Zivilprozessrecht im 2. Staatsexamen: Die subjektive Klagenhäufung

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Subjektive Klagenhäufung oder Streitgenossenschaft bedeutet, dass auf der Kläger- und oder der Beklagtenseite mehrere Parteien stehen, für die das Urteil unmittelbare Rechtskraft erlangt. Das unterscheidet die subjektive Klagenhäufung von der Nebenintervention und der Streitverkündung. Streitgenossenschaft ist in allen Prozessarten möglich, die von der ZPO geregelt werden, also auch für Arrest, einstweilige Verfügung, Mahnverfahren und Zwangsvollstreckung.

Die Streitgenossenschaft kann notwendig sein, wenn eine Entscheidung nur gegenüber einer Mehrzahl an Parteien einheitlich ergehen kann, oder optional (sog. einfache Streitgenossenschaft).

Einfache Streitgenossenschaft[Bearbeiten]

Grundsatz[Bearbeiten]

Bei der einfachen Streitgenossenschaft werden mehrere Klagen, die auch selbstständig voneinander geführt werden könnten, in einem Prozess verbunden. Jeder Streitgenosse führt den Prozess daher grundsätzlich unabhängig von den anderen und ist von deren Prozesshandlungen nicht betroffen, § 61 ZPO. Zulässigkeit der Klage, Fristen, Säumnis, Rechtsmitteleinlegung und Rechtskraft müssen daher für jeden Streitgenossen gesondert geprüft werden.

Ausnahmen hierzu ergeben sich teilweise aus der ZPO, teilweise aus dem BGB:

Prozessual wird ein gemeinsamer Termin angesetzt, § 63 ZPO. Der Tatsachenvortrag eines Streitgenossen, der auch das Prozessrechtsverhältnis anderer Streitgenossen betrifft, wird allen betroffenen Streitgenossen zugerechnet, es sei denn, der Vortragende schränkt seinen Vortrag entsprechend ein, oder die anderen Streitgenossen widersprechen. Für solche gemeinsamen Tatsachen erfolgt die Beweiswürdigung nur einheitlich, das Gericht kann sich nicht im Widerspruch zu sich selbst setzen.

Materiellrechtlich kann bei der Klage gegen Gesamtschuldner (§§ 421 ff.Vorlage:§/Wartung/buzer BGB) oder Gesamtgläubiger (§§ 428 ff.Vorlage:§/Wartung/buzer BGB) ein Ereignis Auswirkungen auf alle Streitgenossen haben. Erfüllt z.B. einer der beklagten Gesamtschuldner die Forderung, muss der Kläger gegenüber allen Streitgenossen den Rechsstreit für erledigt erklären.

Zulässigkeit[Bearbeiten]

Neben der für jeden Streitgenossen gesondert zu prüfenden Zulässigkeit der Klage ist die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft selbst zu prüfen. Diese folgt den § 59, § 60 ZPO, sowie § 260 ZPO analog, da bei subjektiver Klagenhäufung aufgrund der voneinander unabhängigen Prozessrechtsverhältnisse immer auch eine objektive Klagenhäufung vorliegt.

Voraussetzung der Verbindung von Prozessen gegen mehrere Parteien ist die Zweckmäßigkeit einer gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Im Sinne dieses Kriteriums sind die §§ 59, 60 ZPO weit auszulegen. Eine trennscharfe Abgrenzung ist weder möglich, noch notwendig.

Rechtsgemeinschaft, § 59 Alt. 1 ZPO

z.B. Miteigentum, Gesamtschuld, Gesamthandsverhältnisse (Erbengemeinschaft, Gesellschaft, Gütergemeinschaft), Bürge und Hauptschuldner

Identischer Grund , § 59 Alt. 2 ZPO

z.B. Klage aus demselben gemeinschaftlichen Vertrag oder derselben unerlaubten Handlung

Gleichartigkeit der tatsächlichen oder rechtlichen Anspruchsgründe, § 60 ZPO

z.B. Klage des Vermieters gegen mehrere Mieter aus gleichem Anlass, Geltendmachung von Lieferansprüchen aus mehreren gleichartigen Kaufverträgen

Bei Fehlen dieser Voraussetzungen sind die Prozesse nach § 145 ZPO zu trennen, es handelt sich damit nicht um Sachurteilsvoraussetzungen.

Behandlung im Urteil[Bearbeiten]

Besonderheiten ergeben sich für die Nebenentscheidungen.

Kosten[Bearbeiten]

Obsiegen alle Streitgenossen trägt der Gegner nach § 91 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits.

Unterliegen alle Streitgenossen richtet sich deren Kostentragungspflicht nach § 100 ZPO. Sind die Streitgenossen Teilschuldner, werden die Kosten anteilig auf sie verteilt, § 100 Abs. 1 ZPO. Werden die Streitgenossen als Gesamtschuldner verurteilt haften sie nach § 100 Abs. 4 ZPO automatisch auch für die Kostenentscheidung gesamtschuldnerisch. Das wird in der Kostenentscheidung üblicherweise ausdrücklich erwähnt.

Haben einzelne Streitgenossen spezifische Kosten verursacht (z.B. indem sie Tatsachen bestritten haben, was eine Beweisaufnahme nötig gemacht hat), werden diese aus der allgemeinen Kostenentscheidung herausgetrennt und dem jeweiligen Verursacher auferlegt, § 100 Abs. 2 und 3 ZPO.

Falls einzelne Streitgenossen obsiegen, andere hingegen unterliegen, sind nach h.M. die § 91, § 92 ZPO kombiniert anzuwenden. Die Berechnung erfolgt nach der Baumbach'schen Formel.

Baumbach'sche Formel[Bearbeiten]

Dabei werden Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten getrennt behandelt. Der obsiegende Streitgenosse ist dabei von allen Kosten freizustellen. Für seine außergerichtlichen Kosten muss ihm ein Kostenerstattungsanspruch eingeräumt werden.

Beispiel: A verklagt B auf 10.000€ und C auf 5.000€. Der Klage gegen B wird in vollem Umfang stattgegeben, die Klage gegen C wird abgewiesen.

Bzgl. der außergerichtlichen Kosten der Beklagten kann man beide Prozessrechtsverhältnisse als völlig getrennt betrachten. Da A in vollem Umfang gegen C verloren hat, muss er die gesamten außergerichtlichen Kosten des C tragen. Da B in vollem Umfang gegen A verloren hat, trägt er seine gesamten eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Zu verteilen bleiben die außergerichtlichen Kosten des Klägers und die Gerichtskosten.

Hierzu wird zunächst der (ggfs. fiktive) Gesamtstreitwert des Prozesses berechnet. Dazu addiert man den Streitwert jedes geltend gemachten Anspruchs, hier also 10.000€ + 5.000€ = 15.000€

Anschließend lassen sich von diesem Streitwert ausgehend die jeweiligen Obsiegens- und Unterliegensanteile in eine Tabelle eintragen:

Beteiligter Unterliegensanteil Kostenanteil Kostenquote
A 5.000 € 5.000/15.000 1/3
B 10.000 € 10.000/15.000 2/3
C 0 € 0/15.000 0/3
Summe 15.000 € 15.000/15.000 1 (= 100 %)

A trägt folglich ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten und der Gerichtskosten, die anderen zwei Drittel trägt B.