Zu den grundlegenden Strategien beim Go gehören das Verbinden der eigenen Steine und das Schneiden (d.h. Trennen) der gegnerischen Steine. Leben und Tod einzelner Steine und Gruppen hängen davon ab, ob sie mit einer lebenden Gruppe verbunden sind. Werden einzelne Gruppen von einer lebenden Gruppe abgeschnitten, so können sie im weiteren Spielverlauf getötet werden. Deshalb ist ein intensives Studium der verschiedenen Möglichkeiten zum Verbinden eigener Steine und zum Trennen der gegnerischen Steine sehr wichtig, um die eigene Spielstärke zu erhöhen.
Verbindung bezeichnet nicht nur direkt angelegte Steine, sondern auch den gedachten Weg zwischen zwei eigenen Steinen, die dann die Endpunkte sind. Der Weg ist eine vorläufige Grenzlinie, die im weiteren Verlauf zu einer Kette werden kann. Gleichzeitig sind die Gitterpunkte des Wegs mögliche Angriffspunkte für den Gegner. Ein Überblick gibt Dia 1, wobei die Wegpunkte rot eingekreist sind.
Generell gilt, dass bedrohte oder angriffene Verbindungen unmittelbar zu verteidigen sind, selbst wenn die Endpunkte nicht wieder verbunden werden können. Bedroht der Gegner eine Verbindung durch diagonales oder gerades Anlegen an einen Wegpunkt, ist die passende Antwort, genau diesen Wegpunkt zu besetzen. Wird mehr als ein Wegpunkt bedroht, besetzt man denjenigen, der direkt neben dem Angriffsstein liegt. Die Ausnahme ist eine Bedrohung des oben in der Mitte gezeigten Kosumi, die nicht beantwortet werden muss.
Betrachtet man die verbundenen Steine als Gruppen (oder zumindest potentielle Gruppen) kann man ihrer Form verschiedene Eigenschaften zuschreiben. Die wichtigsten Eigenschaften sind:
direkt/indirekt: Ein Stein wird direkt an einen Eigenen gelegt oder nicht
sicher/unsicher: Angriffsmöglichkeiten des Gegners
schnell/langsam: Bezieht sich auf den durch den Zug gewonnenen Einfluss
leicht: Beschreibt einen Stein oder eine Gruppe, die nicht sicher ist, aber dafür taktisch flexibel und im Notfall geopfert werden kann
Eher als Beschreibung für größere Gruppen:
schwer: Gruppe, die man schwer opfern kann, aber deren Verteidigung ebenfalls kostspielig ist
dick: Gut verbunden, gutes Augenpotential und/oder guter Einfluss
dünn: Gegenteil von dick
Im Folgenden werden die sechs grundlegende Verbindungen vorgestellt und bezüglich ihrer Eigenschaften und Möglichkeiten diskutiert. Insbesondere wird untersucht, wie diese Verbindungen vom Gegner angegriffen bzw. geschnitten werden können. Die verschiedenen Verbindungen werden hier bewusst mit ihren üblichen japanischen Bezeichnungen vorgestellt, da sie sich so besser als eigenständige, fundamentale Spielzüge einprägen. Die Entscheidung, welcher Stein zu spielen ist, liegt oft im Spannungsfeld sicher/unsicher <-> schnell/langsam. Die Reihenfolge hier entspricht der abnehmenden Sicherheit der Verbindung.
Nobi (jap. 伸び) ist ein direktes Anfügen eines eigenen Steins (Dia 1). Diese Art der Verbindung hat einerseits den Vorteil, dass diese Verbindung nicht mehr von gegnerischen Steinen durchbrochen bzw. geschnitten werden kann. Andererseits erhöhen sich durch Nobi die Freiheiten des Steins bzw. der Gruppe um 2. Der Nachteil ist, dass Nobi langsam ist und durch den Zug nur wenig neues Gebiet kontrolliert wird. In Brettbereichen ohne gegnerischen Einfluss ist ein Nobi daher sinnlos.
Dia 2
Eine weitere Eigenschaft des Nobi ist, dass die direkten Erweiterungen (a in Dia 2) in gegensätzliche Richtungen zeigen, von denen eine oftmals wertlos ist. Damit nimmt sich der Spieler selbst Flexibilität, wenn er beispielsweise fliehen muss.
Kosumi (jap. コスミ) ist ein diagonales Anfügen eines eigenen Steins (Dia 1).
Dia 2
Dia 3
Dia 4
Er ist etwas schneller als Nobi, kann aber theoretisch an den Wegpunkten angegriffen werden. Wenn allerdings Weiß versucht zu schneiden, kann Schwarz auf dem anderen, dann noch freien Wegpunkt fest verbinden (Dia 2). Die in Dia 3 gezeigte Antwort ist im Allgemeinen zu vermeiden, da der zu erwartende Gewinn niedrig ist.
Kosumi ist somit fast genauso sicher wie ein Nobi. Ein Angriff auf einen der Schnittpunkte erfolgt deshalb allgemein zunächst über die in Dia 4 gekennzeichneten Punkte, die die Lebenspunkte (jap. Kyusho 急所) des Kosumi sind.
Dia 5
Schlecht ist Kosumi als Annäherung oder Kontaktspiel, wenn Weiß schon vorher einen Stein auf einem der roten Kreise hat (Dia 5). Hierdurch generiert Schwarz selbst eine Form (sogenannte "schwache Diagonale"), die schlecht ist, da jetzt eine Verbindung automatisch zum leeren Dreieck wird.
Dia 6
Im Gegensatz zum Nobi zeigen die direkten Erweiterungen des Kosumi in verwandte Richtungen, die den Spieler beweglicher machen (Dia 6).
Ikken-Tobi (jap. 一間トビ) ist ein Überspringen von einem Punkt entlang einer Linie (Dia 1).
Es heißt "Ikken-Tobi ist nie ein schlechter Zug". Das bedeutet, dass dieser Zug gute eigene taktische Möglichkeiten hat und der Gegner nur unter Gefahr angreifen kann. Wenn einem nichts einfällt, dann spielt man einen Ikken-Tobi.
Dia 2
Dia 3
Dia 4
Bedrohungen des Wegpunkts, können durch einfaches Schließen der Lücke beantwortet werden (Dia 2).
Um Ikken-Tobi zu schneiden, muss der Angreifer direkt auf die Position a zwischen die beiden Steine setzen. Darauf kann Schwarz allerdings direkt einen Atari-Gegenangriff starten, den Weiß dann mit dem Zug 3 beantworten muss, um seinen angreifenden Stein zu retten (Dia 3).
Die mit einem roten Kreis kennzeichneten Stellen sind nun zwei mögliche Schnittpunkte an denen Weiß den Angriff fortsetzen kann. Wie man auf Dia 4 sehen kann, wird nun Schwarz zunächst versuchen einen dieser Schnittpunkte zu schließen, während Weiß mit dem Zug 5 den Angriff an dem anderen Schnittpunkt fortsetzt. Für Schwarz empfiehlt es sich daraufhin mit einem Nobi den schwarzen Stein links, vor einem direkten Angriff zu schützen. Weiß kann nun auf a verlängern und hätte so den Ikken-Tobi geschnitten. Allerdings drohen den angreifenden weißen Steinen Gefahren, sollten sich weitere schwarze Steine in der Umgebung befinden.
Dia 5
Dia 6
Eine sehr gute Form entsteht, wenn ein Ikken-Tobi durch ein Kosumi erweitert wird (Dia 5). Versucht Weiß nun einen Angriff wie oben, wird er kläglich scheitern (Dia 6).
Dia 7
Dia 8
Dia 9
Ein Ikken-Tobi in Kombination mit einem Nobi (Dia 7) ist ebenfalls 100% sicher gegen einen 1-Stein-Angriff. Greift Weiß auf a an, kann Schwarz seine Gruppen leicht verbinden (Dia 8). Allerdings hat die schwarze Gruppe eine latente Schwäche gegen ein weißes Zucken (jap. Nozoki ノゾキ) auf b. Kann Schwarz nicht sofort antworten, hat Weiß die Möglichkeit dazwischen zu gehen und erfolgreich zu schneiden (Dia 9).
Dia 10
Dia 11
Dia 12
Dia 13
Kann Schwarz im Gegenzug antworten, hat er mehrere Möglichkeiten (Dia 10). Schlecht ist eine direkte Verbindung auf a, da wieder ein leeres Dreieck entsteht. Die Sicherheitsvariante wäre b, wobei hierbei der schwarze Einfluss gering ausfällt, wenn man bedenkt das er vier Steine gespielt hat und Weiß nur einen. Solide ist die Antwort auf c, die in die Sequenz von Dia 11 mündet. Schwarz ist zwar etwas überkonzentriert, hat aber eine mögliche Treppe und eine gute Basis für die Fortsetzung. Ein Stein auf c eignet sich ebenso wie die Standardantwort d in Dia 12, wenn das umgebende Gebiet neutral bis leicht feindlich ist.
Vielleicht optimal ist der Zug auf e, der den unverschämten Stein unter Druck setzt (Dia 13). Dabei zu bedenken ist die entstehende Schwachstelle auf a, so dass diese Antwort idealerweise einen eigenen Steine auf den Kreisen hat. Dann wird Weiß nach oben gedrängt und Schwarz kann auf A seine Gruppe sichern.
Niken-Tobi (jap. 二間トビ) ist ein Überspringen von zwei Punkten entlang einer Linie (Dia 1). Der Niken-Tobi kann vielfältig geschnitten werden. Häufig wird Niken-Tobi als 2-Punkt-Erweiterung (jap. Niken biraki 二間開き) in der Eröffnungsphase entlang der Seite gespielt, da die Verbindung schnell und leicht ist und gleichzeitig größeren Einfluss als Ikken-Tobi gibt.
Dia 2
Dia 3
Drohungen wie in Dia 2 werden mit einer Verlängerung beantwortet. Ein direkter Angriff wie in Dia 3 führt zwangsläufig zu einem Schnitt, allerdings bleibt der Angreifer auch mit zwei Gruppen zurück.
Keima (jap. ケイマ) kann als Rösselsprung bezeichnet werden und ist die Kombination eines Nobi mit einem Kosumi in einem einzigen Zug (Dia 1). Folglich ist er schneller als diese Beiden, aber natürlich auch unsicherer.
Dia 2
Dia 3
Dia 4
Dia 5
Drohungen wie in Dia 2-5 werden standardmäßig wie gezeigt beantwortet. In Fällen bei denen beide Wegpunkte bedroht werden (Dia 2), wird der direkt am Angriffsstein anliegende Wegpunkt verteidigt.
Dia 1
Dia 2
Wird der Keima direkt angegriffen, besteht die Antwort in der Besetzung des noch freien Wegpunkts (Dia 1). Ohne Unterstützung sollte ein Keima allerdings nicht angegriffen werden. Nach dem Kreuzschnitt Weiß 3 hat Schwarz sente und kann beispielsweise den ursprünglichen Schnittstein in einer Treppe fangen (Dia 2).
Dia 3
Dia 4
Dia 5
Für den Fall, dass eigene Steine in der Nähe sind, ist ein Schnitt auf der Gegenseite vorteilhafter (X in Dia 3). Schneidet Weiß auf dem anderen Wegpunkt, kann Schwarz auf X ausweichen und bleibt stark.
Spielt Schwarz als Antwort innen und stößt dazwischen, kann Weiß zwei Steine abtrennen (Dia 4). Daher wird Schwarz eher ein Hane außen spielen, um die Abtrennung des einzelnen Steins () zu kompensieren (Dia 5).
Wie die Sequenz in Dia 6-8 zeigt, ist der Keima ein guter, flexibler Verteidigungszug (Zug a). Schneidet Weiß auf b, kann Schwarz ihn nach oben treiben. Als Resultat hat Schwarz großen Einfluss nach außen und Weiß eine schwere Form.
Ogeima (jap. 大ゲイマ) kann als großer Rösselsprung bezeichnet werden und meint ein Überspringen von zwei Punkten in eine Richtung plus einen Schritt in senkrechter Richtung dazu (Dia 1).
Dia 2
Dia 3
Dia 4
Dia 5
Drohungen wie in Dia 2-5 werden standardmäßig wie gezeigt beantwortet.
Dia 1
Dia 2
Dia 3
Dia 4
Ohne weitere Steine in der Nähe beginnt Weiß den Schnitt in der Regel mit einem Kosumi-Kontakt (Dia 1). Schwarz verlängert den attackierten Stein (Dia 2). Für die Fortsetzung des Angriffs muss Weiß berücksichtigen, ob Schwarz eine Treppe spielen kann. Ist keine Treppe möglich, ist Weiß 3 eine Fortsetzung (Dia 3). Ansonsten benötigt Weiß sente und muss vor dem Schnitt Weiß 5 zunächst verlängern (Dia 4).
Dia 5
Dia 6
Hat der Angreifer Unterstützung, gilt ähnliches wie beim Keima und der Angriff erfolgt auf der Gegenseite (Dia 5+6).
Diagonalsprung(jap. Hazama tobi ハザマ飛び), 3-Punkt-Sprung(jap. Sangen biraki jap. 三間開き) und der riesige Rösselsprung(jap. Daidaigeima 大大ゲイマ) sind keine Verbindungen mehr, da der Gegner durch den Zug auf einen Symmetriepunkt die Gruppen sofort trennen kann.
Der Diagonalsprung wird als chinesische Übersetzung auch Elefantensprung genannt. Er wird ebenso wie die beiden anderen Züge als Erweiterung gespielt, wenn die lokale Stellung es zuläßt. Die Züge im Abstand 3 sind sicherer, wenn auf den X ein weiterer Stein vorhanden ist.
Steine können auch eine Verbindung mit dem Rand bilden. Von taktisch großer Bedeutung sind diese Verbindungen zu Beginn des Spiels, da dafür nur ein Stein notwendig ist. Im Gegensatz zu einem 3-Punkt-Sprung zwischen zwei Steinen, kann die Verbindung zum Rand im Abstand 3 gut verteidigt werden.
Angriffe oder Drohungen auf Randverbindungen sind Bestandteil der später behandelten Joseki. Grundsätzlich festzuhalten ist, dass Steine, die eine Randverbindungen im Abstand 1 oder 2 haben, vor der Endspielphase nur von innen attackiert werden sollten.
Der Diamant (jap. Ponnuki ポン抜き) ist die typische Form, die verbleibt wenn ein einzelner gegnerischer Stein (in Brettmitte) geschlagen wurde. Auch wenn die 4 Steine eine Freiheit umgeben, ein Auge ist dies noch nicht!
Bei einem Tigerrachen (jap. Kaketsugi カケツギ) würde sich jeder direkte Angreifer sofort selber Atari setzen. Daher ist diese Verbindung gegen direkte Angriffe gut gesichert.
Die Bambusverbindung (jap. Takefu タケフ) ist eine sichere indirekte Verbindung zweier Gruppen. Diese Verbindung ist etwas ungewöhnlich, da die Gruppen nicht zueinander hin verbunden werden. Mitunter kann diese Verbindung aber die "Rettung in letzter Sekunde" sein.
Das leere Dreieck wird allgemein als "schlechte Form" angesehen, kann aber, abhängig von der Spielsituation, in seltenen Fällen auch einen guten Zug darstellen. Dennoch sind gerade Anfänger sehr anfällig dafür, sie zu spielen. Entsprechend bedeutet dies, dass man schnell eine erstaunliche Verbesserung der eigenen Spielqualität beobachten kann, wenn man das leere Dreieck vermeidet.
Im Vergleich mit der anderen Form aus drei zusammenhängenden Steinen, sieht man, dass das leere Dreieck eine Freiheit weniger hat und zusätzlich weniger Gebiet kontrolliert.
Im Gegensatz dazu kontrollieren zwei Steine nach einem Kosumi (ganz rechts) ein fast gleichgroßes Gebiet. Allerdings hat der Spieler einen Stein gespart, den er woanders effektiver setzen kann.
Die Verbindung der Diagonalsteine ist ähnlich stark wie im leeren Dreieck, da man im Falle eines Angriffs die Steine zu einem vollen Dreieck verbinden kann. Daneben hat die Diagonalform noch den Vorteil, dass man die Steine einzeln opfern kann und nicht sofort drei Steine verliert.
Eine Stange (jap. Botsugi 棒継ぎ) bezeichnet eine Reihe aus drei oder mehr Steinen derselben Farbe. Alleinstehend ist diese Form relativ sinnlos. Sie ist zwar sicher, aber ihr Einfluss gering. Im Spiel entsteht sie natürlicherweise aus dem Ikken-Tobi, wenn der Gegner angreift und wird dann häufig zu einer Wand.
Der Klumpen (jap. Dango 団子) ist das Paradebeispiel für eine schwere Form. Er ist noch hässlicher als eine Stange. Hat kaum Einfluss, kein Auge und wenig Freiheiten. Zu allem Überfluss kann man ihn auch schlecht erweitern (das macht ihn noch größer und hässlicher) und wenn man ihn opfert, gewinnt der Gegner viel. Wenn man auf das Brett sieht und viele eigene Klumpen entdeckt, ist die Aufgabe nicht weit.
Das lokale taktische Verbinden und Schneiden beim Go wird als Haeng-Ma bezeichnet. Der Begriff kommt aus dem
Koreanischen und bedeutet soviel wie: "die Bewegung der Steine". Der Begriff umfasst alle Aspekte des Verbindens und
Trennens bezogen auf eine lokale Spielsituation. So gelten manche Verbindungen als stark aber langsam, andere als
schwach aber schnell. Ein korrektes Haeng-Ma zeichnet sich durch lokale Befestigung der Spielsituation bei gleichzeitig
hoher territorialer Effizienz der eingesetzten Steine aus und stellt somit die Grundlage für eine spätere Gebietskontrolle dar.