Wie mein Buch auf die Welt kommt/ Das Buch als Objekt

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Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Buchformen
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Was ein Buch (nicht) kann


1964 beschloss die UNESCO eine Empfehlung eines internationalen Standards für die statistische Erfassung der Buch- und Zeitschriftenproduktion, die auch eine Definition des Buches enthält. “A book is a non-periodical printed publication of at least 49 pages, exclusive of the cover pages, published in the country and made available to the public.”[1] Wikipedia[2] definiert einige andere physikalische Aspekte und erwähnt auch, dass es ein digitales Pendant gibt. „Ein Buch (auch Kodex) ist eine mit einer Bindung und meistens auch mit Bucheinband (Umschlag) versehene Sammlung von bedruckten, beschriebenen, bemalten oder auch leeren Blättern aus Papier oder anderen geeigneten Materialien. […] Elektronisch gespeicherte Buchtexte nennt man digitale Bücher (Englisch e-book).” Den beiden Varianten der Begriffserklärung kann man zwei Hauptinformationen entnehmen. Zum einen, dass das Buch ein Materialobjekt ist und dass die sachbezogenen Sichtweisen von Bücherproduzenten und Buchhändlern geprägt wurden und zum anderen, dass es als eine Art Behälter für Information dient.

Einen wesentlich umfassenderen Ansatz finden wir bei der deutschen Buchwissenschaftlerin Ursula Rautenberg. „Als materielles bzw. physisches Objekt oder elektronisches Speichermedium ist das Buch Produkt eines handwerklich oder maschinell geprägten Herstellungsprozesses. Es besteht aus einem Trägermaterial [...] und den darauf aufgebrachten Sprach- und Bildzeichen [...]. [...] In der Buch-Kommunikation findet Sprache die ihr gemäße Ausdrucks- und Überlieferungsform durch das Medium der Schrift.”[3]

Rautenbergs Definition ist im Unterschied zu anderen Begriffsbestimmungen so weit gefasst, dass es das klassische, gedruckte, gebundene Buch und auch seine handschriftlichen Vorläufer sowie digitalen Nachfolger in ihren verschiedenen Ausprägungen einschließt. Also von den assyrischen Tontäfelchen und ägyptischen Papyrusrollen über die Pergamentkodizes der mittelalterlichen Klosterskriptorien zu den Inkunabeln aus den Anfängen des Buchdrucks. Und im digitalen Zeitalter sind es die virtuellen Bücher. Sie brauchen als Träger ein elektronisches Gerät, welches die verschiedenen digitalen Speicherformate wie WIKI, DOC, PDF, EPUB, HTML usw. lesen und dann auf einem Bildschirm erscheinen lassen kann. Wahrscheinlich denkt man dabei an den Computerbildschirm sowie die Displays von Smartphones, Tablets oder E-Readern. Auch wenn es ungewöhnlich erscheinen mag, als Interface zwischen Mensch und Buch könnte auch ein Beamer, eine Software zum Vorlesen oder die Braillezeile zum Einsatz kommen.

Einen weiteren interessanten Ansatz liefert Vincent Kaufmann mit einer Liste der spezifischen Merkmale des Buches, welche in ihren Grundzügen auf Régis Debray zurückgehen. In seinem Vorschlag setzt sich die Einzigartigkeit des Buches aus elf Kategorien zusammen:

Darst. 1: Kategorien des Buches nach Vincent Kaufmann[4]

1. Sprache
2. Schriftform
3. Datenträger
4. Format
5. Einband und Bindung
6. Drucktechnik
7. Gliederungsnormen
8. Herausgeber
9. Autoren und Autorinnen und deren Rechte
10. Büchermarkt (nicht nur Handel)
11. Begleitinstitutionen (Bildungseinrichtungen, Literaturkritik, ...)

Im Allgemeinen gehen wir davon aus, dass ein Buch ein Artefakt, ein von Menschen gemachtes Ding ist. Eine Autorin/ein Autor schreibt seine Gedanken nieder, ein Verlag entscheidet sich, das Manuskript herauszubringen, eine Druckerei stellt es her und der Kunde kann es dann in einem Buchladen in die Hand nehmen, durchblättern und schließlich kaufen. Nach dem Auslesen kann es weitergegeben oder ins Regal gestellt werden.[5] Bücher sind Gebrauchsgegenstände wie andere Dinge auch, eine gewisse Zeit nützlich. Einmal unnütz geworden, werden sie entsorgt. Wir Menschen verfügen nach Belieben über sie, weil wir überzeugt sind, dass „die Dinge keine Akteure sind, von denen wir einen Aufstand oder die stumme Verweigerung Bartlebys befürchten müssen.”[6] Böhme bezieht sich hier auf eine Geschichte von Hermann Melville, in der ein zuerst fleißiger Kanzleischreiber namens Bartleby es immer öfter ablehnt, bestimmte Arbeiten zu verrichten, wodurch er zunehmend in Schwierigkeiten gerät.

Doch angesichts der Tatsache, dass uns inzwischen unzählige solche Artefakte umgeben, nicht nur Bücher, auch andere Gebrauchsgegenstände aller Art, stellt sich die Frage, ob unser Umgang mit Objekten wirklich so problemlos ist, wie wir annehmen. Der ungarische Professor für Psychologie Mihaly Csikzentmihalyi, bekannt geworden durch seine Flow-Theorie, weist darauf hin, dass wir uns einer anthropozentrischen Illusion hingeben, wenn wir glauben, dass wir Herr über die uns umgebenden Objekte und damit auch über deren Wahrnehmung durch uns sind.[7]

Quellen

  1. UNESCO 1964, o. S.
  2. Wikipedia 2014d, o. S. w: Buch
  3. Rautenberg 2013, S. 83
  4. Kaufmann 2008, S. 37
  5. Vgl. Rötzer 2002, S. 215
  6. Boehme 2006, S. 43
  7. Vgl. Boehme, 2006, S. 94