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Definition der Exponentialfunktion[Bearbeiten]
In den folgenden Abschnitten werden wir die Exponentialfunktion definieren. Es gibt zwei Möglichkeiten, diese zu definieren. Wir werden beide Ansätze vorstellen. Anschließend zeigen wir, dass beide Definitionen äquivalent sind.
Angenommen, wir suchen eine differenzierbare Funktion
, für die gilt
für alle
.
Das ist eine Frage, die nicht nur einen Mathematiker interessiert. Beispielsweise sucht ein Biologe eine Funktion, die die Anzahl der Bakterien in einer Bakterienkultur beschreibt. Dabei weiß er, dass das Wachstum dieser Bakterienkultur proportional zur Anzahl der Bakterien ist. Zur Vereinfachung hat er diesen Proportionalitätsfaktor auf
gesetzt.
Es bietet sich sofort eine einfache Möglichkeit an:
für alle
. Das ist erstens eine ziemlich langweilige Funktion und zweitens löst sie das Problem des Biologen auch nicht, denn in seiner Bakterienkultur sind ja mehr als
Bakterien.
Die Frage ist nun, ob es weitere Funktionen
mit dieser Eigenschaft gibt. Zunächst stellen wir fest, dass für alle
und alle Funktionen
mit
gilt, dass auch
differenzierbar ist und
gilt.
Wir fordern nun zusätzlich, dass
gilt. Als Ansatz wählen wir ein Polynom
für ein
. Wegen
muss
gelten.
Nun leiten wir das Polynom ab, um eine Bedingung für die restlichen Koeffizienten
zu erhalten. Für alle
gilt
Damit für alle
gilt
, müssen die Koeffizienten vor den
bei
und
gleich sein. Somit muss für alle
folgende Gleichung erfüllt sein:
.
Da wir zusätzlich wissen, dass
, folgt rekursiv
für alle
. Insbesondere gilt also
. Betrachten wir nun die Gleichungen mit den Koeffizienten vor den
, stellen wir jedoch fest, dass
gelten muss. Denn der Koeffizient vor
in der Ableitung von
ist gleich
.
Nun haben wir ein Problem. Egal, welches Polynom
wir wählen, wir bekommen nie eine Lösung unseres Problems. Daher müssen wir unseren Ansatz ein wenig modifizieren. Wenn der Grad des Polynoms
größer wird, scheint unsere Annäherung immer besser zu werden. Es gilt nämlich
. Also ist der neue Ansatz
Wir kümmern uns zunächst nicht darum, ob diese Funktion überhaupt wohldefiniert ist, d.h., ob die Reihe
für jedes
konvergiert. Wir setzen nun für alle
wie oben
. Damit haben wir
.
Als nächstes überprüfen wir, ob unsere Anforderungen von der Funktion wirklich erfüllt werden. Es gilt
. Wir nehmen nun an, dass diese Funktion differenzierbar ist und die Ableitung analog zur Ableitung von Polynomen berechnet werden kann. Das müsste man natürlich noch beweisen. Dann gilt für alle
Annäherung der Exponentialfunktion durch die

-te Partialsumme der Reihendarstellung
Definition (Exponentialfunktion)
Wir definieren die Exponentialfunktion
durch
Diese Definition können wir auf die komplexen Zahlen ausweiten:
Definition (Exponentialfunktion)
Wir definieren die Exponentialfunktion
durch
Wir zeigen nun, dass die Exponentialfunktion wohldefiniert ist, d.h. für jedes
ist die Reihe
konvergent.
Proof (Wohldefiniertheit der Exponentialfunktion)
Sei
.
Fall 1: 
Es gilt
Fall 2: 
Historisch wurde die Exponentialfunktion auf eine andere Art und Weise entdeckt.
Jakob Bernoulli untersuchte die Zins- und Zinseszinsrechnung einer Bank:
Ein Kunde geht in eine Bank und zahlt einen Betrag von einem Euro auf ein Konto ein. Die Bank gewährt ihm eine jährliche Verzinsung von
.
Damit erhält der Kunde nach dem ersten Jahr einen Betrag von
zurück. Der eingezahlte Betrag verdoppelt sich also jedes Jahr.
Nun hat die Bank aber ein weiteres Angebot, nämlich eine halbjährliche Verzinsung um jeweils
. Ist dieses Angebot besser für den Kunden?
Nach den ersten 6 Monaten steht der Kontostand bei
und nach einem Jahr dann bei
. Der Kunde verdient also mehr als beim ersten Angebot. Jedes Jahr wächst der Kontostand auf das
-fache!
Genauso können wir weitermachen: Bei einer monatlichen Verzinsung mit dem Faktor
erhält der Kunde
.
Bei einer täglichen Verzinsung wäre der Wachstumsfaktor gleich
.
Oder falls sogar jede Sekunde die Zinsen ausgezahlt würden:
.
Die Frage drängt sich auf, welcher Wachstumsfaktor bei einer kontinuierlichen Verzinsung auftritt. Dazu betrachten wir den Grenzwert
Das Ergebnis dieses Grenzwerts liefert genau die Eulersche Zahl
.
Ein jährlicher Zinssatz von
ist jedoch unüblich, besonders in der heutigen Zeit. Uns hindert nichts daran, unsere Überlegungen auf einen beliebigen Zinssatz
zu übertragen (bisher war
). Teilt man die Auszahlung der Zinsen auf
gleich große Zeiträume auf, so wächst das Guthaben bei jeder Verzinsung um den Faktor
. Nach einem Jahr ist der Kontostand
demnach auf das
-fache angestiegen. Für eine kontinuierliche Verzinsung untersuchen wir den Grenzwert
Es stellt sich heraus, dass dieser Grenzwert für alle
existiert. Er liefert gerade den Wert der Exponentialfunktion an der Stelle
.
So erhalten wir folgende Definition:
Annäherung der Exponentialfunktion durch

Definition (Folgendarstellung der Exponentialfunktion)
Die Exponentialfunktion ist definiert als
Wir können diese Definition auf komplexe Zahlen ausweiten, auch wenn die Vorstellung von imaginärem Zinssatz nicht realistisch ist.
Definition (Folgendarstellung der Exponentialfunktion)
Die Exponentialfunktion ist definiert als
Diese Darstellung ist äquivalent zur oberen Definition durch die Reihendarstellung, was wir im Folgenden noch beweisen werden.
Äquivalenz von Reihen- und Folgendarstellung[Bearbeiten]
In den letzten beiden Absätzen haben wir die Reihen- und die Folgendarstellung der Exponentialfunktion kennengelernt. Nun zeigen wir, dass beide Definitionen äquivalent sind.
Theorem (Äquivalenz der Reihen- und Folgendarstellung)
Für alle
gilt
Insbesondere existiert der Grenzwert aus der Folgendarstellung für alle
.
Proof (Äquivalenz der Reihen- und Folgendarstellung)
Wir schreiben
für
.
Für alle
gilt
Es gilt
Somit erhalten wir
Daraus ergibt sich
Es folgt schließlich