Rechte und Pflichten im Umgang mit der Polizei/ Beschlagnahmen
Zusammenfassung: Alle Gegenstände, die als Beweis dienen, einbezogen werden dürfen oder die eine Gefahr für ein Rechtsgut darstellen, dürfen mit richterlicher Anordnung oder bei Gefahr im Verzug beschlagnahmt werden.
Allgemeines
[Bearbeiten]Hinweis: In einigen Gesetzen wird zwischen Beschlagnahme und Sicherstellung unterschieden. Der Einfachheit halber werden beide Begriffe in diesem Buch gleichgesetzt.
Beschlagnahme bedeutet im weitesten Sinne, dass die Polizei einen entsprechende Gegenstand mitnimmt. In Ausnahmefällen kann es aber vorkommen, dass dieser Gegenstand nur gekennzeichnet wird.
- §111c StPO
„Die Beschlagnahme einer beweglichen Sache wird dadurch vollzogen, dass die Sache in Gewahrsam genommen wird. Die Beschlagnahme kann auch dadurch vollzogen werden, dass sie durch Siegel oder in anderer Weise kenntlich gemacht wird.“
Im letzterem Fall darf der Gegenstand nicht verkauft und nicht benutzt werden, wenn dies nicht außdrücklich (u.U. unter Auflagen) erlaubt wird. Außerdem kann eine beschlagnahmte Ware gegen Zahlung seines Wertes "freigekauft" werden. Diese Möglichkeit liegt aber im Ermessen des Gerichts, man hat keinen Anspruch darauf diese Option nutzen zu dürfen. Sie wird im Regelfall auch nur erlaubt, wenn es sich um ein Verfahren handelt, bei dem es um die Zahlung eines Geldbetrages geht; nicht jedoch bei Straftaten.
- §111d StPO
„(1)Die Vollziehung der Beschlagnahme eines Gegenstandes hat die Wirkung eines Veräußerungsverbotes [...]
(2) Eine beschlagnahmte bewegliche Sache kann dem Betroffenen zurückgegeben werden, wenn er einen den Wert der Sache entsprechenden Geldbetrag beibringt. [...]. Sie kann dem Betroffenen auch unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zur vorläufigen weiteren Benutzung bis zum Abschluss des Verfahrens überlassen werden; die Maßnahme kann davon abhängig gemacht werden, dass der Betroffene Sicherheit leistet oder bestimmte Auflagen erfüllt.“
Beschlagnahme von Beweismitteln
[Bearbeiten]Alle Gegenstände, die für eine polizeiliche Untersuchung als Beweismittel interessant sind, dürfen beschlagnahmt werden. Das sind z.B. Tatgegenstände wie Waffen, Drogen aber auch z.B. Videoaufzeichnungen der Tat. Sofern der Betroffene kein Zeugnisverweigerungsrecht hat, muss er diese auch herausgeben, sonst drohen Ordnungs- und Zwangsmittel (siehe Unmittelbarer Zwang).
- §94 Abs. 1 StPO
„Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen“
- §95 StPO
„(1) Wer einen Gegenstand der vorbezeichneten Art in seinem Gewahrsam hat, ist verpflichtet, ihn auf Erfordern vorzulegen und auszuliefern.
(2) Im Falle der Weigerung können gegen ihn die in § 70 bestimmten Ordnungs- und Zwangsmittel festgesetzt werden. Das gilt nicht bei Personen, die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind.“
Ausgenommen von der Beschlagnahmung sind Aufzeichnungen, die eine Mitteilung enthalten (z.B. Briefe, E-Mails etc.), wenn sich diese nicht bei dem Beschuldigten befindet (sondern der anderen Person, den die Mitteilung betrifft, sei es der Sender oder Empfänger) und diese ein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Das gilt nicht für Postsendungen, die bei der Post selbst (oder anderen Unternehmen, die diese verschickt haben) beschlagnahmt werden. Für diese gelten die selben Bedingungen wie bei jeder anderen Beschlagnahme; sie dürfen aber nur vom Gericht geöffnet werden, es sei denn, das Gericht überträgt dies in dringenden Fällen an die Staatsanwaltschaft. Ferner dürfen keine Gegenstände beschlagnahmt werden, die sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht von Berufsgeheimnissträgern (wie ein Arzt, Seelsorger oder Anwalt), beziehen. Das sind z.B. Krankenakten oder auch nur Notizen. Sollte dieser Geheimnisträger (also Arzt, Anwalt usw.) im Verdacht stehen, selber an der Straftat beteiligt zu sein, entfällt das Beschlagnahmeverbot an dieser Stelle.
- §97 Abs. 1 &2 StPO
„(1) Der Beschlagnahme unterliegen nicht
1. schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die [...] das Zeugnis verweigern dürfen;
2. Aufzeichnungen, welche [Berufsgeheimnissträger] über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht haben, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt;
3. andere Gegenstände einschließlich der ärztlichen Untersuchungsbefunde, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht [von Berufsgeheinmnissträgern] erstreckt.
(2) Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind [...]. Der Beschlagnahme unterliegen auch nicht Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht der Ärzte, Zahnärzte, Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen erstreckt, wenn sie im Gewahrsam einer Krankenanstalt oder eines Dienstleisters, der für die Genannten personenbezogene Daten erhebt, verarbeitet oder nutzt, sind, sowie Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht [...] erstreckt, wenn sie im Gewahrsam der in dieser Vorschrift bezeichneten Beratungsstelle sind. Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren. [...]“
- §99StPO
„Zulässig ist die Beschlagnahme der an den Beschuldigten gerichteten Postsendungen und Telegramme, die sich im Gewahrsam von Personen oder Unternehmen befinden, die geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken. Ebenso ist eine Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen zulässig, bei denen aus vorliegenden Tatsachen zu schließen ist, daß sie von dem Beschuldigten herrühren oder für ihn bestimmt sind und daß ihr Inhalt für die Untersuchung Bedeutung hat.“
- §100 Abs. 3 StPO
„Die Öffnung der ausgelieferten Postsendungen steht dem Gericht zu. Es kann diese Befugnis der Staatsanwaltschaft übertragen, soweit dies erforderlich ist, um den Untersuchungserfolg nicht durch Verzögerung zu gefährden. Die Übertragung [...] kann jederzeit widerrufen werden. [...]“
Eine Beschlagnahme muss immer verhältnismäßig sein. Bei bestimmten sensiblen Gegenständen gilt ebenfalls ein Beschlagnahmeverbot, wenn das Interesse der Polizei (zur Strafverfolgung bzw. Aufklärung) das (Geheimhaltungs-)interesse nicht eindeutig (!) überwiegt. Das sind nach derzeitiger Rechtsprechung private Tonaufnahmen (Vorsicht: Auch Videoaufnahmen können Ton enthalten) und Tagebücher.
- BGH, Urteil vom25.02.1998
„So führt eine verfassungskonforme Auslegung des § 97 Abs. 1 StPO auch in dort nicht ausdrücklich genannten Fällen zu einem Beschlagnahmeverbot, wenn das Geheimhaltungsinteresse des Beschuldigten das Strafverfolgungsinteresse des Staates eindeutig überwiegt. Von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang anerkannte Fallgruppen sind private Tonbandaufzeichnungen [...] oder Tagebucheintragungen, die nicht zur Kenntnis Dritter bestimmt sind [...], wobei in diesen Fällen regelmäßig eine Abwägung im Einzelfall stattzufinden hat.“
So dürfen z.B. auch keine Notizen eines Beschuldigten beschlagnahmt oder anders verwertet werden, wenn er sie zu seiner Verteidigung im entsprechenden STrafverfahren angefertigt hat.
- BGH, Urteil vom 25.02.1998
„Unterlagen, die sich ein Beschuldigter erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren anfertigt, dürfen weder beschlagnahmt noch gegen seinen Widerspruch verwertet werden.“
Eine Durchsicht von z.B. Tagebüchern ist allerdings nicht grundsätzlich verboten, solange dies vorsichtig und verhältnismäßig geschieht.
- VerfG, Urteil vom 17.11.2017
„Besteht Anlass zu der Annahme, dass ein privates Tagebuch auch Aufzeichnungen über strafrechtlich relevantes Verhalten enthält, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dieses im Strafverfahren zu verwerten.[...] Bei der diesbezüglichen Durchsicht ist größtmögliche Zurückhaltung zu wahren.“
Von Interesse sind dabei die schwere der vorgeworfenen Tat, die Dauer der Beschlagnahme und in wie weit dies den Betroffenen in seinem Leben einschränkt bzw. wie hoch der Schaden ist. Bei schweren Straftaten ist nahezu jede Beschlagnahme verhältnismäßig. Bei Vergehen müssen die Verfahren jedoch zügig beendet werden. So ist es z.B. nicht verhältnismäßig, ein Fahrzeug über 6 Jahre wegen eines Vergehens einzubehalten. Dies gilt besonders, wenn der betroffenen Gegenstand nicht mehr als Beweis dient.
- KG Berlin, Urteil vom17.08.2006
„Hehlerei [zählt] jedoch als Vergehen nicht zur schweren Kriminalität [...]. Nach mittlerweile bis dahin über 6 1/2 jähriger Verfahrensdauer ist die Zumutbarkeitsgrenze überschritten. Dem Angeklagten ist die Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeugs jahrelang entzogen worden.“
Ein Beispiel für eine Verhältnismäßige Beschlagnahmung (bezieht sich zwar auf die Beschlagnahme eines Tatmittels, s.u., lässt sich aber wohl hierauf übertragen): Für eine Beschuldigung, die Freiheitsstrafen von bis zu 2 bzw. 5 Jahren vorsieht, wurde ein Notebook und ein Handy beschlagnahmt. Beide haben eine im Vergleich zum angedrohtem Strafmaß geringen Wert. Würde es sich um Beweismittel handeln, wäre vermutlich auch die Beschlagnahme weitaus wertvollerer Gegenstände verhältnissmäßig.
- BGH, Urteil vom 12.07.2007
„Notebooks werden auch in gehobener Ausstattung für Preise zwischen 1.000 und 2.000 € angeboten, Mobiltelefone sind für wesentlich geringere Preise erhältlich. Im Hinblick auf die Strafe, die für den Beschuldigten im Falle einer Verurteilung im Raume stünde, kann nicht davon die Rede sein, dass die Einziehung von Gegenständen mit einem solchen, vergleichsweise geringen Wert außer Verhältnis zur Bedeutung der Taten und zu dem gegen den Beschuldigten gerichteten Tatvorwurf stünde; denn wegen der naheliegend gewerbsmäßigen Begehungsweise kommen [...] Freiheitsstrafen über zwei Jahre in Betracht[...]. [Mit dem zusätzlich erhobenen Vorwurf der Geheimdienstlichen Agententätigkeit sogar bis zu 5 Jahre].“
Auch muss beachtet werden, ob es andere Wege zur Aufklärung gibt als eine Beschlagnahmung, die einen geringeren Schaden für den Betroffenen bedeuten. Dies gilt insbesondere bei sensiblen Schriftstücken aus dem Privatbereich (z.B. persönliche Briefe oder Tagebucheinträge). So darf z.B ein Brief nicht beschlagnahmt werden, um eine Schriftprobe zu erlangen, wenn eine solche Probe bereits in anderen, weniger sensiblen Unterlagen vorliegt.
- BGH, Urteil vom 23.10.2008
„Insbesondere ist bei der Beschlagnahme eines Briefes zu verlangen, dass sich hieraus Erkenntnisse ergeben können, die die Ermittlungsbehörden anderweitig nicht ebenso gut erlangen können. Steht eine Handschriftprobe des Gefangenen bereits zur Verfügung oder lässt sich diese unschwer aus amtlichen Unterlagen beschaffen, so ist die Beschlagnahme eines Briefes allein unter dem Gesichtspunkt seiner Verwendung als Handschriftprobe daher unverhältnismäßig.“
Ähnlich wie bei Durchsuchungen dürfen Dinge nur auf Anordnung eines Richters, bei Gefahr im Verzug auch durch Staatsanwaltschaft oder Polizisten selbst durchgeführt werden. Erfolgte keine gerichtliche Anordnung und waren weder der Betroffene noch ein Angehöriger bei der Polizeimaßnahme anwesend muss innerhalb von 3 Tagen ein Gericht nachträglich darüber entscheiden. Gegen die Beschlagnahme kann von dem Betroffenen oder einem Angehörigen Einspruch eingelegt werden. Daraufhin muss ebenfalls eine Gerichtsentscheidung nach spätestens 3 Tagen vorliegen. Ansonsten lassen sich wohl die gerichtlichen Entscheidungen aus dem Kapitel Körperliche Untersuchung bzgl. Dokumentation in den Akten und Art und Umfang der Anordnung sowie die Rechtskraft der Beweise, sollten die Vorgaben nicht eingehalten worden sein, auf die Beschlagnahme übertragen.
- §98 Abs. 1&2 StPO
„(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen [...] angeordnet werden. [...]
(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. [...]“
Beschlagnahmen müssen den Betroffenen mitgeteilt werden, wenn dieser bei der Maßnahme nicht anwesend war. Ein Zurückhalten dieser Mitteilung aus ermittlungstaktischen Gründen ist unzulässig. Eine Ausnahme stellt die verdeckte Ermittlung dar, die jedoch nur unter besonderen Umständen durchgeführt werden darf.
- BGH, Urteil vom 04.08.2015
„Bei der Beschlagnahme [...] handelt es sich um eine offene Ermittlungsmaßnahme, deren Anordnung den davon Betroffenen und den Verfahrensbeteiligten bekannt zu machen ist. Die fehlende Bekanntmachung ist auch dann rechtswidrig, wenn den Strafverfolgungsbehörden dabei keine Willkür zur Last gelegt werden kann und wenn aufgrund eines „nachvollziehbaren Interesses“ an der Geheimhaltung der Beschlagnahme von der Bekanntgabe abgesehen wird. Es ist nicht Sache der Ermittlungsbehörden oder Gerichte, in Individualrechte eingreifende Maßnahmen des Strafverfahrens je nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen zu gestalten; sie sind vielmehr an das Gesetz gebunden.“
Wurde eine Beschlagnahme durch ein Gericht aufgehoben oder wird es nicht mehr benötigt, müssen die betroffenen Gegenstände selbstverständlich unverzüglich zurückgegeben werden. Um dies sicherzustellen, müssen benannte Gegenstände klar gekennzeichnet werden. Sollten sie verloren gehen oder beschädigt sein, können Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden; unabhängig davon, ob die Beschlagnahme rechtmäßig war oder nicht.
- §111n StPO
„Wird eine bewegliche Sache, die [als Beweismittel!] beschlagnahmt worden ist, für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt, so wird sie an den letzten Gewahrsamsinhaber herausgegeben.“
- KG Berlin, Urteil vom 17.08.2006
„Die Aufhebung der Beschlagnahme führt grundsätzlich dazu, daß die beschlagnahmten Gegenstände an den letzten Gewahrsamsinhaber herauszugeben sind.“
- §109 StPO
„Die in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände sind genau zu verzeichnen und zur Verhütung von Verwechslungen durch amtliche Siegel oder in sonst geeigneter Weise kenntlich zu machen.“
Einziehung von Gegenständen
[Bearbeiten]Alle Gegenstände, die nach dem StGB eingezogen werden, dürfen beschlagnahmt werden. Einziehung bedeutet, dass der entsprechende Gegenstand nicht zurückgegeben wird.
- Definition EInziehung
„Enteignung und Eigentumsübergang auf den Staat durch rechtsgestaltenden Akt“
Dabei reicht es aus, wenn es den Polizisten wahrscheinlich erscheint, dass die Gegenstände eingezogen werden sollen. Diese Annahme muss begründet sein. Außerdem muss gegen den Beschuldigten ein Anfangsverdacht bestehen. "Ein Anfangsverdacht liegt vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte (Indizien) für eine Straftat vorliegen. Nach kriminalistischer Erfahrung muss es also möglich erscheinen, dass eine verfolgbare Tat vorliegt. Eine bloße Vermutung reicht indes nicht." (juraforum.de).
- §111b Abs.1 StPO
„Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes vorliegen, so kann er zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden. [...]“
- BGH, Urteil vom 12.07.2007
„Gründe, die [...] die Beschlagnahme einer Sache zur Sicherung der Einziehung rechtfertigen, liegen vor, wenn gegen den Beschuldigten der Anfangsverdacht [...] strafbaren Handelns gegeben ist und auf dieser Grundlage eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die zu beschlagnahmende Sache [...] der Einziehung unterliegen.“
Eingezogen werden vor allem folgende Gegenstände: Taterträge (z.B. Diebesgut), Tatmitteln oder Objekten (z.B. verwendete Einbruchswerkzeuge), Tatprodukte, Gefährliche Gegenstände (z.B. Schusswaffen, wenn man keinen Waffenschein besitzt) und Schriften, Bilder, Datenträger u.ä., deren Verbreiten eine Straftat wären und mindestens ein Exemplar oder eine Kopie bereits in Umlauf gebracht wurde oder dazu bestimmt ist. Sind Tatertrag oder Tatmittel nicht verfügbar, z.B. weil es verkauft wurde, darf stattdesssen auch ein Geldbetrag in dessen Wert beschlagnahmt werden (vgl. §73 ff). Dabei ist, bis auf die Einziehung der Taterträge, die Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. §74f).
Wenn der Besitzer des Gegenstandes nichts mit der Tat zu tun hat, kann er innerhalb von 6 Monaten dieses zurückverlangen. Ausnahmen sind entzogene Gefährliche Gegenstände und in einigen Fällen Tatmittel, Tatobjekte oder Tatprodukte.
- §75 StGB
„(1) [...] In anderen Fällen [=der Entzogene Gegenstand gehört einem Dritten] geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit Ablauf von sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung auf den Staat über, es sei denn, dass vorher derjenige, dem der Gegenstand gehört oder zusteht, sein Recht bei der Vollstreckungsbehörde anmeldet.[...]
(2) Im Übrigen bleiben Rechte Dritter an dem Gegenstand bestehen. In den in § 74b bezeichneten Fällen [=gefährliche Gegestände] ordnet das Gericht jedoch das Erlöschen dieser Rechte an. In den Fällen der §§ 74 und 74a[=Tatmittel, Tatobjekte, Tatprodukte] kann es das Erlöschen des Rechts eines Dritten anordnen.“
Im Falle der Schriften (s.o.) können diese sowie Geräte, mit denen diese Hergestellt werden, u.U. unbrauchbar gemacht bzw. vernichtet werden.
Hinweis:Damit ein Gegenstand eingezogen, also vom Staat behalten wird, reicht nicht die Annahme, dass dieser Gegenstand eingezogen werden darf, nicht aus. Unter dieser Annahme darf der Gegenstand nur zeitlich beschränkt beschlagnahmt werden. Das weitere Verfahren wird von Gerichten entschieden.
Der genaue Umgang mit solchen Gegenständen ist jedoch nicht mehr Sache der Polizei und würde den Rahmen dieses Buches sprengen.
Beschlagnahme nach Länderrecht
[Bearbeiten]Nach Länderrecht sind Beschlagnahmen in den meisten Ländern zulässig, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Diese Gefahr bezieht sich dabei auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung (vgl. jurawiki.de). "Eine Gefahr für ein Rechtsgut liegt vor, wenn eine Sachlage besteht, aus der heraus der Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens wahrscheinlich ist. Wahrscheinlich ist der Schadenseintritt, wenn innerhalb vernünftiger Lebenserfahrung mit dem Schadenseintritt gerechnet werden muss." (rechtswoerterbuch.de). Ein Beispiel wäre die Beschlagnahme einer Waffe oder Drogen, aber auch eine Musikanlage bei Ruhestörungen. Außerdem dürfen Dinge beschlagnahmt werden, um den Eigentümer vor Verlust oder Beschädigung dieses Gegenstandes zu schützen (z.B. Diebesgut), um zu verhindern, dass ein Gefangener sich oder anderen etwas antut oder flüchtet (z.B. durch Wegnahme von Werkzeugen, aber auch Schlüssel oder Feuerzeuge bei der Festnahme), oder wenn es Hinweise gibt, dass diese Dinge für illegale Handlungen (Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten) benutzt werden sollen.
- §40 HSOG
„Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können eine Sache sicherstellen,
1. um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren,
2. um die Eigentümerin oder den Eigentümer oder die rechtmäßige Inhaberin oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen,
3. wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, und sie oder ein anderer die Sache verwenden kann, um
a) sich zu töten oder zu verletzen,
b) Leben oder Gesundheit anderer zu schädigen,
c) fremde Sachen zu beschädigen oder
d) die Flucht zu ermöglichen oder zu erleichtern, oder
4. wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebraucht oder verwertet werden soll.“
Beruft sich die Polizei auf den letzten Punkt, darf dies nicht willkürlich geschehen. Es muss nach polizielicher Erfahrung möglich sein und Indizien (also konkrete Hinweise) vorliegen, dass diese Dinge illegalen Zwecken dienen sollen. Es muss aber nicht klar nachgewiesen werden.
- VG Frankfurt, Urteil vom 30.01.2007
„Nach § 40 Nr. 4 HSOG können Polizeibehörden eine Sache sicherstellen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zur Begehung einer Straftat gebraucht oder verwertet werden soll. „Tatsächliche Anhaltspunkte“ rechtfertigen die Annahme, wenn es nach polizeilicher Erfahrung als möglich erscheint, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und hierfür bestimmte Indizien sprechen [...]; eines sicheren Nachweises bedarf es mithin nicht.“
Beispiel: Ein Mann K besitzt eine Winkelkelle mit der Aufschrift: "Halt! Polizei!" und führt diese in seinem Fahrzeug mit. Das ist grundsätzlich nicht strafbar, lässt aber vermuten, dass er diese gegenüber anderen Verkehrsteilnehmer benutzen wird (z.B. versucht, damit andere Autos anzuhalten), was wiederum verboten wäre. Es gibt keinen anderen plausiblen Grund, warum er sie sonst in sein Fahrzeug gelegt hat. Dies ist ein tatsächlicher Anhaltspunkt und rechtfertigt die Beschlagnhame der Winkelkelle.
- VG Frankfurt, Urteil vom 30.01.2007
„Zwar ist der Besitz einer Winkerkelle mit der hier fraglichen Aufschrift als solcher nicht verboten, doch ist eine Verwendung ebendieser Kelle faktisch ausgeschlossen, denn mit ihr wird notwendig der Eindruck erweckt, ein Polizeivollzugsbeamter treffe regelnde Anordnungen. Polizeivollzugsbeamter ist der Kläger indes nicht. Das Mitsichführendieser Kelle in einem Kfz lässt auch keinen Besitz aus bloßer Liebhaberei annehmen, sondern es aus aller Lebenserfahrung naheliegen, von ihr solle im Straßenverkehr Gebrauch gemacht werden.“
Die oben genannten Rechte beziehen sich auf Hessen und können in anderen Ländern abweichen, auch wenn sie im Wesentlichen deutschlandweit gleich sind. In Baden-Württemberg z.B. ist eine Beschlagnahme nicht zwangsläufig gerechtfertigt, wenn man davon ausgeht, dass der Gegenstand für die Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bestimmt ist, sondern nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung.
- §33 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW
„[...] zum Schutz eines Einzelnen oder des Gemeinwesens vor der Gefahr einer Straftat von erheblicher Bedeutung [...].“
Zu Straftaten erheblicher Bedeutung gehören alle Verbrechen. Nach §12 StGB spricht man von einem Verbrechen, wenn auf der Tat eine Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr steht. Das sind z.B. Tötung, Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung sowie besonders gefährliche Taten, z.B. Brandstiftung. Vergehen dagegen sind z.B. Diebstahl oder Sachbeschädigung. Hinzu kommen vor allem noch Vergehen (alle übrigen Straftaten), die das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines anderen bedrohen, wenn es sich um große Vermögenswerte handelt oder wenn es um Waffen, Betäubungsmittel (dazu gehören auch Drogen) oder Geld- und Urkundenfälschungen geht.
- §22 Abs 5
„Straftaten mit erheblicher Bedeutung sind
1. Verbrechen,
2. Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit
a) sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten,
b) es sich um Taten auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs [oder] der Geld- oder Wertzeichenfälschung [...] handelt [...].“
Wird eine Beschlagnahme in Abwesenheit des Besitzers durchgeführt, ist dieser unverzüglich darüber in Kenntniss zu setzen. Außerdem muss diese Aufgehoben werden, wenn ihr Zweck erreicht ist, z.B. wenn eine Party vorbei ist und es somit keine Anzeichen für eine erneute baldige Ruhestörung gibt. In Baden-Württemberg ist die Beschlagnahme im Regelfall auf 6 Monate begrenzt, diese Fristen sind allerdings von Land zu Land unterschiedlich. Vorsicht: Dies gilt nicht für Beschlagnahmen zur Beweissicherung, s.o.
- §33 PolG BW
„(3) Dem Betroffenen sind der Grund der Beschlagnahme und die gegen sie zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekanntzugeben. Auf Verlangen ist ihm eine Bescheinigung zu erteilen. [...]
(4) Die Beschlagnahme ist aufzuheben, sobald ihr Zweck erreicht ist. Vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelung darf die Beschlagnahme nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden.“
Wenn man bei einer theoretischen Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes diesen sofort wieder wegnehmen müsste, z.B. weil er dann erneut illegalen Zwecken dient, kann er einbezogen werden. Dann wird er Versteigert; den Erlös erhält der Betroffene. Ist dies nicht möglich, wird sie auf Kosten des Betroffenen unbrauchbar gemacht oder vernichtet.
- §34 PolG BW
„(1) Die zuständige allgemeine Polizeibehörde kann eine beschlagnahmte Sache einziehen, wenn diese nicht mehr herausgegeben werden kann, ohne daß die Voraussetzungen der Beschlagnahme erneut eintreten. Die Einziehung ist schriftlich anzuordnen.
(2) Die eingezogenen Sachen werden im Wege der öffentlichen Versteigerung [...]verwertet [...]. Der Erlös ist dem Betroffenen herauszugeben.
(3) Kann eine eingezogene Sache nicht verwertet werden, so ist sie unbrauchbar zu machen oder zu vernichten.
(4) Die Kosten der Verwertung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung fallen dem Betroffenen zur Last; sie können im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden.“
In einigen Ländern, wie Hessen, dürfen diese Maßnahmen auch ergriffen werden, wenn der Verderb oder eine wesentliche Wertminderung droht, die Verwahrung unverhältnismäßig aufwändig/teuer ist, eine sichere Verwahrung nicht möglich ist oder sie nich fristgerecht abgeholt wird. Die Möglichkeit der Abholung sowie die Frist muss dem Betroffenen natürlich mitgeteilt werden. Außerdem gilt hier eine Frist von einem Jahr, in welchem der Gegenstand gefahrlos ausgegeben werden muss, um nicht eingezogen zu werden.
- §42 Abs. 1 HSOG
„Die Verwertung einer sichergestellten Sache ist zulässig, wenn
1. ihr Verderb oder eine wesentliche Wertminderung droht,
2. ihre Verwahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder mit unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten verbunden ist,
3. sie infolge ihrer Beschaffenheit nicht so verwahrt werden kann, dass weitere Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeschlossen sind,
4. sie nach einer Frist von einem Jahr nicht an eine berechtigte Person herausgegeben werden kann, ohne dass die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden, oder
5. die berechtigte Person sie nicht innerhalb einer ausreichend bemessenen Frist abholt, obwohl ihr eine Mitteilung über die Frist mit dem Hinweis zugestellt worden ist, dass die Sache verwertet wird, wenn sie nicht innerhalb der Frist abgeholt wird.“
Beispiel:
Ein Schäferhund ist bereits auffällig geworden und greift einen Menschen trotz Schutzmaßnahmen wie Maulkorb- und Leinenpflicht ein Kind an.
Dieser Fall rechtfertigt eine Beschlagnahme zur Abwehr einer Gefahr. Da diese Gefahr bei einer Rückgabe nach wie vor bestehen würde, darf der Hund einbezogen werden. Er darf aber nicht eingeschläfert werden, bevor nicht gerichtlich darüber entschieden wurde. Nach einem Gerichtsbeschluss ist dies aber möglich, wenn sie nicht verwertet werden kann (in Form der Unbrauchbarmachung/Vernichtung, so hart das für Tierfreunde klingen mag).
Bedenke: Für Beschlagnahmen reicht die begründete Annahme, dass ein Grund für eine Beschlagnahme vorliegt; bei einer Einziehung und allen weiteren Maßnahmen (Verwertung, Unbrauchbarmachung, Vernichtung) muss diese Bedingung eindeutig feststehen und damit durch ein Gericht entschieden worden sein.
- Pressemitteilung des VG Freiburg vom 4.11.2009 nach dem Urteil vom 29.11.2009
„Dennoch [trotz verornetem Maulkorb und Leinenpflicht] habe sie [die Schäferhündin] am 18.8.2009 aus seiner Wohnung durch die geöffnete Gartentür entweichen können, sei auf die Straße gelaufen und habe dort einen sechsjährigen Jungen, [...] ins Gesäß gebissen. [...] Dieser Vorfall belege eindrücklich, dass von der Schäferhündin auch unter Obhut des Antragstellers weiterhin eine Gefahr [...] ausgehe [...]. Nachdem die Stadt schon zum Zeitpunkt der Beschlagnahme davon habe ausgehen dürfen, dass die gefährliche Schäferhündin auch nach Ablauf der sechsmonatigen Beschlagnahmefrist nicht mehr an den Antragsteller herausgegeben werden könne, weil er sich als unzuverlässig zum Halten des Hundes erwiesen habe, habe sie die Einziehung des Hundes hier ausnahmsweise zugleich mit seiner Beschlagnahme anordnen dürfen. Bevor endgültig über die Rechtmäßigkeit der Einziehung entschieden sei, fehle es aber an einem überwiegenden öffentlichen Interesse daran, den Hund sofort einzuschläfern. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die von dem Hund ausgehende Gefahr auch dann realisiere, wenn dieser dem Antragsteller weggenommen und polizeilicher Gewahrsam an ihm begründet werde.“
Hinweis: Das oben stehende Urteil wurde in Freiburg gefällt und bezieht sich somit auf das Gesetz in Baden-Württemberg, nicht etwa in Hessen. Doch auch nach Hessischem Recht wäre eine Einschläferung möglich, da die (artgerechte) Aufbewahrung eines Hundes aufwändig und teuer ist. Man kann auch argumentieren, dass dessen Verderb droht.
Beschlagnahme des Führerscheins
[Bearbeiten]Wenn man offensichtlich eine Straftat begeht, die die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge haben (wie Trunkenheit am Steuer, Gefährdung des Straßenverkehrs oder Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, vgl. §69 StGB), kann die Fahrerlaubniss auch vorläufig durch einen Richter (also außerhalb der Hauptverhandlung) entzogen und der Führerschein damit beschlagnahmt werden. Er ist wieder zurück zu geben, wenn ein Gericht anders entscheidet.
- §111a StPO
„(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Fahrerlaubnis entzogen werden wird[...], so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen.[...]
(2) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht.
(3) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt zugleich als Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme [...] Führerscheins.“