Rechte und Pflichten im Umgang mit der Polizei/ Wahrung der Verhältnismäßigkeit

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Zusammenfassung: Jede polizeiliche Maßnahme muss vorher geprüft werden, ob diese für das Ziel geeignet ist, das mildeste Mittel darstellt und nicht außer Verhältnis zu dem Zweck steht.

Jede Maßnahme der Polizei muss verhältnismäßig sein, auch wenn die entsprechenden Gesetze dies teilweise nicht ausdrücklich fordern. Nach derzeitiger Rechtsmeinung ist dies ein Verfassungsgrundsatz, vielleicht sogar der Wichtigste im Polizeirecht.

BGH, Urteil vom 20.3.1975
„Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein Verfassungsgrundsatz, der das gesamte öffentliche Recht beherrscht“
Quelle: jurion.de

Im einzelnen ist dies in den Gesetzen der Länder geregelt, aber nicht grundlegend verschieden. Demnach müssen die polizeilichen Maßnahmen drei Anforderungen erfülllen: Sie muss geeignet, erforderlich und im engerem Sinne verhältnismäßig sein.

Definition Verhältnismäßig
„Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besagt, dass ein Eingriff erforderlich, geeignet und verhältnismäßig im engeren Sinne (d.h. nicht übermäßig belastend, nicht unzumutbar) sein muss.“
Quelle: wirtschaftslexikon.de

Geeignet bedeutet, dass die Maßnahme ihren Zweck erfüllen soll, also effektiv ist. Alle Maßnahmen, die nicht dazu in der Lage sind, das Ziel zu erreichen sind demnach unzulässig. Das Ziel muss nicht sein, dass z.B. eine Gefahr mit 100%iger Sicherheit und vollständig abgewehrt wird. Auch die Abschwächung einer Gefahr macht die Maßnahme geeignet.

§4 SOG Hamburg
„Eine Maßnahme muss zur Gefahrenabwehr geeignet sein. Sie ist auch geeignet, wenn sie die Gefahr nur vermindert oder vorübergehend abwehrt.“
Quelle: landesrecht-hamburg.de

Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn kein anderes Mittel geeignet ist, das Ziel zu erfüllen und gleichzeitig Betroffenen und/oder die Allgemeinheit weniger belastet. Es muss also immer unter allen geeigneten Mitteln das gewählt werden, welches die geringsten "Nebenwirkungen" haben.

§2 Abs. 2 PolG NRW
„Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Polizei diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt“
Quelle: lexsoft.de

Zum Schluss steht noch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit an. Das bedeutet, dass die "Nebenwirkungen" einer Maßnahme gegenüber dessen Nutzen nicht übermäßig überwiegen dürfen.

§2 Abs 2 PolG NRW
„Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.“
Quelle: lexsoft.de

Beispiel:

Ein Mann geht während der Ruhezeit durch ein Wohngebiet und spielt laut mit einer Trommel. Die Polizei trifft ein, um diese Störung zu beseitigen. Möglich Maßnahmen wären die Aufforderung, den Lärm zu beenden, die Beschlagnahme der Trommel, die Beschlagnahme des Fahrzeugs, mit dem der Mann gekommen ist, die Festnahme oder die Ausübung körperlicher Gewalt, um den Verursacher unfähig zu machen, weiteren Lärm zu verbreiten.

Aufforderung, Beschlagnahme der Trommel und Festnahme haben das Potenzial, die Störung zu beenden, nicht jedoch die Beschlagnahme des Fahrzeuges. Von diesen Möglichkeiten muss nun das mildeste Mittel gewählt werden: Die Aufforderung. Ist diese nicht wirksam, kann zum nächsten, die Beschlagnahme, gegriffen werden. Diese sollte den Lärm mit der Trommel beenden.

Sollte der Mann sich dennoch nicht ruhig verhalten, kann evtl. auch eine Festnahme angesetzt werden. Der Einsatz körperlicher Gewalt ist jedoch in jedem Fall nicht verhältnismäßig. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein deutlich höheres Gut als das Recht auf Ruhe.

Anders sieht es aus, wenn der Mann sich gegen die Polizeimaßnahmen wehrt. Da hier die Gesundheit der Polizisten selber gefährdet wird, ist auch der Einsatz körperlicher Gewalt verhältnismäßig. Theoretisch kann, bei gegebenen Umständen, auch die gezielte Tötung diesem Grundsatz entsprechen.

Generell ist eine klare Definition von Verhältnismäßigkeit nicht möglich. Daher werden in den jeweiligen Kapiteln zu jeder Maßnahme, sofern möglich, Beispiele für verhältnismäßige bzw. nicht verhältnismäßige Taten gegeben.