Wir entwickeln neue, interaktive Formate für die Hochschulmathematik. Nimm dir maximal 15 Minuten Zeit, um an unserer Umfrage teilzunehmen.
Mit deinem Feedback machen wir die Mathematik für dich und andere Studierende leichter zugänglich!
Das Quotientenkriterium erlaubt Konvergenz- und Divergenzbeweise bei vielen konkret gegebenen Reihen und wird deswegen häufig eingesetzt. Es ist zwar bei weniger Reihen einsetzbar als das Wurzelkriterium, jedoch sind Beweise mit dem Quotientenkriterium in der Regel einfacher zu führen als solche mit dem Wurzelkriterium.
Das Quotientenkriterium wurde erstmals vom Mathematiker und Physiker Jean-Baptiste le Rond d’Alembert veröffentlicht, zu dessen Ehren es auch d’Alembertsches Konvergenzkriterium genannt wird.[1]
Genau wie beim Wurzelkriterium wird beim Quotientenkriterium die Konvergenz einer Reihe über das Majorantenkriterium auf die Konvergenz einer geometrischen Reihe zurückgeführt. Sei also eine gegebene Reihe mit für alle . Die Forderung, dass die Reihe nur nichtnegative Summanden besitzt, brauchen wir für das Majorantenkriterium. Wir wissen, dass die Reihe konvergiert, wenn es ein mit für alle gibt. Dies folgt aus dem Majorantenkriterium und der Tatsache, dass die geometrische Reihe für konvergiert.
Beim Wurzelkriterium wird die Ungleichung direkt zu umgeformt. Beim Quotientenkriterium wählt man ein rekursives Kriterium, das impliziert. Zunächst wissen wir, dass sein muss. Im Rekursionsschritt brauchen wir eine Bedingung, mit der man aus der Ungleichung die Ungleichung schließen kann. Gehen wir also davon aus, dass wir bereits bewiesen haben. Es gilt dann (wenn wir davon ausgehen, dass ist):
Um zu beweisen, genügt es aufgrund der obigen Umformung auch zu zeigen. Dies reduziert sich weiter zu der Ungleichung , welche wir zeigen müssen. Hierzu benötigen wir die Aussage , die wir im Folgenden annehmen. Aus der Bedingung können wir wiederum folgern, dass und damit auch ist. Nun haben wir eine Idee, was wir zu zeigen haben und welche Induktionsannahmen wir treffen werden.
Aus und können wir zeigen, dass ist und die Reihe somit nach dem Majorantenkriterium konvergiert. Ein Beweis ist hier über vollständige Induktion möglich. Zunächst haben wir den Induktionsanfang direkt gegeben. Im Induktionsschritt gehen wir davon aus, dass wahr ist und können damit folgern
Die Konvergenz einer Reihe hängt nicht vom Wert von endlich vielen Summanden ab. Das heißt, die Änderung endlich vieler Summanden beeinflusst die Konvergenz der Reihe nicht. Dementsprechend kann man vermuten, dass die Bedingung nicht benötigt wird. Wenn wir nur die Bedingung annehmen, dann erhalten wir
Insgesamt erhalten wir so . Dies reicht aus, um mit Hilfe des Majorantenkriteriums die Konvergenz zu zeigen, weil eine konvergente Reihe ist. Damit kann man allein aus für alle die Konvergenz der Reihe zeigen.
Wir können weiter verallgemeinern, indem wir nur für fast alle anstatt für alle natürlichen Zahlen fordern. Sei die erste natürliche Zahl, ab der für alle gilt. Dann ist
Insgesamt erhalten wir so . Indem man setzt, folgt die Ungleichung und somit:
Damit konvergiert die Reihe nach dem Majorantenkriterium. Es reicht also, nur für fast alle zu fordern.
Die Bedingung, dass für ein festes mit und für fast alle ist, kann auch mit dem Limes superior ausgedrückt werden. Diese Bedingung gilt nämlich genau dann, wenn ist.
Einerseits folgt aus für fast alle , dass der größte Häufungspunkt, also der Limes superior, von kleiner als und damit kleiner als ist.
Sei andererseits . Dann ist für alle die Ungleichung für fast alle erfüllt. Wegen kann ein so klein gewählt werden, dass ist. Setzen wir . Dann ist zum einen und zum anderen ist für fast alle .
Zusammenfassung: Aus folgt zunächst für ein , dass für fast alle ist. Daraus folgt die Konvergenz der Reihe .
In der obigen Argumentation haben wir nur Reihen betrachtet, deren Summanden nichtnegativ sind. Was passiert mit Reihen , bei denen einige Summanden negativ sind?
Wir können obige Argumentation zumindest auf die Reihe anwenden. So können wir die absolute Konvergenz beweisen, die ja auch die normale Konvergenz der Reihe impliziert. Bei Reihen mit nichtnegativen Summanden ändert sich beim Übergang von auf nichts, da für solche Reihen die Gleichung für alle erfüllt ist. Wir können also zusammenfassen:
Lässt sich mit einer ähnlichen Argumentation auch die Divergenz einer Reihe beweisen? Schauen wir uns an. Wenn der Quotient im Betrag größer gleich eins ist, dann ist
Wenn also ab einem beliebigen Index für alle nachfolgenden Indizes die Ungleichung erfüllt ist, dann wächst die Folge ab dem Index monoton. Diese Folge kann keine Nullfolge sein, da sie nach dem Folgenglied monoton wächst und . Wenn aber keine Nullfolge ist, dann ist auch keine Nullfolge. Daraus folgt nach dem Trivialkriterium, dass die Reihe divergiert. Das Trivialkriterium besagt ja, dass wäre, wenn die Reihe konvergieren würde. Fassen wir zusammen:
Ist für fast alle erfüllt, dann ist keine Nullfolge. Die Reihe divergiert nach dem Trivialkriterium.
Sei eine Reihe mit für alle . Wenn ist, dann ist die Reihe absolut konvergent.
Wenn für fast alle ist (also für alle für ein bestimmtes ), dann ist die Reihe divergent.
Fassen wir die obige Herleitung in einem Beweis zusammen:
Beweis (Quotienten-Kriterium für Konvergenz)
Sei eine Reihe mit Summanden ungleich Null.
Beweisschritt: Konvergenz mit dem Quotientenkriterium
Sei . Wir wählen nun so klein, dass ist. Wegen existiert dieses (beispielsweise kann gewählt werden). Aus den Eigenschaften des Limes superior folgt, dass für fast alle die Ungleichung erfüllt ist. Es gibt also eine natürliche Zahl , sodass für alle ist. Es folgt:
Insgesamt erhält man so . Indem man setzt, folgt die Ungleichung und somit:
Damit konvergiert die Reihe nach dem Majorantenkriterium. Dies bedeutet wiederum, dass absolut konvergiert.
Beweisschritt: Divergenz mit dem Quotientenkriterium
Sei nun eine natürliche Zahl, sodass für fast alle . Es ist dann für alle :
Damit wächst die Folge ab dem Index monoton. ist keine Nullfolge, weil ist (wegen ). Damit ist aber auch keine Nullfolge. Aus dem Trivialkriterium für Reihen folgt, dass die Reihe divergiert.
Die gerade behandelte Voraussetzung für die Divergenz lässt sich mit Hilfe des Limes inferior verschärfen. So ist das Kriterium leichter anzuwenden. Gilt , folgt daraus für fast alle . Also divergiert die Reihe. Die umgekehrte Richtung muss nicht gelten. Aus für fast alle muss nicht folgen, da die Folge nicht zwangsläufig einen kleinsten Häufungspunkt besitzt. Es handelt sich also um eine stärkere Voraussetzung für die Divergenz der Reihe.
Hinweis
Ist , dann gibt es ein mit für fast alle , womit die Reihe absolut konvergiert. Analog divergiert die Reihe, wenn ist.
Bei können wir nichts über Konvergenz bzw. Divergenz der Reihe aussagen. Es gibt nämlich sowohl konvergente als auch divergente Reihen, die diese Bedingung erfüllen. Ein Beispiel hierfür ist die divergente Reihe :
Auch die konvergente Reihe erfüllt diese Gleichung:
Wir können also aus weder folgern, dass die Reihe konvergiert, noch, dass sie divergiert. Wir müssen in einem solchen Fall ein anderes Konvergenzkriterium verwenden.
Vorgehen bei der Anwendung des Quotientenkriteriums
Untersuche die Reihe auf Konvergenz bzw. Divergenz.
Wie kommt man auf den Beweis?
Wir haben . Schauen wir uns nun an
Nun ist und damit auch . Daraus folgt, dass für alle und damit insbesondere für fast alle . Aus dem Quotientenkriterium folgt, dass die Reihe divergiert.
Beweis
Die Reihe divergiert, denn für ist
Hinweis
Du weißt vielleicht schon, dass ist. Dementsprechend kannst du alternativ auch den Beweis darüber führen, dass . Diese Argumentation kann aber nur angewandt werden, wenn bereits in der Vorlesung bewiesen wurde.
Untersuche für welche die Reihe konvergiert, absolut konvergiert bzw. divergiert.
Beweis
Wir nutzen das Quotientenkriterium mit :
Damit folgt
Weil der Grenzwert existiert, stimmen Limes superior und Limes inferior überein. Also gilt
Uns interessiert für welche Konvergenz, absolute Konvergenz und Divergenz vorliegt. Aus dem Quotientenkriterium folgt, dass die Reihe absolut konvergiert, wenn ist. Im Fall folgt mit dem Quotientenkriterium widerum die Divergenz der Reihe. Den Fall müssen wir extra untersuchen:
Fall 1:
Wir wollen herausfinden, für welche die Ungleichung gilt. Durch Umformungen finden wir:
Für oder , wenn also gilt, konvergiert die Reihe absolut.
Fall 2:
Hier gilt:
Für oder bzw. für divergiert die Reihe.
Fall 3:
Zuletzt gilt
Da das Quotientenkriterium hier keine Konvergenzaussage liefert, müssen wir die beiden Fälle einzeln untersuchen:
Fall 1:
Es gilt
Da es sich um die harmonische Reihe handelt, divergiert diese.
Fall 2:
Es gilt
Die Reihe ist nach dem Leibniz-Kriterium konvergent, jedoch nicht absolut konvergent, da als harmonische Reihe divergiert.
Vergleich zwischen Quotienten- und Wurzelkriterium
Das Quotientenkriterium lässt sich bei einigen Reihen wesentlich leichter anwenden als das Wurzelkriterium. Ein Beispiel ist die Reihe , deren Konvergenz man mit dem Quotientenkriterium gut beweisen kann:
Im Wurzelkriterium muss man folgenden Grenzwert betrachten:
Hier ist unklar, ob und wogegen eine Konvergenz vorliegt. Dass schnell anwächst, könnte für eine Nullfolge sprechen. Allerdings wird die Folge durch das Ziehen der -ten Wurzel stark abgeschwächt. Tatsächlich lässt sich zeigen (und damit folgt ). Dieser Beweis ist jedoch sehr aufwändig. Ähnlich verhält es sich bei der Reihe . Mit dem Quotientenkriterium erhalten wir
Damit ist die Folge divergent nach dem Quotientenkriterium. Im Wurzelkriterium haben wir folgenden Grenzwert zu betrachten:
Man kann beweisen, dass diese Folge gegen konvergiert. Das ist jedoch aufwendig und erfordert zusätzliche Konvergenzkriterien, die oftmals in einer Analysis-Grundvorlesung nicht zur Verfügung stehen. In beiden Fällen ist die Lösung mit dem Quotientenkriterium einfacher.
Allerdings gibt es auch Reihen, die mit dem Wurzelkriterium lösbar sind und bei denen das Quotientenkriterium nicht anwendbar ist. Ein Beispiel dafür ist die Reihe
Das Quotientenkriterium ist hier nicht anwendbar. Für die Quotientenfolge gilt nämlich
Damit ist , da die Quotientenfolge für ungerade wegen nach oben unbeschränkt ist. Andererseits gilt für alle geraden und damit für unendlich viele Quotienten. Insgesamt müssen wir aber feststellen, dass das Quotientenkriterium nicht anwendbar ist. Hingegen liefert das Wurzelkriterium
Damit ist und die Reihe konvergiert absolut. Damit ist im obigen Beispiel das Wurzelkriterium anwendbar, während das Quotientenkriterium kein Ergebnis ergibt. Insgesamt ist es so, dass das Wurzelkriterium einen größeren Anwendungsbereich als das Quotientenkriterium hat. Auf jede Reihe, deren Konvergenzverhalten mit dem Quotientenkriterium feststellbar ist, kann auch das Wurzelkriterium angewendet werden. Dies folgt aus folgender Ungleichung:
Hier wird offensichtlich: Ist , so ist automatisch . Ist , ist automatisch . Ist also das Quotientenkriterium anwendbar, ist immer das Wurzelkriterium anwendbar. Die Umkehrung gilt nicht, wie es das obige Beispiel zeigt. Wir verzichten hier auf den etwas theoretischen und langwierigen Beweis der Ungleichung. Fortgeschrittene können sich gerne an der entsprechenden Übungsaufgabe versuchen.
Falls das Quotientenkriterium in obiger Form scheitert, weil beispielsweise ist, gibt es eine verschärfte Form, bei der man die Quotientenfolge genauer abschätzen muss. Sie nennt sich Kriterium von Raabe und ist nach dem Schweizer Mathematiker Joseph Ludwig Raabe benannt.
Das Kriterium von Raabe lässt sich oft nicht so leicht wie das Quotientenkriterium anwenden und wird in den Grundvorlesungen häufig nicht behandelt. Deshalb erwähnen wir es hier nur und verzichten auf eine Herleitung. Fortgeschrittenen, die das Kriterium herleiten möchten, empfehlen wir die entsprechende Übungsaufgabe. Das Kriterium von Raabe lautet
Satz (Raabe-Kriterium)
Ist für fast alle mit einer Konstanten , konvergiert die Reihe absolut.
Ist für fast alle , divergiert die Reihe .
Beispiel (Raabe-Kriterium)
Sehr einfach lässt sich mit dem Raabe-Kriterium die Divergenz der harmonischen Reihe zeigen. Hier ist nämlich . Für alle gilt damit
Also divergiert die Reihe.
Beispiel (Konvergenz mit dem Raabe Kriterium)
Etwas schwerer ist es die Konvergenz der Reihe zu zeigen. Hier gilt für :