Sei doch vernünftig: Fatalismus modern
Der Fatalismus in modernem Gewande
Ein anderes Beispiel für Metaphysik spielt im Alltagsleben und im politischen Leben eine relativ große Rolle. Das ist der Fatalismus, der Glaube an Schicksalsmächte, die alles Geschehen lenken und im Voraus festgelegt haben, bzw. der Glaube, alles Leben liefe wie ein Räderwerk nach unsichtbaren, aber festgelegten Gesetzen ab. Dieser Glaube ist viel weiter verbreitet als man zunächst denkt (siehe unten).
Was sollen wir davon halten? Bemühen wir unsere neue Methode und fragen: Welches Problem löst der Fatalismus?
Hinter ihm steckt das Problem: Wie werde ich die Verantwortung los? Alles, was ich tue, haben andere Mächte zu verantworten. Es kommt, wie es kommt, ich brauche mir gar keine Mühe zu geben, daran etwas zu ändern.
Nehmen wir an, wir hätten damit das Problem wirklich identifiziert. Wenn wir nun wissen, welches Ziel eine Theorie erreichen soll, dann können wir auch prüfen, ob das Ziel gut oder schlecht erreicht wurde.
Löst der Fatalismus also sein Problem? Weiß man denn im Voraus, was die 'Götter' oder das 'Schicksal' entschieden haben? Es wird doch immer nur im Nachhinein die eigene falsche Entscheidung als unabänderlich ausgegeben. Der Fatalist müsste sich eigentlich fragen, warum die Götter oder das Schicksal nicht genau das Entgegengesetzte für ihn festgelegt haben. Er glaubt, dass sie sein Attentat gewollt haben, wenn er es tatsächlich ausführt.
Aber er müsste wissen, dass er genauso gut das Umgekehrte denken könnte. Das heißt, genau besehen wird er die Verantwortung für seine Taten nicht los. Er denkt das nur, weil er nicht gründlich genug nachdenkt. Er müsste sich sagen: Wenn ich anders gehandelt hätte, dann wäre damit bewiesen worden, dass der Gang der Geschichte eben in dieser anderen Weise geplant war.
Der Fatalist löst also sein Problem gar nicht. Er kann handeln, wie er will. Was er wirklich erreicht, ist nur, sich in der Illusion zu wiegen, es sei ihm gelungen, die Verantwortung für seine Taten auf andere abzuschieben.
Moderne Formen des Fatalismus finden wir weitverbreitet in dem Glauben,
- (1) die Geschichte folge bestimmten Gesetzen ('Historizismus'),
- (2) Ereignisse in der Kindheit legten unser späteres Leben fest (eine volkstümliche Interpretation der Lehre Freuds),
- (3) die Gesellschaft mache uns zu Verbrechern,
- (4) es ändere sich alles immer zum Schlechten (Pessimismus),
- (5) der Fortschritt komme automatisch,
- (6) die Naturgesetze seien deterministisch,
- (7) der Markt sei ein Naturgesetz, das alles auf's Beste regelt ('Neoliberalismus').
Jedes Mal geht es darum: "Wie werde ich die Verantwortung los?"
Führe die Liste fort!