Rechte und Pflichten im Umgang mit der Polizei/ Vernehmung

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Zusammenfassung: Zur Vernehmung muss nur erscheinen, wer vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft geladen wurde. Der zu Vernehmenden muss über seine Rechte und den Sachverhalt aufgeklärt werden und die Möglichkeit bekommen, einen Anwalt hinzu zu ziehen, sich jedoch nicht zur Sache äußern. Die Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden oder Folter fürt zu einem Beweisverwertungsverbot der gewonnenen Erkenntnisse.

Vernehmung des Beschuldigten[Bearbeiten]

Ein Beschuldigter ist vor der Eröffnung der Hauptverhandlung mindestens einmal zu vernehmen, womit dieser seinen Standpunkt darbringen kann. Bei einfachen Angelegenheiten kann es reichen, dass er sich schriftlich äußert.

§133 Abs. 1 StPO
„Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen […]. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.“
Quelle: dejure.org
§136 Abs. 2 StPO
„Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.“
Quelle: dejure.org

Ein Beschuldigter muss immer schriftlich geladen werden; diese muss jedoch nur befolgt werden, wenn sie von der Staatsanwaltschaft kommt. Die Polizei muss ihn daraufhin über seine Rechte belehren (dass er das Recht hat, eigene Beweisanträge zu stellen, einen Anwalt zu konsultieren und zu schweigen, siehe Aussageverweigerung) und eröffnen, was ihm zur Last gelegt wird.

§133 StPO
„Der Beschuldigte ist zur Vernehmung schriftlich zu laden“
Quelle: dejure.org
§163a StPO
„Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen“
Quelle: dejure.org
§136 Abs. 1 StPO
„Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird […]. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. […] Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen […] kann.“
Quelle: dejure.org

Außerdem ist ein Beschuldigter zu belehren, wenn vorher von ihm getätigte Auskünfte nicht verwertbar sind, z.B. weil dort eine Belehrung ausblieb.

BGH, Urteil vom 09.06.2009
„Ist eine Belehrung bei einer früheren Beschuldigtenvernehmung zu Unrecht unterblieben, ist der Beschuldigte bei einer späteren Vernehmung mit der Belehrung […] darauf hinzuweisen, dass die zuvor gemachten Angaben unverwertbar seien.“
Quelle: hrr-strafrecht.de

Die Belehrung muss jedoch nicht sofort vor dem Beginn der Vernehmung erfolgen, die Beamten haben da einen gewissen Handlungsspielraum. Entscheidend ist die Stärke des Tatverdachtes. Er darf die Beehrung aber nicht möglichst weit hinausschieben.

BGH, Urteil vom 09.06.2009
„Für den Fall der von einem Polizeibeamten durchgeführten Befragung von Auskunftspersonen ist […] zum einen die Stärke des Tatverdachts, den der Beamte gegenüber dem Befragten hegt, bedeutsam für die Entscheidung, von welchem Zeitpunkt an die Belehrung […] erforderlich ist […]. Hierbei hat der Beamte einen Beurteilungsspielraum, den er freilich nicht mit dem Ziel missbrauchen darf, den Zeitpunkt der erforderlichen Belehrung möglichst weit hinauszuschieben“
Quelle: hrr-strafrecht.de

Beispiel:

Frau F beschuldigt Herrn K, ihre Handtasche entwendet zu haben. Der Beamte, dem sie dies erzählt, fragt K, ob dies stimmt; dieser verneint. Später kommt ein weiterer Zeuge hinzu, der die Angaben von Frau F bestätigt. Außerderm wurde bei der Durchsuchung des Rucksackes von Herrn K die Handtasche dort gefunden. Der Beamte fragt Herrn K abermals, ob er sich zu der Sache äußern möchte.

Die erste Frage ist, aufgrund des geringen Verdachtes (nur die Aussage des Opfers) und der geringen Zeitspanne ohne Belehrung zulässig. Nach dem Erscheinen des zweiten Zeugen und dem Fund der Handtasche ist der Verdacht jedoch deutlich erhärtet. In diesem Fall muss vor der erneuten Frage, ob Herr K sich äußern möchte, eine Belehrung stattfinden.

Ebenso von der "Belehrungspflicht" befreit sind spontane Äußerungen des Beschuldigten ohne vorhergegangende Fragen. Auch hier dürfen aber keine Anzeichen bestehen, dass der Beamte die Belehrung bewusst hinauszögern möchte. Dieser Verdacht liegt u.a. dann vor, wenn der Beamte sich genaue Einzelheiten berichten lässt.

BGH, Urteil vom 09.06.2009
„[…] Wenn der Polizeibeamte keine gezielte Befragung durchführt, sondern lediglich passiv spontane Äußerungen eines Dritten entgegennimmt, mit denen sich dieser selbst belastet, ist […] eine Verwertbarkeit solcher Äußerungen trotz fehlender Belehrung über die Beschuldigtenrechte […] in der Regel […] zulässig […], wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Belehrungspflichten […] gezielt umgangen wurden, um den Betroffenen zu einer Selbstbelastung zu verleiten. […] Dieses erschiene jedoch zumindest dann bedenklich, wenn sich Polizeibeamte von einem Tatverdächtigen nach pauschalem Geständnis einer schweren Straftat und der unmittelbar darauf erfolgten Festnahme über eine beträchtliche Zeitspanne Einzelheiten der Tat berichten ließen, ohne den von ihnen ersichtlich als Beschuldigten behandelten Täter auf sein Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen. Ein solches Verhalten käme einer gezielten Umgehung zumindest äußerst nahe.“
Quelle: hrr-strafrecht.de

Kommt ein Beschuldigter nicht zu dessen Vernehmung, kann er vorgeführt werden, wenn Gründe vorliegen, die aus Sicht der Ermittelnden einen Haftbefehl rechtfertigen würden (siehe Vorläufige Festnahme).

§134 Abs. 1 StPO
„Die sofortige Vorführung des Beschuldigten kann verfügt werden, wenn Gründe vorliegen, die den Erlaß eines Haftbefehls rechtfertigen würden.“
Quelle: dejure.org

Wird ein solcher Vorführungsbefehl ausgegeben, muss er dem Beschuldigtem eröffnet werden, bevor weitere Maßnahmen (Unmittelbarer Zwang, Aufbrechen der Tür, etc.) zulässig sind.

BGH, Urteil vom 16.07.1980
„Voraussetzung für die Vollstreckung eines Vorführungsbefehls ist, daß dieser Befehl dem Vorzuführenden vor weiteren Maßnahmen eröffnet wurde […]. Erst nach dieser Eröffnung ist der Vorzuführende zum Gehorsam […], weil er erst dann weiß, daß und welche gesetzmäßigen Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn durchgeführt werden sollen“
Quelle: jurion.de

Bei einer Vernehmung darf ein Beschuldigter jederzeit einen Verteidiger seiner Wahl hinzuziehen. Dies schließt ein, dass die Polizei ihn einen Anwalt anrufen lässt.

§137 Abs. 1 StPO
„Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen.“
Quelle: dejurie.de

Hat der Beschuldigte die Aussage bis zur Ankunft seines Anwaltes verweigert, so darf die Vernehmung nicht fortgesetzt werden, solange keine neuen Sachverhalte, Erkenntnisse o.ä. eintreten, die die Polizei davon ausgehen lassen, dass er seine Meinung zum Schweigen ändern möchte.

BGH, Urteil vom 7.06.2013
„Ist der vom Beschuldigten benannte Verteidiger kurzzeitig - hier für einen Zeitraum von zwei Stunden - nicht erreichbar, so besteht in der Regel kein Anlass, die unterbrochene Vernehmung des Beschuldigten fortzusetzen. Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn weitere Erkenntnisse erlangt wurden oder eine neue prozessuale Situation eingetreten ist, aufgrund derer zu erwarten ist, dass sich die Auffassung des Beschuldigten geändert haben könnte. […] Allerdings kann die Vernehmung auch ohne vorherige Konsultation fortgesetzt werden, wenn der Beschuldigte dem in freier Entscheidung zustimmt. Eine solche Zustimmung kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden […]. Sie kann grundsätzlich etwa darin zu sehen sein, dass sich der Beschuldigte von sich aus spontan zur Sache äußert, obwohl eine Verteidigerkonsultation noch nicht möglich war. Dagegen liegt regelmäßig kein konkludentes Einverständnis vor, wenn der Beschuldigte lediglich Spontanäußerungen zum Randgeschehen des Tatvorwurfs tätigt.“
Quelle: hrr-strafrecht.de

Verbotene Methoden der Vernehmung sind alle jene, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit (z.B. Verabreichung von Betäubungsmitteln) oder jede Misshandlungoder Quälerei, Ermüdung, körperliche Eingriffe, die Verabreichung von Mitteln, Täuschung oder Hypnose. Hinzu kommt, dass jede also Foltermethode definierte Art der Vernehmung verboten ist (siehe EMK in Verbindung mit Art. 25 GG sowie Art. 1-19 GG). Auch die Drohung dessen oder das Versprechen von Vorteilen, die gesetzlich nicht vorgesehen sind (z.B. Straffreiheit bei Aussage gegen den Auftraggeber), sind verboten. Zuwiderhandlungen dagegen ziehen ein Beweisverwertungsverbot mit sich.

§136a StPO
„(1) Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Mißhandlung [sic], durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. […] Die Drohung mit einer nach seinen Vorschriften unzulässigen Maßnahme und das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten.

(2) Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen, sind nicht gestattet.“

Quelle: dejure.org

Eine Täuschung ist z.B. die Behauptung, ein Zeuge hätte ihn bereits belastet, obwohl dies nicht stimmt. Auch das Verschweigen des Ermittlungsstandes kann eine Täuschung sein. Dazu gehört z.B. die Behauptung, man ermittle wegen einer vermissten Person, obwohl die Leiche bereits gefunden wurde und es sich in Wahrheit um ein Tötungsdelikt handelt.

BGH, Urteil vom 31.05.1990
„Es stellt eine unzulässige Täuschung des zu Vernehmenden dar, wenn diesem, obwohl die Leiche bereits aufgefunden worden ist und wegen eines Tötungsdelikts ermittelt wird, erklärt wird, er werde in einer Vermißtensache [sic] vernommen.“
Quelle: jurion.de

Vernehmung eines Zeugen[Bearbeiten]

Zeugen müssen einer Ladung nur folgen, wenn diese von einem Richter kommt. Auch sind sie dann nur zur (wahrheitsgemäßen) Aussage verpflichtet, soweit sie kein Zeugnisverweigerungsrecht haben (siehe Aussageverweigerung).

§48 Abs. 1 StPO
„Zeugen sind verpflichtet, zu dem zu ihrer Vernehmung bestimmten Termin vor dem Richter zu erscheinen. Sie haben die Pflicht auszusagen, wenn keine im Gesetz zugelassene Ausnahme vorliegt.“
Quelle: dejure.org

Sollte ein Zeuge nicht erscheinen, muss er die entstandenen Kosten tragen und mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft rechnen, sofern er sich nicht rechtzeitig entschuldigt hat oder sein fernbleiben unverschuldet war (z.B. wegen eines Unfalls).

§51 StPO
„(1) Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Auch ist die zwangsweise Vorführung des Zeugen zulässig […]. Im Falle wiederholten Ausbleibens kann das Ordnungsmittel noch einmal festgesetzt werden.

(2) Die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung […] nicht rechtzeitig, so unterbleibt die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, daß den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. […]“

Quelle: dejure.org

Zu Beginn der Vernehmung hat der Zeuge ein Recht darauf zu erfahren, weshalb und gegen wen (wenn es einen Verdächtigen gibt) ermittelt wird. Ist der Zeuge gleichzeitig Opfer der Tat, hat dieser das Recht, sich über die Auswirkungen der Tat zu äußern (z.B. finanzielle, aber auch seelische Schäden, notwendige ärztliche Behandlungen und bleibende Schäden nach einer Körperverletzung, etc.), auch wenn er dazu nicht explizit gefragt wurde.

§69 StPO
„(1) […]Vor seiner Vernehmung ist dem Zeugen der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten, sofern ein solcher vorhanden ist, zu bezeichnen.

(2) […] Zeugen, die durch die Straftat verletzt sind, ist insbesondere Gelegenheit zu geben, sich zu den Auswirkungen, die die Tat auf sie hatte, zu äußern.“

Quelle: dejure.org

Ansonsten gelten die oben genannten Regeln zu verbotener Vernehmungsmethoden und Belehrung entsprechend (vgl. §57 StPO und Gesetze der Länder, bspw. §35 PolG BW). Die Fragen, die einem Zeugen gestellt werden, müssen dem Sachverhalt dienen. Besondere Rücksicht muss dabei auf den persönlichen Lebensbereich und etwaige Vorstrafen genommen werden; derartige Fragen sind nur erlaubt, wenn sich tatsächlich (zur Sachverhaltsaufklärung) notwendig sind.

§68a StPO
„(1)Fragen nach Tatsachen, die dem Zeugen oder einer Person, die […] sein Angehöriger ist, zur Unehre gereichen können oder deren persönlichen Lebensbereich betreffen, sollen nur gestellt werden, wenn es unerläßlich ist.

(2) […] Der Zeuge soll nach Vorstrafen nur gefragt werden, wenn ihre Feststellung notwendig ist […].“

Quelle: dejure.org

Ähnliches gilt für die Identität. Diese muss bei einer Vernehmung wahrheitsgemäß angegeben werden (siehe Ausweispflicht). Besteht dadurch jedoch eine begründete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Zeugen, darf diese Angabe ausgelassen werden. Ob eine solche Gefahr besteht entscheidet jedoch das Gericht.

§68 Abs. 3 StPO
„Besteht ein begründeter Anlass zu der Besorgnis, dass durch die Offenbarung der Identität oder des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen Leben, Leib oder Freiheit des Zeugen oder einer anderen Person gefährdet wird, so kann ihm gestattet werden, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen.“
Quelle: dejure.org

Erleidet ein Zeuge durch die Vernehmung (finanzielle) Schäden, z.B. Fahrtkosten oder auch versäumen wichtiger Termine, Verdienstausfall o.ä., kann dieser Entschädigung erhalten (vgl. § 71 StPO).