurückgegriffen werden, wenn ein spezieller Gleichheitssatz greift, z.B.

  • § 4 TzBfG (Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten),
  • § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG (Aufgaben des Betriebsrats),
  • neuerdings ist insb. der arbeitsrechtliche Regelungsbereich des AGG zu beachten.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)[Bearbeiten]

Das AGG (Gesetzestext und Materialien siehe hier) regelt in seinem 2. Abschnitt den "Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung" (§§ 6 - 18 AGG)[2].

Übersicht


1. Persönlicher Anwendungsbereich (§ 6 AGG)

2. Sachlicher Anwendungsbereich (§ 2 AGG)

   ▪ bei Kündigungen gilt weiterhin nur das KSchG (§ Abs. 4 AGG)
    (siehe hier)

3. Ungleichbehandlung

   ▪ aufgrund von (§ 1 AGG): "Rasse", ethnischer Herkunft, 
     Geschlechts, Religion oder Weltanschauung, Behinderung,
     Alters oder sexueller Identität.

   ▪ in Form von (§ 3 AGG): unmittelbarer Benachteiligung,
     mittelbarer Benachteiligung, Belästigung, sexueller Belästigung
     oder Anweisung zur Benachteiligung.

4. Rechtsfolgen einer Diskriminierung:

   ▪ Organisationspflichten des Arbeitgebers (§ 12 AGG)

   ▪ Unwirksamkeit benachteiligender Vereinbarungen (§ 7 Abs. 2 AGG)

   ▪ Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers (§ 14 AGG)

   ▪ Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche (§ 15 AGG)

 5. Einhaltung der Zweimonatsfrist bei Ansprüchen aus § 15 AGG
    (§ 15 IV AGG)


Gegennormen:

▪ Kann der Arbeitgeber die Ungleichbehandlung rechtfertigen?

  - Verfolgung eines rechtmäßigen Ziels (§ 3 Abs. 2 AGG)

  - Differenzierung wegen beruflicher Anforderungen (§ 8 AGG)

  - "Kirchenklausel" (§ 9 AGG)

  - Differenzierung aufgrund Alters (§ 10 AGG)

  - positive Maßnahmen ("affirmative actions") (§ 5 AGG)

▪ Im Fall eines Schadensersatzanspruchs: Kann der Anspruchsgegner sich
  vom Vorwurf des Verschuldens entlasten? (§ 15 I 2 AGG)

Prüfung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes[Bearbeiten]

Soweit keine speziell geregelte Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einschlägig ist, kann subsidiär weiterhin auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zurückgegriffen werden.

Für dessen Anwendung muss eine Gruppenbildung vergleichbarer Arbeitnehmer möglich sein. Die unterschiedliche Behandlung muss zwischen Arbeitnehmern desselben Unternehmens bzw. desselben Betriebs stattfinden (h.M.)[3]. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung fehlt.

Zu beachten ist, dass die Schlechterstellung Einzelner verboten ist, jedoch nicht die Besserstellung Einzelner. Individuell vereinbarte Regelungen sind daher nicht am Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen. Bei der freiwilligen Lohnerhöhung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz anwendbar, wenn der Arbeitgeber abstrakte Prinzipien dazu aufgestellt hat; er ist zwar nicht zur Aufstellung solcher verpflichtet, muss sie aber - soweit das der Fall ist - gleich anwenden[4]. Die aufgestellten Prinzipien müssen auch ihrerseits dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen (Verbot der sachfremden Gruppenbildung[5].

Lohnzahlung[Bearbeiten]

Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung (§ 611 Abs. 1 BGB). Bei Fehlen einer Vereinbarung über die Vergütung muss die Vertragslücke mithilfe von § 612 BGB geschlossen werden. Ist die Vergütungsabrede z.B. sittenwidrig und nichtig wegen Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB), gilt die übliche bzw. taxmäßige Vergütung als vereinbart (§ 612 Abs. 2 BGB). Die Vergütung ist Hauptpflicht des Arbeitgebers und steht mit der Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne der §§ 320 ff. BGB.

Lohnhöhe[Bearbeiten]

  • Die Lohnhöhe richtet sich nach der Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Es besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit. Soweit ein Tarifvertrag gilt, ergibt sich die Lohnhöhe jedoch aus diesem.
  • Exkurs: Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns (ca. 7,50 €/h) ist verfassungsrechtlich im Hinblick auf die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) problematisch. Betroffen wäre die Freiheit der Koalitionen zum Aushandeln von Tarifverträgen (Tarifautonomie). Da die Koalitionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet ist, müsste der Eingriff durch einen Belang von Verfassungsrang zu rechtfertigen sein. In Betracht kommt dafür die Sicherung eines aus Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG abgeleiteten Minimalstandards (sog. "Kampf gegen Armutslöhne")[6].
  • Europarechtlich ist der Grundsatz der Lohngleichheit für Männer und Frauen in Art. 141 EG geregelt. Problematisch wird es, wenn die Lohnhöhe vom Dienstalter abhängig gemacht wird (sog. Anciennität) und daraus eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts folgen kann. In der Regel ist jedoch der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters geeignet, die Berufserfahrung zu honorieren (legitimes Ziel), was eine daraus evtl. resultierende Geschlechtsdiskriminierung rechtfertigt[7].
  • In der Regel wird Geldlohn als Bruttolohn geschuldet. Gerät der Arbeitgeber mit der Zahlung in Verzug, bestimmen sich die Verzugszinsen nach dem Bruttolohn. Für die Höhe der Zinsen nach § 288 BGB kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer als Verbraucher anzusehen ist oder nicht (demnach entweder 5% oder 8% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz).

Verlust des Lohnanspruchs[Bearbeiten]

Der Lohnanspruch erlischt grundsätzlich nach den allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts (z. B. durch Erfüllung, § 362 Abs. 1 BGB, oder Erfüllungssurrogate). Der Durchsetzung des Lohnanspruchs können auch Einwendungen oder Einreden des Arbeitgebers entgegenstehen. Es bestehen jedoch einige arbeitsrechtliche Besonderheiten, von denen im Folgenden einige der wichtigsten genannt werden sollen.

  • Aufrechnung ist nur soweit zulässig wie auch eine Lohnpfändung nach §§ 850 ff. ZPO zulässig wäre. Das ergibt sich aus § 394 S. 1 BGB, der ein Aufrechnungsverbot für unpfändbare Forderungen begründet. Der Arbeitgeber darf also wegen noch offener Forderungen nur den Lohn einbehalten, der die gesetzlichen Pfändungsgrenzen übersteigt[8]. Eine Ausnahme besteht, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber aus einer vorsätzlichen Vertragsverletzung haftet: In dem Fall kann dem Aufrechnungsverbot der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen gehalten werden[9].
  • Ein Verzicht (Erlassvertrag gemäß § 397 BGB) auf den Lohn ist nur insoweit möglich, wie es sich nicht um Tariflohn handelt. Ein Verzicht auf Tariflohn ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig (§ 4 Abs. 4 S. 1 TVG), ansonsten ist der Erlassvertrag nichtig (§ 134 BGB).
  • Einrede der Verwirkung (abgeleitet aus § 242 BGB): Der Anspruch auf Tariflohn kann nicht verwirkt werden (§ 4 Abs. 4 S. 2 TVG). Für nichttariflichen Lohn kommt eine Verwirkung dagegen in Betracht, jedoch wird der Lohnanspruch eher verjährt als verwirkt sein. Grundsätzlich muss die Verjährungsfrist dem Gläubiger auch ungekürzt zur Verfügung stehen. Vor Ablauf der Verjährungsfrist kommt eine Verwirkung nur unter besonderen Umständen in Betracht, z.B. wenn ein Verhalten des Arbeitnehmers einem stillschweigenden Verzicht nahekommt[10].
  • Ablauf einer Ausschlussfrist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses[11]: Eine solche kann in Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag vereinbart werden. Nach Ablauf ist die Geltendmachung von Ansprüchen nicht mehr zulässig. Die Frist muss nach h.M. mindestens vier Wochen betragen. Hinsichtlich Tariflohn ist die Ausschlussfrist nur wirksam, wenn sie im Tarifvertrag vereinbart wurde (§ 4 Abs. 4 S. 3 TVG), ansonsten nichtig (§ 134 BGB).

Für die Einrede der Verjährung gelten keine Besonderheiten. Die Frist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB).

Annahmeverzug[Bearbeiten]

Bei der Arbeitsleistung handelt es sich um eine Fixschuld, da sie an einem bestimmten Arbeitstag erbracht werden muss. Geht man davon aus, dass es sich um eine absolute Fixschuld handelt, die also zu keinem späteren Zeitpunkt nachholbar ist, kann die Arbeitsleistung durch Zeitablauf objektiv unmöglich werden (§ 275 Abs. 1 BGB). In diesem Fall entfällt auch der Gegenanspruch auf Lohnzahlung (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB), es sei denn der Arbeitgeber hat die Unmöglichkeit zu vertreten oder befand sich im Annahmeverzug (§ 326 Abs. 2 S. 1 BGB, §§ 293 ff. BGB). Kann der Arbeitnehmer also seine Leistung nicht erbringen, weil der Arbeitgeber ihm nicht die Gelegenheit dazu gibt, behält er seinen Lohnanspruch.

Ist die Arbeitsleistung nachholbar (relative Fixschuld), wird sie durch Zeitablauf nicht unmöglich. In dem Fall muss auf die arbeitsrechtliche Sonderregelung des § 615 BGB zurückgegriffen werden. Danach behält der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch, wenn der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät (§§ 293 ff. BGB).

In der Regel ist die Arbeitsleistung jedoch nicht nachholbar, denn nachgeleistete Arbeit ist eine andere als die ursprünglich geschuldete Arbeit. Die absolute Fixschuld wird durch Zeitablauf unmöglich, so dass der Arbeitgeber grundsätzlich auch nicht in Annahmeverzug geraten kann. Für § 615 BGB bliebe demnach eigentlich kein Anwendungsbereich. Zur Auflösung dieses ("scheinbaren") Widerspruchs werden verschiedene Wege gegangen[12].

  • Nach Rspr. des BAG gilt folgendes: Annahmeverzug liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Annahme der Arbeit verweigert, Unmöglichkeit dagegen nur, wenn der Arbeitnehmer zur Arbeit nicht in der Lage ist. Bei Betriebsstörungen, die weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber zu vertreten haben, sieht das BAG eine Lücke im Gesetz, die es durch die Lehre vom Betriebsrisiko schließt (dazu noch unten).
  • Nach a. A. erfasst § 615 BGB auch Fälle der Annahmeunmöglichkeit. Die Antithese von Unmöglichkeit und Annahmeverzug gelte im Arbeitsrecht nicht[13].

Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs können wie folgt geprüft werden[14]:

  1. Die Arbeitsleistung muss möglich gewesen sein.
  2. Die Arbeitsleistung muss vollständig unterblieben sein.
  3. Der Arbeitnehmer muss die Leistung angeboten haben: Entweder durch tatsächliches Angebot (§ 294 BGB), d.h. er muss sich zum Arbeitsplatz begeben und versuchen rechtzeitig mit der Arbeit zu beginnen. Oder durch wörtliches Angebot (§ 295 BGB), d.h. durch Anzeige der Arbeitsbereitschaft (empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 130 BGB); der Arbeitnehmer muss für die Wirksamkeit des Angebots auch tatsächlich in der Lage sein, die Arbeit auszuführen. Ist für die Arbeitsleistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, ist das Angebot überflüssig (§ 296 BGB). Das gilt insb. im Fall der unwirksamen Kündigung: Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam werden sollte, bedarf es keines Angebots mehr[15]. Für den Fall, dass zwischen den Parteien streitig ist, ob ein Aufhebungsvertrag zustande gekommen ist, muss ein tatsächliches Angebot (§ 294 BGB) gemacht werden[16].
  4. Der Arbeitgeber hat die Arbeitsleistung nicht angenommen.
  5. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es nicht an. Er muss insb. das Betriebsrisiko tragen, also für Arbeitsausfälle einstehen, die aus seiner Sphäre stammen (z.B. Brand der Betriebsstätte, behördliches Betriebsverbot). Nicht zu tragen hat der Arbeitgeber allerdings das Arbeitskampfrisiko, denn dieses entstammt der Sphäre der Arbeitnehmer. Während eines Streiks besteht also kein Anspruch auf Lohnzahlung, wenn die Weiterführung des Betriebs für den Zeitraum unmöglich wird. Das gilt nach h.M. auch für solche Arbeitnehmer, die sich an dem Streik nicht beteiligen, sondern ihre Arbeit anbieten.

Der Arbeitnehmer behält unter diesen Voraussetzungen seinen Lohnanspruch, muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, das er erspart oder anderweitig verdient (§ 615 S. 2 BGB, § 11 KSchG). Beispiel[17]: Nimmt der Arbeitnehmer im Fall einer Änderungskündigung das Änderungsangebot nicht unter Vorbehalt an (§ 2 KSchG), muss er sich den Verdienst anrechnen lassen, den er nach den geänderten Arbeitsbedingungen hätte erzielen können (§ 11 S. 1 Nr. 2 KSchG). Das BAG führt dazu aus (a. a. O. Abs. 16): Der Arbeitnehmer soll seine Annahmeverzugsansprüche nicht ohne Rücksicht auf den Arbeitgeber durchsetzen können. Deshalb ist der Arbeitnehmer gehalten, eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) zumutbare anderweitige Arbeit aufzunehmen. Unterlässt er dies, muss er sich anrechnen lassen, was er hätte verdienen können. Ebenfalls anrechenbar ist das während des Annahmeverzugs erhaltene Arbeitslosengeld (§ 11 S. 1 Nr. 3 KSchG).

Lohnfortzahlung bei vorübergehender Verhinderung[Bearbeiten]

Ist der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, bleibt sein Lohnanspruch für diese Zeit erhalten (§ 616 S. 1 BGB). Er muss sich jedoch Zahlungen aus der Kranken- oder Unfallversicherung anrechnen lassen (§ 616 S. 2 BGB).

Lohnfortzahlung[Bearbeiten]

Erkrankt der Arbeitnehmer für einen längeren Zeitraum, hat er einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG[18]). Entgelt muss auch an gesetzlichen Feiertagen gezahlt werden (§ 2 EFZG).

Im Krankheitsfall besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 3 Abs. 1 S. 1 EFZG) und in Höhe des für den Zeitraum anfallenden Entgelts (§ 4 Abs. 1 EFZG).

Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers hat folgende Voraussetzungen:

  1. Bestehen des Arbeitsverhältnisses.
  2. Verhinderung zur Arbeitsleistung aufgrund Krankheit.
  3. Kein Verschulden (§ 3 Abs. 1 S. 1 EFZG). Es gilt nicht der Maßstab des § 276 BGB, sondern ein Verhalten wird dann als schuldhaft bewertet, wenn es einen groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen darstellt - auch sog. Verschulden gegen sich selbst[19]. Beispiele: Fahren unter Alkoholeinfluss, Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes, Missachtung ärztlicher Anordnungen während der Rehabilitation, Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften. Kein Verschulden liegt nach der Rspr. in der Regel vor, wenn sich ein Arbeitnehmer beim Sport verletzt (gilt selbst für Motorradrennen und Drachenfliegen). Auch bei Suchtkrankheiten (Alkohol, Nikotin, Drogen) darf nicht generell von einem Verschulden ausgegangen werden, sondern es muss der Einzelfall betrachtet werden.
  4. Keine Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit innerhalb von sechs Monaten seit der letzten Arbeitsunfähigkeit oder Ablauf von zwölf Monaten seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit (§ 3 Abs. 1 S. 2 EFZG).
  5. Ablauf der vierwöchigen Wartefrist seit Begründung des Arbeitsverhältnisses (§ 3 Abs. 3 EFZG).

Weitere Rechtsfolgen der Entgeltfortzahlung: Ist der Arbeitnehmer aufgrund der Schädigung durch einen Dritten arbeitsunfähig geworden, kann der Arbeitgeber bei dem Dritten Regress nehmen. Zu diesem Zweck geht der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers per cessio legis (§ 412 BGB) auf den Arbeitgeber über, soweit dieser zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist (§ 6 Abs. 1 EFZG). Dieser Regressanspruch kann in der Klausur als arbeitsrechtlicher Einstieg in deliktsrechtliche Probleme dienen: Für die Aktivlegitimation des Arbeitgebers müssen die Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung vorliegen, außerdem müssen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Arbeitnehmers gegen den Dritten gegeben sein. Dabei ist zu beachten, dass für den Regress trotz Entgeltfortzahlung ein Schaden beim Arbeitnehmer fingiert wird. Eine Schadenskompensation steht dem Regress jedenfalls nicht entgegen[20].

Sonderzahlungen[Bearbeiten]

Der Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Sonderzahlungen (Gratifikationen) über den Lohn hinaus haben. Sonderzahlungen können ohne oder aus besonderem Anlass gezahlt werden (z.B. Weihnachts-, Urlaubsgeld), sie sind zusätzliches Arbeitsentgelt und/oder Belohnung (z. B. für Betriebstreue). Sonderzahlungen sind auch bei Freiwilligkeit keine Schenkung, sondern Entgelt und daher auch im Fall von § 615 BGB zu zahlen[21].

Als Anspruchsgrundlagen kommen in Betracht:

  • Im Einzelarbeitsvertrag kann die Pflicht des Arbeitgebers zu Sonderzahlungen vereinbart sein. Eine solche Pflicht kann sich auch aus Tarifvertrag oder (subsidiär) Betriebsvereinbarung ergeben (§ 77 Abs. 3 BetrVG). In diesen Fällen kann Zahlung unproblematisch bei Erfüllung der festgeschriebenen Voraussetzungen verlangt werden.
  • Ein Anspruch kann sich auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Siehe dazu schon oben.
  • In Betracht kommt als Anspruchsgrundlage auch die betriebliche Übung bzw. stillschweigende Vereinbarung. Das ist nach st. Rspr. des BAG der Fall durch mindestens dreimalige Zahlung ohne Vorbehalt der Freiwilligkeit[22]. Aufgrund dieser Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. In gleicher Weise kann die betriebliche Übung auch stillschweigend geändert werden, wenn der Arbeitnehmer diese widerspruchslos hinnimmt - ein bloßer Aushang am Schwarzen Brett reicht jedoch nicht aus[23].

Anspruch aus fehlgeschlagener Vergütungserwartung[Bearbeiten]

Beispiel: Der Adoptivsohn arbeitet in den Jahren 1994 bis 2003 in dem Landwirtschaftsbetrieb der Adoptiveltern. Dafür erhält er nur 300,00 Euro im Monat. Ihm ist jedoch versprochen worden, dass er den Hof einmal erhalten werde. Im Jahr 2004 wird die Ehe der Adoptiveltern geschieden und der Hof im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung verkauft[24].

Der Adoptivsohn hat seine Arbeitsleistung für einen geringen Lohn in der Erwartung erbracht, dass er den Hof später einmal erhalten und damit seine Dienste abgegolten werden würden. Diese Erwartung ist jedoch fehlgeschlagen. Diese und ähnliche Konstellationen sind mit dem Rechtsinstitut der fehlgeschlagenen Vergütungserwartung zu lösen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht ein Zahlungsanspruch in Höhe der Differenz zum üblichen Lohn für den gesamten Zeitraum. Dabei ist jedoch auch die Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

Die Herleitung der Anspruchsgrundlage ist umstritten.

  • Nach h.M. ist § 612 Abs. 1 BGB analog anzuwenden.
  • Nach anderer Ansicht fingiere § 612 Abs. 1 BGB nur eine versäumte Entgeltvereinbarung und enthalte keine Vertragsfiktion. Daher könne die Abwicklung nur nach §§ 812 ff. BGB erfolgen. Im Fall einer Vermögenszuwendung auf den Todesfall könne § 612 Abs. 1 BGB auch keinen wegen § 2302 BGB formnichtigen Arbeitsvertrag quasi heilen.
  • Teilweise werden anstelle des Bereicherungsrechts auch die Regeln des faktischen Arbeitsverhältnisses angewandt.

Der Anspruch hat die folgenden Voraussetzungen[25]:

  1. Jemand erbringt Dienste in der dem anderen Teil erkennbaren Erwartung der Übergabe eines Vermögens oder Vermögensbestandteils (Erbeinsetzung, Hofübergabe, Betriebsübergang etc.).
  2. Für diese Dienste erhält er keine oder nur eine deutlich unterwertige Vergütung.
  3. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der fehlenden bzw. unterwertigen Vergütung und der o.g. Erwartung.
  4. Die in Aussicht gestellte Vermögenszuwendung unterbleibt und kann auch nicht mehr durchgesetzt werden. Beachte: Die Zuwendung muss ganz unmöglich geworden sein, eine Zuwendung unter einer Bedingung muss hingenommen werden. Der Arbeitnehmer hat in dem Fall kein Wahlrecht zwischen der Übertragung des versprochenen Vermögensgutes und der Zahlung der angemessenen Vergütung, auch wenn ihm die Bedingung nicht genehm ist.

Der Anspruch verjährt in drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt allerdings erst mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem eine Abrechnung hätte vorgenommen werden müssen bzw. zum Zeitpunkt der Hofübergabe im Beispiel. Wird offensichtlich, dass die Hofübergabe nicht mehr stattfinden kann, beginnt die Verjährungsfrist mit diesem Zeitpunkt. Im Beispielsfall sind also auch Ansprüche aus den Jahren 1994 bis 1999 noch nicht verjährt[26].

Anspruch auf Beschäftigung[Bearbeiten]

Literatur: BAG (GS), NJW 1985, 2968; Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 611 Rn. 118 ff.; Helml, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2004, S. 205 ff.

Der Arbeitnehmer hat nicht nur die Pflicht, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, er hat auch einen Anspruch gegen den Arbeitgeber beschäftigt zu werden. Dieser Beschäftigungsanspruch wird aus §§ 611, 613, 242 BGB sowie dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG) hergeleitet. Der Anspruch besteht ohne weiteres im ungekündigten Arbeitsverhältnis. Praktisch bedeutsam ist er für solche Arbeitnehmer, die durch die Tätigkeit ihre Leistungsfähigkeit erhalten, z.B. Berufssportler, Artisten, Künstler. Der Anspruch ist jedoch nicht auf solche Arbeitnehmer beschränkt, sondern gilt für alle.

Die Beschäftigungspflicht entfällt, wenn der Weiterbeschäftigung ein schützenswürdiges Interesse des Arbeitgebers entgegensteht. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer dann freistellen, bleibt aber zur Lohnzahlung nach § 615 BGB weiter verpflichtet.

Nach der Kündigung (und während des laufenden Kündigungsschutzprozesses) besteht der Beschäftigungsanspruch nach h.M. bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort. Grundsätzlich geht der Anspruch jedoch nicht über den Zeitraum hinaus, zu dem die Kündigung wirksam werden würde. Von diesem Grundsatz macht das BAG folgende drei Ausnahmen:

  • Unter den Voraussetzungen von § 102 Abs. 5 BetrVG oder § 79 Abs. 2 BetrVG,
  • Wenn die Kündigung offenbar unwirksam, missbräuchlich oder willkürlich ist und schützenswerte Interessen des Arbeitgebers nicht entgegenstehen,
  • Ab erstinstanzlicher Entscheidung, die feststellt, dass die Kündigung unwirksam sei.

Bis zur Beendigung des Kündigungsschutzprozesses kann das Arbeitsverhältnis einvernehmlich fortgesetzt werden. Stellt sich nachträglich heraus, dass die Kündigung wirksam war, sind für den Zeitraum, in dem kein Arbeitsverhältnis mehr bestand die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses anwendbar.

Urlaub[Bearbeiten]

Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG[27]). Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage (§ 3 Abs. 1 BUrlG) und entsteht erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses (Wartefrist gemäß § 4 BUrlG). Zu den Werktagen gehören auch Samstage (vgl. § 3 Abs. 2 BUrlG). Wenn der Arbeitnehmer also am Samstag nicht zu Arbeit verpflichtet ist, beträgt sein Urlaub umgerechnet 20 Arbeitstage (Helml, Arbeitsrecht, S. 102). Darüber hinausgehender Urlaub kann ggfs. aus Vertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung beansprucht werden.

Für die Dauer des Urlaubs hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaubsentgelt nach § 11 BUrlG. Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem Durchschnittsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs erhalten hat (§ 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG).

Den Zeitpunkt des Urlaubs bestimmt der Arbeitgeber, sofern keine vertragliche Bestimmung (Betriebsferien oder Urlaubsplan nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) vorliegt, nach billigem Ermessen (§ 315 BGB). Dabei muss er die Wünsche des Arbeitnehmers berücksichtigen und sowohl mit betrieblichen Belangen als auch den Wünschen anderer Arbeitnehmer abstimmen (§ 7 Abs. 1 BUrlG). Entspricht die Entscheidung des Arbeitgebers nicht der Billigkeit, ist sie für den Arbeitnehmer unverbindlich (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB); der Arbeitnehmer muss die Festlegung des Urlaubs dann im Klageweg oder per einstweiliger Verfügung durchsetzen (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB). Ein eigenmächtiger Urlaubsantritt stellt eine Verletzung des Arbeitsvertrags dar und begründet in der Regel die fristlose Kündigung. Ausnahmsweise kann ein Recht zur Selbstbeurlaubung bestehen, wenn der Urlaub sonst verfallen würde (§ 7 Abs. 3 BUrlG) und der Arbeitgeber die Urlaubserteilung verweigert, ohne dass dies durch einen Grund nach § 7 Abs. 1 BUrlG gerechtfertigt wäre[28].

Rückruf aus erteiltem Urlaub kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verlangen, auch nicht, wenn es vorher vereinbart worden ist. Eine solche Vereinbarung ist nach der BAG-Rechtsprechung als Verstoß gegen zwingendes Urlaubsrecht nichtig. Dem Arbeitnehmer muss es ermöglicht werden, seine Freizeit selbstbestimmt zu nutzen, was nicht möglich wäre, wenn er ständig mit einem Rückruf rechnen müsste. Einen Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, den Urlaub abzubrechen gibt es daher nicht[29].

Der Urlaubsanspruch erlischt durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB), wozu auch die einvernehmliche Freistellung zählt. Ein ggfs. konkludenter Verzicht (§ 397 BGB) des Arbeitnehmers ist nur insoweit möglich, wie nicht der gesetzliche Mindesturlaub (§ 3 BUrlG) betroffen ist. Wird der Urlaub nicht im jeweiligen Kalenderjahr genommen, verfällt er gemäß § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG, wenn er nicht in den ersten drei Monaten des Folgejahres genommen wird.

Wird der Urlaubsanspruch unmöglich (§ 275 BGB), weil das Arbeitsverhältnis endet, muss der Arbeitgeber den noch verbleibenden Urlaub abgelten (Urlaubsabgeltung[30]). Bei der Abgeltung handelt es sich um Wertersatz (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Die Bemessung entspricht dem Urlaubsentgelt (s. o.). Zu beachten ist, dass der Abgeltungsanspruch von den gleichen Voraussetzungen abhängt wie der Urlaubsanspruch, d.h. ist der Urlaub bereits verfallen (§ 7 Abs. 3 BUrlG), gibt es auch keine Abgeltung[31].

Verschuldensunabhängiger Aufwendungs- und Schadensersatz[Bearbeiten]

Tätigt der Arbeitnehmer Aufwendungen, die durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind, hat er gegen den Arbeitgeber einen Ersatzanspruch aus § 670 BGB. Aufwendungen sind - im Gegensatz zu Schäden - freiwillige Vermögenseinbußen.

Jedoch kommt für typische Begleitschäden bei der Ausführung auch ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Hierzu werden nach h.M. §§ 675, 670 BGB entsprechend herangezogen[32]. Der Schadensersatz erfolgt dann entsprechend §§ 249 ff. BGB. Das gilt nach dem BAG auch für das Arbeitsrecht.

Beispiel: Eine Angestellte bei einem Rundfunksender fährt mit dem eigenen Pkw im Auftrag ihres Arbeitgebers zu einem Promotion-Termin. Auf der Rückfahrt erleidet sie einen Verkehrsunfall, bei dem ihr Pkw beschädigt wird (verkürzt aus der Besprechung einer Examensklausur bei Reichold, JuS 2004, 318 [323]).

Der Anspruch hat die folgenden Voraussetzungen[33]:

  1. Schaden (unfreiwillige Vermögenseinbuße) beim Arbeitnehmer?
  2. Schadensereignis kausale Folge einer betrieblich veranlassten Tätigkeit des geschädigten Arbeitnehmers? Betrieblich veranlasst ist die Tätigkeit, wenn sie entweder auf Weisung des Arbeitgebers erfolgte oder der Arbeitnehmer sie nach verständigem Ermessen für notwendig halten durfte.
  3. Keine Abgeltung des Schadensrisikos bereits durch das Arbeitsentgelt? Fehlt eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag, muss geprüft werden, ob die Abgeltung konkludent vereinbart wurde.
  4. Kein überwiegendes Eigenverschulden des Arbeitnehmers? Hierbei ist § 254 BGB analog in Verbindung mit § 276 BGB anzuwenden. (Beachte übrigens: Wenn es um Aufwendungsersatz in direkter Anwendung von § 670 BGB geht, ist § 254 BGB nicht anwendbar[34].) Bei der Bestimmung der Mitverschuldensquote sind die Grundsätze der Haftung von Arbeitnehmern zu berücksichtigen (also kein Mitverschulden bei nur leichter Fahrlässigkeit, anteilige Schadenstragung bei mittlerer Fahrlässigkeit, kein Ersatzanspruch bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz).
  5. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es nach dem Wortlaut von § 670 BGB nicht an.

Die h. L. wendet im Unterschied zum BAG zur Lösung des Beispielfalls nicht §§ 675, 670 BGB an, sondern zieht den Gedanken der verbotenen Verteilung des Betriebsrisikos heran. Am Ergebnis ändert dies jedoch nichts, da auch nach h.L. der Arbeitgeber verschuldensunabhängig entsprechend der genannten Grundsätze haftet. Diese Lösung ist jedoch problematisch, da sie auf eine normative Anknüpfung ganz verzichtet und ein besonderes Rechtsinstitut der Risikohaftung bislang nicht anerkannt ist[35]. Sie kann aber plausibel begründen, weshalb es sich in Fällen, in denen das Schadensrisiko nicht finanziell abgegolten wird, (entsprechend der Grundsätze zum Innerbetrieblichen Schadensausgleich) um einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht.

Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung[Bearbeiten]

Verletzt der Arbeitgeber eine gegenüber dem Arbeitnehmer bestehende Pflicht, haftet er ihm für den daraus entstehenden Schaden nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 280 ff., 823 ff. BGB).

Freistellung von Ansprüchen Dritter[Bearbeiten]

Schädigt der Arbeitnehmer bei Ausführung einer Tätigkeit einen Dritten, haftet er diesem Dritten nach allgemeinen Zivilrecht auf Schadensersatz. Arbeitsrechtliche Besonderheiten ergeben sich in diesem Verhältnis nicht, es gilt das Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB).

Beispiel: Ein Berufskraftfahrer verursacht bei einer Fahrt für den Arbeitgeber einen Verkehrsunfall, bei dem ein anderer Verkehrsteilnehmer verletzt wird.

Der Verletzte hat nun einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Arbeitnehmer; die Haftungsbeschränkungen aus dem Arbeitsverhältnis gelten gegenüber dem Dritten nicht. Der Arbeitnehmer kann jedoch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber verlangen, von diesem Anspruch freigestellt zu werden. Rechtsgrundlage des Freistellungsanspruchs sind §§ 675, 670 BGB oder der Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 242 BGB. Die Freistellung kann in demselben Umfang verlangt werden, wie der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber von der Haftung freigestellt wäre[36]: Für leichte Fahrlässigkeit kann er also volle Freistellung verlangen, für mittlere Fahrlässigkeit anteilige, darüber hinaus keine (ausführlicher zu den Haftungsgrundsätzen im Arbeitsverhältnis siehe hier).

Hintergrund: Die eben genannten Grundsätze bedeuten eine Abweichung vom allgemeinen Deliktsrecht: Der Arbeitnehmer haftet dem Dritten nach § 823 BGB, der Arbeitgeber haftet dem Dritten nach § 831 BGB (Haftung für Verrichtungsgehilfen, wenn kein Gelingen der Exkulpation). Beide haften als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB). Im Innenverhältnis findet der Ausgleich zu gleichen Teilen statt, wenn nicht "ein anderes bestimmt ist" (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB). Eine solche Bestimmung findet sich in § 840 Abs. 2 BGB, nach dem der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vollen Regress leisten müsste. Von dieser Vorschrift wird im Arbeitsrecht jedoch gewohnheitsrechtlich abgewichen (siehe oben).

Haftung der Arbeitnehmer untereinander[Bearbeiten]

Literatur: Besprechung einer Examensklausur bei Weyand, JuS 2003, 675.

Wird ein Arbeitnehmer von einem anderen Arbeitnehmer desselben Betriebs geschädigt, gilt grundsätzlich Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB), da unter den Arbeitnehmern keine vertragliche Sonderbeziehung vorliegt. Es muss jedoch unterschieden werden zwischen Personen- und Sachschäden.

Für Personenschäden haftet ein Arbeitnehmer dem anderen nur wegen einer vorsätzlichen Verletzung (§ 105 Abs. 1 SGB VII, abgedruckt im Schönfelder als Fußnote zu § 618 BGB).

Für Sachschäden haftet der Arbeitnehmer wie außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten[37], d.h. nach allgemeinen Vorschriften unbeschränkt (st. Rspr. des BGH[38]. Im Innenverhältnis hat der schädigende Arbeitnehmer einen Freistellungsanspruch gegen den Abeitgeber (siehe dazu schon oben).

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 611 Rn. 111; ausführlich zur Gleichbehandlung ErfK/Preis, 1. Aufl. 1998, § 611 BGB Rn. 834 ff.
  2. Siehe dazu Willemsen/Schweibert, Schutz der Beschäftigten im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, NJW 2006, 2583.
  3. BAG vom 03.12.2008
  4. Helml, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2004, S. 77.
  5. Helml, a.a.O. S. 88.
  6. Ablehnend jedoch Fischer, ZRP 2007, 20 ff.
  7. EuGH, NJW 2007, 47 m. Anm. Zedler.
  8. Siehe dazu die Tabelle, die als Anlage zu § 850c ZPO im Schönfelder abgedruckt ist.
  9. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 394 Rn. 2.
  10. Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 242 Rn. 97.
  11. Dazu Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 611 Rn. 72.
  12. Vgl. ErfK/Preis, 1. Aufl. 1998, § 615 Rn. 5 ff.
  13. Preis a. a. O. Rn. 7.
  14. Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 615 Rn. 7 ff.
  15. Palandt/Heinrichs, § 296 Rn. 2
  16. BAG, NJW 06, 1453
  17. BAG, NJW 06, 1452
  18. Schönfelder-ErgBd. Nr. 80.
  19. ErfK/Dörner, 1. Aufl. 1998, § 3 EFZG Rn. 46.
  20. Medicus, Bürgerliches Recht, 19. Aufl. 2002, Rn. 924.
  21. Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 611 Rn. 82.
  22. Palandt/Putzo, § 611 Rn. 83a.
  23. Helml, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2004, S. 87.
  24. Etwas verkürzt nach Helml, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2004, S. 82.
  25. Vgl. ErfK/Schlachter, 1. Aufl. 1998, § 612 Rn. 21 ff.
  26. Helml, Arbeitsrecht, S. 83.
  27. Schönfelder-ErgBd. Nr. 80b.
  28. Helml, Arbeitsrecht, S. 105 m.w.N.
  29. Helml, Arbeitsrecht, S. 106.
  30. Dazu Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 611 Rn. 144 ff.
  31. Helml, Arbeitsrecht, S. 107 m.w.N.
  32. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 670 Rn. 11.
  33. Vgl. ErfK/Preis, 1. Aufl. 1998, § 611 Rn. 1117 ff.
  34. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 670 Rn. 6.
  35. ErfK/Preis, 1. Aufl. 1998, § 611 BGB Rn. 1120; kritisch daher auch Reichold, a.a.O. Fn. 32.
  36. Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 611 Rn. 159.
  37. ErfK/Preis, 1. Aufl. 1998, § 611 BGB Rn. 1050.
  38. Dazu Preis a.a.O. Rn. 1051 ff.