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Enzyklopädie der populären Irrtümer/ Recht

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Vorwort: Nationaler Geltungsbereich

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Die hier beschriebenen Rechtsirrtümer und deren Berichtigungen beziehen sich, soweit nicht anders erwähnt, auf den deutschen Rechtsraum. Das deutsche Privatrecht geprägt vom Römischen Recht hat allerdings Verbreitung in viele europäische Länder, sogar bis weit in den Osten, gefunden (deutscher Rechtskreis). Auch die Urteilsfindung ist zumindest im kontinentaleuropäischen Rechtsraum einheitlich. Sie geschieht hauptsächlich über die Anwendung sich immerzu fortentwickelnder Gesetzesnormen, im Zweifel durch Auslegung und zur Schaffung einer einheitlichen Rechtssicherheit unter Heranziehung höchstrichterlicher Grundsatzentscheidungen – im Unterschied zum angloamerikanischer Rechtskreis, wo das Richterrecht dominiert und (zum Teil uralte) Präzedenzfälle Gesetzeskraft haben.

Schuldrecht: Nur was schriftlich festgehalten wurde, ist ein gültiger Vertrag

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Ein Vertrag setzt sich schlicht aus einem Angebot (z. B. des Händlers oder Handwerkers) und der Annahme (des Kunden) zusammen. Die meisten Verträge des alltäglichen Geschäfts werden mündlich oder sogar stillschweigend abgeschlossen und sind trotzdem vom Gesetz und vor Gericht als solche vollständig anerkannt.

Typisches Beispiel ist der Einkauf an der Supermarktkasse, wo häufig nicht einmal ein einziges Wort gewechselt wird. Auch bestimmte Gesten oder Rituale wie der Handschlag beim Pferdehandel oder das Heben der Hand bei einer Auktion sind bindend. Allein entscheidend für das Zustandekommen eines Vertrags ist die Willensübereinkunft und das dafür übliche, konkludente (schlüssig ableitbare) Handeln der Vertragspartner.

In der Praxis werden Verträge über kostspielige Objekte (Miete, Auto) zur Beweissicherung und zur Zusicherung oder Verweigerung bestimmter Eigenschaften und Leistungen schriftlich fixiert. Bestimmte Rechtsgeschäfte mit für die Betroffenen folgenschweren Inhalten wie etwa die Kündigung eines Miet- oder Arbeitsverhältnisses oder ein Darlehensvertrag bedürfen immer der Schriftform. Bei besonders weitreichenden Konsequenzen wie dem Kauf einer Immobilie (Grundstück, Haus, Eigentumswohnung), dem Ehe- oder Erbvertrag ist zusätzlich eine notarielle Beurkundung erforderlich.

Arbeitsrecht: Arbeitsverträge bedürfen immer der schriftlichen Form

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Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass ein Arbeitsvertrag seine Gültigkeit nur erhält oder behält, wenn er schriftlich fixiert wird. Stimmig daran ist allenfalls, dass sich die fehlende, versäumte Dokumentierung nachteilig gegen eine der beiden Vertragsparteien auswirken kann, hauptsächlich zu Ungunsten der Arbeitgeberseite. Dafür sind zwei Fälle hervorzuheben:

Das Arbeitsverhältnis soll vorläufig für die Dauer von 2 Jahren gelten → § 14 (2) TzBfG. Zur Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrags schreibt das Teilzeit- und Befristungsgesetz die „Schriftform“ vor → § 14 (4) TzBfG i.V.m. § 126 BGB. Ein „Formmangel“ bewirkt gemäß § 125 BGB die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts respektive einer Willenserklärung, wovon eben nicht zwangsläufig der Vertrag als Ganzes sondern nur ein Teil davon betroffen sein kann. Hat der Arbeitnehmer die Kenntnisnahme von der zeitlichen Begrenzung nicht mit seiner Unterschrift bestätigt, bleibt der Arbeitsvertrag in der Hauptsache wirksam, das Besondere – die „Befristung“ – jedoch nicht, wodurch dieses Arbeitsverhältnis wie jedes andere auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

Wenn es nach dem Nachweisgesetz geht, sollten für alle Arbeitsverhältnisse spätestens nach Ablauf von einem Monat die „wesentlichen Vertragsbedingungen“ schwarz auf weiß stehen§ 2 (1) Satz 1 NachwG – beachte auch § 1. Für den Arbeitnehmer wichtige Verbindlichkeiten wie Arbeitsort, Arbeitszeit, Art der Tätigkeit, Tarife und Kündigungsfrist sind kurz und bündig zu umschreiben. Versäumt der Arbeitgeber die Aushändigung einer von ihm unterzeichneten „Niederschrift“ dieser vorgegebenen Regelungen an den Arbeitnehmer, dann trägt er im Zweifelsfall die Beweislast und hat im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht den schlechteren Stand. Das (bereits eingegangene) Beschäftigungsverhältnis an und für sich bleibt davon unberührt (deklaratorische Wirkung).

Somit gilt für den Arbeitsvertrag, wie für die meisten Vertragsabschlüsse, dass schon die mündliche Vereinbarung bindend ist.

Deliktsrecht: Eltern haften (immer) für ihre Kinder

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Dieses gelbe Schild an Baustellenabsperrungen geht von der Befürchtung des Bauunternehmers aus, dass Kinder hier einen Abenteuerspielplatz suchen könnten und für angerichtete Schäden nur schwer heranzuziehen sind oder er für Verletzungen aufzukommen habe. Die Eltern sollen hiermit gewarnt sein. Ganz so einfach kann der Bauunternehmer sich allerdings nicht aus seiner Verantwortung stehlen und völlig pauschal sind Eltern für ihre Kinder nicht haftbar zu machen.

Zum einen hat auch der Unternehmer eine Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Vermeidung von Unfällen. Die zuvorderst gebotene Maßnahme gegen übermütige Kinder ist die Absperrung der Baustelle mit durchgehenden Zäunen. Zur Sicherungspflicht gehört ferner das Abziehen der Maschinenschlüssel, das Abdecken tiefer Gruben, die Beleuchtung von Ausweichpfaden und überhaupt die durchführbare, zumutbare Ausschaltung aller absehbaren Gefahrenquellen.

Zum anderen haften Eltern nicht immer. Für die Deliktshaftung Minderjähriger gelten altersmäßige Abstufungen: Bis zur Vollendung des siebten Lebensjahrs (des zehnten Lebensjahr bei fahrlässig herbeigeführten Unfällen im Straßenverkehr) ist ein Kind im Sinne des Privatrechts überhaupt nicht deliktsfähig und somit für einen von ihm angerichteten Schaden niemals haftbar. Bei älteren, zumindest minderjährigen Kindern gilt das gemäß § 828 (3) BGB ebenfalls, wenn ihnen „bei der Begehung der schädigenden Handlung (...) die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht“ fehlt. Immer dann könnte der Grundsatz „Eltern haften für ihre Kinder“ greifen, jedoch nur, wenn der Vormund seine Aufgaben vernachlässigt hat.

Ausschlaggebend für den Erfolg eines Schadensersatzanspruchs ist die nachweisbare Verletzung der Aufsichtspflicht eines zuständigen Erziehungsberechtigten. Zu beachten ist hierbei, dass im Sinne des § 832 eine Umkehr der Beweispflicht zu Lasten des Aufsichtspflichtigen besteht. Die Eltern müssen glaubhaft und nachvollziehbar darlegen, dass sie genügend auf ihre Sprösslinge aufgepasst und sie hinreichend über mögliche Gefahren und bestehende Verbote aufgeklärt haben. Die Grenzen und Richtlinien der Aufsichtspflicht sind maßgeblich durch Gerichtsurteile festgehalten worden, z. B. durch folgendes Urteil des Bundesgerichtshofs in 2009 (Az. VI ZR 51/08).

Ein Kleinkind hatte gemeinsam mit Spielkameraden Autos auf einem zur Wohnanlage gehörenden Parkplatz mit Glasscherben zerkratzt. Nach abschließender Einschätzung waren die Eltern für diese Beschädigung verantwortlich. Das Gericht gestand zwar zu, dass bei dem Kind keine „gesteigerte Aufsichtspflicht“ geboten war, weil es sich für sein Alter normal entwickelt und bis dahin keine Auffälligkeiten aufgewiesen habe. Daher mussten „die Beklagten mit einem Exzess dieses Ausmaßes nicht rechnen“. Auch würden Belehrungen über die Beachtung fremden Eigentums „in Anbetracht des Spieltriebs“ in diesem Alter wenig Sinn machen. Aber gerade deswegen müsse „ein Kind im Alter von 5½ Jahren auf einem Spielplatz in regelmäßigen Abständen von höchstens 30 Minuten kontrolliert“ werden. Das Gericht befand die von der Mutter angegeben 40 Minuten als zu lang. Festzuhalten bleibt jedoch, dass bei einer angemessenen Beaufsichtigung die Autobesitzer leer ausgegangen wären.

In einem anderen Fall hatte ein 9-Jähriger eine Scheune angezündet. Die Richter des OLG Köln hielten 2010 fest (Az. 24 U 155/09), der Junge sei alt genug gewesen, erkennen zu können, dass ein kleines Strohfeuer ausreicht, die gelagerten Strohballen und infolge die gesamte Scheune in Brand setzen zu können. Vorläufig hatte der geschädigte Bauer Pech gehabt, da die Eltern außen vor blieben und der Knabe selbst naturgemäß keine Einnahmequelle hatte. Allerdings besteht für Schadensersatzansprüche aus Deliktshaftung → § 823 eine Verjährungsfrist von mindestens 3 Jahren → § 195 ab Kenntnis von Schaden und Schuldner → § 199 (1). Bei „Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit“ → § 199 (2) und in allen (!) Fällen, sobald der Geschädigte einen vollstreckbaren Titel (Urteil, Vollstreckungsbescheid) in den Händen hält → § 197 (1), gilt eine Frist von 30 Jahren. Unter Berücksichtigung einer steten Erneuerung der Verjährung nach § 212 (1) kann also selbst ein im Sinne des § 19 StGB schuldunfähiges Kind aufgrund eines "dummen Jungenstreichs" zur Abzahlung enormer Schadensersatzforderungen für den Rest seines Lebens verpflichtet werden.

Deliktsrecht: Eltern haften für Raubkopien ihrer Kinder

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Seit geraumer Zeit hat die Mahnung „Eltern haften für ihre Kinder“ erhöhte Aufmerksamkeit erlangt mit der grassierenden Verletzung von Urheberrechten durch das Hoch- und Herunterladen geschützter künstlerischer Werke im Internet. Wenig bis gar nicht verfolgt wird das Umgehen des digitalen Kopierschutzes von DVDs an sich, wenn es sich um Privatkopien oder Kopien für Angehörige und enge Freunde handelt. Auf der Fahndungsliste steht vielmehr das systematische Filesharing, genauer die massenhafte Verbreitung aber auch Aneignung illegaler Film- und Musikkopien in Tauschbörsen über Peer-to-Peer-Netzwerke im WWW oder auf LAN-Parties.

Aber anders als die Filmindustrie eine Zeit lang in Kino- und TV-Werbespots suggerieren wollte, sind die strafrechtlichen Konsequenzen, soweit es sich nicht um gewerbliche Raubkopien handelt, nicht mal so schwerwiegend. Empfindlicher dagegen können den Jugendlichen oder seine Eltern die finanziellen Forderungen des Geschädigten treffen, vorweg die anwaltlichen Kosten für ein Abmahnverfahren respektive die Unterlassungsaufforderung → § 97 (1) i.V.m. § 97a (3) UrhG und im schlimmsten Fall der Schadensersatz für entgangene Gewinne aus der Vermarktung der betroffenen Medieninhalte → § 97 (2). Aber auch hierbei ist die elterliche Haftung an eine unzureichende Erfüllung der Aufsichtspflicht gebunden.

Nach einem Grundsatzurteil des BGH von 2012 (Az. I ZR 74/12) „genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt“. Ergänzend zu dieser Entscheidung hielt der BGH in 2015 fest (Az. I ZR 7/14): „Nicht ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben.“

Strafrecht: Beamtenbeleidigung ist schlimmer als "normale" Beleidigung

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Der Irrtum: Die Beamtenbeleidigung ist kein offizieller Begriff und sie ist keine qualifizierte Straftat wie etwa die gefährliche Körperverletzung → § 224 StGB, die strenger bestraft wird als die einfache Körperverletzung → § 223. Ein Polizist wird de jure insofern nicht bevorzugt als für ihn dieselben rechtlich geschützten Interessen anerkannt werden wie für jeden anderen Bürger auch. Einfache Staatsbedienstete genießen vorweg keine exklusiven Rechts- oder Schutzgüter. Vor Ehrverletzungen besonders geschützt sind einzig Verfassungs- und andere höhere Staatsorgane → § 90, § 90b, § 188. Gegenüber einem Ordnungshüter unflätig zu werden, fällt gleichermaßen unter den Tatbestand der Beleidigung wie einen Verkäufer im Laden zu beschimpfen → § 185. Letzterer steht, obwohl er ja auch nur seinen Job macht, in der Regel aber dumm da.

Das Körnchen Wahrheit: Warum eine Beamtenbeleidigung aller Lebenserfahrung nach dennoch härtere Konsequenzen als eine gewöhnliche Beleidigung nach sich zieht, ist das Ergebnis einer verfahrensrechtlich unterschiedlichen Abwicklung. Die Beleidigung ist ein Antragsdelikt → § 194 (1). Ist davon ein einfacher Bürger betroffen, leitet die Staatsanwaltschaft auch bei Kenntnis der Tat oder einer Anzeige durch Dritte von sich aus keine Ermittlungen ein, sondern wird erst nach einem Strafantrag des Opfers tätig, was an sich schon ein Indiz dafür ist, dass ein Einschreiten von Amts wegen nicht unbedingt als notwendig angesehen wird.

Bei Beleidigung von Amtsträgern ist hingegen zusätzlich der Dienstvorgesetzte antragsberechtigt → § 194 (3), was an sich schon den höheren Stellenwert dieses Antrags unterstreicht. Die Einleitung eines Strafverfahrens oder Beantragung eines Strafbefehls hängt von der Entscheidung des Staatsanwaltes darüber ab, ob die Verfolgung im öffentlichen Interesse liegt. Bei der Beleidigung eines Beamten wird das eher bejaht, zumal die Tat während der Ausübung eines Dienstes am Staat stattfindet. Bei Beleidigungen gegen Privatleute wird das Ermittlungsverfahren häufig nach § 153 (1) StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt und der Betroffene verwiesen auf den Privatklageweg → § 374 ff., der in der Praxis wenig aussichtsreich ist.

Bosheiten unter dem gemeinen Fußvolk werden halt von den Strafverfolgungsbehörden überwiegend als Bagatelldelikt bzw. Privatangelegenheit abgetan. Die Herabwürdigung eines Uniformträgers erhält beinahe automatisch den Status eines Offizialdelikts, wofür es einen inoffiziellen Strafkatalog gibt. Obgleich diese Sorte Beleidigung keine hervorgehobene Stellung im materiellen Recht besitzt, wird ihre beharrliche Ahndung über die Anwendung formellen Rechts nicht ganz zufällig von einem Vertreter des Staats begünstigt. Die Ansetzung empfindlicher Geldstrafen ergibt sich allein durch die routinemäßige Bestätigung des öffentlichen Interesses. Die Tatsache, dass die Ehrenkränkung eines Polizisten häufiger angeklagt und höher bestraft wird, erweckt somit den Eindruck: „Beamtenbeleidigung kommt teuer zu stehen.“

Grundrechte: Beamten darf man nicht offen die Meinung sagen

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Auch hier spielt der rechtlich unbestimmte Begriff der Beamtenbeleidigung mit hinein. Immerhin hat die neuere Rechtsprechung oberster Gerichte zu einer beachtlichen Relativierung dieses privilegierten Ehrenschutzes an den Grundrechten geführt, woran man den Wandel eines Obrigkeitsstaats zu einem demokratischen Rechtsstaat deutlich erkennen kann.

In einem Fall aus dem Jahr 2015 ging es um T-Shirts und Anstecker mit dem Aufdruck „FCK CPS“, was für „Fuck Cops“ steht (wenn man die fehlenden Vokale hinzufügt). Das Bundesverfassungsgericht hat beschlossen (Az. 1 BvR 1036/14), dass eine abfällige Äußerung über Polizisten im Allgemeinen keine Beleidigung darstellt, es fehle die „personalisierende Zuordnung“. Wenn nur eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis zum Ausdruck käme, sei das durch das Recht auf freie Meinung gedeckt.

In einem ähnlich gelagerten Fall entschied dasselbe Gericht bereits Mitte der 1990er Jahre (Az. 1 BvR 1476), das Anbringen von Aufklebern mit dem Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ sei nicht strafbar. Mit Bezug auf diesen Beschluss ließ das Amtsgericht Berlin-Tiergarten dann im Jahr 2000 (Gesch.-Nr. 238 Cs 877/99) die Parole „A.C.A.B.“ für „All Cops Are Bastards“ gelten mit der Begründung, dass „das Kollektiv, um beleidigungsfähig zu sein, klar abgrenzbar“ statt „unüberschaubar“ sein müsse, z. B. Polizisten des Reviers XY oder Soldaten der Kaserne XY.

Im Jahr 2004 entschied das Bayerische Oberste Landesgericht (Az. 1 St RR 153/04), die Bezeichnung im Straßenverkehr patrouillierender Polizisten als „Wegelagerer“ könne kaum als Vorwurf kriminellen Verhaltens gewertet werden. Es sei dem Angeklagten darum gegangen, die Kontrolle und ihre Umstände zu kritisieren, und nicht den Beamten persönlich zu diffamieren. Es gehöre zum Kernbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit jedes Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren.

Im Jahr 2003 hatte ein Journalist in einer TV-Talkshow einen Berliner Staatsanwalt als „durchgeknallt“ tituliert. 2009 hob das Bundesverfassungsgericht eine Verurteilung auf (Az. 1 BvR 2272/04) mit der Feststellung, dass keine derart gravierende Ehrverletzung stattgefunden habe, deretwegen keine Abwägung mehr zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Geschädigten und der Meinungsfreiheit des Beschuldigten vorgenommen werden müsse. Eine unzulässige Schmähkritik läge erst dann vor, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

Zum Grundrecht, seine Meinung in selbstbestimmter Form zum Ausdruck zu bringen, gehöre auch, dass der Äußernde von ihm als verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für die zu kritisierende Art der Machtausübung angreifen kann, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente seiner Äußerung aus diesem Kontext herausgelöst betrachtet werden und als solche die Grundlage für eine einschneidende gerichtliche Sanktion bilden.

Verwaltungsrecht: Man muss sich gegenüber der Polizei immer ausweisen können

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Alle Deutschen sind verpflichtet, stets über einen gültigen Ausweis zu verfügen, sobald sie das 16. Lebensjahr vollendet haben → § 1 (1) Satz 1 PAuswG. Es muss nicht unbedingt der Personalausweis sein. Mit der Ausstellung eines Passes ist der Ausweispflicht ebenso Genüge getan → § 1 (2) Satz 3 PAuswG i.V.m. § 1 (2) Nr. 1 PaßG. Somit kann der Reisepass den Personalausweis vollständig ersetzen bzw. überflüssig machen; der Führerschein hingegen reicht nicht.

Von der Ausweispflicht befreit werden können Personen, die körperlich oder psychisch erheblich beeinträchtigt sind und sich dauerhaft in Betreuung oder Pflegschaft befinden → § 1 (3) PAuswG.

Ausländer müssen, abgesehen von Notlagen, während ihres Aufenthalts einen Pass besitzen → § 3 (1) AufenthG, auch EU-Bürger → § 8 (1) Nr. 2 FreizügG/EU. Bei der Ein- und Ausreise sollten sie ihn ggfs. unverzüglich zur Hand haben.

Auf Bundesgebiet gilt: Das Mitführen eines Ausweises in der Öffentlichkeit ist allgemein nicht vorgeschrieben. Folgerichtig begeht man für gewöhnlich keine Ordnungswidrigkeit, wenn man vergessen oder einfach unterlassen hat, seinen Pass oder Perso mitzunehmen. Unabhängig davon, ob man diese Dokumente mit sich trägt, darf niemand, auch kein Polizist, ohne besonderen Grund darauf bestehen, dass ein Bürger sich ausweist. Ausnahmen gibt es schon.

Eine Mitführungspflicht besteht während der Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Branchen, in denen der Verdacht der illegalen Beschäftigung sprich Schwarzarbeit nahe liegt → § 2a (1) SchwarzArbG. Betroffen davon sind u.a. Bauarbeiter, Gebäudereiniger, Kopfschlächter, Brummi- und Taxi-Fahrer, Kellner, Kirmesleute und Prostituierte. Auf Verlangen müssen diese Arbeitskräfte den Zollkontrolleuren ihren Ausweis an Ort und Stelle vorlegen.

Zur Gefahrenabwehr und bei dringenden Verdacht der Begehung einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat, ist die Polizei selbstverständlich gefordert und zweifelsohne berechtigt, die Personalien der Angetroffenen, der Tatverdächtigen und der Tatzeugen aufzunehmen → § 163b (1) Satz 1, (2) Satz 1 StPO, § 13 (1) Nds.SOG. Falls das vor Ort "nur unter erheblichen Schwierigkeiten" möglich ist, weil die Betreffenden etwa keine Papiere bei sich haben, können diese für die Dauer der Überprüfung festgehalten werden und dazu auch auf das Revier mitgenommen werden → § 163b (1) Satz 2, (2) Satz 2 StPO, § 13 (2) Nds.SOG (die Höchstdauer der Festhaltung ist in den Polizeigesetzen der Länder unterschiedlich geregelt; NRW: 12 h, Niedersachsen: 6 h).

Die Polizei muss, sobald die persönlichen Daten ermittelt sind und kein "Haftgrund" für eine Untersuchungshaft → § 112 (1), (2) StPO vorliegt, die Beteiligten auf freiem Fuß lassen und darf keinesfalls unter dem Vorwand einer Verifizierung diese weiterhin festsetzen, wie es der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil im Jahr 2010 bekräftigte (Az. 1 S 338/10). Soweit ein Datenabgleich oder die Erhebung weiterer Umstände trotz bereits erfolgter "Identitätsfeststellung" überhaupt zulässig ist, hat diese Ermittlung nur im Rahmen des "Anhalterechts", also am Ort des Geschehens und kurzzeitig, stattzufinden.

Das weitergehende Recht der Festhaltung darf, da es eine erhebliche Freiheitsbeschränkung bedeutet, nicht ausgedehnt werden auf eine Befragung über die Identifikation hinaus. Droht kein weiterer Schaden, hat die Polizei stattdessen die "Vorladung" oder "Vorführung" zu veranlassen → § 16 (1) Nds.SOG. Beschuldigte sind nicht verpflichtet, dieser Aufforderung nachzukommen; Zeugen sind es seit einer Verschärfung der Strafprozessordung Ende 2017 immer dann, wenn die Polizei sie im Auftrag der Staatsanwaltschaft vorlädt → § 163a (3) Satz 1 StPO. Bei Zuwiderhandlung droht ein Zwangsgeld.

In folgenden gefahrenträchtigen Situationen hat der Verantwortliche zur unmittelbaren Überprüfung seiner Qualifikation durch befugte Ordnungshüter die amtlichen Berechtigungsnachweise bereit zu halten. Kraftfahrer von entsprechend schnellen Fahrzeugen müssen im Straßenverkehr ihren Führerschein → § 4 (1) Satz 1, (2) FeV und eine Zulassungsbescheinigung (Fahrzeugschein) → § 11 (6) FZV dabei haben, Jäger oder Inhaber des Jagdrechts → § 3 BJagdG bei der Jagdausübung einen Jagdschein → § 15 (1), und Waffenbesitzer, wenn sie eine Schusswaffe "außerhalb des befriedeten Besitztums" tragen, ihren Personalausweis, einen Waffenschein und eine Waffenbesitzkarte → § 38 (1) WaffG. Für das Mitführen von "Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen" reicht der "kleine Waffenschein" aus → § 10 (4) Satz 4.

Kaufrecht: Einzelhändler sind an Werbung gebunden

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Bekanntlich kommt ein Kaufvertrag durch Angebot und Annahme zustande. Man könnte annehmen, dass die folgende Situation den Verkäufer zu einem Kaufvertrag zwingt: Eine Werbung (Prospekt, Anzeige, Handzettel) oder ein Anschlag am Supermarkt-Regal nennt einen falschen (zu niedrigen) Preis; der Kunde versteht das als Angebot, geht zur Kasse und will zu diesem Preis den Kaufvertrag abschließen (will also dieses Angebot annehmen).

Das ist eine falsche Interpretation: Die Werbung und auch das Preisschild am Regal sind juristisch nur eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Der Käufer gibt das Angebot ab, indem er die Ware an der Kasse vorlegt; sein Angebot lautet sozusagen: „Ich möchte zu diesen Bedingungen einen Kaufvertrag abschließen.“ Der Verkäufer kann dann „Ja“ oder „Nein“ sagen; wenn der falsche Preis zu niedrig ist, kann er also dieses Angebot ablehnen.

Zu beachten ist jedoch, dass eine von der Werbung abweichende Preisauszeichnung grundsätzlich auf einen Wettbewerbsverstoß hindeutet → § 1 (7) PangV i.V.m. § 3 (1), § 5 (1) Nr. 2 UWG, wenn das Angebot dazu geeignet ist oder sogar darauf ausgerichtet ist, Kunden in den eigenen Laden zu locken und darüber anderen Anbietern abzuwerben. Ob der Verstoß aus Unkenntnis der Vorschriften oder ohne Absicht begangen wird, ist unerheblich. Für Konkurrenten mit einem vergleichbaren Warensortiment ergäbe sich ein (für den Antragsgegner) kostenträchtiger Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung. Der BGH hat in einem Urteil in 2007 (Az. I ZR 182/05) diese Stringenz in mehrfacher Hinsicht relativiert:

In dem Fall wurde insbesondere berücksichtigt, dass durch ein elektronisches Kassensystem sichergestellt war, dass dem Kunden an der Kasse nur der „beworbene und eingescannte Preis“ berechnet wurde. Aber auch der subjektive Aspekt wurde in Betracht gezogen mit dem zeitgemäßen Befund, dass der durchschnittliche, mündige, aufgeklärte Verbraucher sich nicht durch falsche Preisauszeichnungen in „relevanter Weise“ irreführen lasse, oder verführen lasse zu unbedachten Kaufentscheidungen – vergleiche § 3 (4) UWG. Zusammenfassend stellte das Gericht fest, dass „nicht jede Zuwiderhandlung gegen die Preisangabenverordnung ... zugleich einen Wettbewerbsverstoß“ darstellt. „Bagatellverstöße gegen die Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit reichen dafür nicht aus“ – vergleiche § 3 (2).

Kaufrecht: Die Abmachung „gekauft wie gesehen“ ist unwiderruflich

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Diese Klausel findet sich überwiegend in Kfz-Kaufverträgen. Sie fußt nicht unmittelbar auf einer gesetzlichen Grundlage, ist aber ein rechtlich anerkannter Vertragsbestandteil und kann zu erheblichen Einbußen oder sogar Zurückweisungen von Ansprüchen aus der Sachmängelhaftung nach § 433 (1) i.V.m. § 437 BGB für nachträglich festgestellte Makel am Gebrauchtwagen oder allgemein Kaufgegenstand führen.

Im Unterschied zu gewerblichen Händlern können sich private Verkäufer von der Haftungspflicht – unter Berücksichtigung der Klauselverbote in § 309 – umfassend befreien durch die Standardformel „Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“, wie es im Anhang vieler eBay-Angebote so oder ähnlich auch vermerkt ist. Der Vorbehalt „gekauft wie gesehen“ allein bewirkt hingegen keinen generellen Haftungsausschluss und setzt obendrein eine leibhaftige – wenn auch nur laienhafte – Musterung voraus. Eine positive Kaufentscheidung ist hier letztlich an den persönlich überprüften und für gut befundenen Allgemeinzustand des Objekts der Begierde geknüpft.

Wie es so treffend heißt, „Augen auf beim Autokauf“, so ist die Klausel „gekauft wie gesehen“ schon wörtlich zu nehmen, geht aber über das reine in Augenschein nehmen hinaus. So kann der Käufer eines in die Jahre gekommenen Schlittens später nicht reklamieren, dass die alte Klapperkiste beim Anfahren ruckelt, aus dem Getriebe Schmieröl tropft und die Tür hinten links etwas klemmt, was er mit bloßem Auge nicht hat erkennen können. Typisch zu erwartende Gebrauchsspuren eines Altwagens wie kleine Dellen und Kratzer sind per se von der Gewährleistung ausgeschlossen. Außerdem ist es jedem Interessenten unbenommen, auf eine kleine Probefahrt zu bestehen und wenigstens einen flüchtigen Blick unter die Motorhaube zu werfen oder einen Gebrauchtwagen-Check durch den ADAC oder TÜV durchführen zu lassen. Über offensichtliche Mängel, auch wenn sie ihm entgangen sind, darf der vermeintlich Geprellte sich hinterher nicht beschweren. Entscheidend ist, was er bei genauem Hinsehen und Ausprobieren auch in Abwesenheit eines Sachverständigen hätte entdecken können.

Anders verhält es sich bei versteckten bzw. verdeckten Mängeln, die dem ungeschulten Auge des Betrachters unverschuldet entgangen sind. Zu nennen wäre, dass der Tachostand manipuliert wurde, die Karosserie durch einen schweren Unfall stark verzogen oder gar eine Radachse wegen Materialermüdung angeknackst ist. Verschweigt der Verkäufer arglistig – also vorsätzlich wider besseren Wissens – solche sicherheitsrelevanten oder erheblich wertmindernden Mängel, die nicht ohne weiteres ersichtlich oder herauszufinden sind, dann kann er sich nicht mehr auf den von einer oberflächlichen Untersuchung des Kaufobjekts abhängigen Haftungsausschluss berufen.

Unabhängig von alledem haftet ein Verkäufer eventuell für schriftlich oder mündlich zugesicherte Eigenschaften§ 444. Ist das Auto als „fahrtüchtig“ angepriesen worden, kann diese Zusicherung u.U. trotz eines (parallel) vereinbarten Gewährleistungsausschlusses das Recht auf Rückabwicklung heilen. Hierbei wird an einen Gebrauchtwagenhändler ein höherer Maßstab angelegt, weil sich der Käufer „auf die besondere Erfahrung und Sachkunde des Händlers verlässt und in dessen Erklärungen daher die Übernahme einer Garantie sieht“.

Der Privatverkäufer dagegen steht „gleichwertig“, also auf Augenhöhe zum Käufer und muss nur für „dasjenige einstehen (...), was er nach seiner laienhaften Kenntnis zu beurteilen vermag“. Bei seinen Beteuerungen wird allenfalls eine „einfache Beschaffenheitszusage“ gemäß § 434 (1) vermutet und keine „Beschaffenheitsgarantie“. Aber auch für ihn gilt: „Die Erklärung, ein zum sofortigen Gebrauch auf öffentlichen Straßen verkauftes Fahrzeugs sei 'fahrbereit', bedeutet, dass das Fahrzeug nicht mit verkehrsgefährdenden Mängeln behaftet ist, auf Grund derer es bei einer Hauptuntersuchung als verkehrsunsicher eingestuft werden müsste. Wird ein Fahrzeug zum sofortigen Gebrauch auf öffentlichen Straßen verkauft, so kann der Käufer im Allgemeinen erwarten, dass es sich in einem Zustand befindet, der seine gefahrlose Benutzung im Straßenverkehr erlaubt“ (OLG Hamm 2009).

In allen genannten Schadensfällen, bei denen die Klausel „gekauft wie gesehen“ nicht mehr greift, kann der Käufer die üblichen Gewährleistungsansprüche im vollen Umfang geltend machen. In Frage kommen vor allem die Beseitigung des Mangels → § 439, die Minderung des Kaufpreises → § 441 und schließlich der Rücktritt vom Vertrag → § 323 einschließlich der Erstattung des Kaufpreises → § 346 (1).

Sachenrecht: Auf meinen Grund muss ich niemanden drauflassen

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Das Recht auf Eigentum ist ein Grundrecht → Artikel 14 GG. Eine Beschilderung ist nicht mal erforderlich. Es reicht, wenn zusammenhängende Eingrenzungen wie Mauern, Zäune oder Hecken deutlich zu erkennen geben, dass der Zugang Unbefugten verwehrt sein soll.

Der Eigentümer kann nach Gutdünken darüber entscheiden, wer einen Fuß auf seinen Grund und Boden setzen darf und „andere von jeder Einwirkung ausschließen“ → § 904 BGB, allerdings „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“. Art. 14 (2) GG fordert sogar eine gesellschaftliche Verantwortung ein: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Dem entgegen wird das Schild „Betreten verboten“ zu absolut gesehen und nicht selten an Stellen aufgestellt, wo es nicht hingehört.

Im Fall des Notstands muss jeder Einwirkungen auf sein Eigentum dulden, sprich die Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben aber auch für Hab und Gut, die im Gegenzug eine Verletzung der Grundstücksgrenzen und mitunter die Beschädigung der Immobilie erforderlich machen. Abzuwägen ist zwischen den Folgeschäden durch das Eingreifen und denen der absehbaren Gefahr, um Schadensersatzforderungen zu vermeiden → § 904, § 228 BGB. Plastisch ausgedrückt: Brennt die Gartenhütte des Nachbars, darf man mehr kaputt machen als wenn nur zu befürchten ist, dass ein überhängender, morscher Ast abbrechen könnte.

Vorübergehende Störungen durch Baumaßnahmen des Nachbarn oder der Straßenverkehrsbehörde, die ohne Begehung und Benutzung des eignen Grundstücks nicht oder nur sehr schwer durchführbar sind, sind nach Vereinbarung über einen materiellen Ausgleich zu dulden – bei Gefahr in Verzug, etwa der Absenkung einer Fahrbahn, sogar ohne Abrede. Für sonstige Immissionen (Lärm, Gestank, Erschütterungen) besteht bei „unwesentlicher Beeinträchtigung“ ein Toleranzgebot. „Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind“ → § 906. Für alle genannten Nachteile hat der Leidtragende einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

Sachenrecht: Anwohner dürfen nicht über mein Grundstück laufen

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Natürlich muss jedem Bürger der Zugang von seiner Wohnung zum Straßenverkehr ermöglicht werden. Ist seine private Behausung also durch ein fremdes Grundstück vom öffentlichen Wegenetz abgetrennt, darf er es in schonender Weise überqueren und der Nachbar hat diese Inanspruchnahme im notwendigen, erträglichen Rahmen zu dulden → § 917, § 918 BGB.

Wer wie für die Bereitstellung und Wartung des Überwegs Sorge zu tragen hat, wird vertraglich, notfalls durch Urteil geregelt. In der Praxis üblich ist die Eintragung des Überwegungsrecht ins Grundbuch. Das Grundstück ist damit dauerhaft mit dieser Grunddienstbarkeit belastet, die auf den Nachfolger übertragen wird → § 1018. Fehlt dieser Eintrag, kann das Anrecht auf Überquerung auch durch die Gepflogenheit gesichert werden, dass ein Weg auf fremden Grund über viele Jahre ohne Beanstandung bereits benutzt wurde (Gewohnheitsrecht), wie es das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein 2006 bekräftigte (Az. 3 U 41/06). Ein Anspruch auf Notwegerente sprich Wegezoll hat der Nachbar dann nicht.

Das Abstellen eines Fahrzeugs auf Kundenparkplätzen vor Geschäften, Betrieben, Dienstleistern ist außerhalb der Öffnungszeiten i.d.R. zu dulden. Ansonsten kann das wilde Parken auf privaten Geländen, ob Wohnsiedlung oder grüne Wiese, auch ohne Verbotsschilder, zum kostenpflichtigen Abschleppen führen. Das Zuparken von widerrechtlich abgestellten Fahrzeugen , um den Halter dingfest zu machen, gilt indes als Nötigung → § 240 (1) StGB.

Besitzer von Parzellen in einem Uferbereich müssen es sich in vielen Fällen gefallen lassen, dass Wanderer über ihr Grundstück gehen, um Umwege zu vermeiden und den See entspannt mit Ausblick aufs Wasser genießen zu können. Angler mit dem erforderlichen Fischereischein haben das Recht, zum Erreichen ihrer zugelassenen Fischgründe (Teiche, Flüsse, Bäche) Privatgrundstücke zu durchqueren und zu benutzen.

Sachenrecht: Fremde Haustiere haben in meinem Garten nichts zu suchen

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Ein weiterer Anlass für Grenzstreitigkeiten sind eindringende Haustiere, etwa entlaufenes Vieh, welches das Feld des Anrainers verwüstet, oder der Hund, der seine Notdurft täglich auf dem Rasen des Nachbars verrichtet. Der Geschädigte kann vom Tierhalter eine strafbewehrte Unterlassung verlangen → § 1004 BGB, so dass dieser im Wiederholungsfall eine vereinbarte Vertragsstrafe zu zahlen hat.

Halter sogenannter Luxustiere (Hund, Katze, Maus) haben getreu der abstrakten Gefährdungshaftung unabhängig vom eignen Verschulden für entstandene Schäden stets aufzukommen, bei Nutztieren (Rind, Schwein, Blindenhund) nur bei Missachtung der erforderlichen Sorgfalt§ 833.

Das einzige Haustier, das über eine großzügige Narrenfreiheit verfügt und für welches eine Duldungspflicht im Sinne des Rechtsgrundsatzes über ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis besteht, sind einzelne (!), in ihrem Revier umherstreifende Katzen. Ein gewisses Maß an Katzendreck im eignen Garten muss hingenommen werden, auch die Jagd auf frei fliegende Vögel. Laut einem Urteil des LG Lüneburg aus 2004 (Az. 4s48/4) kann der Nachbar auf die Haltung von höchstens zwei frei laufenden Katzen beschränkt werden. Für die Tötung von Haustieren (Stallkaninchen, Teichkois) durch das Raubtier, Beschädigungen von Pflanzen oder Kratzspuren am Auto ist Ersatz zu leisten und für Abhilfe zu sorgen.

Harmlose Abschreckungsmaßnahmen wie der Einsatz von Wasserspritzen oder Geruchsstoffen dürfen ergriffen werden. Brutale Methoden wie das Auslegen von Giftködern oder Beschießen mit Luftgewehren verstoßen gegen das Tierschutzgesetz → § 1, § 13 (1) TierSchG. Eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern kann die Haltung typischer Kleintiere (Hund, Katze, Maus) nicht durch mehrheitliche sondern nur durch einstimmige Entscheidung verbieten.

Öffentliches Recht: Reiter und Sportler kann ich aus meinem Wald ausschließen

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Der Aufenthalt in freier Natur (Wald, Feld und Flur), selbst auf Privatbesitz, ist im Sinne eines allgemein anerkannten Erholungsrechts gestattet → § 1 BWaldG. Bei Beachtung der Interessen von Forst- und Landwirten und des Landschafts-, Pflanzen- und Tierschutzes können sich Pilz- und Beerensammler, Spaziergänger und Jogger frei bewegen.

Auch Radfahrern oder Reitern kann der Zugang nicht verwehrt werden, wenn sie befestigte Pfade benutzen → § 14 (1), deren „Errichtung und Unterhaltung“ der Waldbesitzer im Gegenzug zu dulden hat → § 13 (2). Er darf auch nicht willkürlich einen Weg als ungeeignet bezeichnen und ihn für Reiter einfach sperren. Für Mountainbiker sollten nach Möglichkeit festgelegte Routen angeboten werden.

Öffentliches Recht: Das Baden in meinem See kann ich verbieten

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Große Gewässer, zumeist auch Baggerseen in Privatbesitz sind zum Baden und am Strand liegen freizugeben, soweit besondere Nutzungen oder Gefährdungen dem nicht entgegen stehen. Diese Erlaubnis ist entsprechend dem Grundsatz vom Gemeingebrauch in den meisten Ländergesetzen festgehalten oder wird nachträglich durch die Wasserbehörde des Landkreises erteilt → § 25 WHG.

Zelten, Feuer machen und Angeln muss nicht geduldet werden. Ein Badeverbot wegen Keimbelastung und Beschränkungen in hoheitlich ausgewiesenen Natur-, Wild-, Vogel- und Wasserschutzgebieten sind selbstredend von den Erholungssuchenden zu beachten. Solche Auflagen können aber nur von Behörden und nicht von Privatleuten erlassen werden.

Öffentliches Recht: Hunde und Katzen darf man nicht im Garten beerdigen

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Es dürfen nicht nur verstorbene Wellensittiche oder Hamster im eigenen Garten vergraben werden, sondern auch tote Hunde und Katzen. Nach § 27 (3) TierNebV ist das grundsätzlich erlaubt. Zur Absicherung sollte ein formloser Antrag beim örtlichen Veterinäramt gestellt werden. Die Zustimmung wird i.d.R. erteilt, wenn das Tier nicht durch eine ansteckende, meldepflichtige Krankheit umgekommen ist (Seuchengefahr) und wenn die Grabstätte nicht gerade in einem Wasserschutzgebiet liegt oder in Bremen, wo aufgrund des hohen Grundwasserstands Tierbegräbnisse auf privaten Grund untersagt sind.

Der Abstand des Grabes zu öffentlichen Wegen sollte mindestens einen Meter betragen und die Tiefe wenigstens einen ½ Meter, so dass streunende Tiere den Kadaver nicht ohne weiteres ausbuddeln können. Verboten ist und mit Bußgeld geahndet wird, größere Tiere in der Biotonne zu entsorgen oder im Wald zu verscharren. Wer den verfügbaren Garten nicht vollwertig sein Eigen nennen kann (das gilt für Wohnungseigentümer und Kleingartenpächter), sollte eine Tierbestattung etwa in einem Tierfriedwald in Erwägung ziehen oder den dahingeschiedenen Vierbeiner von einer kommunalen Tierkörperbeseitigungsanstalt abholen lassen, die gegen eine angemessene Gebühr dazu verpflichtet ist → § 8 (1) TierNebG.