Schach: Eröffnung: Halbgeschlossen

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Halbgeschlossene Spiele[Bearbeiten]

In der klassischen Eröffnungstheorie umfassen die "geschlossenen Spiele" alle Eröffnungen, die nicht mit 1. e2-e4 beginnen.

In neuerer Zeit setzt sich aber in der Literatur eine genauere Aufteilung durch. Als "geschlossene Spiele" werden nur noch Eröffnungen bezeichnet, die auf 1. d2-d4 d7-d5 folgen. Eröffnungen, die 1. d2-d4 mit einem anderen Zug als 1. ... d7-d5 beantworten, bezeichnet man demnach als "halbgeschlossene Spiele". Damit entsteht die Notwendigkeit, einen neuen Begriff für die übrigen Eröffnungen zu finden, die weder mit 1. e2-e4, noch mit 1. d2-d4 beginnen. Dafür haben sich die "Flankenspiele" eingebürgert.

Weil die modernere Aufteilung sinnvoll erscheint, wird sie hier übernommen. Als Leser sollten Sie aber im Hinterkopf behalten, daß es auch die andere Lesart gibt, falls Sie ein entsprechendes Eröffnungsbuch in die Händen bekommen.


Variantenbaum[Bearbeiten]



Indische Systeme[Bearbeiten]

Die wichtigste Antwort auf 1. d2-d4 neben 1. ... d7-d5 ist 1. ... Sg8-f6. Nach dem fast automatischen Zug 2. c2-c4 gelangt man zu den indischen Systemen. Manche Quellen behaupten, daß sie ihren Namen einem indischen Spieler verdanken, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa schachliches Aufsehen erregte, andere Quellen sagen, daß Indien zu dieser Zeit der Inbegriff an Fremdartigkeit und Seltsamkeit war, was zunächst auch auf diese Eröffnungen zutraf. Man könnte den gesamten Komplex als "indische Verteidigung" bezeichnen, aber es hat sich durchgesetzt, sie nicht als eigenständige Eröffnung zu betrachten. Stattdessen erhalten die einzelnen Varianten den Status einer eigenständigen Eröffnung. Da diese sich vom Spielcharakter her sehr stark unterscheiden, scheint das auch gerechtfertigt.

Indische Verteidigungen 1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4


Benoni-Verteidigung[Bearbeiten]
moderne Benoni-Verteidigung mit 2. ... c7-c5 . 


Diese Eröffnung weist vom Konzept her eine gewisse Ähnlichkeit mit der sizilianischen Drachenvariante auf. Auch hier befragt der schwarze c-Bauer den weißen d-Bauern. Auch hier wird der schwarze Läufer meistens fianchettiert, und auch hier kommt es zu sehr scharfen Konflikten auf dem Brett. Im Gegensatz zur Sizilianischen Eröffnung kommt es aber meistens nicht zum Bauerntausch, sondern Weiß entzieht sich dem, indem sein Bauer die Flucht nach vorne antritt:

3. d4-d5

Standardmäßig wird dann fortgesetzt mit 3. ... e7-e6 4. Sb1-c3 e6xd5 5. c4xd5 d7-d6

Der vorgerückte d-Bauer wirkt wie ein Pfahl im Fleisch. Durch sein Vorrücken hat er aber für den schwarzfeldrigen Fianchetto-Läufer die Diagonale freigemacht. Auch das Zentrumsfeld e5 kann Weiß nur noch bedingt kontrollieren, so daß sich in vielen Varianten der schwarze Damenspringer dort niederlassen kann. Mit den Zügen a7-a6 und b7-b5 droht Schwarz, einen starken Damenflügel zu entwickeln, aber mit a2-a4 hat Weiß ein starkes Gegenmittel dagegen.

Wolga-Gambit[Bearbeiten]


Das Wolga-Gambit ist auch bekannt als Benkö-Gambit oder Fischer-Benkö-Gambit. Man könnte es als Variante der Benoni-Verteidigung ansehen, stattdessen hat sie aber den Status einer eigenständigen Eröffnung. Nachdem Weiß dem Bauerntausch im Zentrum ausgewichen ist, versucht Schwarz, das Spiel noch einmal zu spielen. Der weiße c-Bauer ist zwar kein Zentrumsbauer, aber immerhin steht er zentraler als der schwarze b-Bauer, außerdem ist er wichtig, um den vorgerückten weißen Zentrumsbauern zu bewachen. Schwarz dagegen räumt das Fianchettofeld für den Läufer frei, was ihm langfristigen Druck auf den vorgerückten Bauern gestattet, während er gleichzeitig den weißen Bauern befragt.

Der Geier[Bearbeiten]


Dieses Manöver wurde von dem Nordwalder Schachspieler (und FIDE-Meister) Stefan Bücker entwickelt. Dieser sieht den Geier übrigens nicht als eine Benoni-Variante, sondern als Hauptvariante . ... auf 1. d2-d4!!!!!

Das Zielfeld dieses wagemutigen Springers ist erstaunlicherweise in den meisten Varianten das Feld d6. In einer normalen Eröffnung würde der Springer dort nur im Wege herumstehen, und die eigene Entwicklung effektiv behindern. Hier aber gibt es ein Konzept, in dessen Zentrum eben dieser Springer auf d6 steht. Dieser befeuert nämlich einerseits das gegnerische Zentrum, andererseits unterstützt er eventuelle Bauernvorstöße nach b5 oder f5, mit denen ebenfalls das weiße Zentrum geknackt werden kann.

Ein weiterer Schlüssel zum Verständnis der Eröffnung ist die Möglichkeit zum Fianchetto auf g7. Die einzige effektive Gegenmaßnahme sieht Bücker in dem weißen Springer auf c3. Sollte dieser dort auftauchen, dann ist es gerechtfertigt, auf den Plan Se4-d6 zu verzichten, und den zentralen Springer e4 gegen diesen einzutauschen.

Die schwarze Dame greift über a5 ins Geschehen ein, der Damenspringer über a6 und b4. Ein scheinbares Sorgenkind ist der weißfeldrige Läufer auf c8, aber frei nach dem Motto "It's not a bug, it's a feature" erhält dieser die Aufgabe, auf c8 zu verbleiben, und von dort die noch zu errichtende Bauernkette d7 - e6 - f5 zu unterstützen.

Auf höchsten Ebenen ist der Geier meines Wissens noch nicht zu Ehren gekommen, aber für Partien auf Kreisebene ist der Geier gut genug, vor allem für Überraschungen.

Königsindisch[Bearbeiten]


Die Königsindische Verteidigung ist eng verwandt mit der Benoni-Verteidigung, der Drachenvariante der sizilianischen Verteidigung und der Pirc-Ufimzew-Verteidigung, was sich schon daran deutlich macht, daß die Partie sehr oft durch Zugumstellung in eines dieser Systeme übergeht. Weiß rückt sehr häufig mit dem Königsbauern nach e4, und errichtet dort eine besonders mächtig ausschauende Zentrumsfestung. Tatsächlich ist aber nicht alles Gold, was glänzt. Das Feld d4 ist danach von keinem Bauern mehr zu bewachen, und folglich müssen die weißen Figuren darauf achtgeben. Der schwarze Läufer zielt bereits jetzt genau dorthin. Schwarz führt normalerweise 4. ... d7-d6 und 5. ... 0-0 durch, um dann anschließend mit 6. ... c7-c5, oder gelegentlich 6. ... e7-e5 das weiße Zentrum anzugehen. Häufig verkeilen sich dabei die Zentrumsbauern ineinander, und das Spiel konzentriert sich auf die beiden Flügel, wobei Weiß das Übergewicht auf dem Damenflügel hat, während Schwarz der Königsflügel gehört.

Königsindischer Angriff[Bearbeiten]

Die Bezeichnung "Königsindischer Angriff" ist recht irreführend. Der Name kommt dadurch zustande, daß ein schwarzes Verteidigungskonzept mit den weißen Steinen gespielt wird. In Wirklichkeit besteht der weiße Spielplan darin, sich zunächst einzuigeln und dann den Gegner auszukontern. Das Konzept scheint aufzugehen, der königsindische Angriff ist in der Praxis recht beliebt.

Weiß versucht, einen Aufbau mit Sg1-f3, g2-g3, Lf1-g2, d2-d3, 0-0 und Sb1-d2 durchzusetzen, woran Schwarz ihn kaum sinnvoll hindern kann.

Damenindisch[Bearbeiten]

Über die Damenindische Verteidigung habe ich mal in einer Schachzeitschrift gelesen, daß sie zu recht taktischen Abspielen führt.

Nimzo-Indisch[Bearbeiten]

Dieses Eröffnungssystem ist eines der wichtigsten Vermächtnisse des großen Theoretikers und Strategen Aaron Nimzowitsch an die Schachwelt. Ihr Debüt hatte die Nimzowitsch-Indische Verteidigung 1914. In den Turnieren der 1920er Jahre reifte sie allmählich zu dem weitverzweigten heutigen Eröffnungssystem.

Ihrer Grundidee nach ist die schwarze Verteidigungsidee ein typisches Kind des 20. Jahrhunderts: Statt das Zentrum direkt mit Bauern zu besetzen, hemmt und blockiert Schwarz es mit anderen Mitteln, von den Flügeln her. Der Läufer auf b4 fesselt und neutralisiert den weißen Springer, der sonst einen Bauernvormarsch im Zentrum unterstützen könnte. Der Bauer auf e6 und der Springer auf f6 hemmen den weiteren Vormarsch des weißen Damenbauern, ferner hemmt der Springer auf f6 die weitere Besetzung des Zentrums durch e2-e4.

Schwarz sucht die Asymmetrie, das aktive, eigenständige Gegenspiel. Im späteren Verlauf des Spiels wird er versuchen, je nach Spielsituation das gehemmte weiße Zentrum direkt anzugreifen oder einen Angriff und Durchbruch an einem der beiden Flügel zu erzielen.

Eine häufige vorkommende asymmetrische Wendung ist der Abtausch des Läufers b4 gegen den Springer c3, um dort einen weißen Doppelbauern entstehen zu lassen. Weiß hat anschließend den Vorteil des Läuferpaars, aber den Nachteil, dass seine Bauernstellung an Elastizität verloren hat.

Nimzowitsch selbst nannte die Eröffnung Ideelles Damengambit. Damit wollte er wohl zum Ausdruck bringen, dass das weiße Zentrum so wirksam gehemmt wird, als ob der schwarze Damenbauer im Zentrum stünde, jedoch ohne die Nachteile, die Schwarz als Nachziehender in der symmetrischen Bauernformation des Damengambits naturgemäß hat.

Grünfeld-Indisch[Bearbeiten]


Diese Eröffnung wurde nach dem österreichischen Großmeister Ernst Grünfeld benannt.

Typischerweise verschafft sich Weiß ein mächtiges Bauernzentrum und Raumvorteil. Der Nachziehende bemüht sich um Angriffsmöglichkeiten gegen das weiße Zentrum und will aus seiner Bauernmajorität am Damenflügel im Endspiel einen entfernten Freibauern bilden.

Die Grünfeld-Indische Verteidigung wurde von einer Reihe von Weltmeistern (darunter Wassili Smyslow, Bobby Fischer und Garri Kasparow) angewandt.


die Abtauschvariante 4. c4xd5 Sf6xd5 5. e2-e4 Sd5xc3 6. b2xc3 Lf8-g7

Weiß verfügt über ein entwickeltes Zentrum, aber Schwarz hat Gegenchancen am Damenflügel. Außerdem kann er mit dem Fianchettoläufer und dem c-Bauern im Zentrum Unfrieden stiften.

    • in ihrer modernen Form mit 7. Sg1-f3
      • 7. Sg1-f3 c7-c5 8. Ta1-b1
    • Klassische Form 7. Lf1-c4 nebst 8. Sg1-e2
      • 7. Lf1-c4 c7-c5 8. Sg1-e2 c5xd4 9. c3xd4 Sb8-c6 10. Lc1-e3 0-0 11. 0-0
      • 7. Lf1-c4 c7-c5 8. Sg1-e2 0-0 9. 0-0 Sb8-c6 10. Lc1-e3 Lc8-g4 11. f2-f3 Sc6-a5 12. Lc4xf7+ wurde von Anatoli Karpow in dem WM-Wettkampf Karpow-Kasparow 1987 in Sevilla angewandt und wird seitdem Sevilla-Variante genannt.
    • Fischer behandelte die Klassische Abtauschvariante, wie sie von Smyslow popularisiert worden war, mit 8. Sg1-e2 0-0 9. 0-0 Sb8-c6 10. Lc1-e3 Dd8-c7 (10. … Lc8-d7 ist ein ähnlicher Ansatz) 11. Ta1-c1 Tf8-d8.
    • Im WM-Wettkampf Karpow-Kasparow 1990 überdeckte Karpow mit 7. Lc1-e3 c7-c5 8. Dd1-d2 sein Zentrum auf eine endspielorientierte Art, die nach dem aktiven Dd8-a5 zum Damentausch führen kann.
Weitere indische Systeme[Bearbeiten]

Holländisch[Bearbeiten]

Die holländische Verteidigung gehörte zu den Lieblingssystemen von Botwinnik. Dieser war ein ausgesprochener Spezialist des Positionsspiels, und die holländische Verteidigung kommt seiner Spielweise sehr entgegen.

Die Idee, mit dem f-Bauern das Zentrumsfeld e4 zu kontrollieren, ähnelt der sizilianischen Idee. Aber der f-Bauer ist nicht der c-Bauer, ihn vorzuziehen, beraubt den König eines wichtigen Schutzbauern. Zur Erinnerung: Der f-Bauer ist die Schwachstelle in der Grundstellung. Das läßt auf ein scharfes System hoffen, aber seltsamerweise kommt dieser Umstand nicht zum tragen. Die geschlossene Spielweise des Weißen erlaubt es ihm nicht, einen schnellen Angriff auf f7 zu starten. Ein Widerstreit der strategischen Ideen ist die Folge.

Alt-Benoni[Bearbeiten]

Die Alt-Benoni-Verteidigung läßt sich durch Zugumstellung in die moderne Benoni-Verteidigung umwandeln. Weiß ist jedoch nicht gezwungen, diese Zugumstellung mitzumachen, und seine Alternativen gelten allgemein als stärker, als wenn er bei der Zugumstellung mitmacht. Deshalb gilt diese Spielweise als minderwertig. Stefan Bücker hat aber im Zuge der Entwicklung seiner bereits oben angesprochenen Geiereröffnung auch Antwortkonzepte auf diese Alternativen entwickelt. Dabei entstanden der Habichd und das Wusel (1. d2-d4 c7-c5 2. d4-d5 Sg8-f6 3. Sb1-c3 Dd8-a5, wodurch der den vorgerückten Bauern verteidigende Springer gefesselt wird. Die eigentliche Idee ist aber, den Vorstoß des schwarzen b-Bauern auf diese Weise effektiv zu unterstützen).

Weitere halbgeschlossene Systeme[Bearbeiten]

"Jugoslawisch" führen. Jugoslawisch ist ein anderer Name für die bereits angesprochene Pirc-Ufimzew-Verteidigung.