Rechte und Pflichten im Umgang mit der Polizei/ Haft
Zusammenfassung: Bestehen gegen einen Verdächtigen Flucht-oder Verdunkelungsgefahr, darf dieser auf richterlichen Befehl hin festgenommen werden. Wird ein Täter auf "frischer Tat ertappt", so darf er von jedem (!) festgehalten werden. Dasselbe gilt bei Gefahr in Verzug. Nach spätestens 24h muss eine richterliche Entscheidung vorliegen, sonst ist der Verdächtige wieder zu entlassen.
Untersuchungshaft mit Haftbefehl
[Bearbeiten]Damit eine Untersuchungshaft angeordnet werden kann, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Er muss einer Tat dringend verdächtig sein und die Tat eine ausreichende Bedeutung haben, dass die Untersuchungshaft rechtmäßig ist. Außerdem muss ein Haftgrund vorliegen. Das ist zum einen Fluchtgefahr (wenn der Verdacht besteht, dass der Täter sich durch Flucht den Ermittlungen entzieht, z.B. weil er das schon vorher getan hat oder weil er einen weiteren Wohnsitz mit ausreichend finanziellen Mitteln im Ausland hat) oder Verdunkelungsgefahr. Verdunkerlungsgefahr bedeutet, dass der Täter verdächtig ist, die Ermittlungen massiv zu behindern, z.B. durch Vernichtung von Beweismitteln oder Beeinflussen von Zeugen. Das liegt u.a. dann vor, wenn wichtige Beweise (Tatwaffe, Diebesgut etc.) noch nicht gefunden wurden.
- §112 StPO
„(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
1. festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2. bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3. das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a) Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b) auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c) andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr). […]“
Jedoch muss die Untersuchungshaft auch eine gewisse Notwendigkeit haben; die Aufklärung oder Ahndung einer Straftat muss ohne die Haft ernsthaft gefährdet sein, damit ein Haftbefehl ausgesprochen werden kann. Prinzipiell reicht dafür bereits ein einfacher Verdacht. Gibt es aber Indizien, die gegen eine Flucht-oder Verdunkelungsgefahr sprechen, darf keine Untersuchungshaft angeordnet werden. Dies gebietet sich schon aus dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit.
- BGH, Urteil vom 29.09.2017
„[Ein] Haftbefehl [ist] nur zulässig […], wenn Umstände vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass ohne die Verhaftung des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Genügen kann insoweit die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falles doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsgefahr oder die ernstliche Befürchtung, dass der Täter weitere Taten ähnlicher Art begehen werde. Wenn allerdings nach den Umständen des Einzelfalles gewichtige Gründe gegen jede Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr sprechen, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vom Erlass eines Haftbefehls […] abzusehen“
So drängt sich z.B. bei Nichtbefolgung einer gerichtlichen Ladung (nicht polizeilichen, da diese nicht befolgt werden muss, siehe Vernehmung) der Verdacht der Fluchtgefahr auf, vor allem, wenn der Angeklagte über Auslandskonten verfügt. Wenn aber die Anschuldigung dem Angeklagten länger bekannt war und dieser (trotz Möglichkeiten) keine Anstalten zur Flucht gemacht, lässt sich eine Fluchtgefahr nicht aufrecht erhalten.
- OLG Frankfurt, Urteil vom 06.02.2015
„Das gezeigte Verhalten des Angeklagten begründet nicht den Haftgrund der Fluchtgefahr. Es ist allenfalls aus dem Verhalten des Angeklagten ein Ungehorsam gegenüber der Ladung abzuleiten, aus dem sich aber nicht zugleich schließen lässt, dass er sich, käme er auf freien Fuß, dem Strafverfahren […] entziehen werde. Der Angeklagte hat nämlich in der Vergangenheit vor Beginn der Hauptverhandlung keinerlei Fluchttendenzen gezeigt, obwohl ihm das Verfahren schon länger bekannt war. Auch eventuell zur Verfügung stehende Auslandskonten haben ihn nicht veranlasst, Deutschland zu verlassen. Vielmehr hat er sich jedenfalls über die Verteidigung gemeldet, was darauf hindeutet, dass er sich dem Verfahren insgesamt stellen will“
Ähnlich sieht es bei Unstimmigkeiten aus, die sich auch nach ausführlichen Ermittlungen nicht beheben lassen. Beinhaltet die Theorie der Staatsanwaltschaft über den Tathergang Widersprüche, ist eine (weitere) Haft unzulässig.
- BGH, Urteil vom 29.11.2017
„Bleiben jedoch substanzielle Unstimmigkeiten bei der Einordnung der fraglichen Umstände als Indizien für eine geplante schwere staatsgefährdende Gewalttat, die sich auch nach umfangreichen Ermittlungen nicht beseitigen lassen, sind die Voraussetzungen eines dringenden Tatverdachts […] nicht erfüllt.“
Für eine Untersuchungshaft ist er schriftliche Befehl eines Richters (Haftbefehl) notwendig, die bei der Festnahme auszuhändigen ist (das bedeutet, dass reines Vorzeigen nicht ausreicht). Es gilt weiterhin, dass der Beschuldigte die Festnahme nicht unterstützen muss und sogar Widerstand leisten darf, wenn ihm nicht deutlich gemacht wird, dass die Festnahme rechtmäßig ist (durch Aushändigung des Haftbefehls, siehe Selbstbelastungsfreiheit und Widerstand gegen unrechtmäßige Polizeihandlungen). Außerdem muss er nach der Festnahme schriftlich über sein Rechte belehrt werden.
- §114 Abs. 1 StPO
„Die Untersuchungshaft wird durch schriftlichen Haftbefehl des Richters angeordnet.“
- §114a StPO
„Dem Beschuldigten ist bei der Verhaftung eine Abschrift des Haftbefehls auszuhändigen; beherrscht er die deutsche Sprache nicht hinreichend, erhält er zudem eine Übersetzung in einer für ihn verständlichen Sprache. […]“
- §114b Abs. 1 StPO
„Der verhaftete Beschuldigte ist unverzüglich und schriftlich in einer für ihn verständlichen Sprache über seine Rechte zu belehren […].“
Nach einer Festnahme muss der Angeklagte unverzüglich, spätestens am nächsten Tag , vor ein Gericht gebracht und vernommen werden, wo er die Möglichkeit einer eigenen Stellungnahme hat (siehe Vernehmung).
- §115 StPO
„(1) Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen, so ist er unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen.
(2) Das Gericht hat den Beschuldigten unverzüglich nach der Vorführung, spätestens am nächsten Tage, über den Gegenstand der Beschuldigung zu vernehmen.“
Vorläufige Festnahme
[Bearbeiten]Ein Verdächtiger, der auf frischer Tat erwischt oder gerade verfolgt wird, darf er bei dem Verdacht der Flucht oder unklarer Identität von jedem (also nicht nur der Polizei, sondern auch den gemeinen Bürger) festgehalten werden. Wird dies von einem Nicht-Polizisten gemacht, muss er jedoch danach die Polizei rufen (die Festnahme ist schließlich nur vorläufig) und darf keine eigenständigen Maßnahmen ergreifen.
- §127 Abs. 1 StPO
„Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen“
Dafür ist die schwere der Tat unerheblich, entscheidend ist, dass der Beschuldigte auf frischer Tat, also während oder direkt nach der Tat, festgenommen wird.
- BGH, Urteil vom 10.02.2000
„Das Festnahmerecht […] knüpft an die "Frische" und nicht an die "Schwere" der Tat an und gilt unabhängig von der Gewichtigkeit der Tat und vom Wert der Beute bei allen Verbrechen oder Vergehen.“
Polizei und die Staatsanwaltschaft dürfen darüber hinaus auch ohne Haftbefehl eine Festnahme durchführen, wenn die Voraussetzungen des Haftbefehles oder Unterbringungsbefehles vorliegen (s.o.). Dies gilt bei "Gefahr im Verzug", also wenn das Einholen des richterlichen Beschlusses den Ermittlungserfolg beeinträchtigen würde.
- §127 Abs. 2 StPO
„Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.“
Gründe für einen Unterbringungshaftbefehl liegen vor, wenn dringende Gründe dafür sprechen, dass der Beschuldigte Schuldunfähig oder vermindert Schuldfähig gehandelt hat und er in einem psychatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt untergebracht werden soll und die öffentliche Sicherheit dies erfordert. Genauer wird auf diesen Punkt nicht eingegangen, da er kaum praktische Verwendung findet.
- §126a StPO
„Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit […] begangen hat und daß [sic] seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.“
Für eine Festnahme muss ein starker Verdacht vorliegen. Im Falle des "auf frischer Tat ertappens" ist dieser in jedem Fall gegeben, ansonsten nicht zwangsläufig. Der Verdacht muss dann für den Erlass eines Haftbefehls reichen (s.o.). Tut er das nicht, darf man sich im Rahmen des Notwehrrechts dagegen wehren (siehe Widerstand gegen unrechtmäßige Polizeihandlungen).
- OLG Celle, Urteil vom 26.11.2014
„Ein leichter Verdacht rechtfertigt die Festnahme nicht. In einem solchen Fall darf der Verdächtige sein Notwehrrecht ausüben.“
Spätestens am Tag nach der Festnahme ist der Festgenommene einem Richter vorzuführen. Dort wird er vernommen und hat die Möglichkeit einer eigenen Stellungnahme. Der Richter entscheidet über den (nachträglichen) Erlass des Haftbefehls und damit der Unterbringung in Untersuchungshaft oder die Freilassung. Dafür gelten die o.g. Regeln.
- §128 StPO
„(1) Der Festgenommene ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme, dem Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk er festgenommen worden ist, vorzuführen. Der Richter vernimmt den Vorgeführten […].
(2) Hält der Richter die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder ihre Gründe für beseitigt, so ordnet er die Freilassung an. Andernfalls erläßt er […] einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl.“