Wie mein Buch auf die Welt kommt/ Rolle der Verlage und Buchhändler
Die Herausforderungen der digitalen Revolution führen dazu, dass die Buchindustrie bedeutende Veränderungen durchmacht. Die Buchverlage nahmen in den letzten zwei Jahrzehnten eher eine Defensivposition gegenüber dem Internet ein, weil sie die Auswirkungen auf das traditionelle Verlagswesen nicht abschätzen konnten. Sie taten sich schwer damit, „das Internet als wirklich neues Medium zu begreifen, das ganz eigenen Regeln folgt”[1] und die neuen Möglichkeiten und Chancen wahrzunehmen, die es bietet. Gleiches gilt auch für den Hype um das elektronische Buch.
Für einen großen Teil der Verlage sind E-Books erst einmal ein zusätzliches Glied in der kommerziellen Verwertungskette von Buch, Taschenbuch und Hörbuch. Innovative Verlage wie Springer sehen ihre zukünftige Rolle auch als Anbieter qualifizierter Online-Inhalte oder gar als Dienstleister derselben. Das Verständnis dafür, welche ungeahnten Möglichkeiten das World Wide Web bietet, entwickelt sich noch langsam. „Die heutige Situation in diesem Bereich ist vergleichbar mit dem frühen Film, der ohne Schwenks, ohne Zoom und ohne Ortswechsel versucht hatte, ein Theater zu simulieren, so wie der frühe Buchdruck versucht hatte, das Erscheinungsbild der Handschriften zu imitieren.”[2] Gravierender als das Verpassen von Chancen ist allerdings, dass die Buchverlage dabei sind, „die Fehler der Musik- und Filmbranche zu wiederholen. Sie machen ihren Kunden wenig befriedigende elektronische Angebote - und werben damit indirekt für illegale Alternativen. Doch Datenträgernostalgie ist lebensgefährlich. Und Papier nicht unsterblich”, meint Christian Stöcker, Ressortleiter Netzwerk beim Spiegel.[3]
In einer Umfragestudie an bayrischen wissenschaftlichen Bibliotheken fand Leo Matschkal heraus, dass nur noch bei der Hälfte der Studentinnen/Studenten eine klare Präferenz für gedruckte Lehrbücher besteht.[4] Wenn Studierende mit einem beschränkten Budget nur Teile oder Auszüge eines Buches benötigen, werden sie wenig Bereitschaft verspüren, den vollen Ladenpreis zu bezahlen. Das Internet bietet meist einen schnelleren und leichteren Zugang zu vielen Texten. Der Buchhandel sah sich gezwungen, den Kunden vorteilhaftere digitale Lösungen anzubieten. Die Preise für die E-Book-Variante sind durchschnittlich 20 % günstiger als das gedruckte Exemplar. Einige Verlage bieten auf ihren Onlineportalen kapitelweise Auszüge eines Titels im PDF- oder E-Book-Format zu einem reduzierten Preis an, allerdings können mehrere Kapitel schnell teurer sein als das Buch in gedruckter Form.[5]
Obwohl sich der E-Book-Umsatz zwischen 2011 und 2012 auf 2,4 % verdreifacht hat, muss man eher von Evolution als Revolution sprechen.[6] Elektronische Bücher konnten besonders im deutschsprachigen Raum nicht wirklich reüssieren. Die Hauptgründe dafür sind zum einen, dass die erhältlichen E-Reader nicht alle E-Book-Formate lesen können, und zum anderen, dass kommerzielle E-Books im Unterschied zu gebundenen Büchern weder verliehen, weitergegeben noch verkauft werden dürfen. Bemerkenswert ist zudem, dass sich die meisten E-Books immer noch dadurch auszeichnen, dass sie das gebundene Buch möglichst gut zu simulieren versuchen.
Auf der Digital Minds, einer alljährlich im Vorfeld der Londoner Buchmesse stattfindenden Konferenz, empfahl Neil Gaiman den Akteuren im Buchsektor, sich die Pusteblume zum Vorbild zu nehmen. Sie sollten eine Vielzahl von Dingen ausprobieren und akzeptieren, dass die meisten von ihnen nicht funktionieren würden.[7] Der Autor zahlreicher Comicbücher, Science-Fiction- und Fantasygeschichten formulierte die Richtschnur: “The model for tomorrow is try everything, make mistakes, fail, fail better.”[8]
Quellen